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h)ausgedruckt: Das Haus
from smarlive 2-2021
(h)ausgedruckt
Aus dem Drucker
ES KLINGT FUTURISTISCH – UND IST DOCH WIRKLICHKEIT: NACH NUR ZEHN MONATEN BAUZEIT IST DEUTSCHLANDS ERSTES HAUS AUS EINEM 3D-BETONDRUCKER BEZUGSFERTIG. ALS SMART HOME KONZIPIERT, WURDE ES MIT GEBÄUDETECHNIK VON GIRA AUSGERÜSTET.
Foto: Detlef Podehl d as Haus, das aus dem Drucker kam, steht im nordrhein-westfälischen Beckum, geplant von den ortsansässigen Mense-Korte ingenieure + architekten, die das Projekt auch in der Bauleitung bis zur Fertigstellung begleitet haben. Entstanden ist ein zweigeschossiges Einfamilienhaus mit etwa 160 Quadratmetern Wohnfläche und einer weichen Formensprache, die ohne Ecken und Kanten auskommt.
Weltweit betrachtet ist es nicht das erste seiner Art – doch in vielerlei Hinsicht das ausgereifteste. Einer der entscheidenden Unterschiede zu bereits existierenden Gebäuden aus dem Drucker ist, dass dort Wandkonstruktionen meist ungedämmt sind – was in Deutschland gar nicht zugelassen ist. Die große Herausforderung bestand deshalb in der EnEV-konformen Planung. Entscheidend war hier die Konstruktion des Hauses: Sie basiert auf dreischaligen Wänden, die mit Isoliermasse verfüllt wurden. Da der Druck in Schichten erfolgt, wirkt jede Wand außen und innen so, wie mit einem immensen Kammzugputz versehen.
Und noch eine wesentliche Neuerung weist das Gebäude in Beckum auf: So war der Druck einer einfachen Wand zwar früher bereits möglich, doch jetzt wurden Tür- und Fensteröffnungen sowie Aussparungen in den Druckprozess integriert. Während des Druckvorgangs berücksichtigte der Drucker auch die später zu verlegenden Leitungen und Anschlüsse für die gebäudetechnische Ausstattung. Wo etwa eine Steckdose geplant war, stoppte der Drucker und begann hinter ihr erneut. Dann wurde eine Leerdose eingesetzt oder bei größeren Aussparungen ein Edelstahlblech darübergelegt. In Beckum mussten somit keine Schlitze mehr nachträglich geklopft werden.
Zuvor hatten Architekt und Bauherr am Computer ein 3-DModell des Hauses entworfen, in das sämtliche Fenster und Türen, jede Steckdose, jede Versorgungsleitung einprogrammiert waren. Anschließend übersetzte ein Computer die Informationen und steuerte damit den Spritzroboter, der einen Spezialbeton aus einem Silo saugte und die Mauern aufschichtete – fast wie mit einer Sahnespritze – und dabei die für das Haus typischen runden Formen erzeugte.
DER SCHICHTENAUFBAU DER WÄNDE IST EIN KLARES ZEICHEN, DASS DAS HAUS AUS EINEM 3D-DRUCKER STAMMT. TÜR- UND FENSTER- ÖFFNUNGEN WURDEN DABEI AUSGESPART.
aus beton gedruckt
Dieser spezielle 3D-Betondruck verlangte eine ganzheitliche Sichtweise auf den Bauprozess, in den auch die Elektroplanung frühzeitig mit einbezogen werden sollte. Die Smart HomePlanung übernahm System-Integrator Michael Freudenreich von HomeTEC solution und sie ähnelt im Prinzip der eines klassisch errichteten Neubaus: Gesteuert wird das installierte KNX System vom kompakten Server Gira X1 in Verbindung mit dem Fernwartungsmodul Gira S1, als Bediengeräte kamen zwei Gira G1 auf jeder Etage zum Einsatz. Die übrigen Funktionen werden über den neuen Gira Tastsensor 4 geregelt. Die Steckdosen sind in die gerundete Designlinie Gira E3 integriert. Die Türkommunikation erfolgt per TKS-IP-Gateway über das Gira System 106, der G1 dient als Wohnungsstation.
Durchaus als Herausforderung erwiesen sich die geriffelten Innenwände für den Installationsbetrieb Elektro Kälte Tapmeier aus Beckum. Denn trotz der vom Drucker vorgesehenen Aussparungen musste im Detail nachgearbeitet werden. Doch hier sollen künftige Bauvorhaben Abhilfe schaffen durch eine noch präzisere Spritzgusstechnik – immerhin ist das Wohnhaus Beckum ein Pionierprojekt, das Optimierungen verträgt. Freuen konnten sich die Elektrofachhandwerker aber darüber, dass aufgrund der exakten Vorplanung keine Schlitze mehr geklopft werden mussten. In Summe ist für sie das 3D-Haus in Beckum nichts, was sie vor grundsätzlich neue Herausforderungen gestellt hätte. Die Zukunft kann also kommen, weitere Aufträge liegen dem Architekturbüro bereits vor.
Doch vor dem Druckbeginn für das nächste Gebäude will man noch weitere Erfahrungen sammeln. Deshalb wird das Haus in Beckum in den nächsten 18 Monaten zunächst als Musterhaus genutzt, erst dann kann es endgültig bezogen werden.
ABGESEHEN VON DER REVOLUTIONÄREN BAUWEISE WIRKT DAS HAUS IN BECKUM JEDOCH WIE EIN NORMALES WOHNGEBÄUDE – SIEHT MAN EINMAL VON DEN GERIFFELTEN WÄNDEN IM INNEREN AB.