10 2021 OKTOBER CHF 10.00
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Oktober 2021
OKT 2021
People 14 17 18 20 22 24 26 28 30
Contributors Alexandria Ocasio- Cortez Alva Claire Billie Eilish Amanda Gorman Ruel Chika Emma Mackey Greta Thunberg
32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52
Richard Tyler Blevins Halle Bailey Hayley Kiyoko Lil Nas X Holly Humberstone Luisa Neubauer Precious Lee Rina Sawayama Whitney Wolfe Herd Willow Smith Rupi Kaur
Converse, „Chuck Taylor All-Star White“, ca. 85.–
FOREVER CLASSICS: CONVERSE Rockstar trägt All-Star! Das Credo rührt aus den Sixties und legt die Basis dafür, dass das schuhgewordene Understatement heute als modischer Allrounder brilliert. Quasi Pizza Margherita für die Füße: Geht immer und zu allem, Business-Anzug oder Surf-Shorts. Mick Jagger soll darin Bianca zum Traualtar geführt haben. Elvis, die Ramones, die Beach Boys und halb Hollywood („Back to the Future“!!!) erklären Chuck Taylors Modell zum Lieblingspaar ihrer Wahl. Hinter all den popkulturellen Referenzen gerät etwas in Vergessenheit, dass der Patron selbst mehr vom Körbewerfen verstand als von Stromgitarre oder Strandpartys. Ein geschlagenes Jahrhundert ist es her, als Spieler-Trainer Chuck Taylor ein von der Textilfirma Converse gesponsertes Team auf den Court führt. Bald erkennt das 1908 in Massachusetts gegründete Unternehmen den Geschäftssinn des 20-Jährigen. Er optimiert den seit einigen Jahren produzierten All-Star für den (damaligen) Profisport: Canvas-Top, vier Lüftungslöcher, Gummisohle. No Bullshit, leicht und flexibel, frei von Schnickschnack. Ab 1923 werden runde Patches aufgenäht, den Stern in der Mitte, darum Taylors Namenszug. Landauf landab zieht Taylor mit der Mission, „seinen“ Schuh unters Volk zu bringen. Converse dominiert über Dekaden die US-Profiligen. Gewichtheber entdecken die Vorteile der flachen Gummisohle für sich, und im Zweiten Weltkrieg rüstet Converse die US-Army aus, bis 1968 fungieren Chucks als offizieller Schuh der Sommerolympiade. Ein Jahr darauf beendet ein Herzinfarkt Chuck Taylors Leben, aber nicht die Erfolgsgeschichte der asketischen Sneakers, die in ihrer Urform bis heute erhältlich sind. Athleten laufen heute zwar kaum mehr in Converse auf, zumindest nicht zum Wettkampf. Nike und Co. sowie der Trend zu atmungsaktiven, Gel-gedämpften Hi-Tech-Tretern zwingen Converse ins zweite Glied. Das Revival im Showgeschäft rettet der Firma ihren Platz in der Hall of Fame des Casual-Style, doch die Strategie fokussiert zu sehr auf den Chuck, 2001 meldet das Unternehmen Konkurs an, 2003 übernimmt Nike für 305 Millionen Dollar – und schlachtet den Mythos um das All-Star-Label fachgerecht aus. Man lanciert eine Kurt-Cobain-Edition (abgefuckt vom Fließband) oder die Andy-Warhol-Collection, Chucks mit Absätzen oder anderem Bling Bling, zudem stehen Plagiate in den Regalen von Discountern oder zieren Model-Füße an Dior-Modeschauen. Das unprätentiöse Original hat die Milliarden-Schallgrenze an verkauften Paaren spätestens zum 100-Jahr-Jubiläum 2008 durchbrochen – und sich in seiner Schlichtheit längst selbst überlebt. TEXT: MARCO RÜEGG
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Charlize Theron Misty Copeland Yao Chen
BREITLING BOUTIQUE GENEVA • LAUSANNE • LUCERNE ST. MORITZ • ZERMATT • ZURICH
CHRONOMAT
The Spotlight Squad
OKT 2021
Style 80 Editorial: Next Gen 124 Editorial: New Perspective 176 Editorial: Basic Statement
Victorinox, „Swiss Champ Damast Limited Edition 2021“, ca, 399.–
FOREVER CLASSICS: VICTORINOX Neben der Schießpflicht und der Erinnerung an mit käsigem Sockenduft und kollektivem Schnarchen erfüllte Schlafsäle nehmen die Schweizerin und der Schweizer aus der Rekrutenschule auch etwas Nützliches mit: ein Klappmesser, silbern, kaum länger als ein Zeigefinger, darauf das unverkennbare Logo des weißen Kreuzes auf rotem Schild. Dem in 120 Ländern registrierten Logo jener Institution, deren Profil die Familie Elsener zum weltweiten Synonym für Funktionalität und Qualität zurecht geschliffen haben: Victorinox. In allen Größen und Preisklassen stehen die multifunktionalen Erzeugnisse zum Verkauf. Work Champ XL heißt der McGyver unter den Modellen, angeschrieben im offiziellen Shop mit 350 Franken. Das macht genau 12.50 für jede der 28 Funktionen. Eine Luxusvariante also, Küchenschublade, Badezimmerschrank und Autowerkstatt im Taschenformat. Sowieso, die Swiss Army Knives der 1884 von Karl Elsener als Schleiferei für Küchen- und Arbeitsmesser gegründeten Fabrik, haben alles im Arsenal: Fonduegabel, Kompass, Nagelfeile oder Hufreiniger, Zahnstocher, Dosenöffner oder Korkenzieher, Lupe, Pinzette oder Schraubenzieher. Die Marke setzt sich zusammen aus Inox (dem Rostfreistahl, dessen Erfindung das Geschäft revolutioniert) und Victoria (Karl Elseners Mutter, die das Vorhaben moralisch und finanziell unterstützt). Bald nach der Eröffnung flattert dem Betrieb in Ibach, Kanton Schwyz, bereits jener Auftrag ins Haus, der den heutigen Status zementiert: 1891 wird das erste Offiziersmesser an die Schweizer Armee geliefert, 1897 schließlich patentiert. Jene Urkunde sichert den Elseners bis auf Weiteres das Auskommen, 125 Jahre später melden die Statistiker einen Zwischenstand von über 500 Millionen verkauften Exemplaren und eine Kundenzufriedenheit von 8.8 Punkten bei zehn möglichen. Den internationalen Markt stürmen die Scharfmacher, als nach dem Zweiten Weltkrieg GIs das Taschenmesser als Souvenir in die USA mitnehmen – und so zum vielleicht erfolgreichsten helvetischen Waffenexport machen seit den Reisläufern, die für Napoleon nach Russland zogen. Wobei Victorinox sich längst vom Schlachtfeld emanzipiert hat. Der Offiziershebel besetzt einen Stammplatz in der Designabteilung des MoMA in New York, im Laufe der Nineties weitet Victorinox nach und nach das Sortiment aus, auf Uhren, Rollkoffer, Pullover, Jacken… 1992 öffnet ein Flagship-Store in Japan, 2001 eine Fashion-Boutique in Soho, 2008 in London die erste Niederlassung in Europa (damals kann man Großbritannien noch bedenkenlos dazu zählen). Bemerkenswert dabei vor allem: Mit Carl Elsener IV als Vorsitzendem bleibt Victorinox nach wie vor in Familienhand. TEXT: MARCO RÜEGG
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OKT 2021
Stories 54 96 118 136 194
Flash Back Future Uncertain Life Changer Local Heroes Last Facts: 2041
IMPRESSUM
Herausgeber Stefan Berger – berger@faces.ch Patrick Pierazzoli – pierazzoli@faces.ch Chefredakteur Patrick Pierazzoli
Creative Consultants Florian Ribisch Alex Wiederin
Stv. Chefredakteurin Marina Warth – marina@faces.ch
Grafi kleitung Meret Ackermann – grafik@faces.ch Redaktion FACES Bertastrasse 1 CH-8003 Zürich Tel. +41 43 322 05 23 redaktion@faces.ch Redaktion Simona Bieri Lara Meroni
Design/Layout Irena Srdanović Melinda Tran
Vespa, „Primavera 125“, ca. 4'950.–
FOREVER CLASSICS: VESPA Ruinen, Friedhöfe, Armut. War is over, im April 1946 liegt das Hitler-verbündete, besiegte Italien in Trümmern. Seine Industrie mit ihm, ganz zu schweigen von den Straßenbelägen. Wer noch den Luxus eines Autos vermag, bunkert es für Zeiten, wenn die Bombenkrater im Asphalt ausgebessert sind. Aber wie kommt der Italiener nun von A nach B? Enrico Piaggio, der in zweiter Generation das gleichnamige Unternehmen leitet, hat eine zündende Idee... In diesem tristen Nachkriegs-Frühling knattert ein Motorroller aus seiner Fabrikhalle im toskanischen Pontedera, wo über 60 Jahre zuvor der Papa in die Eisenbahn-Fabrikation eingestiegen war. Der Designer Corradino D’Ascanio konzipiert den ersten Prototypen des Zweirads, der den Spitznamen „Paperino“ kriegt, also Ente. Eine überarbeitete Version erhält der Chef vorgeführt, der das Resultat mit einem anderen tierischen Ausdruck quittiert: „Sembra una vespa!“, sieht aus wie eine Wespe. Und ja, das ausladende Hinterteil, die schmale Hüfte, der Lenker als Fühler – wir verstehen den Patron. Von der ersten Auflage verkauft Piaggio 2'500 Exemplare, Nachfrage rapide steigend. 1956 fällt die Millionengrenze, der Export blüht. Auch, weil in England eine Subkultur die Vespa neben der Lambretta zum bevorzugten Transportmittel erklärt: Mit Yardbirds oder Kinks im Ohr rauschen die Mods in Chelsea Boots und smart geschnittenen Anzügen durch Swinging London, der Italo-Brummer hat seinen Stammplatz in der Garage of Fame der Popkultur. Und ist inzwischen in allen möglichen und unmöglichen Ausführungen zu haben. Gepflegte Vintage-Vespa für Liebhaber, die Yuppie-Edition 946 für rund 10'000 Dollar, das DalíDesign von 1962 für Kunst-, der Elektro-Scooter mit Jahrgang 2019 für Öko-Freaks, ein Hybrid steckt zudem in der Pipeline. Wer dem Rausch der Geschwindigkeit nachhechelt, muss sich aber einen anderen Untersatz zulegen. Die Vespa ist Synonym fürs stilbewusste Cruisen (wobei sie in Rennserien während der Fifties durchaus noch Konkurrenten abhängt). Die Piaggio-Gruppe hält zudem die Marken Vespa, Aprilia, Piaggio und Moto Guzzi unter seinem Dach und lässt im Jahr über eine halbe Million Zweiräder vom Fließband. Symptomatisch für den Erfolg: Manchmal, wenn der Schreibende durchs Quartier joggt, zählt er zur Ablenkung Vespas am Straßenrand. Oft kommt er auf über dreißig Stück – auf zwei Kilometern.
Autoren Simona Bieri, Matze Hielscher, Lara Meroni, Jakub Samochowiec, Marco Rüegg, Helge Timmerberg, Marina Warth
Fotos & Illustrationen Det Kempke, Michael Mann, Anna Ribisch, Marie Schmidt, pa picture alliance (dpa), IMAXtree Verlag Fairlane Consulting GmbH Bertastrasse 1 CH-8003 Zürich
Anzeigen Schweiz und international Tel. +41 43 322 05 37 Mirco Ludolini – ludolini@faces.ch Alisa Schmid – schmid@faces.ch
Anzeigen & Kooperationen Deutschland FACES Deutschland Straßburger Straße 6D D-10405 Berlin Tel. (0)30 552 02 383 Director: Julia Gelau – julia@faces.ch Abonnementspreise FACES erscheint 10 Mal im Jahr. Einzelverkaufspreis CHF 5.50 / € 3.90 Jahresabo CHF 55.– / € 39.–
© Copyright 2021 Fairlane Consulting GmbH Der FACES-Schriftzug/-Stern sind eingetragene Markenzeichen der Fairlane Consulting GmbH und dürfen nicht ohne deren Zustimmung verwendet werden. Nachdrucke, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.
TEXT: MARCO RÜEGG
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RADO.COM
MASTER OF MATERIALS
DISCOVER AND FEEL THE RADO HIGH-TECH CERAMIC DIFFERENCE!
FEEL IT CAPTAIN COOK HIGH-TECH CERAMIC
CONTRIBUTORS
Pferde findet Michael Mann unheimlich. Da passt es nicht ganz, dass der Fotograf unseres Editorials „New Perspective“ in Verden/Aller aufgewachsen ist, einem Ort, auch als Reiterstadt bekannt. Mann zieht’s jedenfalls nicht auf die Koppel, sondern mitten aufs Modekarussell. Als Foto-Assistent jobbt er in Köln, München und London, studiert zudem Fotografie in der britischen Hauptstadt und beginnt schließlich damit, selber Gesichter abzulichten. Das tut er auch in Berlin, seinem aktuellen Zuhause, wo wir Mann auch für die Strecke „New Perspective“ verpflichteten, die Sie auf Seite 176 sehen.
Die Arbeit bei Breuninger hat Bodo Ernles Mode-Herz zum Lodern gebracht. Nach dem Modedesign-Studium in Berlin lockte in die GiRL! nach München, wo Ernle als Moderedakteur am Schreibtisch Platz nahm. Irgendwann brauchte das Feuer in seiner Brust Nachschub, und so verabschiedete er sich nach Paris, wo er für verschiedene internationale Magazine die Korrespondenz übernahm. Heute ist der Stylist unseres Editorials „New Perspective“ zurück in Berlin, wo Titel wie Fashion AD, Style Editor oder Dozent seine Visitenkarte schmücken. Die Würfel sind gefallen, am 15. Geburtstag, als Det Kempke sein Erspartes für eine Kamera auf den Kopf haut. Fluch und Segen zu wissen, dass einen nur das Betätigen des Auslösers glücklich macht. Das Fotografieren hat für Kempke nichts mit Arbeit zu tun, es ist seine Leidenschaft und das, was er liebt. Seit den Neunzigern tut er dies selbständig, wenn er auch in der Zusammenarbeit im Team die größte Bereicherung sieht, stammt doch die Aussage „die Summe ist immer mehr als die Teile“ aus seinem Mund. Sie wollen was sehen? Dann blättern Sie schnell auf Seite 80, wo Sie Det Kempkes neuestes Werk „Next Gen“ bewundern können.
Model und Mutter, zwei Jobs, hektisch und stressig, aber dennoch so schön, dass Carolin Sünderhauf auf keinen verzichten will. Die 28-Jährige wohnt mit ihrer Familie in Berlin, wo sie neben allem, was sonst ihren Alltag füllt, noch Angewandte Literaturwissenschaften studiert. Ein guter Ausgleich für das Model unseres Editorials „Basic Statement“ (Seite 124), das für eine Kampagne von Valentino schon zwischen hupenden Autos auf New Yorks Straßen shootete oder für einen Auftrag in Curaçao einen widerspenstigen Strauß zähmte.
Natalia Witschke hat das Glück, sich in ihrem Leben mit dem Schönen beschäftigen zu können. Die Stylistin liebt die schönen Künste, Mode, Architektur, Kunst und Musik, die für sie sowas sind wie für andere der Muse Kuss. Sie ist die gute Seele am Set und trägt immer ein Lächeln und einen lustigen Spruch auf den Lippen, wenn sie hinter den Kulissen von Editorial-Shootings coole Looks zusammenstellt und dabei so mühelos mit Jahrzehnten und Vintage-Teilen jongliert wie ein Zirkusclown mit seinen Bällen. Ihr Können sehen Sie im Editorial „Basic Statement“ auf Seite 124.
Fast die ganze Welt hat Marie Schmidt bereist – und das alles ohne eigenen Führerschein. Kürzlich segelte sie für ein Shooting auf offenem Gewässer, wo die Hälfte der Crew über der Reling hing. Das bisschen Wellengang macht der Deutschen nichts aus, und auch sonst ist sich die Fotografin unseres Editorials „Basic Statement“ gewohnt, unter Stress zu arbeiten. Die Modebranche ist eben kein Ponyhof, für Schmidt aber eher ein Spieleparadies, in dem sie sich kreativ austoben kann wie ein Kind am Malkasten. 14
Oktober 2021
VERDAMMT, WIR LEBEN NOCH! Die meisten Menschen bereuen im Leben die Dinge, die sie nicht gemacht haben. Sie fragen sich manchmal, was hinter den Ecken gekommen wäre, auf den Wegen, die sie nicht gegangen sind. Diesen Fehler wollten wir unbedingt vermeiden, als wir beschlossen, unsere Jobs zu kündigen und ein Heft zu machen. Ohne Erfahrung und ohne Plan, aber mit einem großen Traum und dem naiven Übermut, der solchen Momenten oft innewohnt. Nun – wir hatten Glück und wurden belohnt. Zwar hat sich die „Tu-was-du-liebst-unddu-musst-keinen-Tag-mehr-arbeiten“-Weisheit als Bullshit erwiesen, aber wir tun bis heute, was wir lieben. FACES war das, was uns fehlte und ist bis heute so, wie es uns gefällt, ohne Rücksicht auf Verluste. Das gefällt nicht allen, aber den Richtigen umso mehr, und dass es davon mehr gibt, als man denkt, ist unsere einzige Erklärung für die unglaubliche Reise, die hinter uns liegt. Danke an alle, die es möglich gemacht haben, unseren Traum zu leben – ihr seid die Richtigen. Sorry all jenen, denen wir dabei auf die Füße getreten sind – shit happens. Und jetzt lasst uns zusammen in die Zukunft gehen, denn die Zukunft ist heute.
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CHANGE
MAKER
Sie sind Küken auf dem Parkett, auf dem sie ihre Runden drehen, und die Helden, für die wir morgen unsere Pauken schlagen. Musik und Mode, Politik und Schauspiel – egal, wo sie ihre Fühler ausstrecken und für das Gute kämpfen, für Akzeptanz, sich selbst und andere und dafür, einen Unterschied zu machen, wir klatschen Applaus. 16
Oktober 2021
©PICTURE ALLIANCE / NEWSCOM / JIM RUYMEN
AOC ist ihr Spitzname, der auch im Ring passen würde.
ALEXANDRIA OCASIO-CORTEZ
FIGHTER Politik ist Kindergarten und Ghetto zugleich, heute Zirkus, morgen Wrestling-Arena. Alexandria Ocasio-Cortez wagt sich in den Ring und kämpft im US-Repräsentantenhaus für Gleichberechtigung und soziale Fairness. Eine staatliche Krankenversicherung, die Abschaffung der US-Einwanderungsbehörde und ein Mindestlohn von 15 US-Dollar sind ihre Anliegen, die die 31-Jährige anderen Politikern vor die Nase knallt, die mitsamt ihren Ideen in ihren plattgesessenen Sitzen verstauben. TEXT: MARINA WARTH Oktober 2021
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Authentizität zählt in der Mode bald mehr als Size-Zero-Maß. Hoffentlich.
A LV A C L A I R E
MOUNTAIN TOP Zehn Jahre hat es gedauert. Zehn Jahre voller Absagen und Versprechungen, voller Selbstzweifel und bitterer Tränen. Nun, das Model-Business ist wie ein Diamant: hübsch auf den ersten Blick, jedoch richtig hart. Dabei hatte Alva Claire schon damals viel zu bieten, eine Aura, die selbst den aggressivsten Terrier in ein zahmes Schoßhündchen verwandelt, ein Lächeln, das Eiscreme in seine Bestandteile zersetzt, und ein Gesicht, das man so schnell nicht vergisst. 2020 sahen das auch MAC, IMG, Versace und schließlich der Rest der Mode-Branche, der jahrelang zu blind war für die Ausstrahlung der 29-jährigen Britin. TEXT: MARINA WARTH 18
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©PICTURE ALLIANCE / PHOTOSHOT
Frisch erblondet zum zwanzigsten Ehrentag: Billie Eilish.
BILLIE EILISH
ONE LIKE US Die Sache mit der Haarfarbe ist Effekthascherei, mag sein, aber geschadet hat es noch nie, weder bei Madonna noch bei Billie Eilish. Letztere feiert in diesem Jahr dasselbe Jubiläum wie FACES, 20 Jahre, ein junges Alter für einen Teenie und doch nicht ohne, wenn man bedenkt, dass die irische Eilish schon mit 13 mit der Musik begann. Diese ist für sie nicht nur Ausdruck ihrer selbst, sondern gleichzeitig auch Therapie, kämpft die bald 20-Jährige doch mit denselben Ängsten wie die Jugend, die täglich auf der Bühne des Lebens steht. TEXT: MARINA WARTH 20
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© P I C T U R E A L L I A N C E / C O N S O L I D AT E D N E W S P H O T O S / PAT R I C K S E M A N S K Y – P O O L V I A C N P
Die 23-jährige Gorman bringt die US-Polit-Riege zum Staunen.
AMANDA GORMAN
HOFFNUNGSTRÄGERIN Poesie kann mehr sein als die hübsche Aneinanderreihung von Wörtern. Wenn Amanda Gorman die Worte in die Hand und später in den Mund nimmt, dann werden daraus Parolen, ein Bass, ein Herzschlag, der immer lauter pocht und schließlich zu einem Lied der Hoffnung wird. „The Hill We Climb“ hieß das Gedicht, das die 23-jährige Gorman bei Joe Bidens Amtseinführung Anfang des Jahres zum Besten gab. Für die einen bloße Lyrik, für die anderen ein Zeichen des Neuanfangs. TEXT: MARINA WARTH 22
Oktober 2021
Elegance is an attitude Kate Winslet
The Longines Master Collection
©PICTURE ALLIANCE / NEWSCOM / JIM RUYMEN
Mit Backstreet-Boy-Nostalgie-Frisur und Schmusesongs zum Erfolg: Ruel.
RUEL
WUNDERKIND Ein Küken aus der Musikbranche, das mit seinen 18 Jahren bereits preisgekrönt seinen Platz in den Charts gefunden hat: Der australische Sänger und Songwriter Ruel Vincent van Dijk schrummte mit acht Jahren noch ahnungslos als No-Name auf seiner Gitarre, während er sich heute mit warmer und klarer Stimme in die Herzen der Hörerinnen und Hörer singt. Wir prophezeien Großes, Grammy, Platin-Platten, das volle Programm... TEXT: SIMONA BIERI 24
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vegan / glutenfrei / ohne schnickschnack / nur an menschen getestet die kultigen evo haarpflegeprodukte aus australien sind exklusiv in den besten coiffeurgeschäften erhältlich.
©PICTURE ALLIANCE / PHOTOSHOT
Chika bewirkt Großes – ob auf der Bühne oder auf dem Plakat.
CHIKA
LOUD! Schulverweis wegen einer Black-Lives-Matter-Flagge? Und noch mehr muss sich Rapperin Chika gefallen lassen. Immer ein Thema: ihr Aussehen, ihre Sexualität, ihr Job. Ist doch alles scheißegal, denn Chika macht geile Musik, für die sie für den Grammy nominiert wurde. Die Melodien sind eingängig, doch die Texte haben es in sich, behandelt Chika hier doch Themen abseits des romantischen Disney-Universums und spricht Tacheles, wenn es um Abtreibung oder Rassismus geht. TEXT: MARINA WARTH 26
Oktober 2021
MEINE WELT, WIE SIE MIR GEFÄLLT.
FOL LOW US
OPS & H S 0 15 AURANTS REST bis Samstag,hr U g Monta on 9 bis 20 v r imme h tivoli.c i p p o sh
© P I C T U R E A L L I A N C E / G E I S L E R - F O T O P R E S S / S T E V E VA S
Die neue Julia Roberts?
EMMA MACKEY
OH LÀ LÀ Die Rolle in „Sex Education“ katapultierte Emma Mackey auf den Tisch zahlreicher Regisseure und Drehbuchautoren. Die 25Jährige ist eines der heißesten Eisen im Ofen der Traumfabrik, der gerade wieder auf Hochtouren läuft. Und Mackey? Die lässt die Gerüchte über mögliche Blockbuster-Rollen links liegen und setzt als erstes auf „Eiffel“, einen Film, der nicht konträrer sein könnte als die Serie, mit der sie berühmt wurde. Nicht zuletzt, weil die Franco-Britin hier ihr Können der französischen Sprache beweist. TEXT: MARINA WARTH 28
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©PICTURE ALLIANCE / DANIEL BOCKWOLDT
Knapp volljährig, hat sich Thunberg längst ihre Sporen verdient.
G R E TA T H U N B E R G
THE VOICE Manchmal muss man kämpfen. Den Mund aufmachen, laut werden, Tränen sprechen lassen und vor allem eines: polarisieren. Greta Thunberg ist gerade mal 18 und schon lauter als ganze Polit-Kabinette. Ihr Anliegen sind die Rettung der Umwelt, der Natur, des Klimas und schlussendlich unseres Planeten, dem die Schwedin eine Stimme gibt. Was auf Schulstreiks, Demos, die Überquerung des Atlantiks und ihre Reden bei der UN und am Weltwirtschaftsforum folgt, liegt in Gretas Hand. Doch eines ist sicher: Dort keimt auch die Hoffnung. TEXT: MARINA WARTH 30
Oktober 2021
©PICTURE ALLIANCE / PHOTOSHOT
Grün ist die Hoffnung – und das Haar des Über-Gamers, auf dessen Konto über 25 Millionen schlummern.
RICHARD TYLER BLEVINS
FLINKE FINGER Schon geil, sein Geld mit Zocken zu verdienen. Richard Tyler Blevins zeigt Krawatten-Fuzzis und Seven-to-Nine-Workern, dass man auch so richtig Kohle machen kann, mit Joystick und flinken Daumen, abseits der Welt, die neue Mitglieder anhand von CVs rekrutiert. Der 30-Jährige, den seine 30 Millionen Follower als Ninja kennen, scheffelt mittels Gaming und allen Schikanen, die dazu gehören (Sponsoring, Streaming und Co.), mehr als Leinwand-Größen und Börsen-Heinis. TEXT: MARINA WARTH 32
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FALL INTO AUTUMN STYLISCHE HERBSTUND WINTER-LO OKS VON ÜBER 160 FASHION MARKEN ZU EINMALIGEN PREISEN.
LANDQUARTFASHIONOUTLET.CH
©PICTURE ALLIANCE / NURPHOTO / IMAGE PRESS AGENCY
Heute Arielle, morgen Bond-Girl? Wer weiß.
HALLE BAILEY
UNDER THE SEA Runter von der Bühne und ab ans Filmset: Normalerweise verzaubert die 21-jährige Halle Bailey ihre Zuschauer als leidenschaftliche Sängerin – ein spezieller Moment also, dass sie als erste Woman of Color den Filmcharakter von Arielle in der DisneyNeuverfilmung „Arielle, die Meerjungfrau“ übernimmt. Nicht irgendeine Rolle, sondern eine mit Repräsentationscharakter und Vorbildfunktion. Und wir glauben: Da kommt noch mehr. TEXT: SIMONA BIERI 34
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WWW.THOMASSABO.COM
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„Scooby-Doo!“ als Karriere-Sprungbrett: Das ist neu.
H AY L E Y K I Y O K O
NEW FREEDOM Manchmal braucht es Vorbilder und deren Mut, öffentlich zu machen, was eigentlich keinen was angeht. Hayley Kiyoko singt, sie steht vor der Kamera, sie macht Geld im Rampenlicht und ist dabei gleichzeitig die Ikone, die junge Queers brauchen. Um ihre Sexualität macht sie keinen Hehl, sie tritt letztere allerdings auch nicht breit, um damit ein paar Extra-Schlagzeilen zu kreieren. Man sieht dennoch zu ihr auf, feiert ihren Mut und mehr noch, ihren Hunger aufs Leben. TEXT: MARINA WARTH 36
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SCHÖNE STYLES FÜR JEDEN ANLASS
Gönne Dir oder einer besonderen Person unsere leistungsstarke Berry Crush Collection: Mit einem leistungsstarken 2200-Watt-Haartrockner, einem salonfähigen Glätteisen, einem Lockenstab ohne Klammer für mühelos, lang anhaltende Locken und einem mittelgroßen Lockenstab ohne Klammer für definierte, weiche Locken - alles in einem wunderschönen Beerenrot. #PoweredByBaByliss #StyledByYou
©PICTURE ALLIANCE / PHOTOSHOT
Was Lil Nas X anpackt, wird zu Bling-Bling.
LIL NAS X
MESSIAS In einer Branche, in der Homophobie in etwa so verpönt ist wie auf dem Fußballplatz, mimt Lil Nas X den Erlöser. Der US-amerikanische Rapper geht nicht nur mit seinem Hit „Old Town Road“ in die Geschichte der US-Charts ein, sondern er schreibt letztere auch mit seinem Outing: Denn er ist der erste Künstler, der seine Sexualität während des Erscheinens seines Nummer-Eins-Albums öffentlich gemacht hat. Verstecken? Kommt nicht in Frage. Seit seines Outings lebt der 22-Jährige seine Sexualität öffentlich aus und repräsentiert die LGBTQ+-Gemeinschaft in der afroamerikanischen Rapszene dabei nicht ohne stolz. TEXT: LARA MERONI 38
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NEU HOME COLLECTION Verwandeln Sie Ihr Haus in ein Zuhause Schenken Sie Ihrem Zuhause die Aufmerksamkeit, die es verdient und verwandeln Sie es in einen Ort des Wohlbefindens mit unseren einzigartigen Home Collection Düften. Kommen Sie zur Ruhe – Sie sind zu Hause.
RITUALS.COM Y O U R B O D Y. Y O U R S O U L . Y O U R R I T UA L S .
©CHUFFMEDIA
Lyrics tief wie der Ozean und Melodien so süß wie ein Honigbrot.
H O L LY H U M B E R S T O N E
DARK AND STORMY Festival-Fun anstelle von Hörsaal-Langeweile? 2019 steht Holly Humberstone auf der Bühne des Glastonbury, des Festivals, das als Feuertaufe der Charts-Starter gilt. Wer hier Applaus kassiert wie die Großen, der braucht kein Uni-Papier. Die damals 20-Jährige mit der Honig-Stimme schmeißt das Studium und klettert nach oben – dank YouTube und Spotify. Ihre Songs lesen sich wie Auszüge aus dem Teenie-Tagebuch, die in Form düsteren Pops ins Herz gehen wie der Zucker einer Tasse heißer Schokolade direkt ins Blut. TEXT: MARINA WARTH 40
Oktober 2021
© P I C T U R E A L L I A N C E / D AV I D Y O U N G
Irgendwer muss doch den Mund aufmachen! Luisa Neubauer tut’s, stellvertretend für eine ganze Generation.
LUISA NEUBAUER
IN THE NAME OF NATURE Den Titel der deutschen Greta wird Luisa Neubauer wohl kaum mehr los. Und dennoch wäre es ungerecht, der Klimaschutzaktivistin nicht mehr zugestehen als den Vergleich mit der schwedischen Freundin. Bei den Grünen kämpft die 25-Jährige für ihre Generation und dafür, dass diese nicht hilflos zusehen muss, wie die Älteren zerstören, was künftig ihre Welt sein soll. TEXT: MARINA WARTH 42
Oktober 2021
Styles aus reinem Cashmere ab 79.95
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©PICTURE ALLIANCE / DC/MEDIAPUNCH
Never not beautiful.
PRECIOUS LEE
SHE’S GOT THE POWER Models tragen nicht nur Size Zero. Zumindest heute nicht mehr. Eines der Gesichter, das in Zukunft sicher noch öfters zu sehen sein wird, ist das von Precious Lee. Das amerikanische Model begeistert mit seiner Frohnatur und dem Feuer, das irgendwie immer dann lodert, wenn Lee in die Kamera blickt. Donatella Versace war 2021 so angetan vom Energiebündel, dass sie sie direkt für ihre Modenschau auf den Laufsteg holte. Und Precious Lee? Die nutzt solche Auftritte, um für Gleichberechtigung und Rassengleichheit zu kämpfen. TEXT: LARA MERONI 44
Oktober 2021
Willow Smith ist das neue Testimonial des Mugler-Parfums Alien Goddess.
mugler.ch
FROM OUTER SPACE
Das MuglerUniversum kriegt Zuwachs. Das neueste Mitglied der Familie: Alien Goddess und damit Willow Smith, die als Testimonial eine junge und starke Göttin verkörpert. Foto: Txema Yeste
Bestelle jetzt dein kostenloses Alien-Goddess-Duftmuster.* *limitierte Anzahl, verfügbar bis 31.09.2021
Alien aus dem Hause Thierry Mugler ist ein ikonischer Duft, ein Parfum so unverkennbar, so speziell und spannend wie aus einer anderen Galaxie. Jetzt entwickelt sich das Alien-Universum weiter – mit einer neuen Göttin. Letztere mimt ab sofort Willow Smith, die Jüngste im Smith-Clan um Schabernack-Schauspieler Will Smith. Die 20-Jährige ergänzt mit diesem Clou ihren CV, in dem bis anhin vor allem LeinwandEngagements und BühnenAuftritte zu finden sind. Smith verbindet das Coole mit dem Sinnlichen und bringt damit zwei Welten zusammen, zwischen denen sich auch Alien Goddess befindet, der neueste Duft von Thierry Mugler. Im golden schimmernden Flakon finden Bergamotte und Jasmin zueinander und entwickeln sich mit Bourbon-Vanille und Kaschmir zu einem Wässerchen, das einem Stärke und Selbstsicherheit verleiht, wo immer man sich auch befindet. Alien Goddess und Willow Smith beweisen, dass jede Frau eine Göttin ist, in Jeans und T-Shirt genauso wie im eleganten Abendkleid. Über allem wiegt das Bewusstsein, alles erreichen zu können, was man sich vornimmt, auch wenn die eigenen Wünsche manchmal anmuten, als wären sie nicht von dieser Welt. Thierry Mugler, „Alien Goddess Eau de Parfum“, 30, 60 und 90 ml, ab ca. 114.–, erhältlich bei Marionnaud
©REDBRICK
Schönheit hat nichts mit glattpolierter Haut und untertellergroßen Augen zu tun.
R I N A S A W AYA M A
PERFEKT UNPERFEKT Schluss mit Schönheitsidealen! Der japanisch-britischen Singer-Songwriterin Rina Sawayama, die nebenbei auch noch modelt und schauspielert, sind besonders die asiatischen Schönheitsnormen ein Dorn im Auge. Und so nutzt sie ihre Stimme, um ihren Fans Mut zu machen und sie von der Idee wegzubringen, nur mit Manga-Augen und makellosem Teint schön zu sein. TEXT: LARA MERONI 46
Oktober 2021
©PICTURE ALLIANCE / NEWSCOM / JOHN ANGELILLO
Selbst ist die Frau!
WHITNEY WOLFE HERD
WOMAN-UP Dass Männer längst nicht mehr den ersten Schritt zu machen haben, war sich die US- amerikanische Unternehmerin Whitney Wolfe Herd früh bewusst und startete daraus 2014 ein Millionen-Geschäft: Mit Bumble schaffte sie eine Dating-Plattform, auf der Frauen mehr Macht und Kontrolle haben, und kürte sich damit mit nur 32 Jahren zur jüngsten Selfmade-Milliardärin der Welt. Bei ihrem Bumble-Prinzip kann ausschließlich die Frau die Initiative ergreifen – eine kleine Änderung, die Großes bewirkt, nicht nur auf dem Dating-Markt. TEXT: SIMONA BIERI 48
Oktober 2021
VO N D E R M ATO LO G E N E M P F O H L E N .
VOLLSTÄNDIGE PFLEGE FÜR DEINE EMPFINDLICHE HAUT.
CH-CET-2100082
NEU
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© P I C T U R E A L L I A N C E / PA C I F I C P R E S S / L E V R A D I N
Mama und Papa, lasst mal stecken, Willow hat alles im Griff.
WILLOW SMITH
ALL BY HERSELF Töchter haben es nicht immer leicht. Zumindest dann nicht, wenn man sie nur durch ihre Eltern definiert, was Willow Smith erfolgreich abzuwehren weiß. Die 20-Jährige durchbricht das Image der Tochter-von und zieht mit Werbe-Deals, Leinwand-Debuts und ModelVerträgen selber genug dicke Fische an Land, sodass Papa das Taschengeld ruhig stecken lassen kann. TEXT: MARINA WARTH 50
Oktober 2021
André Schösser
Wilder Süden 2020 wurde die Minett-Region von der UNESCO als Biosphärenreservat anerkannt. Besonders sind die von Menschenhand erschaffenen – renaturierten – Landschaften.
Wenn zwischen den erloschenen Feuern der Hochöfen von Belval eine Rockband spielt, dann kocht das Blut. Nicht mehr der Stahl. Was für eine Kulisse! Ausgangspunkt für Wanderungen im Süden Luxemburgs ist die Region von Esch an der Alzette, mit seiner Uni-Stadt Belval. Hier ist der Wandel einer Stadt von der Industrie- zur Wissensmetropole live zu erleben. Die Landschaft drumherum ist durchlöchert und angebissen. Sie liegt da, wie die Reste eines überdimensionierten Festmahls. Die Stählernen Riesen, die hier gefeiert haben, sind fast alle verschwunden. Übrig sind Orte von intensiver industrieller Nutzung, die beweisen, dass die Einflüsse des Menschen auf die Natur auch positiv sein können.
Im Übergang Die Stilllegung der ehemaligen Bergbaustandorte hat die Entwicklung von Pflanzengesellschaften und die Entstehung einer besonderen Fauna begünstigt. Im Mikroklima der renaturierten Tagebaue siedeln sich seltene Pflanzen an. Kleintiere und Insekten kommen zurück. Orchideen, Schmetterlinge, Fledermäuse, Amphibien, Eidechsen, Reptilien – um nur einige zu nennen – sind auf Wanderungen im UNESCO-Biosphärenreservat zu entdecken.
Everglades, Red-Rocks und Krokodile. Willkommen in den Vereinigten Staaten von ... Luxemburg. In der Region Minett findet man unerwartet Wildnis.
Land der Roten Erde Das „Minett“ liegt im Süden Luxemburgs. Die Region verdankt ihren Namen dem leuchtend roten Eisenerz, das der Erde ihre Farbe gibt und die Stahlindustrie im Land erst möglich machte. www.visitluxembourg.com
Claude Assel
In engen Schluchten wehen kühle, feuchte Winde, die aus den Gruben heraufwehen. Moosbewachsene Baumstämme säumen den Weg. Schon ein paar hundert Meter weiter zeigt sich ein völlig anderes Bild, wenn im ehemaligen Tagebau die Sonne das dunkelrote Gestein erhitzt und sich eine fast wüstenartige Natur präsentiert. Espen, Birken und Kiefern, die locker beieinander stehen und dem Besucher gnädig ein wenig Schatten spenden, während er sich wundernd durch diese Landschaft im Wandel bewegt.
Stillgelegte Tagebaugebiete, die an weltbekannte Canyons erinnern. Im „Land der Roten Erde“ wandert man durch Naturreservate, wo früher monströse Bagger die Landschaft geschunden haben. Hier ist eine beeindruckende Transformation zu erleben.
©BALJIT
Rupi Kaur schreibt Gedichte für die Generation Instagram.
RUPI KAUR
WORTTALENT Goethe kann einpacken. Rupi Kaur heißt der neue Stern am Lyrik-Himmel, der Themen wie Freundschaft und Liebe, Migration und Gewalt so in Worte fasst, dass letztere einen beim Lesen zu Tränen rühren. Ihr erstes Werk „milk&honey“ ist seit seiner Veröffentlichung Mitglied der New-York-Times-Bestsellerliste. Die 28-jährige Kaur weiß jedoch, dass Gedichten nicht nur Papier und Tinte schmecken und veröffentlicht ihre Zeilen mit passenden Illustrationen auch auf Instagram. TEXT: LARA MERONI 52
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4 Ausgaben für nur CHF 20.– inkl. E-Paper
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Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können. 54
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Bei der Wahl zum Auto des Jahres 2001 gibt es einen Überraschungssieger: Der Alfa Romeo 147 gewinnt gegen den neuen Ford Mondeo.
„At my signal, unleash hell!“ Maximus
Jürgen Trittins Reaktion auf die CDUKampagne: „Laurenz Meyer hat die Mentalität eines Skinheads und nicht nur das Aussehen. Laurenz Meyer hat selber bekundet, dass er stolz darauf sei, dass er Deutscher ist. Das ist so die Flachheit, der geistige Tiefflug, der jeden rassistischen Schläger in dieser Republik auszeichnet.“
Tim Burtons „Planet der Affen“ mit Mark Wahlberg, Tim Roth und Helena Bonham Carter in den Hauptrollen läuft ab August in den Kinos.
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„Gladiator“ holt fünf Oscars, Russell Crowe einen davon.
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Einen Tag vor seinem Ausscheiden aus dem Amt räumt US-Präsident Bill Clinton ein, in der Lewinsky-Affäre nicht die volle Wahrheit gesagt zu haben. Im Gegenzug will die Justiz gegen Clinton keine Anklage mehr erheben. Er verliert aber für fünf Jahre seine Anwaltslizenz im Heimatstaat Arkansas und muss 25'000 US-Dollar Strafe zahlen.
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Valentino Rossi gewinnt die 53. FIM-MotorradStraßenweltmeisterschaft in der 500er-Klasse und ist damit nach Phil Read erst der zweite Fahrer in der Geschichte, der in drei Klassen Titel gewonnen hat. In der daraufhin neu geschaffenen MotoGPKlasse holt sich Rossi in den Jahren 2002, 2003, 2004, 2005, 2008 und 2009 weitere WM-Titel.
Wikipedia startet mit dem Ziel, eine frei zugängliche Online-Enzyklopädie aufzubauen. Die Inhalte von Wikipedia werden von Ehrenamtlichen zusammengetragen, aufbereitet und zur Verfügung gestellt. Sie können von allen frei genutzt werden. 20 Jahre später ist Wikipedia das umfangreichste Lexikon der Welt und die größte gemeinschaftlich erstellte Sammlung Freien Wissens in annähernd 300 Sprachen. Allein die deutschsprachige Ausgabe umfasst weit über zwei Millionen Artikel – und täglich kommen Hunderte hinzu.
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Berlin, 21. Juli 2001. Love Parade. Feel free.
„Storytelling“ portraitiert das Leben amerikanischer Vorstadt-Jugendlicher, mit Selma Blair in der Hauptrolle.
Das Musical-Filmdrama „Moulin Rouge“ singen die Hauptdarsteller Nicole Kidman und Ewan McGregor selbst, wenn auch eher sauber als zauberhaft. Die Handlung ist eine Kombination aus „La Bohème“, „La traviata“ und „Orpheus in der Unterwelt“, und diese Mischung scheint goldrichtig. Am 8. Juni 2001 stehen sich Laila Ali und Jackie Frazier-Lyde, Tochter von Joe Frazier, im Ring gegenüber. Groß angekündigt als „Ali vs. Frazier IV“, in Anlehnung an die drei legendären Kämpfe der Väter der beiden Boxerinnen, wird erstmals ein Frauenboxkampf zur Hauptsendezeit ausgestrahlt. Ali gewinnt den auf acht Runden angesetzten Kampf nach Punkten. Im Kino läuft derweil die Filmbiografie „Ali“, in der sich Will Smith als Muhammad Ali eine Oscar-Nominierung erspielt.
„Legally Blonde“ spielt fast 150 Millionen Dollar ein und macht aus Reese Witherspoon einen Weltstar. Original Bildbeschreibung der Fotoagentur: Europäischer Filmpreis 2001, Berlin Daniel Craig (Schauspieler-Freund von Heike Makatsch). James Franco als James Dean im Film „James Dean“.
Pamela Anderson mit ihrem Freund, dem Model Marcus Schenkenberg, bei einer PETA-Party im Viper Room in Los Angeles. Das Stacheldraht-Tattoo, das sie sich ein paar Jahre zuvor für den Film „Barb Wire“ auf den Oberarm stechen ließ, ist mittlerweile so verbreitet wie das Arschgeweih. Sie selbst hat es sich vor ein paar Jahren entfernen lassen, wie man bei ihrem Besuch anlässlich einer AIDS-Gala in Cannes 2019 in Begleitung ihres Sohnes Brandon Lee gut sehen konnte.
„Training Day“ spielt in den Elendsvierteln von Los Angeles, wo Drogen und Gangs herrschen. Die Handlung dreht sich um den korrupten Drogenermittler Alonzo Harris (Denzel Washington) und den unerfahrenen Neuling Jake Hoyt (Ethan Hawke). Denzel Washington gewinnt für seine Rolle den Oscar als bester Hauptdarsteller.
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Das Gemüse des Jahres 2001 ist die Tomate.
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„Mulholland Drive“ heißt das Meisterwerk von David Lynch in diesem Jahr.
Im Rahmen der Bauchfreimode wird es bei Frauen populär, sich am unteren Rücken tätowieren zu lassen. Mit Begriffen wie Steißgeweih, Steißbeintattoo oder Steißbeintribal wird versucht, einen neutral klingenden Namen zu etablieren. Der Begriff „Arschgeweih“ wird laut FAZ erst 2002 vom österreichischen Tätowierer Pogo erfunden, der für eine Tattoo-Convention 5'000 Aufkleber mit dem Namen drucken lässt und so für die Verbreitung des Begriffs sorgt.
Wo die Liebe hinfällt. Anke Engelke und Niels Ruf sind ein Paar. Manche können es kaum glauben. Niels Ruf ist der Bad Boy der Nation. Kommt überall rein und fliegt überall raus. Er ist laut und gefährlich, und zwischen zwei Linien Koks presst er stets noch eine fein akzentuierte Beleidigung. Alle suchen seine Nähe, um sofort wieder die Flucht zu ergreifen. Er ist einfach untragbar. Bis heute. Wir lieben ihn.
Michael „Bully“ Herbigs KarlMay-Persiflage „Der Schuh des Manitu“ läuft im Kino und wird zum erfolgreichsten deutschen Film aller Zeiten. Über neun Millionen Zuschauer lachen sich halb tot über Abahachi, Winnetouch, Ranger, Santa Maria, Uschi, Hombre, Dimitri, Häuptling Listiger Lurch und Falscher Hase.
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Brangelina bei der Premiere zu „The Mexican“ in Los Angeles. Sie hatten sich 1998 kennengelernt und zwei Jahre später in einer aufwändigen Hochzeit in Malibu geheiratet. Jennifer Aniston und Brad Pitt sind 2001 das Power Couple von Hollywood und gelten als unzertrennlich.
Während Mark Wahlberg in „Planet der Affen“ gegen ebensolche kämpft, macht er sich in „Rock Star“ selbst zu einem.
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Der Bundestag in Berlin verabschiedet ein neues Gesetz, auf dessen Grundlage die rund 400'000 Prostituierten in Deutschland sich unter anderem sozialversichern können, das „Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten“ (Prostitutionsgesetz – ProstG).
Die neue C-Klasse entwickelt sich zum Verkaufsschlager für Mercedes. Mit 156'872 Neuzulassungen verdrängt sie den Opel Astra in Deutschland auf den dritten Platz.
„It wasnʼt me.“ Shaggy
Angela Ermakowa unterwegs zu einer Anhörung des High Court in London. Die in London lebende Russin behauptet, Boris Becker habe bei einer kurzen sexuellen Begegnung in der Besenkammer eines Restaurants ein Kind mit ihr gezeugt. Zwei Tage später bekennt Bobbele sich zur Vaterschaft der jetzt zehn Monate alten Anna, die die gleichen Erbansprüche wie Beckers andere Kinder erhält. Heute ist Anna erwachsen, und jedes Abstreiten wäre offensichtlich sinnlos.
3. September 2001: Kaia Jordan Gerber wird in Malibu, Kalifornien geboren.
Shooting-Star der Hitparade. Popsängerin Sarah Connor aus Bremen, eigentlich Sarah Leve, beim Auftritt im „ZDFFernsehgarten“. Ihre erste Single „Let’s Get Back To Bed Boy“ prescht gleich auf Platz Zwei der Charts.
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Knapp ein Jahr nach dem tödlichen Angriff von Kampfhunden auf einen kleinen Jungen in Hamburg tritt das „Gesetz zur Bekämpfung gefährlicher Hunde“ in Kraft. Die Einfuhr bestimmter Hunderassen nach Deutschland wird im Gesetz zur Bekämpfung gefährlicher Hunde unter Strafandrohung verboten. Das Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetz enthält eine Rasseliste mit Pitbull-Terrier, American-Staffordshire-Terrier, Staffordshire-Bullterrier und Bullterrier und schließt Kreuzungen mit diesen Rassen ein.
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„Es wird das heißeste Geschenk der Saison sein“, verspricht Steve Jobs am 23.10.2001 in San Francisco, als er den Apple iPod präsentiert. Tatsächlich ist der iPod nicht von Beginn an ein Megaseller, was wohl am Preis liegt. Der erste iPod, der 1'000 Songs speichern kann, kostet in den USA stolze 399 Dollar, in Deutschland sogar knapp 500 Euro. Aber er entwickelt sich weiter und wird schließlich doch noch zum Bestseller. Doch sein Schöpfer hat noch andere Pläne, und so beerbt und beerdigt das iPhone den älteren Bruder. 2014 wird der Verkauf des iPod classic eingestellt.
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DJ Bobo ist immer noch nichts zu peinlich. „Planet Colors“ heißen gleich beide, die neue Platte und die Tour.
Destiny’s Child sind Everybodys Darling, ihre Songs „Independent Women Part 1“, „Survivor“ und „Bootylicious“ lassen die Hintern wackeln.
Im Sommer 2001 erscheint Alicia Keys Debütalbum „Songs in A Minor“. Dank des Albums und des weltweiten Nummer-Eins-Hits „Fallin’“ sowie drei weiteren erfolgreichen Singles avanciert Alicia Keys zur erfolgreichsten R&B-Interpretin des Jahres.
Die Deutsche Bundeswehr beginnt mit der Grundausbildung von Frauen an der Waffe.
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Kylie Minogue ist wieder da – und wie. Mit der Single „Can’t Get You Out of My Head“ aus ihrem achten Studioalbum „Fever“ gelingt ihr ein ganz großes internationales Comeback. Die Nummer läuft überall rauf und runter und schafft in allen europäischen Ländern, mit Ausnahme von Finnland, den Sprung an die Spitze der Charts. Damit ist sie neben Madonna nun die einzige Künstlerin, die Nummer-Eins-Hits in den 1980ern, 1990ern und 2000ern vorweisen kann.
Der neue Mini ist da! Unter der Leitung von BMW, die die Marke 1994 beim Kauf von Rover mitübernommen haben, entsteht eine Neuauflage des britischen Kleinwagens, wobei das Äußere und der Innenraum dem klassischen Vorbild nachempfunden werden, aber an Größe zulegen.
Als Showpraktikant bei Stefan Raabs Sendung „TV total“ gelangt Elton selbst zu großer Bekanntheit. Elton heißt eigentlich Alexander Duszat, sein Künstlername geht auf seine Ähnlichkeit mit Elton John zurück.
Unschuldige Elfe in „Lord of the Rings“, verführerische Sexbombe in „One Night at McCool’s“ – Liv Tyler macht, was sie will.
Angelina Jolie ist Lara Croft. Wer sonst?
Das Tier des Jahres 2001 ist der Feldhase.
Für Mariah Carey ist es kein gutes Jahr, obwohl ihr Hit „Loverboy“ in den USA zur meistverkauften Single des Jahres wird. Im Juli erleidet sie einen Zusammenbruch und muss in einer Klinik behandelt werden, im Herbst floppt ihr Filmdebüt „Glitter“ kolossal. Bei Produktionskosten von rund 22 Millionen Dollar spielt der Film weltweit nur rund 5,2 Millionen Dollar ein. Die gute Nachricht: Im nächsten Jahr wird alles besser.
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Spezialagent Jack Bauer (Kiefer Sutherland) kämpft gegen Terroristen, Verräter, Vorgesetzte, sich selbst und gegen die Zeit. Das Konzept der Serie „24“: Eine Staffel erzählt einen Tag im Leben von Jack Bauer, 24 Stunden verpackt in 24 Episoden zu einer Stunde. Das ist neu, und das ist gut.
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Julia Roberts bricht bei der Oscar-Verleihung 2001 eine ungeschriebene Regel. Das wunderschöne Kleid von Valentino stammt nicht aus der aktuellen Kollektion, sondern ist ein Vintage-Stück von 1992. Damit setzt Julia Roberts einen Trend in Gang, der sich bis heute fortsetzt.
„I like the name Atomic Kitten. It’s so great.“ Bryan Ferry
Den Film „Josie and the Pussycats“ mit Rachael Leigh Cook, Tara Reid und Rosario Dawson kann man vergessen. Aber die Mode ist ein Blueprint der Trends der Early Zeros.
„Black Hawk Down“, von Ridley Scott, mit Josh Hartnett und Ewan McGregor.
Atomic Kitten amüsieren sich mit Prinz Charles und landen mit „Whole Again“ den Schmusesong des Sommers.
Paris und Nicky Hilton, milliardenschwere Urenkelinnen des Hilton-HotelGründers Conrad Hilton, am 20.3.2001 in Los Angeles.
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Anne Hathaway erscheint erstmals auf der großen Leinwand. In der modernen AschenputtelVariante „The Princess Diaries“ spielt sie eine Teenagerin, die unerwartet zur Prinzessin wird.
Für ihre Rolle im Filmdrama „Monster’s Ball“ des Schweizer Regisseurs Marc Forster wird Halle Berry als erste afroamerikanische Schauspielerin mit dem Oscar als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet.
Das Schwanenkleid der isländischen Sängerin Björk ist das Thema bei der Oscar-Verleihung 2001. Der mazedonische Modedesigner Marjan Pejoski entwirft das Tüllkleid inklusive Eier in Softballgröße, die Björk auf den roten Teppich legt.
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Das letzte Jahr vor der Einführung des Euro. Es wird Zeit, Abschied zu nehmen. Von Lire, D-Mark, Schilling, Francs, Pesetas, etc. Der Euro kommt.
Im Dezember werden in Deutschland die Euro-Starterkits im Nennwert von 10.23 Euro zum Preis von 20.00 Deutsche Mark ausgegeben.
Nach dem Ausbruch des Vulkans Ätna auf Sizilien ruft die italienische Regierung am 23.7.2001 den Notstand aus. Anwohner müssen evakuiert werden, während viele Schaulustige auf den Vulkan strömen. Ein gelungenes Foto ist vielen das Risiko wert, von der Lava gefressen zu werden.
Beruflich läuft es für Michelle Hunziker besser als privat. Die vielbeschäftigte Moderatorin muss den Tod ihres alkoholkranken Vaters verkraften, und hinter der Fassade kriselt es in der Ehe mit Eros Ramazzotti. Ein Jahr später trennt sich das italienische Glamour-Paar.
Elf Jahre lang waren Nicole Kidman und Tom Cruise das Traumpaar Hollywoods. Dann, vollkommen überraschend, reichte Tom im Februar die Scheidung ein.
Florian Illies’ Abrechnung mit der Jugend der 1980er Jahre ist witzig und böse und verkauft sich wie – ein Golf.
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Nach 30 Jahren als schreibender Nomade erscheint endlich das erste Buch von Helge Timmerberg, und es wird das Leben von ganz vielen Menschen verändern.
Bei schweren Krawallen am Rande des G8-Gipfeltreffens in Genua wird der Demonstrant Carlo Giuliani durch eine Polizeikugel getötet.
Zuhälter und Immobilienhändler können aufatmen: Mercedes zeigt auf der Automobilausstellung 2001 endlich die neuen 500 und 600 SL-Versionen. Unter der Motorhaube des SL 600 arbeitet ein neu entwickeltes Mercedes-Zwölfzylindertriebwerk, das mit zwei Turboladern, Wasser-Ladeluftkühlung, Dreiventiltechnik, Wechselstrom-Doppelzündung und anderen Hightech-Innovationen ausgestattet ist.
Tony Soprano (James Gandolfini) ist das Familienoberhaupt und Namensgeber der Fernsehserie über das Leben einer Mafiafamilie in New Jersey. Die Serie, die von 1999 bis 2007 läuft, ist etwas vom Allerbesten, was es je am TV geben soll, und wird unter anderem mit 21 Emmys und fünf Golden Globes ausgezeichnet.
Wer den Ring hat, hat die Macht.
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Die zunehmend störungsanfälliger gewordene russische Raumstation „Mir“ wird planmäßig zum Absturz gebracht. Wrackteile stürzen am 23.3.2001 kurz vor 7 Uhr MEZ wie vorgesehen in den Südpazifik. Die 137 Tonnen schwere „Mir“ ist am 20. Februar 1986 gestartet und hat bei ihren Erdumrundungen fast vier Milliarden Kilometer zurückgelegt. Mehr als hundert Kosmonauten haben in dieser Zeit an Bord Experimente durchgeführt. Tom Hanks brilliert in „Cast Away“ als moderner Robinson Crusoe. Mit Wilson statt Freitag.
Einen Tag nach seiner Rückkehr aus den USA gesteht Christoph Daum ein, Kokain konsumiert zu haben. Er sei aber nicht drogenabhängig, erklärt Daum 83 Tage nach Bekanntwerden der positiven Haaranalyse.
Lance Armstrong schreibt sein Märchen weiter. Zum dritten Mal in Serie gewinnt der Amerikaner die Tour de France. Dies, nachdem er zuvor den Krebs besiegte. Armstrong gewinnt auch die kommenden vier Tour-de-France-Rennen und kann erst von den Doping-Jägern gestoppt werden. Im Oktober 2012 veröffentlicht die US-Anti-Doping-Agentur USADA ihren Bericht zu den Dopingpraktiken von Lance Armstrong, dem daraufhin alle Titel seit dem 1. August 1998 inklusive seiner sieben Siege bei der Tour de France aberkennt werden.
Das Jahr 2001 ist eines der besten in der Geschichte des FC Bayern München. Erst gewinnt man die Bundesliga, dann die Champions-League im Elfmeterschießen und schließlich den Weltpokal in der Verlängerung.
Mit „Shrek“ kommt der bislang aufwändigste computeranimierte Film in die Kinos. DreamWorks hat sich nicht lumpen lassen. Die Kritiker lieben ihn, das Publikum auch, und einen Oscar gibt es obendrauf.
Die Erfolge von Sony (PlayStation 2), Nintendo (GameCube) und Sega (Dreamcast) ermutigten Microsoft, selbst eine Spielkonsole auf den Markt zu bringen. Im November 2001 feiert die Xbox Premiere in den USA.
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Nach mehreren Dopingfällen beim laufenden Giro d’Italia führt die italienische Polizei nach Ende der 17. Etappe in San Remo eine Razzia in den Hotels aller Mannschaften durch. Rund 200 Carabinieri durchsuchen die zwölf Quartiere der 20 Teams nach Dopingmitteln. Mehr als 200 Medikamente werden beschlagnahmt und 51 Anklagen eröffnet. Usher veröffentlicht sein drittes Album „8701“, mit Hits wie „Pop Ya Collar“, „U Remind Me“ und „U Got It Bad“.
Am 1. April werden in Amsterdam die ersten offiziellen standesamtlichen Trauungen von homosexuellen Paaren vollzogen. Holland erlaubt gleichgeschlechtlichen Paaren auch die Adoption von Kindern, was weltweit bisher einzigartig ist. Ab August können homosexuelle Paare in Deutschland ihre Lebenspartnerschaft registrieren lassen.
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Trucker Hats sind ein Trend, dem man nur folgen sollte, wenn man sich einen Von Dutch leisten kann.
Der deutsche Psychothriller „Das Experiment“ von Oliver Hirschbiegel bewegt die Gemüter und gewinnt Preise am Laufmeter. Unter anderem wird Moritz Bleibtreu mit dem Deutschen Filmpreis als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet.
Michael Schumacher wird Formel-1Weltmeister auf Ferrari und verteidigt damit sowohl die Fahrer- als auch die Markenweltmeisterschaft aus dem Vorjahr. Es ist Schumachers vierter WM-Titel insgesamt, der zweite mit Ferrari, von denen noch drei weitere folgen werden.
18. Dezember 2001: Billie Eilish Pirate Baird O’Connell erblickt in Los Angeles das Licht der Welt. Nickelback nervt.
Am 29 November stirbt Ex-Beatle George Harrison in einem Haus von Paul McCartney in Beverly Hills im Beisein seiner Familie an Krebs. Er wird nur 58 Jahre alt.
Auch ein Captain America fängt klein an: Chris Evans dreht „Not Another Teen Movie“. Ungeachtet weltweiter Proteste zerstören die radikal-islamischen Taliban-Milizen aus religiösen Gründen zwei jahrhundertealte Buddha-Statuen in Bamiyan.
Der Actionfilm „The Fast and the Furious“ mit Vin Diesel und Paul Walker spielt in der illegalen Straßenrennen- und Tuningszene und lässt die Kinokassen klingeln.
Eminem macht kurzen Prozess.
Ladies and Gentlemen: Alistair Leslie Graham, better known as Ali G, is in da house.
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US-Popstar Melanie Thornton ✝ 24. November 2001
US-Popstar Aaliyah ✝ 25. August 2001
Kronprinz Naruhito und Kronprinzessin Masako verlassen überglücklich mit ihrer neugeborenen Tochter, Prinzessin Aiko, das Krankenhaus.
Düdeldu-Di Düdeldu-Da Du-Di-Du Harald Schmidt trinkt während seiner Late Night Show einen Schluck „deutsches Wasser“.
Wohin Massentierhaltung und die damit einhergehenden Probleme führen können, zeigt sich 2001 auf grässlichste Weise. Illegal aus Asien importiertes Fleisch soll nach einem Bericht der Tageszeitung The Times für den Ausbruch der Maul- und Klauenseuche in Großbritannien verantwortlich sein. Von Großbritannien aus breitet sich die Seuche trotz aller Vorsichtsmaßnahmen nach Deutschland und in andere Teile Europas aus. Tiermärkte werden geschlossen. Importverbote. Exportverbote. Quarantäne. Notschlachtungen. Rinder, Schweine, Schafe – alle sind betroffen. Katja Poensgen aus Heppenheim geht als erste Frau in der Geschichte der Motorrad-Weltmeisterschaft an den Start eines 250 ccm-Rennens. Die Aprilia-Pilotin erreicht Rang 22 und lässt damit alle Kritiker verstummen.
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Ein Jahrzehnt nach ihrem Teenager-Starruhm und sieben Jahre, nachdem sie wegen Ladendiebstahls vorgeladen und wegen Marihuanabesitzes verhaftet wird, hat sich Jennifer Capriati zurück an die Spitze gekämpft. Sie beginnt das Jahr mit einem verblüffenden Sieg bei den Australian Open, gewinnt später auch die French Open und erreicht sowohl in Wimbledon als auch bei den US Open das Halbfinale.
62 Millionen Dollar spielt der Film „Die Monster AG“ in der ersten Woche in die Kinokassen. Mehr als 500 Millionen Dollar bringt die Produktion von Pixar und Disney insgesamt ein. Den Oscar für den besten Animationsfilm gibt es zwar nicht (der geht an „Shrek“), dafür den für den besten Song „If I Didn’t Have You“ von Randy Newman.
Blick in die Zeitung vom 8. März 2001.
Alco makes the Pop. Wer Juicy-Klamotten trägt, gehört im Grunde zur It-Crowd. Promis wie Madonna, Paris Hilton und Lindsay Lohan machen die Marke so populär, dass auf einmal gefühlt jede einen Tracksuit von Juicy Couture hat.
„Bridget Jones’s Diary“, die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Helen Fielding, mit Renée Zellweger, Colin Firth und Hugh Grant, kommt ins Kino.
Auftritt: Shakira. Ihre Songs „Whenever, Wherever“ und „Underneath Your Clothes“ sowie ihr Album „Laundry Service“ katapultieren die Kolumbianerin 2001 in die Liga der Superstars.
Die Band Gorillaz veröffentlicht im März ihre Single, „Clint Eastwood“ sowie ihr Album „Gorillaz“. Die virtuelle Band ist eine Schöpfung von Blur-Frontmann Damon Albarn und dem Zeichner Jamie Hewlett (Tank Girl). Sie verkaufen Millionen von Tonträgern und touren sogar mit einer aufwändigen Show.
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Im August 2001 erscheint die erste Ausgabe von FACES. Wir verweisen zwar immer gerne auf die „Erstmal in Schwarz“-Nummer, weil sie schon viel cooler aussieht, aber wenn wir ehrlich sind, dann ist das die allererste Ausgabe. Außerdem kommt es nie darauf an, wie man gestern ausgesehen hat, wenn man heute alle umhaut.
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2001 ist das Jahr von J.Lo. Im Radio laufen ihre Hits „Love Don’t Cost A Thing“, „Play“, „Ain’t It Funny“ und „I’m Real.“ Im Kino ist sie an der Seite von Matthew McConaughey in „The Wedding Planner“ und mit Jim Caviezel in „Angel Eyes“ zu sehen. Sie trifft die englische Queen und heiratet einen ihrer Tänzer, Chris Judd.
Der 2. Oktober versetzt die Schweiz in Schockstarre: Die Flotte der Swissair bleibt auf dem Boden, da die Airline den laufenden Flugbetrieb nicht mehr finanzieren kann. Grounding.
Karl Lagerfeld überrascht alle mit seiner schlanken Figur. „Wissen Sie, ich bin ein Künstler, Modeschöpfer, Fotograf in dem Körper eines Provinz-Notars. Ich möchte, dass sie mir helfen, den Körper zu bekommen, der zu mir passt. Und ich möchte die Anzüge von Hedi Slimane tragen können“, soll er seinem Arzt gesagt haben.
Mit dem Gehäuse in Orange/Weiß oder Blau/Weiß (Blueberry) und dem kurvigen Design orientiert sich das neue iBook am Desktop-Modell iMac, das Apple aus roten Zahlen in die Gewinnzone bringt.
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Je glossier die Lippen, desto besser. Ohne drei bis sieben Schichten rosa Lipgloss mit schimmerndem Finish aufzutragen, geht man nicht aus dem Haus. Außerdem ist es Pflicht, den Lipgloss in der Gesäßtasche der Jeans aufzubewahren (vor allem im Einkaufszentrum), damit jeder weiß, dass man Lipgloss in der Gesäßtasche der Jeans mit sich trägt.
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„Amores Perros“, „Tiger & Dragon“, „Ocean’s Eleven“ und viele mehr – und vor allem beschert uns Wes Anderson „The Royal Tennenbaums“.
Millionen von Zuschauern sehen im Kino die Welt durch die Augen von Amélie und verlieben sich dabei in Audrey Tautou.
Das deutsche Top-Model Heidi Klum kommt mit ihrem Ehemann Ric Pipino zur Verleihung der MTV Europe Music Awards in Frankfurt.
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Am 1. August ist die Welt noch in Ordnung: Die Schweiz feiert sich selbst und Berlin seine Königin. Shawne Borer Fielding, die Ehefrau von Botschafter Thomas Borer, ist die angesagteste Society-Lady von Berlin, trifft Stars und posiert auf roten Teppichen und für Hochglanzmagazine. Doch das tragische Ende des Märchens steht kurz bevor. In einer Schmutzkampagne der Schweizer Boulevardzeitung SonntagsBlick wird Thomas Borer fälschlich eine außereheliche Affäre vorgeworfen. Bis es ihm zu viel wird und er im Mai 2002 auf eigenen Wunsch hin aus dem Staatsdienst austritt. Verleger Michael Ringier entschuldigt sich öffentlich, Chefredaktor Mathias Nolte tritt zurück, und Ringier zahlt eine Million Schweizer Franken Schmerzensgeld.
Das medizinische Personal von „Scrubs“ erobert die Herzen der TVZuschauer.
Alexander McQueens Schals mit Totenkopfmuster sind leicht und sehen an den Hälsen derjenigen, die sie sich zulegen, cool und ausgefallen aus.
UGG-Stiefel beweisen, dass Komfort nicht alleine ausschlaggebend für das Tragen von Schuhen sein sollte.
„Donnie Darko“ ist ein Juwel von einem Film. Mit einem Budget von 4,5 Millionen Dollar wird er innerhalb von nur 28 Drehtagen abgefilmt. Es ist die erste Hauptrolle für Jake Gyllenhaal.
Im Januar startet in Miami der Scheidungsprozesses von Barbara und Boris Becker. Nach wochenlangem Streit um Geld und Sorgerecht wird sich außergerichtlich geeinigt. Nach Zeitungsangaben soll Barbara nach sieben Jahren Ehe 30 Millionen D-Mark bekommen. Becker bekennt sich zwei Wochen später zu seiner Beziehung mit Sängerin Sabrina Setlur.
„Sex and the City“ läuft jetzt endlich auch in Deutschland. Die Serie um die großen und kleinen Sorgen der vier Freundinnen Carrie Bradshaw, Miranda Hobbes, Charlotte York und Samantha Jones in New York läuft ab Herbst auf ProSieben.
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Schneller. Höher. Weiter. Fertig. Der Aufstieg der „No Angels“ ist kometenhaft, der Erfolg gigantisch und das Ende nah. Ein Jahr zuvor sind sie aus der ersten deutschen Staffel der Castingshow Popstars hervorgegangen.
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Blick auf das neue Astra Cabrio Turbo, das bei Opel ab sofort vorbestellt werden kann.
Wenigstens beruflich läuft’s bei Tom Cruise, hier in „Vanilla Sky“ mit Penélope Cruz.
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Jay-Z und Michael Jackson im Juni 2001 beim Summer Jam Concert in New York.
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Mit neuem Logo, einem Ehrenkodex und knallharten LizenzierungsVorgaben will die Deutsche Bundesliga ihr zuletzt arg angekratztes Image neu aufpolieren.
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NEXT
GEN
PHOTOGRAPHY: DET KEMPKE STYLING: JENNIFER MERTENS, HAIR & MAKE-UP: KARINA ASMUS, DIGITAL ASSISTANT: KONSTANTIN ODIN
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Sandra Photo Assistant Jacke von ZARA MAN.
Wir wollen Ecken und Kanten, Gesichter mit Persönlichkeit, Authentizität und Menschen, deren Äußeres eine Geschichte erzählt. Deshalb haben wir sie hier, die Jungs und Mädels von morgen, die als einziges eint: die Lust aufs Leben.
Marc Owner of a vintage design shop Hemd von EDC BY ESPRIT.
Fabian Tattoo Artist & Model
Jacke von ASOS DESIGN. T-Shirt von BOSS. Hose MODEL’S OWN.
Minh Tuh Dancer & Choreographer Jacke von ASOS DESIGN. Body von BOSS.
Parham Photographer & Art Director
Weste und Hose von G-STAR. Hemd von REVIEW.
Marcos Chemical Technician Hemd von RESERVED.
Habibi Refugee
Woon Manager
Hemd von TINTORIA MATTEI. Jacke und Hose von LEVI’S.
Gabriela Model
Hemd von H&M. Hose MODEL’S OWN.
Habibi Refugee
Jacke von REASON CLOTHING.
Eva Pharmaceutical Representative Jacke von BERSHKA DESIGN. Hose MODEL’S OWN.
Fabian Tattoo Artist & Model Jacke von ASOS DESIGN.
FUTURE
UNCERTAIN
TEXT: JAKUB SAMOCHOWIEC, AUSZÜGE AUS DER GDI-STUDIE „FUTURE SKILLS“ FOTOS: PICTURE ALLIANCE / RUDI KEUNTJE / GEISLER-FOTOPRESS 96
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Das M’era Luna Festival ist Walpurgisnacht und Ehemaligentreffen, eine Mischung aus Festival und Modenschau und der Ort, an dem sich alle treffen, die ihr irdisches Ich zumindest äußerlich in die Zukunft transferieren.
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Wir genießen den Moment, das tun wir wirklich. Und doch schadet es nicht, nach vorne zu blicken und das große Ganze zu betrachten, das sich Leben nennt. Im Gottlieb Duttweiler Institut machen sich kluge Köpfe täglich Gedanken zu dem, was an Trends und Szenarien auf uns zukommt. Und so formuliert Jakub Samochowiec vier Zukunftsvisionen vom Leben weit weg vom Heute und fern im Morgen, Möglichkeiten davon, wie unsere Welt aussehen könnte und Fähigkeiten, die wir uns bis dahin besser angeeignet haben sollten.
Hier 4 Szenarien:
1 – KOLLAPS Ausgangslage 2050 Die Menschen im Kollaps-Szenario sind weitgehend von der Außenwelt abgeschnitten. Internationaler Handel findet kaum statt, das Reisen außerhalb eines kleinen Radius ist zu kostspielig. Auch Migration findet nur noch relativ kleinräumig statt, beispielsweise von Küstennähe ins Landesinnere, wobei Europa seit dem Kollaps als Migrationsziel ohnehin an Attraktivität verloren hat. Gründe für den geringeren Bewegungsradius sind knappe Energie, marode überregionale Transportinfrastruktur wie Straßen oder Zuglinien, unsichere Routen, Misstrauen gegenüber Fremden sowie Straßenzölle als eine der wenigen Möglichkeiten für lokale Autoritäten, Einnahmen zu generieren. Was an überregionalem Austausch übrig ist, findet vielfach per Schiff statt, da der Transport über Seen, Flüsse und Kanäle relativ energiearm erfolgt und wenig Infrastruk-
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tur benötigt. Eine Vernetzung besteht teilweise noch digital, etwa durch Computer an öffentlichen Orten und lokale Funknetze. Diese Vernetzung ist aber vor allem lokal brauchbar. Überregionale Verbindungen sind zwar möglich, jedoch langsam und unzuverlässig, da die Glasfaser-Infrastruktur bald nicht mehr funktionierte und durch Kupferkabel und Funkverbindungen ersetzt wurde. Mit dem Wegfall einer überregionalen Vernetzung und Transportinfrastruktur in Form von Informationen und Waren löst sich auch die politische Integration in eine nationale und internationale Ordnung auf. Es gibt keine Autoritäten mehr, die eine überregionale politische Entscheidungsmacht besitzen. Lokale Gemeinschaften sind auf sich alleine gestellt, sowohl bei der Sicherung der Grundversorgung mit lebensnotwendigen Gütern als auch bei der Organisation des Zusammenlebens.
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Die meisten Innenstädte haben stark an Bewohnern eingebüßt. Außerhalb urbaner Zentren gelangt man besser an Ressourcen wie Wasser, Holz oder fruchtbaren Boden, während die zerfallende städtische Infrastruktur nicht nur ein Sicherheitsproblem, sondern auch ein Hygieneproblem darstellt. Zudem gibt es wenig Arbeitsformen, welche die gleichzeitige Anwesenheit vieler Menschen erfordert. Industrielle Produktion ist quasi inexistent, weshalb weniger komplexe Güter produziert werden können, da selbst für simple Dinge wie einen Toaster eine internationale Wertschöpfungskette nötig ist. Aber natürlich gibt es immer noch industrielle Güter wie Toaster, Handys oder Solarpanels, die entweder noch funktionstüchtig sind oder zumindest funktionierende Einzelteile besitzen. Viele Medikamente können jedoch nicht mehr hergestellt werden und sind auch schnell abgelaufen, was sich in einer verringerten Lebenserwartung äußert. Herausforderungen Zunächst sind es existenzielle Bedürfnisse wie der Zugang zu sauberem Trinkwasser, Ernährung oder Gesundheitsversorgung, welche gedeckt werden müssen. Aber auch Bedürfnisse, die auf der Maslowschen Bedürfnispyramide übergeordnet sind, wie dasjenige nach Sicherheit, dem Zugang zu Energie und Informationen, der Herstellung und Reparatur von Alltagsprodukten oder Transportmöglichkeiten, sind nicht gewährleistet. Gesellschaftlichen Herausforderungen wie etwa der Aufrechterhaltung von Wissen und Bildung, Rechtsordnung oder Demokratie gilt es ebenfalls entgegenzutreten. Beim plötzlichen Zusammenbruch staatlicher Strukturen müssen lokale Gemeinschaften diese Kooperations- und Koordinationsleistungen erbringen (zum Beispiel auch Konfliktmanagement). Besonders wenn der Zeithorizont aufgrund der Stresssituation sehr kurz ist und der Handlungsdruck entsprechend groß, haben es langfristige Ideale wie Nachhaltigkeit (um nicht alle Bäume zu roden) oder Menschenrechte (wenn es etwa um den Umgang mit Migranten geht) schwer. Der Stress, die Unsicherheit sowie der plötzliche Wegfall einer stabilen staatlichen Ordnung und das Erstarken des Kollektivs bilden einen fruchtbaren Boden für Populisten und Demagogen. Diese können an die Macht kommen, indem sie die allgemeine Frustration auf eine Minderheit oder eine angrenzende Gemeinschaft projizieren. Besonders attraktiv ist eine kurzfristige Bereicherung statt einer langfristigen Zu-
sammenarbeit dann, wenn die Nachbarn eine wichtige Ressource besitzen wie etwa ein Wasserkraftwerk oder eine gut bestückte Bibliothek. Es besteht also die Herausforderung, Frieden aufrechtzuerhalten. Lösungsansätze Die zuvor genannten Bedürfnisse wurden bisher im Zusammenspiel mit staatlichen Akteuren oder international operierenden Unternehmen und Organisationen gedeckt. Lokale und dezentrale Kooperations- und Organisationsformen, die nicht nur nach ökonomischen Prinzipien funktionierten, haben die ökonomische Krise am besten überstanden und übernehmen nun – neben informellen Netzwerken – diese Aufgaben. Gemüsekooperativen und Gemeinschaftsgärten versorgen ihre Mitglieder mit Nahrung. Wasser, Wohnraum, Gesundheit und Sicherheit werden durch Gemeindeverwaltungen, Nachbarschaftsnetzwerke und Wohngenossenschaften organisiert. Im Lokalgewerbe, in FabLabs und Repaircafés werden Dinge produziert, repariert oder recycliert. Arbeitsteilung ist weniger stark ausgeprägt als noch vor dem Kollaps, als jede*r sehr spezialisiert war. Eine gewisse Spezialisierung ist aber noch vorhanden. Waren und Leistungen werden miteinander geteilt, getauscht, verschenkt oder mit Lokalwährung gehandelt. Aufgrund der Notlage, der gegenseitigen Abhängigkeit wie auch des häufigen direkten und persönlichen Kontakts sind gegenseitige Hilfe und Engagement für die Gemeinschaft ausgeprägt. Man baut gemeinsam Kartoffeln auf Fußballfeldern an, stellt Windräder auf und hält Wasserkraftwerke, Sonnenkollektoren oder Photovoltaikanlagen auf öffentlichem Grund instand. Viele der zuvor erwähnten Organisationen bieten Kurse und Workshops an, um Wissen und Erfahrungen zu teilen. Kleber an Haustüren in bestimmten Nachbarschaften geben an, was man in diesem Haus ausleihen kann. Über einen Server in der Gemeindebibliothek werden Mails geschrieben, Neuigkeiten, Erfahrungen wie auch 3-D-Druck-Daten, Baupläne und Wikipedia-Einträge gespeichert und ausgetauscht. Die Gemeindeversammlung ist zum wichtigsten Entscheidungsgremium geworden. Es werden Probleme diskutiert, langfristige Projekte koordiniert und direktdemokratisch Regeln des Zusammenlebens definiert wie auch die Strafen für deren Überschreitung. Durch Gewaltenteilung wird sichergestellt, dass Entscheide wohlüberlegt sind.
Fähigkeiten, Wissen, Eigenschaften ● PRAKTISCHE FÄHIGKEITEN & GRUNDLAGENWISSEN Die erste Priorität besteht im Überleben, weshalb Survival Skills gebraucht werden wie beispielsweise die Fertigkeit, Feuer zu machen, Wasser zu reinigen oder essbare Beeren und Pilze zu erkennen. Pflanzenkunde ist nicht nur in der freien Natur wichtig, sondern auch, um Landwirtschaft zu betreiben. Dazu sind auch gärtnerische Fähigkeiten nötig. Für Produktion, Reparatur und Recycling von Möbeln, Häusern, Kleidern etc. sind handwerkliche Fähigkeiten wichtig. Um eine SmartphoneBatterie auszuwechseln, einen Chip irgendwo herauszulöten oder ein Photovoltaik-Panel zu reparieren, braucht es technische Bastelfähigkeiten. Dazu helfen praktische Kenntnisse in Chemie, Physik und
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Elektronik. Bei Bastelarbeiten mit herausgelöteten Chips oder programmierbaren Mikrocontrollern (ArduinoBoards) sind auch Programmierfähigkeiten nützlich. Mit den genannten Fähigkeiten lässt sich etwa eine automatische Bewässerungsanlage für ein Gemüsebeet bauen. ● WISSENSAUSTAUSCH Nicht alle Mitglieder der Gesellschaft müssen alle Fähigkeiten beherrschen. Die Expertise muss aber in einer Gemeinschaft vorhanden sein und schnell ausgetauscht werden können. Man muss sich schnell neues Wissen aneignen und eigenes Wissen verständlich vermitteln können. Der Austausch von Informationen kann gerade in Katastrophensituationen Leben retten.
● SELBSTBESTIMMUNG & SELBSTWIRKSAMKEIT In einer solch neuen Situation gibt es keine Verhaltensskripte oder Anweisungen „von oben“. Es braucht Eigenantrieb, Selbstverantwortung und Anpassungsfähigkeit, um Projekte wie eine Bewässerungsanlage anzugehen. Man muss sich wagen, neue Dinge zu versuchen. Dafür sind Selbstwirksamkeit und der Mut zu Fehlern nötig.
● TEAMFÄHIGKEIT & GEMEINSCHAFTSWERT Die Zusammenarbeit in der Gruppe ist überlebenswichtig. Mitglieder der Gemeinschaft müssen in der Lage sein, in der Gruppe Entscheidungen zu treffen und sich in der Gruppe zu koordinieren, um Entscheidungen umzusetzen. Vor allem aber kommt es auf die Bereitschaft an, sich für die Gemeinschaft zu engagieren und auch Unbekannten einen Vertrauensvorschuss zu geben: Das können Unbekannte in der Gemeinschaft sein, aber auch Auswärtige, mit denen man handeln und Wissen teilen könnte.
● EMOTIONALE STABILITÄT Stress macht es schwierig, Impulse zu kontrollieren. Und Stress ist im Kollaps-Szenario allgegenwärtig. Um langfristig zu denken und die Welt geduldig wiederaufzubauen, anstatt in einen Hobbes’schen Naturzustand zurückzufallen, wo jede*r gegen jede*n kämpft, ist Stressresilienz notwendig. Ist man emotional stabiler, indem man etwa in der Lage ist, die eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu reflektieren und über seine Gefühle zu sprechen, ist die Anfälligkeit für Hetze und Schuldzuweisungen gegen Minderheiten und Nachbarn geringer.
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2 - GIG-ECONOMY-PREKARIAT Ausgangslage 2050 Im Gig-Economy-Prekariat-Szenario leben viele Menschen am Existenzminimum. Staatliche Leistungen wie Bildung oder Gesundheitsversorgung sind nur minimal gegeben. Alles über das Minimum hinaus wurde privatisiert und ist deshalb sehr ungleich verteilt. Diejenigen, denen Land, Maschinen und Immobilien gehören, wohnen in abgeschotteten Steueroasen mit ausgezeichneter privater Infrastruktur. Mit Mauern und vereinzelten philanthropischen Engagements schützen sie sich vor allzu großen Begehrlichkeiten der prekären Masse. Diese buhlen als digitale Tagelöhner um rar gesäte Kurzzeitjobs. Ob die nächste Miete bezahlt werden kann, ist ungewiss; Hoffnung auf eine baldige Verbesserung existiert kaum. Natürlich gibt es auch Menschen, die mit dieser Flexibilität sehr gut umgehen können. Besonders ältere und schlechter gebildete Menschen aber haben große Mühe, sich an einen sich ständig wandelnden Arbeitsmarkt anzupassen. Zwar gäbe es zahlreiche Betätigungsfelder, etwa bei der Betreuung älterer Menschen, doch haben diese oft kein Geld, um Pflegedienstleistungen zu bezahlen. Wer keine Familienmitglieder hat, wird teilweise noch von Robotern betreut. Viele Jobs bestehen darin, Maschinen Dinge beizubringen: zum Beispiel Knieoperationen durchzuführen, Dialekte zu sprechen, Ironie in einer Nachricht zu erkennen oder eine gute Lasagne zu kochen (als Koch-Roboter oder nur als beratender Koch-Assistent). Eine
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Form, Maschinen etwas beizubringen, ist es, sie mit Daten zu füttern. So lassen sich beispielsweise eigene Gesundheits- oder Konsumdaten, etwa durch Tracking von Einkäufen, monetarisieren. Oder man beantwortet der Plattform für einen kleinen Geldbetrag Fragen zu Freunden („Warum hat Michael plötzlich aufgehört, Energy-Drinks zu kaufen?“). Das erlaubt der Plattform, gezieltere Werbung zu schalten. Mit Werbung selbst lässt sich ebenfalls Geld verdienen. Eine positive Beurteilung einer YogaMatte auf Social Media wird mit einem Kleinstbetrag belohnt. Etwas mehr Geld erhält, wer Yoga-Lehrer*in ist oder viele reiche Follower hat. Wer der Plattform Zugriff auf das Mikrofon des Smartphones gibt, kann weitere Monetarisierungsmodelle realisieren. Es ermöglicht, das Loben von Produkten gegenüber Freunden mit einer Provision zu belohnen. Manche verdienen Geld damit, gutaussehend in Cafés zu sitzen und andere zum Bestellen ihrer Kleider anzuregen (etwa via Augmented Reality). Durch das Offenlegen eigener Daten erhöht man seine Jobchancen. Denn messbare Daten, bis hin zu aktuellen Gesundheitsdaten, sind für Anstellungsentscheidungen relevanter als klassische Bewerbungsunterlagen. Zwar wird niemand dazu gezwungen, alles über sich preiszugeben, doch engagiert man bei sehr vielen Bewerbungen eher diejenigen, die „nichts zu verbergen“ haben. Je mehr gemessen und verdatet wird, desto mehr wird das Leben zu einem einzigen Bewerbungsgespräch. Eine falsche Aussage, ein unüberlegter Social-Media-Post oder eine
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einzelne Drogenerfahrung kann die eigenen Jobchancen für alle Zukunft negativ beeinflussen. Private Gesundheitsversorger erwarten ebenfalls volle Transparenz. Je mehr Daten man teilt – vom Schrittzähler bis hin zur smarten Toilette – und je gesünder man dabei ist, desto geringer der Krankenkassenbeitrag. Niemand wird zur Offenlegung seiner Daten gezwungen; es aber nicht zu tun, ist teurer, als ungesund, aber transparent zu leben. Die Monopolisierung untergräbt auch die Macht des Konsumenten. Viele Dinge werden nicht mehr gekauft, sondern nur noch gemietet, weshalb man sie nicht mehr besitzt und damit auch nicht selbst reparieren oder umbauen darf. Geräte funktionieren nur noch mit proprietären Bau- oder Ersatzteilen, sodass diese nur von einem Hersteller bezogen werden können. Aufgrund der Schwäche des Staates und mangelnder Intermediäre wie Verbänden, Konsumentenschutzorganisationen oder Gewerkschaften (Arbeiter*innen sehen sich als gegenseitige Konkurrenz und organisieren sich nicht) gibt es kaum Regulierungen, um Ausbeutung, Privatsphärenverletzungen oder Monopolisierung einzuhegen. Herausforderungen Im Gig-Economy-Prekariat wird eine Anpassung an sich ständig verändernde Marktbedürfnisse verlangt. Die meisten Menschen sind gestresst. Sie wissen nicht, ob sie sich nächste Woche das Nötigste werden leisten können, da staatliche Auffangnetze kaum existieren. Vielerorts führt Hoffnungslosigkeit zu zerrütteten Familienverhältnissen, Gewalt, Drogenkonsum, Fremdenfeindlichkeit und einer Flucht in virtuelle Welten. Die Plattform hat mehr Macht als der Staat, unterliegt aber keiner demokratischen Kontrolle, weshalb der Staat kaum Möglichkeiten hat, die Privatsphäre seiner Bürger zu schützen. Das Offenlegen persönlicher Daten ist die Norm. Das führt dazu, dass Menschen Selbstzensur betreiben, da alles, was sie sagen oder tun, ihre Job-Chancen beeinflussen könnte. Gesellschaftlicher Zusammenhalt fehlt. Einerseits wurden private Beziehungen ökonomisiert, weshalb ein Misstrauen herrscht, welche Freundschaften, Tipps und Meinungen ehrlich sind oder was nur gesagt wird, um Geld zu verdienen. Ein großer Graben zwischen Arm und Reich schadet dem gesellschaftlichen Zusammenhalt zusätzlich. Aber auch die Solidarität unter den
Armen bröckelt, weil alle gegenseitig Konkurrenten für die wenigen Jobs sind, was besonders Minderheiten in Form von Diskriminierung zu spüren bekommen. Lösungsansätze Lebenslanges Lernen, ein ständiges Up- und Reskilling, ist Pflicht. Dafür gibt es viele digitale Angebote. Die Plattform selbst unterstützt ihre Nutzer dabei, denn sie profitiert schließlich von fähigeren Arbeitskräften. Es gibt Online-Kurse oder auch die Möglichkeit, „Praktikumsprojekte“ durchzuführen, bei denen Erfahrungs-Badges der Lohn sind. Wichtig ist, dass man mit Maschinen umgehen kann. Auf diese Weise kann man sie nutzen, anstatt von ihnen verdrängt zu werden. Es reicht nicht, attraktive Kombinationen von Fähigkeit auf dem Arbeitsmarkt anzubieten und darauf zu warten, für ein Projekt angestellt zu werden. Man muss auch selbst neue Geschäftsideen entwickeln. Das kann das Lancieren neuer Produkte oder Dienstleistungen beinhalten, das kreative Bewerben anderer Produkte, aber auch Investitionen in vielversprechende Produkte, Projekte oder Humankapital. So kann etwa in die Ausbildung einer anderen Person investiert werden. Die Investoren kriegen dann nach der Ausbildung einen Teil des Lohnes als Dividende ausbezahlt. Nach demselben Prinzip kann auch die Migration von Menschen finanziert werden, um dann an ihren Einkünften am Zielort beteiligt zu sein. Umgekehrt ist es natürlich auch möglich, dass andere Menschen in die eigene Ausbildung oder Migration investieren. Ein Gemeinschaftsgefühl entsteht durch das Teilen von Gütern, Unsicherheiten oder Aufgaben. Nachbarschaften legen gemeinsame Gemüsebeete oder Kindertagesstätten an, um welche sich diejenigen kümmern, die gerade keinen Job haben. Mit Zeitguthaben werden gegenseitige Hilfeleistungen vergütet, auch wenn kein Geld vorhanden ist. In Arbeitsnetzwerken oder ganzen Berufsgruppen können Peer-to-Peer-Versicherungen die Unsicherheit von Lohnausfällen verringern und ein Gemeinschaftsgefühl vermitteln. Existiert ein Mindestmaß an Gemeinschaftsgefühl, ist es möglich, dass sich einzelne Netzwerke als Vereine, Verbände und/oder Gewerkschaften zusammenschließen. So können sie beispielsweise von der Plattform höhere Preise für ihre Daten verlangen oder Datenschutz-Normen durchsetzen.
Fähigkeiten, Wissen, Eigenschaften ● SELBSTBESTIMMUNG Es ist das Wichtigste, Eigenantrieb und Selbstverantwortung zu entwickeln. Denn niemand kümmert sich um einen, wenn man es nicht selber tut. Voraussetzung dafür ist es, mit dem Stress umgehen zu können, den die sich ständig ändernde, unsichere Situation verursacht.
● LEBENSLANGE LERNFÄHIGKEIT Lebenslanges Lernen wird zur Pflicht. Es braucht die Fähigkeit, sich Wissen schnell anzueignen und komplexe und im Überfluss vorhandene Information zu verarbeiten. ● MASCHINEN-KOMPETENZEN Die Fähigkeit, mit Maschinen umzugehen, also Computer-Skills und Programmierfähigkeiten, sind notwendig, um Maschinen zur Produktivitätssteigerung
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zu nutzen und nicht von ihnen verdrängt zu werden.
● UNTERNEHMERTUM & FLEXIBILITÄT In diesem Szenario ist es wichtig, unternehmerisch zu denken. Man muss Chancen erkennen und ergreifen, sei es bei der eigenen Weiterbildung oder beim Lancieren von Projekten und Produkten. Es braucht Anpassungsfähigkeit und Kreativität, um in einer Welt, in der sich der Markt ständig ändert, immer wieder neue Geschäftsideen zu entwickeln. ● SELBSTWIRKSAMKEIT Um sich in einem bisher kaum bekannten Gebiet weiterzubilden oder neue Produkte auf den Markt zu bringen, ist Selbstwirksamkeit notwendig, also die Überzeugung in die eigene Kompetenz.
Gleichzeitig sind Geduld und Durchhaltevermögen wie auch der Mut, Fehler zu machen, essenziell, weil Misserfolge wahrscheinlich sind. ● ADMINISTRATION Für das Unternehmerische sind auch administrative Fähigkeiten wichtig, wie beispielsweise das Erstellen eines Vertrages und schlicht die Fähigkeit, sich organisieren zu können. Wer Dinge voranbringen will, muss in der Lage sein, die eigene Zeit gut einzuteilen oder Prioritäten zu formulieren. ● TEAMFÄHIGKEIT & INTERKULTURELLE KOMPETENZEN Administration und Organisation sind besonders in der Gruppe relevant. Dass viele zum ersten
Mal zusammenarbeiten, unterschiedliche kulturelle Hintergründe haben und sich nur online austauschen, macht die Entscheidungsfindung in der Gruppe und die Koordination der Gruppenarbeit zusätzlich schwierig. Für interkulturelle Zusammenarbeit hilft die Fähigkeit, in unserer Gesellschaft akzeptierte Realitäten und Wertvorstellungen zu reflektieren und zu hinterfragen. ● TECHNOLOGIE-MÜNDIGKEIT Als mündige*r Bürger*in bedarf es Online-Kompetenzen. Man sollte wissen, welche Daten man mit wem teilt und wie die Plattform grundsätzlich funktioniert und Geld verdient. So kann man sich bewusst entscheiden, ob, und wenn ja, welche Kompromisse zwischen Privatsphäre, menschlicher Würde
einerseits und ökonomischen Vorteilen andererseits man eingehen will. ● GEMEINSCHAFTLICHES ENGAGEMENT Um zusammenzuarbeiten und der übermächtigen Plattform etwas entgegenzusetzen, braucht es die Bereitschaft, sich für die Gemeinschaft zu engagieren – sei es politisch oder durch alltägliche Hilfeleistungen. Alternativen, das heißt gesellschaftliche Ziele, müssen formuliert werden, um sich gemeinsam für Veränderungen einzusetzen. Wer sich für mehr Datenschutz einsetzt, muss umgekehrt auch akzeptieren, weniger über andere Menschen erfahren zu können. Ein Verzicht auf diese Transparenz setzt voraus, in der Lage zu sein, Unbekannten einen Vertrauensvorschuss zu geben.
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3 - NETTO-NULL Ausgangslage 2050 In mancherlei Hinsicht gleicht die Netto-Null-Welt im Jahr 2050 dem Kollaps-Szenario. Der internationale Warenfluss ist deutlich reduziert, viele Annehmlichkeiten aus dem Jahr 2020 existieren nicht mehr. Was im Kollaps-Szenario aber aus einem Sachzwang heraus geschieht, ist im Netto-Null-Szenario eine bewusste gesellschaftliche Entscheidung. Insgesamt ist die Welt lokaler und dezentraler geworden. Menschen bewegen sich mit Fahrrädern oder öffentlichem Verkehr. „Home-Office“, „Co-Working Space“ und Telekonferenz haben das Pendeln ins entfernte Büro ersetzt. Flüge sind selten, und auch der motorisierte Individualverkehr existiert nur noch in geringem Maße. Der Verkehr ist elektrifiziert. Diejenigen Autos, die es noch gibt, werden geteilt. Der Bewegungsradius der meisten Menschen ist deutlich geschrumpft. Damit verändert sich auch der öffentliche Raum. Straßen werden vielfach in schattenspendende Parks umgewandelt, was bei den regelmäßigen Hitzewellen notwendig ist. Energie wird vor allem aus Sonne und Wind gewonnen. Nachbarschaften teilen sich Sonnenkollektoren und PhotovoltaikPanels. Ein smartes Netzwerk koordiniert die daraus gewonnene Energie. Bei Überschüssen wird die Energie zur Produktion von Wasserstoff verwendet oder in Quartier-Batterien gespeichert. Bei Engpässen werden alle aufgeladenen Geräte – von E-Bikes über Computer bis hin zu Drohnen – gleichermaßen angezapft und auch der Wasserstoff wieder in Energie umgewandelt. Fossile Brennstoffe wie Öl werden noch geringfügig gefördert; sie werden allerdings nicht mehr in Motoren verbrannt, sondern nur noch für wichtige Dinge wie die Herstellung von Medikamenten verwendet.
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Internationaler Handel findet vor allem über moderne Segelschiffe statt, geschieht aber in geringerem Ausmaß als noch zu Beginn des Jahrhunderts. Darum sind viele Produkte deutlich teurer geworden und werden eher repariert, recycliert, geteilt und lokal hergestellt. Aufgrund der Klimaerwärmung können mehr Früchte lokal produziert werden, die früher aus Übersee kamen. In Gärten, an Hausfassaden und auf Balkonen pflanzen viele Menschen einen Teil ihrer Nahrungsmittel selbst an, wodurch sie einen näheren Bezug zu Nahrungsmitteln entwickelt haben. Diese Normen haben sich nicht spontan entwickelt, sondern wurden gesetzlich bestimmt. Auf internationaler Ebene gibt es etwa Regelungen bezüglich der Wiederverwertbarkeit von elektrischen Geräten, ein Verbrennungsverbot fossiler Rohstoffe oder Verteilschlüssel für Klimamigrant*innen. National werden Vorgaben sehr unterschiedlich umgesetzt. In einigen Ländern sind viele Dinge verboten oder stark eingeschränkt, beispielweise Fleischkonsum, Flugreisen, Haustierbesitz oder Wohnflächen pro Person. In anderen Ländern wiederum bekommen alle Bewohner*innen ein jährlich kleiner werdendes Emissionskontingent zugeteilt, welches sie nach Belieben nutzen oder verkaufen können. Herausforderungen Die Welt im Netto-Null-Szenario muss die CO2-Emissionen so schnell wie möglich auf null senken. Da dies mit technologischer Innovation nicht konfliktfrei durchzuführen ist, müssen Regeln zur Selbsteinschränkung aufgestellt werden, die von der Gesellschaft akzeptiert werden. Besonders schwierig macht es, dass diese Einschränkungen nicht gleich eine wahrnehmbare
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Wirkung zeigen. Der beste Fall für die kommenden Jahrzehnte besteht vermutlich darin, dass die Folgen des Klimawandels – Unwetter, Artensterben, Erhöhung der Meeresspiegel – nicht schlimmer werden. Die Einschränkungen sind also sehr konkret, der Nutzen hingegen abstrakt und für künftige Generationen viel ausgeprägter. Um dennoch persönliche Einschränkungen hinzunehmen, muss die komplizierte und abstrakte Problematik verstanden werden. Schmerzhafte Einschnitte führen jeweils zu lautstarkem Widerstand und gesellschaftlichen Spannungen, vor allem von Menschen aus ländlicheren Regionen, wo Bankfilialen, Einkaufsmöglichkeiten und Dorfkneipen verschwanden und es wenig Arbeit gibt. Sie sehen sich ohnehin schon als Verlierer der Globalisierung und haben nun das Gefühl, dass die Globalisierungsgewinner, die Politik und Kultur dominieren, ihnen noch vorschreiben wollen, wie sie zu leben haben. Hinzu kommt das sogenannte Allmendproblem, in der englischsprachigen Literatur auch als „Tragedy of the commons“ bekannt. Aus gemeinsamer Perspektive ist es sinnvoll, den Verbrauch einer natürlichen Ressource zu reduzieren, weil sonst am Ende alle mit leeren Händen dastehen. Niemand will aber der „Dumme“ sein, der sich selbst zurücknimmt, während die anderen weitermachen wie bisher. Wenn alle aber darauf warten, dass die anderen den ersten Schritt tätigen, bevor sie selber etwas tun, tut niemand etwas. Das Problemverständnis und die Bereitschaft zur Selbsteinschränkung reichen also nicht aus. Um selbst den ersten Schritt zu tätigen, ist der Glaube an das kollektive Handeln notwendig. Lösungsansätze Damit Menschen die Notwendigkeit von einschneidenden Maßnahmen verstehen und darüber entscheiden können, wird das komplexe Thema des Klimawandels schon früh und in allen Schulstufen besprochen. Auch die breite Bevölkerung wird laufend über aktuellste Erkenntnisse der Forschung auf dem Laufenden gehalten. Maßnahmen zur Reduktion von CO2-Emissionen müssen demokratisch legitimiert sein, um in der Schweiz akzeptiert zu werden. In einer Welt mit geringer Mobilität bedeutet dies, dass die Regelung subsidiär, also möglichst lokal, stattfindet. Direktdemokratische Entscheidungsgremien bis hinunter auf die Gemeinde- oder Quartierebene formulieren und im-
plementieren Regeln, überprüfen deren Einhaltung und definieren bei Verstoß gegen diese Sanktionen. So entscheiden diese Versammlungen, wie die lokal produzierte Energie verteilt wird, welche Nahrungsmittel auf öffentlichem Grund angebaut werden und was überhaupt öffentlicher Grund ist. Die Regeln sind weniger eine Vorgabe von oben, sondern vielmehr etwas zusammen Bestimmtes, was sogar ein Gemeinschaftsgefühl erzeugen kann. Dieser Bottom-up-Mechanismus wiederum hilft, Vertrauen aufzubauen und das Allmendproblem zu überwinden. Aber natürlich kann nicht alles auf Gemeindeebene geregelt werden. Zu den Problemen, die auf nationaler Ebene bearbeitet werden, gehört die Reduktion sozialer Ungleichheit. Denn das Gefühl der Ungerechtigkeit verhindert, dass ärmere Menschen bedeutsame Einschränkungen akzeptieren. In abgelegenen Gebieten wird daher Infrastruktur wie Einkaufsmöglichkeiten oder Gesundheitsversorgung subventioniert, damit Menschen zum Einkaufen oder Arztbesuch nicht mehr weit fahren müssen und sich in ihren Bedürfnissen wahrgenommen fühlen. Emissionsabgaben werden gleichmäßig an die Bevölkerung rückverteilt. Steuern für Wohlhabende werden deutlich erhöht, an vielen Orten werden bestimmte Luxusgüter verboten, beispielsweise private Helikopter oder beheizte Außenschwimmbäder. Gleichzeitig findet ein Wertewandel statt, in dem Zeit als Statussymbol wichtiger wird als materieller Besitz. Denn viel Zeit bedeutet Freiheit. Daher arbeiten die Menschen auch weniger. Wer viel Zeit hat, kann andere Kontinente bereisen, da dies nur per Schiff oder Zug möglich ist. Viel Zeit bedeutet, ausgeschlafen, ausgeglichen und gesund zu sein. Der Wertewandel von materiellen hin zu immateriellen Werten hin zu Zufriedenheit, Natur, Gesundheit und Zeit hat auch auf nationaler Ebene stattgefunden, indem das Bruttoinlandprodukt einem umfassenderen Lebensqualitätsindex Platz gemacht hat, der diese Faktoren berücksichtigt. Ein anderer Umgang mit Zeit geht auch mit einer Erweiterung des eigenen Zeit- und Raumhorizontes einher. Man reflektiert, welche Auswirkungen eigenes Verhalten auf Menschen auf pazifischen Inseln hat oder auf solche, die erst in 200 Jahren geboren werden. Die Konsumkultur wird ähnlich angesehen wie der Kolonialismus. Während es im Kolonialismus noch Menschen des globalen Südens waren, die ausgebeutet wurden, waren es bei der Konsumkultur die eigenen Nachkommen, deren Besitz bisher als plünderbar angesehen wurde.
Fähigkeiten, Wissen, Eigenschaften ● EMOTIONALE STABILITÄT & PRAKTISCHE FÄHIGKEITEN Wetterextreme sind viel häufiger. Dafür muss man mit Stress umgehen können. Wenn Infrastrukturen wie Heizung oder Frischwasserversorgung ausfallen, tragen Survival Skills dazu bei, die Krise kurzfristig schadlos zu überstehen. Dank handwerklicher Fähigkeiten können durch Unwetter verursachte Schäden selbst repariert werden. Gärtnerische Fähigkeiten sind eine Voraussetzung dafür, sich notfalls auch selbst zu ernähren. ● WIRKSAMKEIT Um sich zuzutrauen, Dinge selbst anzupacken, sei es, selbst sein Haus umzubauen, eigene Nahrung zu kultivieren oder Geräte zu reparieren, sind Selbstwirksamkeit und der Mut, Fehler zu machen, notwendig.
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● PROBLEMVERSTÄNDNIS & WISSENSVERARBEITUNG Um über Maßnahmen gegen den Klimawandel mitzureden, ist ein vertieftes Problemverständnis notwendig. Dazu gehören ökologische und volkswirtschaftliche Kenntnisse. Wie hängen Wirtschaftswachstum und Emissionen zusammen? Was kann über den Preis geregelt werden? Was passiert, wenn die letzten Gletscher in den Alpen verschwinden? Um sein Wissen aktuell zu halten, gilt es, komplexe und im Überfluss vorhandene Informationen verarbeiten zu können, Statistiken zu verstehen, wissenschaftliches Vorgehen nachvollziehen und die Glaubwürdigkeit von Medieninformationen einschätzen zu können.
● GETEILTE ZUKUNFTSVERANTWORTUNG Das Problemverständnis allein nützt wenig. Es bedarf auch der Bereitschaft, sich für die (zukünftige) Gemeinschaft zu engagieren, auch wenn das nur bedeuten sollte, auf Dinge zu verzichten. Man muss in längeren Zeiträumen denken, also sich etwa vorstellen, wie die Welt in 100 oder 200 Jahren aussieht, und gleichzeitig eine Verantwortung gegenüber den zukünftigen Generationen empfinden, die dann leben werden. Und schlussendlich ist Vertrauen notwendig, dass andere Menschen dieses Problembewusstsein und die Bereitschaft, sich selbst einzuschränken, auch teilen.
● NICHT-MATERIELLE WERTE Die Einschränkung wird weniger als solche empfunden, wenn man nicht-materielle Ressourcen wie etwa Zeit mehr wertschätzt. Die Anhäufung von Besitz muss nicht der einzige Orientierungspunkt sein und ist keineswegs eine menschliche Konstante. Um dies zu hinterfragen und attraktive Alternativen zu formulieren, statt nur Verzicht zu predigen, müssen eigene Wünsche und Bedürfnisse reflektiert, gesellschaftliche Werte infrage gestellt und alternative gesellschaftliche Ziele formuliert werden können. ● DEMOKRATIEFÄHIGKEIT Um eine Selbsteinschränkung politisch umzusetzen, müssen diese Entscheide in der Gruppe gefällt werden. Je mehr Menschen über ein Verständnis für demokratische Abläufe verfügen
oder gar politisch engagiert sind, desto mehr Legitimität erhalten die Entscheide. Sonst drohen Entscheidungen als Weisungen einer Elite wahrgenommen zu werden. ● FLEXIBILITÄT Mit den Einschränkungen muss man sich gut organisieren können und anpassungsfähig sein, weil Güter und Dienstleistungen nicht mehr überall und jederzeit erhältlich sind und zudem geteilt werden. Strom steht etwa nicht zu jeder Tages- und Nachtzeit zur Verfügung. Es kommt also auf bessere Planung, Flexibilität und die Bereitschaft zu teilen an.
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4 - VOLLAUTOMATISIERTER KI-LUXUS Ausgangslage 2050 In der Welt des KI-Luxus-Szenarios herrscht kaum noch Zwang. Niemand muss für Geld arbeiten, weil Daten, Energie und Ressourcen im Überfluss vorhanden sind. Nahrungsmittel können durch Roboter angebaut werden: Gemüse und Früchte in vertikalen Gärten an Hausfassaden, Fleisch im Labor, Getreide auf Permakultur-Feldern. Auch die Gesundheitsversorgung können Roboter übernehmen. Roboter stellen ein Grundangebot sicher, das oft nicht benötigt wird. Denn viele Menschen kümmern sich gerne um Gärten und lassen Roboter höchstens mechanisch Unkraut entfernen, um keine Gifte zu sprühen. Andere wiederum finden in der Pflege von kranken Menschen oder dem Unterrichten von Kindern ihre Berufung. Luxus und Überfluss bedeuten nicht, dass alle verschwenderisch und dekadent leben. Die Anhäufung von Besitz ist im Überfluss so unsinnig wie das Ausdrucken und Horten von WikipediaArtikeln. Dementsprechend ist Besitz auch kein Statussymbol, und es wird nur das besessen, was auch benutzt wird. Überfluss bedeutet auch nicht, dass alle gleich sind. Das Gegenteil ist der Fall. Die vielen Freiheiten führen zu großen Unterschieden zwischen den Menschen. Es ist gleichermaßen möglich, sein Potenzial in vollem Maße auszuschöpfen, wie auch, sich sozial völlig abzukapseln und das Leben mit Computerspielen zu verbringen. Die Vielfalt der Entwicklungsmöglichkeiten manifestiert sich in ganz unterschiedlichen Gemeinschaften. Einige Gemeinschaften experimentieren mit neuen Geschlechteridentitäten, andere negieren die Existenz von Geschlechtern. Einige verändern ihre Körper gentechnisch, um sie für das Leben auf dem Mars vorzubereiten, andere enthalten sich fast sämtlicher Technologien. Einige leben im religiös motivierten Zölibat, andere in polygamen Gemeinschaften ohne Besitzansprüche an Partner. Diese Gemeinschaften, denen sich Menschen freiwillig anschließen, haben den Nationalstaat ersetzt und definieren ihre eigenen (meist minimalen) Regeln des Zusammenlebens. Eine globale Koordination findet in Bezug auf Datenstandards statt, damit Daten
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weltweit reibungslos geteilt und genutzt werden können. Ebenfalls werden kritische Technologien wie Nuklearwaffen global reguliert. Dank des Überflusses an Ressourcen und Energie sind zuvor lebensfeindliche Orte bewohnbar und Gemeinschaften gleichmäßig über den Globus verteilt. So leben Menschen in der Sahara, am Meeresgrund und sogar auf dem Mond. Selbst der Platz auf dem Planeten unterliegt somit so gut wie keiner Knappheit mehr. Einige der wenigen Knappheiten dieser Welt sind Anerkennung und Zuneigung. Wer nützliche Objekte entwirft, kreative Kunstwerke produziert, wertvolle Daten und Algorithmen generiert oder saftige Tomaten wachsen lässt und diese Erzeugnisse mit anderen teilt, genießt hohes Ansehen. Reputation und Prestige sind aber Dinge, die nicht digital registriert werden. Eine explizite Bewertung, ein Ranking oder ein Zur-Schau-Stellen der eigenen Verdienste ist verpönt. Die Kreation neuartiger Erzeugnisse wie die zuvor angesprochenen nützlichen Objekte, Kunstwerke oder Algorithmen ist schwierig. Insbesondere, wenn es um die Schaffung rein funktionaler, technischer Erzeugnisse geht, bei denen die soziale oder ästhetische Komponente eine untergeordnete Rolle spielt, sind künstliche Intelligenzen Menschen hoch überlegen. Und künstliche Intelligenzen sind in den allermeisten Gemeinschaften allgegenwärtig. KIs sind ausschlaggebend in der Entwicklung neuer Technologien und Medikamente, in der Exploration des Sonnensystems oder auch in der Formulierung von lokalen und globalen Regeln. Viele Menschen nutzen auch persönlich KI-Assistenten, die Fragen beantworten, Empfehlungen aussprechen oder als Gesprächspartner dienen. Der Assistent kennt die Nutzenden in der Regel besser als diese sich selbst, weshalb man kaum etwas falsch machen kann, wenn man dessen Vorschläge befolgt. Manche Menschen vermissen es regelrecht, wieder mal etwas falsch zu machen, trauen sich aber dennoch nicht, Entscheidungen alleine zu fällen.
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Herausforderungen In dieser Welt gibt es auf den ersten Blick keine Probleme. Man kann alles, muss aber nichts. Es gibt keine zwingenden Autoritäten, die einem vorschreiben, was wichtig und unwichtig, was gut und schlecht ist; es gibt keine vorgegebenen Aufgaben und Werte, an denen man sich orientieren muss. Wertvorstellungen, Antrieb und Sinnstiftung sind etwas, das Menschen allein und in Gemeinschaften erzeugen müssen. Diese Freiheit überfordert manche, weil selbstgestifteter Sinn beliebig wirken kann. Einige wenden sich vom Versuch, Sinn und Antrieb zu erzeugen, völlig ab und flüchten in digitale Unterhaltungsangebote, virtuelle Welten und zu Sexrobotern. Andere wiederum nehmen den KI-Assistenten als Autorität und befolgen minutiös dessen Empfehlungen in Sachen Bücher, Partner, Aktivitäten, Wohnort etc. Denn die Assistenten wissen, was das Belohnungszentrum der Nutzenden am meisten aktiviert, was also Glück produziert. Sinnstiftung ist aber nicht dasselbe wie Glück. Sinnstiftung entsteht dadurch, dass man sich als autonomen Akteur wahrnimmt, dessen Wirken bei anderen Menschen Anerkennung findet. Man muss also alleine etwas erschaffen und bewirken können. Der Assistent kann zwar dabei helfen, diese Aufgabe jedoch nicht übernehmen. Befolgt man nur Vorgaben der Maschine, ist man zwar kurzfristig glücklich, fühlt aber weder Autonomie noch erhält man dafür Anerkennung. Das Resultat: ein Gefühl der Leere, wie es auch durch exzessiven Konsum von Drogen, Serien oder Computerspielen bewirkt werden kann. Es gilt also, seine Autonomie gegenüber der Maschine zu bewahren. Die Autonomie gegenüber KIs wird zusätzlich durch ihren Black-Box-Charakter beeinträchtigt; trotz Open Source versteht niemand genau, wie die Systeme zu ihren Urteilen kommen. Sie sprechen regelmäßig Empfehlungen aus, die nicht nachvollziehbar sind, jedoch zu guten Resultaten führen. Dadurch sind Nutzende von KIs wie Kinder, die tun, was die Eltern sagen, ohne zu verstehen, warum. Lösungsansätze Um Sinnhaftigkeit und Autonomie zu erfahren, darf man sich sein Leben nicht von einer Maschine diktieren lassen. Man muss selbst herausfinden, was die eigenen Wünsche und Bedürfnisse sind und was unhinterfragt oder gar unbemerkt von außen über-
nommen wurde. Dazu führen viele Menschen regelmäßige Meditationsübungen durch und sprechen mit anderen, selbst mit dem KI-Assistenten, über ihre Gedanken und Gefühle, um diese besser zu verstehen. Ist man sich über seine Gefühle im Klaren, lassen sich einfacher sinnhafte und langfristige Ziele formulieren und ein Eigenantrieb entwickeln. Um seine Autonomie zu bewahren, ist es neben dem Verständnis der eigenen Beweggründe auch hilfreich, die KI-Assistenten besser zu verstehen. Deshalb werden regelmäßig Experimente aus der Kognitionspsychologie mit KIs durchgeführt, um psychologische Erklärungsmodelle für deren künstliche neuronale Prozesse aufzustellen. Dazu werden, auch wenn es zunächst paradox klingt, auch wiederum KIs verwendet. Das Erkunden von Neuem ist besonders geeignet, um sich von der Maschine zu emanzipieren und Sinn zu stiften. Es sind Dinge, bei denen es kein Richtig und Falsch gibt. Der Prozess des Erkundens ist mindestens so wichtig wie das Resultat. Es geht um Einzigartigkeit, das eigene Erleben und darum, sich auszudrücken – nicht um Perfektion. Es ist ein Avantgardismus notwendig, wie ihn auch die Malerei eingeschlagen hat, nachdem die Fotokamera aufkam. Die Erkundung von Neuem kann in verschiedenen Domänen stattfinden, etwa in Wissenschaft und Kunst oder auch dem kreativen Gestalten von Gebäuden, Geschichten, Ritualen etc. Beim Erkunden von Neuem können auch KIs zur Hilfe genommen werden, solange sie als Werkzeuge genutzt werden und nicht als Vormund. Wenn KIs auf alles eine Antwort haben, gilt es, sich immer neue Fragen auszudenken. Sinn wird zusammen geschaffen. Deshalb teilen Menschen ihre Kreationen mit anderen und empfinden es als Anerkennung, wenn andere das von ihnen Erschaffene nutzen. Neben der Anerkennung fertiggestellter Eigenkreationen ist das Gestalten von Dingen als gemeinschaftlicher Prozess ein wichtiger Quell von Sinn. Beispiele sind gemeinsam erstellte, überdimensionale Kunstwerke, wissenschaftliche Untersuchungen oder auch nur dadaistische, absurde Rituale zur gemeinsamen Belustigung. Als besonders sinnstiftend wird empfunden, wenn man anderen Menschen hilft. Deshalb sind die Verlierer dieser Welt – Menschen, die von den Freiheiten überfordert sind, in Konflikte geraten und kein hohes gesellschaftliches Ansehen genießen – auf einmal äußerst beliebt. Denn ihnen zu helfen, ist eine willkommene Gelegenheit, Sinnhaftigkeit zu erfahren.
Fähigkeiten, Wissen, Eigenschaften ● FORMULIEREN LANGFRISTIGER ZIELE Um sich nicht nur kurzfristigen Ablenkungen hinzugeben, muss man in der Lage sein, sich selbst kurz- und langfristige Ziele zu setzen. Das setzt Eigenantrieb und Selbstverantwortung voraus wie auch die Fähigkeit, langfristig zu denken. Man muss fähig sein, in sich hineinzuhören, um die eigenen Wünsche und Bedürfnisse wirklich zu verstehen. Dafür ist die Fähigkeit der Introspektion und Reflexion notwendig, was unter anderem dadurch erreicht wird, dass man über seine Gefühle sprechen kann. ● SELBSTWIRKSAMKEIT Das Gefühl der Autonomie entsteht, wenn man selbst Entscheidungen trifft und nicht immer dem Rat des KI-Assistenten folgt. Der Einzelne muss der
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eigenen Entscheidungsfähigkeit vertrauen, was bedeutet, Selbstwirksamkeit zu besitzen und den Mut, Fehler zu machen. Um nicht bei der ersten Schwierigkeit zum Rat des Assistenten zurückzukehren, sind Geduld und Durchhaltewillen entscheidend. ● EXPLORATIONSLUST Wer Neues erkunden und Fragen stellen will, die noch nie jemand gestellt hat, benötigt Neugier sowie Kreativität und Fantasie. Das bedingt die Fähigkeit, Denkroutinen und Barrieren gesellschaftlich akzeptierter Realitäten zu hinterfragen.
● PRAKTISCHE FÄHIGKEITEN Je nach Domäne, in der man Neues erkunden will, sind spezifische Fähigkeiten notwendig, beispielsweise die Fähigkeit, sich künstlerisch ausdrücken zu können, oder die Fähigkeit, wissenschaftlich zu denken. Handwerkliche, gärtnerische oder technische Bastelfähigkeiten sind hilfreich, um Neues nicht nur zu denken, sondern auch in eine greifbare Form zu bringen. ● VERTRAUEN IN ANDERE Die Welt des Überflusses bedarf eines Engagements für die Gemeinschaft, indem die Menschen ihre Erzeugnisse miteinander teilen. Erst so kann das volle Potenzial genutzt werden. Die Bereitschaft zum Überfluss setzt voraus, dass man anderen Menschen vertraut,
mit Freiheiten umgehen zu können und nicht nur durch Disziplinierung und durch Zwänge zu funktionieren. ● WIRKEN IN DER GRUPPE Da Sinnstiftung durch gemeinschaftliche Projekte geschaffen werden kann, muss man in der Lage sein, in der Gruppe Entscheidungen zu treffen und sich in der Gruppe koordinieren zu können, um diese gemeinsamen Ideen auch umzusetzen. Das kann sich in der Praxis als schwierig erweisen, wenn alle freiwillig mitmachen und es kaum Hierarchien gibt, weshalb auch hier Geduld und Durchhaltevermögen wichtig sind.
funktioniert, um sie auch mündig zu nutzen. Dazu braucht es ein technologisches Verständnis wie auch die Fähigkeit, Statistiken zu verstehen, weil Entscheide und Empfehlungen des Assistenten auf Statistiken beruhen. Auf diese Weise weiß man, wie Maschinen zu ihren Urteilen kommen, und kann sie so auf eine mündige Art und Weise nutzen.
● KI-VERSTÄNDNIS Letztlich braucht es im Umgang mit der Maschine eine Vorstellung davon, wie diese
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EINE FLEXIBLE ZUKUNFT Die Ungewissheit der Zukunft und die Verschiedenartigkeit der vier Szenarien legen den Schluss nahe, dass es unmöglich ist, Kinder und Jugendliche auf die Zukunft vorzubereiten. Anstatt durch Schule oder Eltern pfannenfertige Verhaltensabläufe vermittelt zu bekommen, müssen Kinder und Jugendliche lernen, flexibel, selbstbestimmt und gemeinsam mit sehr unterschiedlichen möglichen Zukünften umzugehen – unabhängig davon, welchem Szenario die Zukunft am meisten ähneln wird. Das ist nicht nur insofern wichtig, als man nicht weiß, wie die Zukunft genau sein wird, sondern auch, weil unklar ist, inwiefern Erwachsene überhaupt die Kompetenzen haben, Kindern und Jugendlichen für eine den Erwachsenen fremde, zukünftige Welt allzu detaillierte Ratschläge zu geben. Deshalb sind Fähigkeiten, die die Selbstbestimmung künftiger Generationen fördern, wie Eigenantrieb, Selbstwirksamkeit oder die Fähigkeit, in einer Gruppe Entscheidungen zu treffen und umzusetzen, in allen Szenarien relevant. All dies sind Fähigkeiten, die einen autonomen Umgang mit Ungewissem und Unerwartetem erleichtern. Nebst dem Erwerb solcher Meta-Fähigkeiten, wie etwa Eigenantrieb, erhöht sich die Anpassungsfähigkeit an eine ungewisse Zukunft, indem man sich weniger enge Spezialisierungen aneignet und stattdessen eher eine breitere Wissensgrundlage hat, die unterschiedliche Anknüpfungspunkte bietet. Je breiter diese Grundlage ist, desto unterschiedlicher sind das Wissen und die Expertise, die man selbstständig darauf aufbauen kann. Diese Idee eines breiten Portfolios kann auch auf gesellschaftlicher Ebene umgesetzt werden, wenn individualisierte, vielfältige Ausbildungswege ermöglicht werden. Ist die Vielfalt an Expertisen groß und die Bereitschaft zur Kooperation vorhanden, kann sich Wissen, das plötzlich notwendig ist, schneller verbreiten und besser gegenseitig ergänzen. Auch wenn es wichtig ist, flexibel auf unterschiedliche Zukünfte reagieren zu können, sollte nicht in Vergessenheit geraten, dass wir als Gesellschaft keine passiven Rezipienten der Zukunft sind. Die Zukunft ist auch deshalb ungewiss, weil wir sie gemeinsam gestalten. Future Skills bedeutet also nicht nur, in der Lage zu sein, mit vorgegebenen Szenarien gut umgehen zu können. Future Skills bedeutet auch die Fähigkeit, die Zukunft gestalten zu können. Es geht nicht nur darum, Kinder und Jugendliche für den Arbeitsmarkt der Zukunft vorzubereiten, sondern sie dazu zu befähigen, mitzuentscheiden, wie der Arbeitsmarkt der Zukunft aussehen oder gar, ob es überhaupt so etwas geben wird. Diese Fähigkeit ist nicht nur im Jahr 2050 wichtig. Sie ist auch heute schon wichtig, weil heutige Entscheidungen vorspuren, wie die Welt im Jahr 2050 aussehen wird. Um über die Ausgestaltung des Arbeitsmarktes zu sprechen und nicht nur über das Gelingen darin, um also die Zukunft wirklich zu gestalten und sich nicht nur daran anzupassen, ist eine gesellschaftliche Perspektive notwendig. Es braucht den Diskurs, wo wir gemeinsam hinwollen. Während viele mit einer Mischung aus Furcht und Bewunderung auf China blicken, wo die Kommunistische Partei langfristige, umfassende Pläne schmiedet (etwa mit der Belt-andRoad-Initiative), tun sich westliche Kulturen schwer damit, selbst Visionen zu entwerfen. Die Gestaltbarkeit der Zukunft wird im Westen kaum wahrgenommen, da die Zukunft spätestens 114
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seit Ende des Kalten Krieges privatisiert wurde. Gesellschaftliche Ziele und Ideale sind persönlichen Ambitionen gewichen, wodurch der Spielraum zur Zukunftsgestaltung geschrumpft ist. Die Zukunft wurde zu etwas, was sich hauptsächlich im Privaten abspielt: Karriere- oder Urlaubsplanung, Familiengründung, Selbstoptimierung. Nicht die Gesellschaft ist das Projekt, an dem man arbeitet, sondern der eigene Körper, das persönliche Wohlbefinden. Insofern ist Margaret Thatchers berühmtes Diktum „There is no such thing as society“ auch eine Absage an gesellschaftliche Utopien. Wenn bei uns im Westen der Wunsch nach einer gesellschaftlichen Zukunft besteht, dann ist es vor allem der, zu den (imaginären) „guten alten Zeiten“ zurückzukehren. Die unbekannte Zukunft ist eher etwas Bedrohliches, das uns zustößt. Eine dunkle Wolke, bei der man hofft, dass sie nicht (noch mehr) zu stürmen beginnt, und Future Skills werden oftmals als Kompetenzen verstanden, um dem Sturm standzuhalten, nicht um ihn zu bändigen. Was braucht es also, damit Kinder und Jugendliche in der Lage sein werden, den „Sturm zu bändigen“, die Zukunft also aktiv zu gestalten und sich nicht nur damit zu arrangieren? Dazu ist eine Reihe von Fähigkeiten wichtig, die teilweise zuvor schon angesprochen wurden. Wir teilen diese im Folgenden in die drei Kategorien „Wissen“, „Wollen“ und „Wirken“. ● Wissen: Um die Zukunft zu gestalten, muss man zunächst eine möglichst akkurate Analyse der Gegenwart durchführen. Wie ist die Situation heute? Was läuft gut? Was läuft schlecht? Warum sind die Dinge so, wie sie sind? ● Wollen: Basierend auf der Analyse der Gegenwart können Ziele formuliert werden, wie die Zukunft aussehen könnte. Es wird ein Soll-Zustand definiert, der durch Wertvorstellungen und Kreativität bestimmt ist. Wie könnten die Dinge anders sein, als sie es heute sind? ● Wirken: Die Diskrepanz zwischen der Gegenwart und dem formulierten Zielzustand muss durch konkretes Verhalten verringert werden. Hier geht um das tatsächliche Verändern der Welt, während Wissen und Wollen eher kognitive und emotionale Prozesse darstellen. Diese Taxonomie ist von einem kybernetischen Kontrollmodell inspiriert, welches auch die Wirkung eines Thermostaten beschreibt. Dieser misst einen Ist-Zustand (Wissen), hat einen Soll-Zustand einer Wunschtemperatur (Wollen) und verringert schlussendlich die Diskrepanz zwischen Ist- und Sollzustand durch Ein- oder Ausschalten der Heizung (Wirken). JAKUB SAMOCHOWIEC Es sind die sozialen, ökonomischen und technologischen Veränderungen, die Jakub Samochowiec besonders interessieren. Wie treffen wir darin unsere Entscheidungen, was machen diese differenzierten Umstände mit uns, wie konsumieren wir in einer veränderten Welt und wie verwenden wir darin unsere Medien? Der Sozialpsychologe, der neben seiner Forschungs-
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GOTTLIEB DUTTWEILER INSTITUT tätigkeit auch als Video-Produzent, DJ und Musiker seine Brötchen verdient, arbeitet als Senior Researcher für das GDI Gottlieb Duttweiler Institut. Neben der hier abgebildeten Studie „Future Skills. Vier Szenarien für morgen und was wir dafür können müssen“ (2020) hat Samochowiec etwa auch zum zukünftigen Reisen mit smarten Assistenten geforscht oder zivilgesellschaftliche Partizipation in der Zukunft analysiert.
Das Gottlieb Duttweiler Institut und Büchern dokumentiert und (GDI) ist ein unabhängiger an Veranstaltungen diskutiert. Think Tank in Wirtschaft, www.gdi.ch Gesellschaft und Konsum. Das Trendforschungsinstitut mit GDI-STUDIE „FUTURE SKILLS“: Sitz in Rüschlikon bei Zürich KOSTENLOS HERUNTERLADEN ist die älteste Denkfabrik der GDI Gottlieb Duttweiler Institut, Schweiz. Die Forscherinnen und „Future Skills: Vier Szenarien Forscher des GDI untersuchen für morgen und was wir dafür können Megatrends und Gegentrends und müssen“ (2020) kann in Deutsch, entwickeln Zukunftsszenarien für Englisch und Französisch Wirtschaft und Gesellschaft. Ihre kostenlos bezogen werden unter Erkenntnisse werden in Studien https://gdi.ch/futureskills
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SCHLANGENBESCHWÖRER Musikproduzent, Autodidakt, Chartstürmer und seit 2018 Botschafter von Hublot. Dieses Jahr folgt das erste eigene Uhren-Modell: die Big Bang DJ Snake. Eine Uhr so facettenreich wie der Künstler selbst und die mit ihrem irisierenden Look auf und neben der Bühne für Aufsehen sorgt.
DJ SNAKE Hinter dem Künstlernamen DJ Snake verbirgt sich der 35-jährige William Grigahcine. Seine Kindheit verbringt er als Junior algerischer Eltern im Pariser Ghetto, wo er mit seinen Graffitis auf sich aufmerksam macht. Immer wieder entwischt er gerade so den Polizisten, die die Sprayerei nicht dulden, und schafft sich damit seinen späteren Namen: Snake. Dann kriegt er die Kurve, findet zur Musik und arbeitet an seiner Karriere. Die führt ihn über eine Zusammenarbeit mit Lady Gaga für deren Album „Born This Way“ und einen Vertrag mit dem Label Mad Decent schließlich zur Single „Turn Down For What“, für die er erstmals im Rampenlicht steht. „Lean On“ wird später mit über neun Millionen verkauften Songs zu seinem bis dato erfolgreichsten Hit.
Das Musik-Business ist ein hartes Pflaster. DJ Snake hat sich durchgebissen und sich mit Songs wie „Turn Down For What“, „Let me love you“ mit Justin Bieber oder „Selfish Love“ mit Selena Gomez seinen Platz ganz oben auf dem Treppchen erkämpft. Wenn nicht gerade Größen wie Kanye West oder Lil Jon bei ihm anklopfen, widmet sich der Franzose seiner zweiten Leidenschaft, dem Design. Gemeinsam mit der Schweizer Luxusuhrenmarke Hublot präsentiert er nun die nach ihm benannte Uhr, die Big Bang DJ Snake. Die Ikone aus dem Hause Hublot zeigt sich dabei gewohnt cool und gleichzeitig im neuen Gewand: Wie die Schuppen einer Schlange schimmern die Lünette und das Gehäuse aus Titan. Das Geheimnis dieses Effektes versteckt sich im dafür verwendeten Verfahren, das technisch einer Beschichtung mit schwarzem PVD ähnelt. Tatsächlich wird durch Farbladungen und die präzise Ausrichtung der Komponenten in einer bestimmten Position der gewünschte Farbeindruck erzielt. Das Ergebnis: ein spektakuläres Schillern, wobei die Farbe je nach Neigung und Beleuchtung variiert. DJ Snake stand allerdings nicht nur Pate bei der Auswahl der Farbe, sondern legte für die Lünette gleich selbst Hand an, stammen doch die sich darauf befindenden Einkerbungen aus seiner Feder. Zudem wählte der Franzose für das Zifferblatt eine Weltkarte, die seine zahlreichen Reisen sowie seine Hits symbolisiert. Diese gibt zudem den Blick frei auf das UNICOWerk Kaliber HUB1242, einen Flyback-Chronographen mit einer Gangreserve von 72 Stunden. All diese Besonderheiten machen die Big Bang DJ Snake zu einem ganz speziellen Sammlerstück. Die Verfügbarkeit trägt ihr Übriges dazu bei, dass Fans des französischen Künstlers längst in den Startlöchern stehen dürften: Gerade mal 100 Stück dieses besonderen Modells der Big Bang von Hublot sind erhältlich. Schnell sein lohnt sich also.
Eines aus Kautschuk mit grauschwarz-violettem CamouflageMuster, das andere mit schwarzer Streifenstruktur: Die limitierte Big Bang DJ Snake ist mit zwei Armbändern ausstaffiert, die sich mittels One-Click-System leicht auswechseln lassen.
LIFE
CHANGER
TEXT: MATZE HIELSCHER, HELGE TIMMERBERG ILLUSTRATIONEN: ANNA RIBISCH 118
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Wir waren alle mal 16 und dachten, wir wären die Könige und Königinnen der Welt. Nun, das waren wir nicht und werden es niemals sein, aber wir wissen heute, dass alles gut kommt, irgendwie, irgendwann. Matze Hielscher und Helge Timmerberg schauen unter anderen Rockstars, Autoren und Co. zurück und formulieren Ratschläge an ihr grünschnabeliges Ich. HELGE TIMMERBERG, JOURNALIST UND SCHRIFTSTELLER
HELGE AN HELGE AM 4. JUNI 2021 Hör zu, Du Penner, Du bist 17, oder? Ich bin 69. Und ich bin Deine Zukunft, ob Du es glaubst oder nicht. Ich bin Dein altes Ich. Und mir geht’s nicht schlecht. Aber mir würd’s besser gehen, wenn Du Dir drei Daten merkst. Du wirst sie Dir nicht merken, ich kenne Dich. Notieren nützt bei Dir auch nichts. Jedenfalls nicht auf Papier. Ich rate Dir deshalb, und das zu unser beider Wohl, dass Du sie Dir auf den Unterarm tätowieren lässt. Ziemlich weit unten, nah bei der Hand: 18.09.1970 12.12.1980 13.03.1986 An dem ersten Datum bist Du ziemlich nah dran. Noch ’ne Woche oder so, dann wirst Du in London sein und LSD zu Dir nehmen. In einer Wohnung in Notting Hill Gate. Du sitzt in der Küche und verbringst die Nacht damit, Plastikbecher abzufackeln oder besser, einzuschmelzen, weil das auf LSD eine großartige Sache sein kann. Noch 50 Jahre später habe ich darüber geschrieben, so großartig war das, und ich will es Dir auch nicht vermasseln. Ich sag nur: Kürz es ab. Mach das nicht bis zum Sonnenaufgang, sondern nur bis Mitternacht. Dann geh auf die Straße raus, nach rechts runter, nur drei Häuser weiter, und da machst Du an der Tür jede Menge Rabatz. Zur Not kannst Du auch die Tür eintreten oder ein Fenster einschlagen. Und falls die Nachbarn aufwachen oder die Polizei auftaucht, ist das nicht schlimm, sondern gut – egal, wie high du gerade bist, bleib cool. Sag ihnen, dass in dem Haus gerade ein Mann dabei ist, an seinem Erbrochenen zu ersticken. Wenn sie Dich fragen, woher Du das weißt, erzähl ihnen aber bitte nichts von diesem Brief. Du kannst ja sagen, da kam ein Hilferuf übers Telefon. Irgendwas, denk Dir was aus, aber besser wär’s durchaus, Du kämst vor der Polizei ins Haus oder, noch besser, die Frau, die neben dem Erstickenden pennt, wacht von deinem Lärm endlich auf. So oder so, egal wie es läuft: Rette Jimi Hendrix! Du glaubst mir nicht? Ich sag doch, ich schreibe aus der Zukunft. Am 18. September 1970 erstickte Hendrix an seinem Erbrochenen, und Du warst nur drei Häuser von ihm entfernt. Nur die Götter wissen, warum. Also tätowier Dir das Datum so weit unten auf den Unterarm, dass du es nicht übersehen kannst, wenn Du mit den Transformationen der weißen Plastikbecher beginnst. Zehn Jahre später wird die zweite Tätowierung wichtig. Am
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12. Dezember 1980 geht Apple an die Börse. Das sind Kalifornier. Die bauen die ersten Computer. Kannst Du mir folgen? Das ist keine Science Fiction, Alter, es ist eher die Steinzeit, von heute aus gesehen. Aber 1980 kostete die Apple-Aktie nur 0,39 USDollar, und Du wirst bereits ein Journalist sein – ja, lach nicht, aus dem Musiker wird nichts, aus dem Yogi auch nicht. Du wirst Journalist! Und Du schreibst 1980 bereits für den Stern. Es wird nicht unmöglich sein, einfach 2'200 Dollar aufzutreiben und dafür Apple-Aktien zu kaufen. Das kriegst Du hin, zur Not leih sie Dir von Tee-Andy. Und verkauf sie später nie. Denn in der Zukunft, aus der ich Dir gerade schreibe, sind unsere Aktien dann 940'000 Dollar wert. Hallo, das ist fast ’ne Million! Und die nächste Million kannst Du am 13. März 1986 pflanzen. Das ist die dritte, hoffentlich eintätowierte, Zauberzahl. In diesem Jahr geht Microsoft an die Börse. Auch Amis, auch Computer. Und noch erfolgreicher. Aus nur 1'000 Dollar, die Du 1986 in Microsoft-Aktien investierst, werden im Jahr 2020 rund 1,4 Millionen. Das wird super, Helge! Dann haben wir ein Häuschen in der Karibik und dort nichts weiter zu tun, als den Papageien beizubringen, Halleluja zu singen. Oder No Woman, No Cry. Vielleicht werden sie es auch schaffen, dabei wie ’ne E-Gitarre zu klingen, denn Jimi wird bei uns sitzen. Nicht durchgehend, aber immer mal wieder, oder glaubst Du, er wird jemals vergessen, dass Du ihm damals in London das Leben gerettet hast? Ohne Scheiß, Helge, ich mein es ernst, und vergiss bitte den Quatsch, dass Du niemals siebzig werden wirst. Unsere Gene sind eins a. Egal, wie viele Drogen Du bereits genommen hast und noch nehmen wirst. Wir schaffen das. Nur eins noch. Und das ist auch sehr wichtig. Vielleicht sogar wichtiger als die Kohle. Halt Deine Nase fern vom Koks. Das ist das Einzige in meinem Leben, auf das ich wirklich gern verzichtet hätte. Denn Kokain ist die Arschlochdroge schlechthin. Und wenn Du auf mich hörst, werden wir nicht nur reich, sondern bleiben dabei auch noch lieb. Das wär’s dann. Und viel Spaß bei Deiner nächsten Reise. Wenn Du London hinter Dir hast, wirst Du über Land nach Indien fahren. Und vielleicht nimmst Du Jimi mit. Er ist übrigens der Einzige, dem Du von diesem Brief erzählen kannst, ohne ausgelacht zu werden, so durchgeknallt, wie er ist. Das lohnt sich sicherlich. Du kannst von ihm Gitarre lernen, Du kannst sein Groupie-Vortester werden... Also, alles Liebe
Dein altes Ich
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M AT Z E H I E L S C H E R , P O D C A S T E R U N D U N T E R N E H M E R
MATZE AN MATZE AM 7. JUNI 2021 Ich erinnere mich an Felder und an den Wind und daran, wie sich die Temperatur verändert, sobald man das Dorf verlässt. Ich weiß genau, welche Schlaglöcher wie zu fahren sind, damit ich möglichst hoch springen kann. Ich fahre immer im Stehen, trete immer, so schnell ich kann. Hauptsache weg. Manchmal stelle ich mir vor, mein Rad würde nach so einem Schlagloch abheben und ich könnte davonschweben, so wie ich es auf dem Filmplakat von E. T. gesehen habe. Ich fahre zu meinem Freund Benno. Der wohnt einige Ortschaften weiter und hat eine eigene Etage im Haus seiner Eltern. Dort können wir Musik hören, so laut wir wollen, wir können sogar Kerzen und Räucherstäbchen anmachen und müssen keine Angst haben, dass gleich die Zimmertür aufgeht und jemand meckert. Bei mir zu Hause wird immer gemeckert. Meine Mutter ist sehr schlecht drauf. Oma liegt im Sterben, sie hat Krebs. Oma ist Mamas beste Freundin, und seitdem sie krank ist, ist es zu Hause nur noch scheiße. Alles, was ich mache, ist falsch, und darum bin ich gut darin geworden, ihre Unterschriften unter den Klassenarbeiten zu fälschen. In zwei Wochen gibt es leider Zeugnisse, da kommt alles raus. Es werden fürchterliche Sommerferien werden, denn so schlecht war mein Zeugnis noch nie. Ich werde irgendeine Strafarbeit machen müssen, während Benno und die anderen am See sitzen und Bier trinken können. In der ersten Juliwoche geht’s dann mit der Familie auch noch nach Bayern zum Wandern. Gibt es einen Teenager auf der Welt, der gern mit seinen Eltern wandert? Gibt es überhaupt jemanden, der halbwegs cool ist und gerne wandert? Na ja, ich werde meinen Walkman mitnehmen, die ganze Zeit Musik hören und ihnen einfach hinterherlaufen. Ich höre immer Nirvana. Kurt Cobain hat sich letztes Jahr umgebracht – wie Jim Morrison und Jimi Hendrix ist er mit 27 gestorben. Dreizehn Jahre noch, bis ich so alt bin. Aber wer weiß, was passiert, wenn meine Eltern mein Zeugnis sehen. Könnte ich einen Brief an den damaligen Mathias schicken, dann würde ich ihm erst einmal mitteilen, dass das mit der Schule komplett egal ist. Ich würde ihm schreiben, dass nach der zehnten Klasse nie wieder jemand nach seinen Noten gefragt hat. Für Mathe gibt es Taschenrechner, für Physik und alles andere, was man nicht unbedingt wissen muss, gibt es bald etwas, das sich Internet nennt. Für viele ist die Jugend die schönste Zeit im Leben. Für mich war es das auch im Rückblick nicht. Ich habe mich lange sehr falsch in diesen Dörfern gefühlt. Bin auf Zehenspitzen gegangen, denn es gab immer Ärger: mit den Eltern, mit den Lehrern oder mit den Neonazis. „Hielscher, du Zecke!“, haben sie gerufen. In meinem Kopf habe ich mir ausgemalt, wie ich ihnen einen krassen Karate-Kick verpasse. Jetzt weiß ich, dass sie noch immer da leben und mit hochroten Köpfen und einem Bier in der Hand schon mittags an der Ecke stehen – manche Probleme erledigen sich von selbst. Dem jugendlichen Mathias würde ich außerdem empfehlen, dass er unbedingt Tagebuch führen und wirklich jeden Tag eine Seite schreiben sollte – am besten so, dass ich es heute noch le-
sen kann. Ich würde ihm raten, immer einen Fotoapparat dabeizuhaben, um seine Freunde zu fotografieren. Das sind damals Benno, Alexander, Matthias und David. Ich würde ihm schreiben, dass er viel Zeit mit ihnen verbringen soll – denn Benno und Matthias sind ein paar Jahre später bei einem Unfall gestorben, und Alexander ist mit einer Axt auf seine Eltern losgegangen. Ich glaube, dass Abhängigkeit die größte Handbremse im Leben ist. Etwas tun zu müssen oder auf etwas hoffen, um etwas anderes tun zu können, macht unfrei. Das Gefühl, eingesperrt in einer Abhängigkeit zu sein, bringt noch heute manchmal die unschönsten Seiten in mir hervor. Die Stoiker haben mir in den letzten Jahren sehr viele Lebensweisheiten mit auf den Weg gegeben. Ich wünschte, ich hätte sie eher für mich entdeckt, denn durch sie habe ich gelernt, dass man nur ändern kann, was man selbst unter Kontrolle hat. Ich habe viele Jahre darauf gewartet, dass meine Eltern mir sagen, dass sie stolz auf mich sind. Klar, damals mit 15 gab es jetzt nicht so rasend viel, was gut gelaufen ist. Keine Mama und kein Papa der Welt sagen: „Super, eine Vier in Mathe. Wir sind so stolz auf dich.“ Aber danach ging es ja weiter. Lange bin ich in der Annahme durch die Gegend gerannt, dass ich nur noch erfolgreicher sein muss, damit dieser Satz endlich kommt. Zwanzig Jahre bin ich zu Preisverleihungen gegangen, aber nie gab es einen Preis, eine Laudatio, einen Satz von meinen Eltern. Und dann habe ich es gesagt. Ich habe ihnen gesagt, dass sie tolle Eltern sind und dass ich stolz auf sie bin. Und plötzlich hat sich alles verändert – unser Blick aufeinander ist liebevoller geworden, der Umgang ist wärmer. Ganz oft wartet man darauf, dass der oder die andere etwas sagt. Man macht Dinge, um von anderen gesehen, gehört, gelobt zu werden. Ich habe nicht wenige Menschen kennengelernt, die sich in dieser Erwartung zugrunde gearbeitet haben. Von ihnen habe ich gelernt, dass man diese Lücke, diesen Mangel nur selbst füllen kann. Kein Satz, kein Status, kein Geld der Welt kann das erreichen. Und auch das würde ich meinem jüngeren Ich schreiben. Ich würde ihm sagen, dass es nie darauf warten sollte, dass sich jemand meldet und genau das sagt, was es hören will. Das, was der junge Mathias hören will, muss er sich selbst am lautesten sagen können. Was würde ich ihm noch schreiben? Dass er von allem, was ihm Spaß macht; allem, wobei er die Zeit vergisst; allem, was ihn erfüllt – von alldem sollte er noch mehr machen! Was ihm keine Freude macht, was sich blöd anfühlt, wird sich nicht besser anfühlen, nur weil er es länger macht. Es spricht aber nichts dagegen, es zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal zu probieren. Es wäre wohl ein Schock für den fünfzehnjährigen Mathias zu erfahren, dass er irgendwann Gefallen am Wandern finden wird. Das würde ich ihm vielleicht verraten und auch, dass der kommende Sommer ganz anders wird, als er jetzt denkt, und dass er sich trauen soll, nach Berlin abzuhauen. Schließlich würde ich ihm sagen, dass ich mit 41 noch immer gerne Fahrrad fahre und dass man, wenn man gar nicht wegmuss, erst richtig abheben kann.
BRIEFE AN MEIN JÜNGERES ICH Später ist man immer schlauer. Also auch heute im Vergleich zu damals, als wir noch dachten, Songs aus dem Radio auf Kassette aufzunehmen sei die beste Möglichkeit, Musik aufzubewahren. Was würden wir uns sagen wollen? Paul McCartney, Dave Grohl, Ozzy Osbourne oder Tom Jones haben sich dieselbe Frage gestellt und ihre Antwort zu Papier gebracht. Piper druckt diese zwischen zwei Buchdeckel und versieht sie mit dem Titel „Briefe an mein jüngeres Ich“. Ein Teil des Erlöses aus dem Verkauf des Buches kommt der Obdachlosenhilfe zu Gute. Neben anderen haben zudem auch Helge Timmerberg und Matze Hielscher beschlossen, ihre Honorare zu spenden. JANE GRAHAM, „BRIEFE AN MEIN JÜNGERES ICH. AUSSERGEWÖHNLICHE MENSCHEN ÜBER DAS, WAS IM LEBEN WIRKLICH ZÄHLT“, PIPER, AB 30. SEPTEMBER 2021, CA. 22.–.
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BASIC
STATEMENT
PHOTOGRAPHY: MARIE SCHMIDT STYLING: NATALIA WITSCHKE @ NINA KLEIN, HAIR & MAKE-UP: MELANIE BULU @ NINA KLEIN, MODEL: CAROLIN SÜNDERHAUF @ A MANAGEMENT, ASSISTANT: CARLA GNENDIGER
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Sweater und Hose von MAX MARA. Stiefel von BRUNELLO CUCINELLI. Ohrringe von JANE KÖNIG.
Manchmal reicht der zweite Gang, um ans Ziel zu kommen. Langsam und bedacht, ohne Hektik und Eile machen wir uns auf den Weg und entdecken dabei stets neue Facetten an uns selbst.
Bluse von
BRUNELLO CUCINELLI.
Ohrringe von KLEIDERREICH.
Blazer von CLOSED. Rock von DANNY REINKE.
Jumpsuit von LONGCHAMP. Mantel von SANDRO PARIS . Schuhe von CHURCH’S.
Anzug von MAX MARA. Oberteil von FILIPPA K.
Anzug von CLOSED. Bluse von JIL SANDER.
Anzug von
BRUNELLO CUCINELLI. Bluse von DANNY REINKE. Perlenkette von KLEIDERREICH.
Sandalen von HELMUT LANG.
Look von
SPORTMAX.
Tasche von MAISON MARGIELA.
Ohrringe von
ISABEL MARANT & JANE KÖNIG.
Gürtel von
LONGCHAMP.
LOCAL
HEROES
Justice League oder die Ritter der Tafelrunde? Pfff, wir pfeifen auf die Sterne der Leinwand und heben die Menschen aufs Treppchen, die im Alltag ihren Schild über uns halten. Sie sind Designer, Gastronomen, Unternehmer oder Beauty-Experten und auch ohne Cape und S auf der Brust unsere Helden.
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HANNA & JOHAN OLZON ÅKERSTRÖM
Soeder Creative & Geschäftsleitung / Soeder Product & Geschäftsleitung – Zürich @soederstore soeder.ch Was packt ihr in eine Zeitkapsel, die ihr in 20 Jahren öffnet?
Sauberes Wasser und frische Luft mit der Hoffnung, dass es dann aber immer noch viel davon gibt.
Es ist 2001 – was macht ihr?
Wir sind noch jung und in den Startlöchern. Wir kennen uns noch nicht, aber haben beide Schweden verlassen und sind in die Schweiz bzw. nach Österreich umgezogen. Es gibt viel Alpenluft und Zeit auf dem Snowboard für beide.
Was vermisst ihr, was es heute so nicht mehr gibt?
Schnee. Es ist nicht mehr nur nostalgisches Zurückträumen an verschneite Wintertage der Kindheit, sondern wir stehen vor einer lebensbedrohlichen Situation. Wir müssen gemeinsam für die Zukunft unseres Planeten einstehen.
SASKIA DIEZ
Schmuckdesignerin – München @diezsaskia saskia-diez.com Was packst du in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnest?
Es wäre eine magische Kapsel, in der gesunde Wälder, saubere Seen, Frieden und Liebe wären.
Es ist 2001 – was machst du?
Ich bin seit einer Weile mit meiner Goldschmiedeausbildung fertig und studiere Industriedesign. Ich wohne in München in der Nähe der Isar. Wenn ich im Sommer nachts vom Tanzen komme, springe ich in die Isar und schwimme ein bisschen gegen den Strom. Sie sieht noch ganz anders aus als jetzt, ist noch nicht renaturiert. Die Unwissenheit… Wenn man irgendwo zum ersten mal war, dann wusste man eventuell vom Hörensagen irgendwas. Jetzt muss man oft erst mal eine Menge Bilder aus dem Kopf verjagen, um nicht das Gefühl zu haben, alles schon zu kennen, weil man es auf irgendwelchen Accounts schon mal gesehen hat.
©SIGRID REINICHS
Was vermisst du, was es heute so nicht mehr gibt?
PHILIPP EID
Tätowierer und Model – Berlin @theserottendays Was packst du in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnest?
Ich würde ein bisschen Kleingeld in eine Zeitkapsel packen, um das Universum um Schutz vor finanziellen Sorgen zu bitten, sowie Fotos von Freunden und mir.
Es ist 2001 – was machst du?
Wäre jetzt wieder das Jahr 2001, würde ich hoffentlich mit dem Tätowieren beginnen, um jetzt schon 20 Jahre Erfahrung zu haben.
Was vermisst du, was es heute so nicht mehr gibt?
©VINZWORLD
Ich vermisse heutzutage, dass wenig Leute soziale Kompetenz besitzen und nur noch am Handy rumhängen. Genießt lieber mal den Moment!
OLIVER MANSARAY
Tischler, Innenarchitekt, Gastronom – je nachdem – Berlin @kink.bar.restaurant kink-berlin.de Was packst du in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnest?
FFP2-Maske, eine Flasche „Continental Cima Punch“ (einen unserer bottled Cocktails), Gummistiefel und Sonnenschutz.
Es ist 2001 – was machst du?
©LEE EDWARD
Guten Wein kaufen – 2001 war in La Rioja ein guter Jahrgang.
Was vermisst du, was es heute so nicht mehr gibt?
Nichtkommerzielle Freiräume für Künstler, Clubs und illegale Partys mitten in der Stadt.
NINA SUESS
Influencerin – München @ninasuess nina-suess.com Was packst du in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnest?
In die Zeitkapsel würde ich mein Tagebuch legen – weil ich grundsätzlich alles verlege und ich mir dann sicher sein kann, dass es noch da ist.
Es ist 2001 – was machst du?
Vermutlich noch viel mehr Offline-Zeit mit meinen Freunden verbringen und es in vollen Zügen genießen!
Was vermisst du, was es heute so nicht mehr gibt?
An 2001 vermisse ich den Umstand, dass es noch keine Handys gab. Ich weiß, dann wäre mein Job hinfällig, aber ich finds schön, wenn sich alle mal wieder im Hier und Jetzt aufhalten würden und nicht nur alles digital wäre.
JULIAN ZIGERLI
Creative Director & Founder JULIAN ZIGERLI Professor of Fashion Design UdK Berlin – Zürich @julianzigerliofficial julianzigerli.com Was packst du in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnest?
Mein Handy.
Es ist 2001 – was machst du?
Ich bin 17, in der Blüte meiner Jugend und genieße gerade ein Praktikum in London, wo ich mich austoben und entfalten kann.
Was vermisst du, was es heute so nicht mehr gibt?
©MICHAEL SIEBER
Den klassischen Game Boy.
OSCAR MARTIN
Co-Founder Turicum Distillery GmbH, Campbell & Jones GmbH, Trinkfreunde GmbH, 5400 Manufaktur GmbH und SAM Foods GmbH – Zürich @osci @turicum_distillery / turicum-distillery.com @campbelljoneszh / candj.ch @adam.uva / adam-uva.ch @5400gin / 5400-gin.ch @mas_energy_bern / mas-power.ch Was packst du in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnest?
Alle meine Produkte. (lacht) Aber auch mein Notizbuch mit allen Ideen und Konzepten, welche ich noch realisieren möchte. Dann kann ich schauen, wie effizient und kreativ ich in meinem Leben gewesen bin und was für einen Foodprint ich auf dieser Welt hinterlassen habe.
Es ist 2001 – was machst du?
Ich bin sehr viel unterwegs als DJ – dazumals noch mit dem Namen DJ Record –, studiere nebenbei Wirtschaft, arbeite zudem als FreelanceHochbauzeichner und mache Promos.
Was vermisst du, was es heute so nicht mehr gibt?
Die Ruhe, als ich noch kein Handy hatte bzw. es noch kein Handy gab. Und den klassischen Walkman. (lacht)
ANN PERICA
Schmuckdesignerin – Bern @annperica annperica.com Was packst du in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnest?
Mein Manifestation-Journal – mal schauen, welche Träume wahr wurden bis dahin.
Es ist 2001 – was machst du?
Ich besuche die 9. Klasse in Meikirch, einem kleinen Bauerndorf zwischen Bern und dem Seeland.
Was vermisst du, was es heute so nicht mehr gibt? Ich trauere nicht vielem nach – außer meinen Großeltern.
ANNA KATHARINA BRONOWSKI Catlover & Entrepreneur – Hamburg @jannjune jannjune.com
Was packst du in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnest? Hoffnung, Träume, Wünsche und eine gute Flasche Rotwein.
Es ist 2001 – was machst du? Freibad und Pommes.
Was vermisst du, was es heute so nicht mehr gibt? Die Unbedarftheit, einfach von Tag zu Tag zu planen.
JULIANA HOLTZHEIMER
Gründerin – Hamburg @jannjune jannjune.com
Was packst du in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnest?
Mein erstes JAN ’N JUNE-Kleidungsstück, einen Reminder, dass es in jedem Alter etwas geben muss, das man zum ersten Mal macht.
Es ist 2001 – was machst du?
Verhandele mit meinen Eltern, dass ich es schaffe, einen Monat lang keine Süßigkeiten zu essen, wenn ich dann eine Katze bekomme. (Hat geklappt.)
Was vermisst du, was es heute so nicht mehr gibt?
Dass Freunde einfach mal vorbei kommen, klingeln und einen abholen wollen zu was-auch-immer. Offline sein.
AGRIP PINO ZINNA
Coiffeur, Künstler, Visionär – Bern @pinocoiffyoursuccess.ch @coiffyoursuccess coiffyoursuccess.ch Was packst du in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnest?
In 20 Jahren bin ich 76 Jahre alt. In der Kapsel befinden sich Fotos und Videomaterial, welche mich an schöne Momente mit meiner Familie und an viele tollen Erlebnisse und Erfahrungen erinnern. Ich werde an die interessanten Menschen, die schönen Orte und die ausgelebte Kreativität zurückdenken, glücklich und dankbar sein.
Es ist 2001 – was machst du?
Ich bin froh, dass die Jahrtausendwende kein digitales Blackout gebracht hat. Im Kornhausforum Bern initiiere ich das Projekt „The Way 01“. Ein Ort der Begegnung mit interaktiven Kunst-Installationen, Performances und Live-Musik. Getreu meinem Motto *MUSIC ETERNAL COMPANION* genieße ich es, am Wochenende im Les amis oder im Kapitel den lokalen DJs zu folgen. Dank meiner Einstellung *SPAß IST IM KOPF, NICHT IN DROGEN* schaffe ich es, Clubbing und Familienleben zu vereinen. Heute brauche ich nach einem Fest trotz des vernünftigen Verhaltens drei Tage Rekonvaleszenz.
Was vermisst du, was es heute so nicht mehr gibt?
©ROB LEWIS
Die Unbekümmertheit. Natürlichste Dinge wie Menschen treffen, auf Konzerte gehen, Hände halten, umarmen, usw. sind heute etwas Bedrohliches. Trotzdem glaube ich an die Zukunft. Die Menschheit, die Natur oder zumindest ein Teil davon entwickelt sich weiter und kommt immer wieder voran. Halt vielleicht ohne uns…
NICOLE HANA KIM Schmuckdesignerin – Zürich @hanakim.ch hanakim.ch
Was packst du in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnest?
Meinen Emailbrennofen, sodass er die nächsten 20 Jahre unbeschadet übersteht, was zu bezweifeln ist bei den 40 Jahren, die er jetzt schon auf dem Buckel hat.
Es ist 2001 – was machst du?
Ich bin in der zweiten Stufe des Gymis, ich habe das Gefühl, das Leben check ich ziemlich gut, und die Unterhosen trage ich gerne so, dass sie bei den zu tief getragenen Skaterhosen oben rausschauen.
Was vermisst du, was es heute so nicht mehr gibt?
©MICHAEL SIEBER
Früher mit den CDs hat man meistens ganze Alben gekauft, anstatt nur einzelne Songs und Playlists zu streamen. Kann man heute zwar auch noch machen, aber kommt praktisch nicht mehr vor. Ich zumindest habe damals bewusster Musik konsumiert und dann natürlich auch nach dem Kauf eines Albums nur noch dieses für Wochen gehört – einige Alben haben mich Jahre lang begleitet.
LAURENCE ANTIGLIO
Inhaberin & Einkäuferin Vestibule Stores – Zürich @vestibuleshop vestibule.ch Was packst du in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnest?
Das Outfit, welches ich heute trage, damit meine Kinder in 20 Jahren an eine Kostümparty gehen können und sich prächtig amüsieren werden!
Es ist 2001 – was machst du?
Einladungen für die Fashion Shows in Paris fotokopieren, damit ich mich mit meinem Fotoapparat hinter die Kulissen schmuggeln kann.
Was vermisst du, was es heute so nicht mehr gibt? Langeweile.
YANNICK AELLEN
Initiator Mode Suisse, Kulturschaffender – Zürich @yannickaellen @modesuisse @taro_violet yannickaellen.com modesuisse.com taroviolet.com Was packst du in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnest?
Einen Klon meiner jetzigen Gesundheit, Fitness, Energie und Verstand, falls es dann Gebresten geben sollte.
Es ist 2001 – was machst du?
Ich arbeite intensiv mit Suzanna & Co. am Gwand Fashion Festival in Luzern, lege Weichen für die berufliche Zukunft, lerne gute Freundinnen und Freunde kennen und gebe viel Geld für CDs aus.
©TINO KONINO
Was vermisst du, was es heute so nicht mehr gibt?
Das häufigere Flirten und Interagieren beim Warten, im Bus oder Zug, als die Leute noch nicht dauernd auf ihr Smartphone starrten.
YVONNE REICHMUTH
Founder & Creative Director YVY – Zürich @yvyleather yvy.ch Was packst du in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnest? Fotos.
Es ist 2001 – was machst du?
Loopings auf der Hormon-Achterbahn eines Teenagers.
Was vermisst du, was es heute so nicht mehr gibt? Zeit ohne Smartphone und ohne Social Media.
STEPHAN VON MATT Good food & good vibes – Zürich @vonmatt86
Was packst du in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnest? Die kindliche Unbeschwertheit meines Sohns Louis.
Es ist 2001 – was machst du?
Die Schulbank drücken und große Pläne schmieden. (lacht)
Was vermisst du, was es heute so nicht mehr gibt?
Das alte, wilde Zürich West mit seinem Nachtleben und dem großstädtischen Flair.
THOMAS VON MATT
Inclusive cool environment in Kombination mit ehrlich gutem Essen – Zürich @thomasvonmatt thebite.ch brisket.ch yardbird.ch la-brea.ch hotelbourbon.ch Was packst du in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnest? Meine neuen Jordan 5.
Es ist 2001 – was machst du?
KIRTANYA VON MATT
Menschen sich so fühlen zu lassen, als ob sie in meinem Wohnzimmer wären – Zürich @kirtanyavonmatt Was packst du in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnest?
Die Geburtstagskarte, die ich für meinen 35. Geburtstag von meinen Eltern erhalten habe.
Es ist 2001 – was machst du?
Bei einer Stunde Nachsitzen die Pulte meiner Mitschüler putzen…
Was vermisst du, was es heute so nicht mehr gibt?
Dass das nächste, über was ich mir Gedanken mache, die Gestaltung des heutigen Abends ist.
Während meinem Sprachaufenthalt in Frankreich das Gefühl haben, dass ich die Sprache auch übers Hören von französischem Rap sehr gut lerne.
Was vermisst du, was es heute so nicht mehr gibt? Baggy Pants und Goldchetteli.
RIANNA KOUNOU & NINA KNAUDT
Modedesignerinnen – Berlin @riannaandnina riannaandnina.com
Was packt ihr in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnet? Rianna: Mein Lieblings-Parfum „Eau de Magnolia“. Nina: Fingerfarben-Bilder meiner Tochter Heidi. Es ist 2001 – was macht ihr? Rianna: Ich lebe in Athen mit meinem Mann Dimitris und dem zwei
Jahre alten Sohn Robert. Ihr findet mich auf jeden Fall in meinem Vintage-Laden „BERLIN“. Nina: Ich bin 18, habe frisch meinen Führerschein, fahre mit meinen Freunden in meinem Golf Cabriolet durch die Stadt und höre laut Jay-Z Unplugged.
Was vermisst ihr, was es heute so nicht mehr gibt? Rianna: Ich vermisse das Café Papaspirou mit Blick auf das Parla-
mentsgebäude! Das ist für mich immer mein Athen gewesen. Dort bin ich früher am liebsten mit meiner Mama zum Eis essen hingegangen. Nina: Die Vorfreude, entwickelte Urlaubsfotos abzuholen.
SAMI KHOURI Unternehmer – Zürich @Mr.Samigo mrsamigo.com
Was packst du in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnest? Einen Land Rover Defender.
Es ist 2001 – was machst du? Graffiti.
Was vermisst du, was es heute so nicht mehr gibt?
Die ganze Nacht mit meinen Freunden am Bellevue rumzuhängen.
PEDRO LENZ
Schriftsteller – Bern @_pedrolenz_ pedrolenz.ch
Was packst du in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnest?
All jene Freunde, die wahrscheinlich in 20 Jahren sonst nicht mehr leben würden.
Es ist 2001 – was machst du?
Ich sitze im Raucherabteil eines SBB-Wagens, rauche starke Zigaretten, höre im Disc-Man „Radio zum Glück“ von Züri West und warte auf den Servicewagen, um mir einen Kaffee einschenken zu lassen.
Was vermisst du, was es heute so nicht mehr gibt?
Das Raucherabteil im SBB-Wagen, den Disc-Man und den Servicewagen, der mich mit Kaffee versorgt.
KATHRIN ECKHARDT
Designerin – Zürich @KathrinEckhardtStudio kathrineckhardt.com
Was packst du in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnest?
Lasst uns mal davon ausgehen, dass diese Zeitkapsel super advanced ist. Man kann mehr als Materielles da rein packen. Ich würde meine Gefühle von genau jetzt hinein packen. Unsere Welt spielt gerade verrückt, viele Strukturen fangen an zu bröckeln, Unsicherheiten, Umbrüche und Aufbrüche. Das macht auch viel mit mir. Was in 20 Jahren sein wird? Alles noch verrückter oder ganz ruhig? Den Gefühlsvergleich stelle ich mir spannend vor.
Es ist 2001, was machst Du?
Partyyy!! Flirten, feiern, repeat. Da war ich gerade 18 Jahre alt und so unbeschwert wie nie zuvor in meinem Leben. Das Gymnasium in Zürich Stadelhofen hat mir neue Perspektiven eröffnet, endlich ging ich in der „großen“ Stadt zur Schule. Ich hatte unendlich viel Energie. Mein neugieriges, wildes Ich konnte so richtig ausgelebt werden.
Was vermisst Du, was es heute so nicht mehr gibt?
Mein Nokia 5510. Wir haben es nur den „Knochen“ genannt, weil es so groß war und man beide Hände brauchte, um damit SMS zu schreiben. Ich vermisse die Kommunikation von damals mit Handys, die keinen „gelesen“-Status anzeigen und man nicht sieht, ob das Gegenüber gerade online ist.
LAURA LINDERMANN
Gründerin & Brand Managerin der FraaiBerlin GmbH – Berlin @fraaiberlin fraaiberlin.de Was packst du in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnest? Einen Rotwein, der mir heute schon schmeckt.
Es ist 2001 – was machst du?
Ich hätte meinen Vater gebeten, meine 50 Euro Taschengeld in amerikanische Tech-Aktien zu investieren.
Was vermisst du, was es heute so nicht mehr gibt?
Persönliche Momente genießen ohne Technik und Optimierung – wie als Kind in der Natur, als sich eine Stunde noch wie ein ganzer Tag angefühlt hat.
META HILTEBRAND
Köchin – Zürich @metahiltebrand metahiltebrand.ch
Was packst du in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnest?
Fotos von den wichtigsten Menschen in meinem Leben, dazu etwas Salz und Pfeffer sowie Zucker, denn ohne diese wichtigen Menschen und diese drei Grundzutaten wird das Leben einsam und ungewürzt...
Es ist 2001 – was machst du?
Da stand ich als frischgebackene, junge Köchin auf der Matte, war fleißig und voller Ehrgeiz, dahin zu kommen, wo ich heute bin, ich hatte blondes Haar und war noch ein süßes Ding. Im Vergleich zu heute war ich ein Kind, das mit Fleiß und Lernen weiterkommen wollte und das klar in Zürich...
Was vermisst du, was es heute so nicht mehr gibt?
Ich vermisse eigentlich nichts wirklich. Das Materielle hat mit dem Erwachsenwerden an Bedeutung verloren. Da ich damals vor allem gearbeitet habe, habe ich jetzt meinen Kreis und meine Leute. Na gut, vielleicht den alten Nintendo zum Gamen oder den Furby, der damals so trendy war, der wäre eine kurze Zeitreise wert. Allerdings nur mit Garantie zur heutigen Zeit…
CHRIS VELKOVSKI
Leader of Luck – Zürich @chrisvelkovski @luckypunch_boxing luckypunch-boxing.com
Was packst du in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnest?
In meine Zeitkapsel packe ich definitiv Bilder und Notizen aus dem Alltag, in denen ich Glücksmomente mit Familie, Freunden und bei der Arbeit teile.
Es ist 2001 – was machst du?
Bravo Hits hören und begeistert Superheldenfilme schauen.
Was vermisst du, was es heute so nicht mehr gibt?
Bei Nachbarn und Freunden direkt an der Haustüre zu klingeln, ohne vorher anzurufen.
EVA NIDECKER
Unternehmerin und Moderatorin – Zürich @evanidecker openride.ch Was packst du in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnest?
Meine Erinnerungsbox mit Fotos, Briefen, Gegenständen aus der Vergangenheit.
Es ist 2001 – was machst du?
Ich fange gerade an, mich in Zürich wohlzufühlen und Fuß zu fassen. Seit knapp zwei Jahren wohne ich nun hier, habe inzwischen einen schönen Freundeskreis aufbauen können und kenne mich in der Stadt bestens aus. Auch die Sprüche zu meinem Basler Dialekt verunsichern mich nicht mehr.
Was vermisst du, was es heute so nicht mehr gibt?
©MARTINA STRUL
Verbindlichkeit. Das digitale Zeitalter hat uns neben vielen Vorteilen auch ein paar Nachteile gebracht: Habe ich mich früher in Basel am Freitagabend um Punkt 19 Uhr bei den Telefonkabinen am Barfüsserplatz mit Freunden getroffen, so muss ich heute damit rechnen, dass eine Verabredung kurzfristig per SMS abgesagt wird.
TOM KUMMER
Schriftsteller, Ex-Gonzo-Journalist – Bern @_tom_kummer_ tomkummer.ch Was packst du in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnest? Mein selbstgemachtes Kimchi.
Es ist 2001 – was machst du?
Die Welt nicht so beschreiben wie sie ist – sondern wie sie sein könnte.
Was vermisst du, was es heute so nicht mehr gibt?
Punk Dasein – anything goes!
SANDRA SCHNEIDER
Co-Founder Minimono – Bern @minimono_ch minimono.ch
Was packst du in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnest?
In meine Zeitkapsel packe ich eine kleine minimono-Box mit unserer ersten Kollektion. In der Box befinden sich ein Gruppenfoto des Teams, ein Plüsch-Pinguin und der erste Rainbow-Body mit dem Tiermuster in der kleinsten Größe. Auf der Rückseite des Fotos halte ich fest, dass ich es liebe und schätze, täglich mit meinen Freunden arbeiten zu dürfen. Auf eine Postkarte schreibe ich, was wir in den nächsten 20 Jahren erreicht haben werden, wie zum Beispiel: „Der erste minimono-Shop wurde in der Heimatstadt Bern eröffnet!“ Bescheiden, ich weiß. Vielleicht kann ich ja mein älteres Ich etwas zum Schmunzeln bringen.
Es ist 2001 – was machst du?
Ich bin in Mae Sot, Thailand und esse mit meiner Cousine Nudelsuppe bei Tante Cham. Sie macht die besten, und die kosten nur 20 Baht Taschengeld. Pa (Tante auf Thai) Cham ist nicht wirklich unsere Tante, aber irgendwie nennen wir alle Frauen, die nicht unsere Mütter oder Schwestern sind, Tanten. Wir warten, bis unsere Freunde aus der Schule kommen, damit wir am Nachmittag zusammen unsere Lieblingsserie schauen können. Ich kann fast jede Szene auswendig mitsprechen. Zudem wurde die DVD schon so häufig abgespielt, dass das Ende ausfranst. Wir haben nie erfahren, wie die Serie genau endet – aber darum geht es uns nicht. Es geht darum, jeden Tag, die uns mit 13 Jahren endlos erscheinen, gemeinsam zu verbringen. Am liebsten mit Familie, Freunden und reichlich Nudelsuppe.
Was vermisst du, was es heute so nicht mehr gibt?
Was ich tatsächlich vermisse – obwohl ich die digitale Entwicklung sehr wertvoll finde – sind handgeschriebene Botschaften. Kennst du das Gefühl, wenn ein paar Handnotizen auf dem Post-It sich unnatürlich anfühlen? Oder du nach zwei Sätzen einen Fingerkrampf bekommst? Mir geht es so, und das ist sehr schade. Vielleicht beginne ich wieder damit, Brieffreundschaften ins Leben zu rufen oder kleine Erinnerungen in einem Buch festzuhalten. Bücher sind nämlich etwas Schönes, riechen gut und fühlen sich vertraut an. Ich muss mein Handy unbedingt wieder mal putzen.
ANITA TILLMANN
Managing Partner PREMIUM GROUP – Berlin @anitatillmann premium-group.com Was packst du in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnest?
Da ich viele Science-Fiction-Filme gesehen habe, würde ich wahrscheinlich eher praktische Dinge einpacken, von denen ich glaube, dass ich sie gegebenenfalls brauchen könnte in zwanzig Jahren, außerdem Fotos von meiner Familie.
Es ist 2001 – was machst du?
Ich habe bei der Internetagentur Pixelpark in Berlin gearbeitet, das Internet der Dinge aus nächster Nähe kennengelernt und mich mit Digitalisierung auseinandergesetzt.
Was vermisst du, was es heute so nicht mehr gibt?
Nach der Pandemie kann ich sicher sagen, dass mir am meisten die Begegnung mit anderen Menschen fehlen würde, denn das macht einen großen Teil meiner Persönlichkeit aus – Freunde, Kollegen und Familie.
FABIAN ZBINDEN
Peaceful minded Chef, Entrepreneur – Bern @fabian.zbinden fabian-zbinden.com Was packst du in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnest?
Die unendlich fließende Liebe und Dankbarkeit will ich auch in 20 Jahren noch spüren!
Es ist 2001 – was machst du?
Ich bin 14 Jahre alt und nehme gerade an den Yo-Yo-Weltmeisterschaften in Orlando, Florida teil.
Was vermisst du, was es heute so nicht mehr gibt?
Am meisten vermisse ich die unbeschwerte Zeit, als es noch keine Smartphones gab und man sich mit Freunden beim großen Baum getroffen hat.
FABIAN GYSLING
Co-Founder Mikks AG – Zürich @mikksdrinks mikks.ch Was packst du in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnest? In meine Zeitkapsel packe ich Schallplattenspieler und Vinyls.
Es ist 2001 – was machst du?
Ich besuche die Primarschule und genieße das total unabhängige Leben als junger „Burscht“.
Was vermisst du, was es heute so nicht mehr gibt? Ich vermisse ausgelassene Konzerte ohne Masken.
STEFANIA REHO
Kosmetikerin – Bern @sparklingcosmetics sparkling-cosmetics.ch
Was packst du in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnest?
Einen Brief an meine beiden Jungs, die bis dahin bereits erwachsene Männer sein werden.
Es ist 2001 – was machst du?
Ich befinde mich in meiner Lehre zur Kosmetikerin in der Berner Innenstadt und massiere wahrscheinlich gerade eine Kundin.
Was vermisst du was es heute nicht mehr gibt?
Mixtape-Kassetten für meine Freundinnen aufzunehmen.
EZGI CINAR
Creative Director & Founder EZGI CINAR – Zürich @ezgi_cinar @ezgicinarofficial ezgicinar.com Was packst du in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnest?
Leichtigkeit und die Furchtlosigkeit der Jugend, die ich in den vergangenen 20 Jahren gut in meinem Rucksack mittragen konnte, und ich strebe an, dies weiter zu tun.
Es ist 2001 – was machst du?
Ich arbeite an meiner Abschlussarbeit, reise um die Welt und – nicht zu vergessen – mache viel Party.
Was vermisst du, was es heute so nicht mehr gibt?
Gott sei Dank gibt es vieles nicht mehr. (lacht). Zum Beispiel ein gedrucktes Flugticket; wenn man dieses verloren hatte, konnte man den Flug nicht antreten. Ich gehöre einfach nicht zu den Leuten, die behaupten, früher war alles besser. Okay, vielleicht die roten Twix, die früher Ryders hießen.
SEVIL UGUZ
Förderung und Unterstützung von aufstrebenden Modeschaffenden und Kreativen – Berlin @sevil_uguz lnfa-shop.com platte.berlin Was packst du in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnest? Eine Flasche Cremant – die wird nicht schlecht.
Es ist 2001 – was machst du?
Schule schwänzen mit Ansage. (lacht)
Was vermisst du, was es heute so nicht mehr gibt? Heroes wie David Bowie.
FABIO BUTTIGNOL
gelernter Koch, Pop-up-King & Barista – Bern @foodismorethanpassion Was packst du in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnest?
Meine momentanen Lieblingsweine. Naturbelassene, wunderschöne und facettenreiche Flaschen. Die eine ziert eine blaue Libelle, die andere lediglich eine Etikette mit weißer Schrift der Ortschaft und des Jahrgangs, und bei der dritten handelt es sich vermutlich um einen Winzer in einer einfachen, mittelalterlichen Kleidung. Wie werden die wohl in 20 Jahren schmecken? So komme ich nicht in Versuchung, sie vorher zu öffnen.
Es ist 2001 – was machst du?
Ich komme gerade aus der Schule, wo ich die 6. Klasse besuche. Meine Eltern kommen gestresst und mit großem Entsetzen zu mir und zerren mich vor den Fernseher. Da sehe ich, was passiert ist, ohne genau zu wissen, was ich da wirklich sehe. Zwei Flugzeuge fliegen kontrolliert in große Hochhäuser im weit entfernten New York. Meine Eltern erklären mir, worum es sich bei den Hochhäusern handelt und was vermutlich dahintersteckt. Das ist für mich der prägendste Moment in diesem Jahr, da mir bewusst wird, was Terror und Angst wirklich bedeuten.
Was vermisst du, was es heute so nicht mehr gibt?
Ich vermisse die Unbeschwertheit der Kindheit, sich um nichts zu kümmern. Wie viel Fantasie ich hatte, habe ich doch lediglich mit meinen Gedanken eine Welt erschaffen, in der ich ein Held war und tun und lassen konnte, was ich will. Mit Hunderten von Legosteinen eine Stadt erschaffen ohne Bauplan? Kein Problem. Oder mit Decken und Tüchern eine Burg bauen, sich darunter setzen mit meinen Freunden oder mit meiner Schwester, die manchmal sehr lieb war, mich aber auch oft geärgert hat. Die Kindheit ist und bleibt die Zeit im Leben, in der man viele Dinge ohne Konsequenzen machen kann, was heute in der Form nicht mehr möglich ist.
RAPHAELA PICHLER MARISA BURN-PICHLER
Fotografin & Gründerin House of Change – Zürich
Künstlerin, Prozessgestalterin & Gründerin House of Change – Zürich @marisaburn @raphaelapichler @houseofchangeby burnpichler.com raphaelapichler.ch burninglights.ch
Was packst du in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnest? Marisa: Ich schreibe mir einen Brief in die Zukunft, wie es mir gerade
geht, was gerade in der Welt läuft und was ich mir für die Zukunft in 20 Jahren wünsche. Raphaela: Mein Hündli Mathilda.
Es ist 2001 – was machst du? Marisa: Ich starte gerade mein Studium als Interaktionsleiterin an der
HGK in Basel. Raphaela: Ich bin im dunklen Fotostudio und lade 4x5 Inch Filmkassetten.
Was vermisst du, was es heute so nicht mehr gibt? Marisa: Ich vermisse die Abgeschiedenheit, es gab Orte ohne Internet,
oft war es langweilig, wenn man warten musste. Das hatte auch seine guten Seiten. Man musste mehr in der Stille sitzen. Raphaela: Mit der Sinar auf Schwarz-Weiß Polaroid zu fotografieren und den Duft von Fotochemie.
CELINE QUADRI Künstlerin – Zürich @C_LINE.ART C-LINE.ART
Was packst du in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnest? Das Buch „I AM THAT“ von Sri Nisargadatta Maharaj.
Es ist 2001 – was machst du?
Da wohne ich gerade in einem besetzten Haus und male.
Was vermisst du, was es heute so nicht mehr gibt? Meinen Hund Sumo.
SIMON LOHMEYER
Fotograf, Autor – München @simonlohmeyer simonlohmeyer.com
Was packst du in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnest?
In meine Zeitkapsel kommt eine kleine Traum-Checkliste, so dass ich nachvollziehen kann, ob ich ein Teil meiner Träume verwirklichen konnte. Etwas gutes Marihuana, mein Duft und vielleicht eine Festplatte mit den Backups meiner fotografischen Arbeit.
Es ist 2001 – was machst du?
Was vermisst du, was es heute so nicht mehr gibt?
Eine Zeit ohne Mobiltelefon – der geistigen Freiheit und echtem sozialen Umgang.
©MICHAEL SIEBER
Ich bin zwölf Jahre alt und etwas schockiert, wie ich gerade sehr picklig werde. Träumen vom Motorradfahren und Mädchen.
TOM WEINGART Gastronom – Bern @tom_trotter rooftopbrasserie.ch parkamwasser.ch bernersternenmarkt.ch mams2go.ch barimmuseumspark.ch
Was packst du in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnest? Ein Baby-Foto von unserem Sohn, der dann bald 21 Jahre alt sein wird.
Es ist 2001 – was machst du?
Ich lebe in North Carolina USA und spiele College Basketball
Was vermisst du, was es heute so nicht mehr gibt? Meinen flachen Bauch. (lacht)
STEPHANIE DETTMANN
Co-Founder & Chief Brand Officer UND GRETEL & Mutter – Berlin @stephanie_dettmann undgretel.com Was packst du in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnest?
Einen Brief an mich selbst mit all den Dingen, die ich bis dahin erleben und erreichen möchte.
Es ist 2001 – was machst du?
Ich feiere eine wilde Abschiedsparty bei Jung von Matt an der Isar in München, bevor ich am nächsten Tag nach Hamburg umziehe!
Was vermisst du, was es heute so nicht mehr gibt? Formel Eins mit Ingolf Lück.
CHRIS RÜTTIMANN
Event-Manager, bald auch Zirkusdirektor – Bern @soulplay Was packst du in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnest?
Viel viel R’n’B, Soul und Funk Musik, vor allem von Prince. Viele Fotos von Familie und Freunden und tollen Momenten aus meinem Leben. Einen handschriftliche Brief, wie ich mir die Welt in 20 Jahre vorstelle. Mal schauen, ob es eintrifft. (lacht)
Es ist 2001 – was machst du?
Voller Elan Events und Konzerte organisieren und Reisen, was das Portemonnaie zulässt.
Was vermisst du, was es heute so nicht mehr gibt?
Zusammenkommen mit Menschen ohne überpräsente Handys in allen möglichen photospezifischen Positionen.
SUE GIERS
Style-Hunter & Networker, SoSUE – Hamburg @sosue_official so-sue.com Was packst du in eine Zeitkapsel, die du in 20 Jahren öffnest?
Definitiv Haferflocken, ohne die kann ich nicht in den Morgen starten, meine geliebte Antonia-Bluse und „Anna Karenina“ von Tolstoi in der Hoffnung, dass ich 2041 endlich mal Zeit habe, es zu lesen.
Es ist 2001 – was machst du?
Im zweiten Jahr im neuen Jahrtausend spürte ich, dass viele Veränderungen auf mich zukommen werden: Ich tourte als TV-Journalistin durch die Welt, war frisch verliebt und entdeckte die Fashion-Welt für mich. Ich merkte, dass mich Mode immer in ihren Bann zog. Ich fing an, Vintage-Teile zu sammeln, die mich noch heute bei meiner Arbeit inspirieren.
Was vermisst du, was es heute nicht mehr gibt?
Meinen ersten iPod. Damals fing Apple wieder an, ein Must-Have zu werden. Endlich konnte ich lange Musik hören. Ich liebte dieses Scrollrad. Aber viel wichtiger war es, dass er so schön aussah. Perfektes Design. Ein Retro-iPhone im Stil eines alten iPods würde ich mir sofort kaufen.
NEW
PERSPECTIVE
PHOTOGRAPHY: MICHAEL MANN FASHION EDITING & ART DIRECTION: BODO ERNLE, STYLING: ALINA ÖZKAN, GALINA RITTER, BRIANA MAWSON, ROMINA ADRIANA HÜLSMANN, PAULINE REITZIG, ELENA, MATEJOVSKY, HENDRIK BAARMAN, SONJA POLZIN, LENA VENOS, HAIR & MAKE-UP: CLAUDIA FISCHER, MODEL: EM @ IZAIO, NORA @ IZAIO, NAOMI @ KULT MODELS
176
Oktober 2021
STYLING: ALINA ÖZKAN MODEL: EM
Overall von MARCEL OSTERTAG.
Manchmal lohnt sich der Blick zurück, das Spähen über die Schulter und das Schwärmen von vergangenen Zeiten, in denen zwar nicht alles besser war, aber vieles einfacher. Trends kommen und gehen, Vibes bleiben – eine Hommage an die Leichtigkeit der Sixties.
STYLING: HENDRIK BAARMAN MODEL: NORA
Jacke von GRETA MARI. Strumpfhose von FALKE. Schuhe STYLIST’S OWN.
STYLING: LENA VENOS MODEL: NORA
Kunstledermantel und Oberteil von NOISY MAY. Hose von VILA. Stiefel STYLIST’S OWN. Tasche von PIECES.
180
Oktober 2021
STYLING: GALINA RITTER MODEL: EM
Kleid von UNBREAKABLE EVOLUTION. Leggings von FALKE. Schuhe von TRIPPEN.
Blazer von MARCEL OSTERTAG. Kleid von MAISONNOÉE. Brille von LUNETTES SELECTION. Schuhe STYLIST’S OWN.
STYLING: SONJA POLZIN MODEL: NORA
Strickshirt von 10 DAYS AMSTERDAM. Schlaghose von MARCEL OSTERTAG. Brille von ANDY WOLF. Schuhe von DR. MARTENS.
STYLING: PAULINE REITZIG MODEL: NORA
Strick-Set von MARGOT&ME. Brille von ANDY WOLF.
STYLING: BRIANA MAWSON MODEL: EM
Mantel und Rock von JOCELYN SCHÖNEMANN. Stiefel von MARYAM NASSIR ZADEH.
STYLING: PAULINE REITZIG MODEL: NORA
Strick-Set von MARGOT&ME. Strümpfe von FALKE. Brille von ANDY WOLF. Sandalen von DR. MARTENS.
STYLING: ALINA ÖZKAN MODEL: EM
Jacke und Bustier von RHEA FEY. Minirock von LEVI’S. Brille von ANDY WOLF.
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Oktober 2021
STYLING: ROMINA ADRIANA HÜLSMANN MODEL: NAOMI
Mantel von MARCEL OSTERTAG. Kleid von VERONIKA HOPPONEN. Ohrringe von BOWLIE BLUES.
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Geburtstag feiern? Oh ja, bitte, laut und mit allen Freunden, die uns in den vergangenen zwanzig Jahren zur Seite standen! Und natürlich mit euch, mit unseren Lesern, die wir zur Feier des Tages ebenfalls beschenken und zwar mit diesen Goodies, die es online auf faces.ch zu gewinnen gibt:
Kosiim Hautstraffungsgerät zur Zellregeneration
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AL-Time Armbanduhr „Rebel 19-14“
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FACES Visa Card mit CHF 1'000.– Guthaben für alles, was das Herz begehrt
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LAST FACTS 12.3.2041: Autonome Lufttaxis werden vermehrt für Suizid verwendet. Aus den heute vom Bundesamt für Transport veröffentlichten Zahlen geht hervor, dass 47 von 86 Personen, die 2040 bei Abstürzen ums Leben kamen, diese selbst herbeigeführt haben.
6.7.2041: Die Liberatier sind weg. Die Sekte, die aus den Freiheitsprotesten der CoronaPandemie der frühen 2020er hervorging und seit bald zwölf Jahren das Klöntal besetzt, ist verschwunden. Die Mitglieder lebten in dem Nationalpark auf ursprüngliche Weise. Ohne Big Pharma, ohne Deep State, ohne die da oben. Und ohne Strom, ohne Kanalisation oder medizinische Versorgung. Aber frei.
12.1.2041: Komplikationen beim Auftauen von Jeff Bezos. Der 77-jährige Gründer des Unsterblichkeitsanbieters „Forever“ hatte sich vor genau einem Jahr per Hybriskryonik einfrieren lassen, um die Funktionstüchtigkeit seiner Technik zu beweisen. Die auf heute geplante „Relivery“ ist aus bisher unbekannten Gründen fehlgeschlagen.
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30.1.2041: Bei Sotheby’s in London wird ein 40-jähriger Fiat Multipla für den Rekordpreis von 2,4 Millionen Pfund versteigert. Es wird geschätzt, dass weltweit nur noch elf Exemplare des Multipla existieren. Er gilt als der heilige Gral der Autosammler.
26.8.2041: Die Hochzeit des Jahres findet auf der Privatinsel des Musikers Kanye West (64) vor Sardinien statt. Wie heute vermeldet wurde, wird sein Sohn Saint Kardashian West (26) dort im September seinen Verlobten Alexander Clooney (24) heiraten, den Sohn von George Clooney (80). 16.6.2041: In London geht der letzte Taxifahrer in Rente. Boris Johnson (77), der seinen Fahrgästen immer gern erzählte, dass er früher mal Premierminister war, stellte sein Black Cab heute für immer in die Garage und überlässt die Straßen den autonomen Fahrdiensten.
1.10.2041: Ab heute erhält jeder Marokkaner 10'000 Dirham im Monat. Im Zuge der Legalisierungswelle von Cannabis wurde das Königreich zum weltweit größten Hasch-Exporteur. Daneben ist grüner Solar-Wasserstoff das wichtigste Exportgut Marokkos. Die riesigen Gewinne werden in Form eines bedingungslosen Grundeinkommens an das Volk zurückgegeben.
HAPPY BIRTHDAY 18.12.2041: Keith Richards feiert seinen 98. Geburtstag und kündigt eine neue RollingStones-Tournee zum 80. Bandjubiläum im nächsten Jahr an. Wer die anderen, mittlerweile verstorbenen Bandmitglieder ersetzen wird, ist noch unklar.
16.8.2041: Mexiko hat seine Grenze zu Texas erneut geschlossen, nachdem tausende Menschen versucht haben, aus dem autonomen Bibel-Staat zu flüchten.
S E I L O J LES
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19.4.2041: In New York begann heute der Prozess gegen den Inhaber von Tesla Robots, X Æ A-12 Musk. Der jüngste Trillionär aller Zeiten und Wunderkind der Tech-Szene muss sich wegen Mordes vor Gericht verantworten, nachdem ein Tesla Model Bi Haushaltroboter ein Rentnerehepaar in New Brooklyn erschossen hat.
Oktober 2021
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