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Inhalt

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Der Mann mit den Quanten Rainer Blatt in Innsbruck Amputation um besser greifen zu können Die Funktion der Bionischen Rekonstruktion Mond und Mars Ihre Wirkung auf uns und unsere Visionen Höhlenforschung Und warum dazu nun Drohnen eingesetzt werden

08 10 12 16

Licht nach Einstein und Bohr Der Countdown zum Thema Lichtverschmutzung Zuviel Licht, zu wenig Sternsicht Lichtjahre Versuch, die Lichtentwicklung zu erklären Das kommende Quanteninternet Und wie Österreicher daran arbeiten

18 20 22 23

Quanten in unserem Alltag Wie die Quantenforschung uns beeinflusst Licht nach Einstein und Bohr: Das Glossar Überblick über wichtige Begriffe Jäger und Sammler Die Ergebnisse ihrer Erforschung Gedicht, HEUREKA-Rätsel, Kommentar Das Licht in der Literatur

Gastkommentar

Editorial

Vorbild: Schweiz U lr i ke D i eb o ld

I l l u : T o n e f i n k , M a tt h i a s H e i s l e r / W I T P r o j e k t T U W i e n

aut Aussage des BMWFW wird Österreich im kommenden Jahr L für Forschung und Entwicklung 10,1

Milliarden Euro ausgeben. Das ist eine erkleckliche Summe und auch äußerst notwendig für ein Land, das in seiner wirtschaftlichen Entwicklung nicht auf Rohstoffe oder billige Arbeitskräfte setzen kann. Leider bleibt davon für die Wissenschaft wenig übrig. Über den österreichischen Wissenschaftsfonds FWF werden etwa 200 Millionen Euro im Jahr ausgeschüttet – das sind knapp zwei Prozent. Der FWF vergibt diese Mittel wie in der Grundlagenforschung international üblich: Forschende reichen Projektanträge ein, die anerkannte ausländische Fachleute anonym nach wissenschaftlicher Exzellenz beurteilen. Die besten Ideen werden finanziert, wobei der Großteil der Gelder in Gehälter von Doktoranden oder Post-docs fließt. Dieses kompetitive Vergabesystem hat sich international bewährt. Auch wenn es weh tut, wenn ein Antrag wegen schlechter Fachgutachten abgelehnt wird, ist es der beste Weg. Allerdings funktioniert es nur, solange der Kuchen, um den wir uns raufen, nicht zu klein wird. Wenn die Genehmigungsquote unter zwanzig Prozent fällt – und dem nähert sich der FWF – läuft das System aus dem Ruder. Die Mangelverwaltung führt dazu, dass die innovativsten, weil riskantesten Projekte abgelehnt werden. Sie wirft Spitzenforscher aus dem internationalen Wettbewerb, und junger Nachwuchs bleibt auf der Strecke. Dies ist für die Forschung und Entwicklung in Österreich insgesamt tragisch, nicht nur für die einzelnen Forscher. Alle bahnbrechenden technologischen Fortschritte, vom Navi bis zum iPhone, beruhen auf den Grundlagen und Erkenntnissen, die von Wissenschaftern erarbeitet werden. Wenn man fast ausschließlich in angewandte

Forschung investiert und sich darauf verlässt, dass Steuervorteile für Firmen schon wesentliche Neuerungen bringen werden, lässt man diese Wurzeln verkümmern. Der Vergleich mit der Schweiz, wo der dem FWF entsprechende Nationalfonds jährlich ein Vielfaches an Mitteln (derzeit 850 Millionen Schweizer Franken) vergibt, sollte unsere Politiker nachdenklich stimmen. Die Spitzenstellung unseres Nachbarlandes in der internationalen Wissenschaft geht einher mit seiner unbestreitbaren

C hr i s t i a n Z i ll n er

Vorreiterrolle in den Innovationen. Dabei bedarf es nur einer leichten Umschichtung, sodass der FWF vom Forschungsbudget ein paar Prozent mehr erhält – und Österreich ist auf dem richtigen Weg.

Finkenschlag Handgreifliches von Tone Fink

Ulrike Diebold Physikerin an der TU Wien, Wittgensteinpreisträgerin 2013

www.tonefink.at

Vor hundert Jahren hat uns Albert Einstein das Licht ausgeblasen. Zumindest die Vorstellungen davon, was Licht eigentlich ist. Mittlerweile kann sich keiner mehr vorstellen, was darunter zu verstehen ist. Ja gut, Welle und Teilchen zugleich, aber was, bitte, soll das bedeuten? Nicht erst mit Einstein, sondern spätestens mit Kopernikus hat eine Entwicklung begonnen, die Erkenntnisse aus unserer Erfahrung für ungültig erklärt. Wir werden wohl auch wissenschaftlich nachweisen können, dass wir Gott einfach erfunden haben (was allerdings, und das kapieren die ­Atheisten offenbar nicht, seine allmächtige Wirkungsweise in keiner Weise einschränkt. Wir schätzen, das zeigt die „Natur“ am höchsten, und verehren am meisten, was wir selbst erfunden haben). Das heißt aber, dass unsere Vorstellung, es sei alles irgendwie auf das Eine zurückzuführen, widerlegt ist. Das Universum war schon komplex, bevor es überhaut begonnen hat. Unsere Vorstellungskraft, auf deren Beschränktheit uns Kant aufmerksam macht, bleibt immer weiter hinter der Verwissenschaftlichung der Welt zurück. Ein ­Zeichen dafür, dass wir mit unserer Anschauung hinter der Entwicklung liegen. Das geht nie lange gut. Entweder sterben wir als Menschen aus, oder wir entwickeln uns weiter. Zu Lichtgestalten?

Impressum Falter 42b/15: Herausgeber: Armin Thurnher Medieninhaber: Falter Zeitschriften GmbH, Marc-Aurel-Straße 9, 1010 Wien, T: 01/536 60-0, E: service@falter.at, www.falter.at Herstellung: Falter Verlagsgesellschaft m.b.H. Redaktion: Christian Zillner Fotoredaktion: Karin Wasner Produktion/Grafik: Reini Hackl Korrektur: Martina Paul Druck: Passauer Neue Presse Druck GmbH, 94036 Passau DVR: 047 69 86. Alle Rechte, auch die der Übernahme von Beiträgen nach § 44 Abs. 1 und 2 Urheberrechtsgesetz, vorbehalten. Die Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz ist unter www.falter.at/offenlegung/falter ständig abrufbar.

HEUREKA ist eine entgeltliche Einschaltung in Form einer Medienkooperation mit


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Aus Wissenschaft und Forschung Kopf im Bild Faszinierende Quantenwelt Wenn wir die Phänomene der Quantenphysik eines Tages für unfassbar schnell rechnende Quantencomputer nutzen können, liegt es an Menschen wie Rainer Blatt. „Wir arbeiten daran, ihn Wirklichkeit werden zu lassen“, bekräftigt der Leiter des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und Professor für Experimentalphysik an der Uni Innsbruck. An Prototypen führt er bereits erste Rechnungen durch. „Bald wollen wir Aufgaben lösen, an denen herkömmliche Supercomputer bisher gescheitert sind.“ Blatt hat wegweisende Arbeiten auf dem Gebiet der Quanteninformationsverarbeitung durchgeführt. Meilensteine waren die erste Teleportation mit Atomen, die Realisierung des ersten Quantenbytes und das mit 14 Quantenbits größte je gebaute Quantenregister. Im August wurde er in Toronto mit dem renommierten John-StewartBell-Preis geehrt. „Für mein Team und mich ist das eine zusätzliche Motivation, unsere Forschungen weiter voranzutreiben.“ T e x t : us c h i s o r z F o t o : I Q O Q I / C . L a c k n er

Uschi Sorz

m Doktoratskolleg PopulationsgeIGMI, netik (Vetmeduni Vienna, Uni Wien, MFPL) untersuchen diese Dis-

sertantInnen komplexe biologische Systeme und deren Evolution. Dominik Schrempf, 28

Seine Faszination für Natur und Technik führte Dominik Schrempf zuerst zum Physikstudium an die TU Wien. Nun schreibt der Oberösterreicher eine Dissertation im Bereich der Phylogenese. „Das ist die Wissenschaft der Geschichte und Entwicklung der Gesamtheit aller Lebewesen“, erklärt er. Anhand von DNASequenzen von Menschen und Menschenaffen versucht er den Verwandtschaftsgrad einzelner Individuen

zu erkunden und DNA-Sequenzen von ganzen Bevölkerungen in Beziehung zu setzen. „Die Erbgüter enthalten unglaublich detaillierte Informationen darüber, wie verschiedene Arten verwandt sind.“ Um die evolutionären Kräfte wie Selektion oder Mutation besser verstehen zu können, nutzt er mathematische Modelle. Kerstin Gärtner, 29

Nach drei Semestern Chemie wechselte Kerstin Gärtner zur Mathematik. „Das Interesse an Naturwissenschaften habe ich aber nie verloren“, so die gebürtige Deutsche. „Und nach dem Diplom wollte ich weiter in der Wissenschaft arbeiten.“ Am liebsten in einer Richtung mit konkretem Nutzen. „Die ,Vienna

Graduate School of Population Genetics‘ traf genau meine Neigungen“, sagt Gärtner. „Das Fach ist unheimlich spannend und die interdisziplinäre Zusammenarbeit gefällt mir sehr.“ Mit statistischen Methoden möchte sie Verfahren zur Schätzung der Rekombinationsrate verbessern. Bei der Rekombination werden genetische Merkmale neu miteinander kombiniert. „Die Rekombinationsrate zu kennen ist u. a. wichtig, weil dieser Prozess die Spuren verwischt, die die DNA zeigt, wenn Selektion für ein bestimmtes Gen stattfindet.“ Thomas Taus, 27

Thomas Taus hält es mit Faust. „Was die Welt im Innersten zusammenhält“, das hat ihn von jeher brennend

interessiert. Als Schüler nahm er am Genomforschungsprojekt GEN-AU teil, absolvierte Praktika am IMP, und schließlich machte er an der TU Wien den Bachelor in Technischer Chemie sowie den Master in Biotechnologie und Bioanalytik. Nun nimmt er an der Vetmeduni sein Doktorat in Angriff und untersucht, wie sich Populationen von Fruchtfliegen – ein klassischer Modellorganismus in der Biologie – auf der Genomebene an eine neue Umgebung anpassen. „Dank enormer technologischer Entwicklungen bei der DNA-Sequenzierung können wir molekulare Adaptation genomweit quasi in Echtzeit verfolgen“, sagt Taus. Ein besseres Verständnis dieser Prozesse könnte etwa der Medikamentenentwicklung zugutekommen.

Fotos: privat

JungforscherInnen


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heureka!

heureka

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Aus Wissenschaft und Forschung Zellbiologie

Mathematik

Chirurgie

Der Kratersee auf Gaua ist der mysteriöse Laichplatz der pazifischen Aale

Erforschung von Quasi-Monte-Carlo­Methoden zur numerischen Integration

Die Entscheidung für eine High-TechHandprothese führt zur Goldmedaille

Jochen Stadler

U S CH I S OR Z

B AR B ARA F RE I TA G

ie Fortpflanzung der Aale zählt m Mai hat Peter Kritzer den ,Inform Winter 2008 erlitt der 27-jährige D lange zu den größten Mysterien I mation-Based Complexity Prize‘ für I Patrick Mayrhofer einen schweren der Biologie. Die antiken Griechen besondere Leistungen auf seinem For- Arbeitsunfall. Er geriet in einen Starkglaubten, sie entstünden spontan aus Schlamm. Später wähnte man sie als Sprosse von Hautfetzen erwachsener Tiere oder von Pferdeschweifen. Oder man nahm an, dass sie von einem Fisch, den man „Aalmutter“ nannte, geboren werden. Denn lange Zeit hatte niemand je laichreife Aale gesehen.

F o tos: pr i vat, M e dUn i W i e n - M at e r n, Un i linz

Er fand den Laichplatz der pazifischen Aale: Robert Schabetsberger, Universität Salzburg

Der Däne Johannes Schmidt entdeckte in den 1930ern, dass die europäischen Aale südlich der Bermudainseln laichen. Wo sich zwei Arten der doppelt so großen pazifischen Aale fortpflanzen, blieb aber rätselhaft. Dies konnte nun Robert Schabetsberger von Fachbereich Zellbiologie der Universität Salzburg zusammen mit internationalen Forscherkollegen und der Hilfe lokaler Fischer auf der Insel Gaua herausfinden. Die erwachsenen Aale leben dort im Kratersee „Lake Letas“. Auf ihrer Laichreise stürzen sie sich über einen 120 Meter hohen Wasserfall hinab und schwimmen in einem reißenden Fluss zum Meer. In diesem Fluss konnten nicht die Forscher, sondern nur die lokalen Fischer passende Aale fangen, die mit Satellitensendern versehen wurden. Die Aale trugen diese bis 850 Kilometer weit in den Nordosten des Aussetzungspunktes, wo die pazifischen Aale offensichtlich ihre Laichgebiete haben. Ihre blattförmigen Larven driften mit den westwärts gerichteten Meeresströmungen wieder in Richtung der „Heimatinseln“. Mit etwa sechs bis zwölf Monaten kommt die neue Aalgeneration nach Gaua, wo der gigantische Wasserfall sie vom Kratersee trennt. Die kleinen Aale klettern zur Überraschung der Wissenschafter zu Tausenden über nasse, steile Felsen neben dem Wasserfall hinauf und gelangen so wieder in den See.

schungsgebiet erhalten. „Eine große Ehre“, freut sich der wissenschaftliche Mitarbeiter und Privatdozent am Institut für Finanzmathematik und angewandte Zahlentheorie der Uni Linz. Bei Information-Based Complexity geht es um die Frage, wieviel Information man über eine gegebene mathematische Größe braucht, um bei einer näherungsweisen Berechnung sicher sein zu können, dass Fehler einen bestimmten Toleranzbereich nicht überschreiten. „Näherungsweise Berechnungen verwendet man u. a. zur Simulation komplizierter Systeme für Anwendungen in der Physik, Computergrafik oder Finanzmathematik. Und wir wollen nicht nur eine gute Näherung erhalten, sondern auch im Vorhinein wissen, wie gut die Näherung mit welchem Aufwand sein kann.“ Nun kann man in Simulationsalgorithmen auch Zufallszahlen einsetzen, was man – angelehnt an das Glücksspiel – Monte-Carlo-Methoden nennt. Kritzer hingegen konzentriert sich darauf, Zahlen gezielt so auszuwählen, dass sie ähnlich gut oder besser funktionieren als diese. Das sind dann Quasi-Monte-Carlo-Methoden. „Näherungsweise Berechnungen verwendet man u. a. zur Simulation komplizierter Systeme .“ Peter Kritzer, Universität Linz

Seit Februar 2014 läuft ein FWF-geförderter Spezialforschungsbereich (SFB) auf diesem Gebiet, von dem der Salzburger ein Teilprojekt leitet. Der SFB verbindet zehn Forschungsgruppen aus Teilgebieten der Mathematik mit dem Ziel, neue Ergebnisse über Quasi-Monte-Carlo-Methoden zu erhalten. Dabei ist auch die Nachwuchsförderung ein wichtiger Aspekt: 20 Doktoranden und Post-Docs können dabeisein. „Wegen der schlechten Karriereplanungsmöglichkeiten kehren viel zu viele Wissenschafter entweder Österreich oder der Forschung den Rücken. Daher sind solche Förderungen bedeutender denn je.“

stromkreis. Dabei wurde der Plexusbrachialis seines linken Unterarmes so massiv geschädigt, dass die Hand trotz vieler medizinischer Interventionen nicht mehr funktionierte. Ein Jahr später traf er eine mutige Entscheidung: Die Hand sollte amputiert werden, um eine bionische Rekonstruktion zu ermöglichen. Mithilfe einer durch Gedanken gesteuerten Prothese wollte Mayrhofer wieder alltägliche Dinge verrichten können. „Neuromuskuläre Eingriffe, die eine interaktive Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine ermöglichen“ Oskar Aszmann, MedUni Wien

Das Verfahren wurde von Oskar Aszmann an der MedUni Wien entwickelt. „Bionische Rekonstruktion versucht, verlorengegangene Funktionen zu ersetzen. Dabei kommt es zu komplexen neuromuskulären Eingriffen, die eine interaktive Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine ermöglichen.“ Seine Studie dazu erschien im renommierten Magazin Lancet. Vor der Amputation erfolgt eine Analyse der verbliebenen Nervenäste. Dann wird aus dem Oberschenkel ein Stück Muskel entnommen und als Signalverstärker im Unterarm eingesetzt. Durch die Muskelkontraktionen entstehen elektrische Signale zur Steuerung der mechatronischen Hand. Bis das klappt, muss jedoch zur Übung die Prothese mittels eines elektronischen Interfaces benutzt werden. Schließlich wird die Hand amputiert und durch die Prothese ersetzt. Für Mayrhofer dauerte es drei Monate, bis er die meisten Bewegungen wieder ausführen konnte. „Hilfreich war meine Ausbildung in Elektrotechnik. Ich habe die Funktionsweise der Prothese sofort verstanden und auch direkt umsetzen können.“ Im Februar des Jahres trat der begeisterte Snowboarder bei der ParaWM im spanischen La Molina an. Das Ergebnis spricht für sich: die Goldmedaille.

Freistetters Freibrief

Fachzeitschriften F l o r i a n F r e is t e t t e r

chafft die wissenschaftlichen FachS zeitschriften ab! Sie erfüllen schon längst nicht mehr die Aufgaben, die

sie früher einmal erfüllt haben. Stattdessen verhindern sie den Austausch wissenschaftlicher Informationen und binden finanzielle Mittel, die anderweitig viel besser angelegt sind. Früher, vor der Internet-Existenz, waren die Fachzeitschriften wichtig. Wer wissen wollte, welche neuen Forschungsergebnisse publiziert worden sind, las die einschlägigen Journale. Heute recherchiert man online. Früher machte die Trennung zwischen „wichtigen“ und „unwichtigen“ Zeitschriften einen gewissen Sinn. Niemand konnte alles lesen, was geschrieben wurde. Um einen allgemeinen Überblick zu bewahren, konzentrierte man sich auf relevante Journale wie Nature oder Science, in denen nur die bedeutendsten Ergebnisse publiziert wurden. Heute ist es egal, wo etwas veröffentlicht wird: Eine Suche in der Datenbank erfasst alle Artikel, egal, wo sie erschienen sind. Will man einen Artikel in einer Fachzeitschrift lesen, muss man dafür bezahlen. Und das, obwohl es sich im Allgemeinen um Forschungsarbeit handelt, die zuvor schon durch Steuergelder finanziert worden ist. Die Öffentlichkeit bezahlt also zweimal: Einmal die Wissenschafter, welche die Arbeit durchführen, und einmal die Verlage, um die Ergebnisse dieser Forschung dann auch lesen zu dürfen. Im schlimmsten Fall sogar dreimal, denn viele Journale verlangen auch Geld, damit man eine Arbeit überhaupt veröffentlichen darf. Die dafür erbrachten Leistungen halten sich in Grenzen. Die Wissenschafter müssen die Artikel meistens schon druckreif mit fertigem Layout abliefern. Die fachliche Prüfung („peer review“) erfolgt durch die wissenschaftliche Community und wird von den Verlagen nicht bezahlt. Im Zeitalter von Internet und Onlinedatenbanken sind einzelne Fachzeitschriften sinnlos geworden. All das, was sie angeblich leisten, kann die wissenschaftliche Gemeinschaft heute problemlos selbst leisten und tut das teilweise auch schon (zum Beispiel im Rahmen von Artikel-Datenbanken wie „ArXiv“). Es macht keinen Sinn mehr, an diesen veralteten Relikten festzuhalten: Schafft die Fachzeitschriften ab! Mehr von Florian Freistetter: http://scienceblogs.de/astrodicticum-simple


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Aus Wissenschaft und Forschung Astrophysik

Robotik

Brief aus Brüssel

Mars und Mond: Wer zum Mars will, kommt am Mond nicht vorbei

Selbstlernende Roboter zeigen: Geist und Körper sind aufeinander bezogen so zu betrachten

Emily Walton

Sabine Edith Braun

Jochen Stadler

„Vollmond ist eine Konstellation mit einem psychologischen Effekt, die in Erinnerung bleibt“ Werner Zeilinger, Universität Wien

Hinzu kommt der soziokulturelle Aspekt: „Vollmond ist eine Konstellation mit einem psychologischen Effekt, die in Erinnerung bleibt.“ Das zeigen Statistiken über Unfallhäufungen und die Esoterik-Industrie, Stichwort: Mondkalender. Werner Zeilinger hält davon nichts. Aber er hat auch mit Forstarbeitern gesprochen: „Sie meinen, dass sich an der Holzqualität zeigt, ob Bäume in bestimmten Mondphasen gefällt wurden.“ Auch an Phänomenen wie den Gezeiten ist die Beziehung zwischen Erde und Mond erlebbar. Doch warum war so lange niemand auf dem Mond? Mit den technologischen Möglichkeiten kann das heute doch kein Problem sein. „Irrtum“, relativiert Zeilinger. „Im Gegenteil: Für künftige Missionen greift man auf die bewährte Technologie zurück – man kann sich keine Verluste erlauben.“ So sollte es auch beim Raumschiff Orion geschehen. Doch US-Präsident Barack Obama strich das noch von George W. Bush verkündete Constellation-Programm. Es sah die Rückkehr des Menschen zum Mond bis 2020 vor und in weiterer Folge die

Reise zum Mars. „Es ist zu befürchten, dass damit Know-how und erprobte Technologien verlorengehen.“ Was macht den Mars erkundenswert? „Er hat im Unterschied zum Mond eine gewisse Atmosphäre, die mit entsprechenden Hilfsmitteln begrenzte Missionen ermöglicht.“ Grundsätzlich gebe es drei Argumente für Marsmissionen: „Erstens ein gesellschaftspolitisches: Man zeigt, dass man dazu in der Lage ist. Zweitens ein wissenschaftliches, und drittens ein wirtschaftliches, denn die Ressourcen auf der Erde sind begrenzt.“ Als Beispiel nennt Zeilinger Helium 3. Es kommt auf der Erde in natürlicher Form kaum vor. Dank seiner geringen Radioaktivität ist es ein idealer Ausgangspunkt für die Kernfusion – und wichtig in der Medizin (MRT): „Helium 3 gibt es auf allen Planeten in unserem Sonnensystem. Aber am nächsten zur Erde liegt es am Mond!“

Der Blutmond: rot wie der Mars

ersieht man Roboter mit neuronaV len Netzwerken, können sie eine selbstbestimmte Entwicklung durch-

laufen. Wie Kinder, die ihren Spieltrieb ausleben und dabei gewisse Verhaltensweisen hervorbringen. Die Maschinen des Computerforschers Ralf Der vom Max-Planck-Institut in Leipzig lernen etwa zu krabbeln und zu gehen, an Kurbeln zu drehen und mit anderen Robotern zusammenzuarbeiten. Momentan sind das nur Computersimulationen. „Wir haben aber nachgewiesen, dass man mit diesen neuronalen Netzwerken auch reale Maschinen betreiben kann“, erklärt Der. „Wir versuchen auch, anhand der Roboter zu verstehen, wie unsere eigene Entwicklung stattfand“ Ralf Der, Max-Planck-Institut, Leipzig

Die neuronalen Netzwerke seiner Roboter bestehen aus Synapsen und Nervenzellen, die in einem sensomotorischen Kreislauf mit dem Körper verdrahtet sind. „Es funktioniert wie bei uns Menschen: Wenn wir etwas mit den Augen aufnehmen, wird das Signal ans Gehirn geleitet, verarbeitet und in eine Muskelbewegung umgesetzt.“ „Solche Simulationen haben ergeben, dass es ein Fehler wäre, Geist und Körper getrennt zu betrachten. Nur mit Bick auf beide lassen sich effektive Bewegungsformen entwickeln. „Schließlich haben sich in der Evolution der Menschen auch Gehirn und Körper gemeinsam entwickelt. Einer wäre ohne den anderen nicht vorwärts gekommen.“ Der will mit seiner Forschung Maschinen kreieren, die ihre Entfaltungsmöglichkeiten selbst erkennen und dadurch besonders energieeffizient arbeiten können. „Wir versuchen aber auch, anhand der Roboter zu verstehen, wie unsere eigene Entwicklung stattfand.“ Ein Mensch sei letztendlich auch nichts anderes als eine biochemische Maschine. Sie unterliegt den Naturgesetzen, kann sich aber dank ihres Spieltriebs recht frei entfalten.

Schopf, wie er dem Fotografen unter dem weißen Schnauzer die Zunge zeigt: Ikonische Bilder, die man sofort mit Einstein verbindet, auf denen jeder den legendären Physiker gleich erkennt. Weitgehend unbekannt sind hingegen jene Bilder, die Einstein in Antwerpen zeigen – ja, im unscheinbaren, kleinen, belgischen Antwerpen. Albert Einstein emigrierte 1933 nach Amerika, nachdem die Nationalsozialisten in Deutschland die Macht ergriffen und als eine der ersten Verfolgungsmaßnahmen alle jüdischen Professoren von den deutschen Universitäten verbannt hatten. Albert Einstein verließ Europa von Antwerpen in Belgien aus. In den Hallen, in denen die Papiere und der Gesundheitszustand auch der Einsteins vor der Ausreise geprüft wurden, ist heute ein Museum entstanden. Es erzählt die Geschichte der „Red Star Line“ und der Tausenden Passagiere, die diese Schiffslinie als Ausweg in ein neues Leben nutzten. Von den 1870ern bis zu den 1930ern machten sich rund zwei Millionen Menschen vom Antwerpener Hafen aus auf den Weg nach Amerika. Jahrzehnte bevor EU-Regierungschefs, Innen- und Außenminister über Flüchtlingsquoten, Schengengrenzen und Dublinsysteme diskutierten, ja, Jahrzehnte bevor überhaupt von einer EU die Rede war, kamen die Schutz­ suchenden in Scharen hierher. Ihr Leben in ein, zwei Koffer gepackt, die meisten nur mit einer einzigen Gewissheit: Dass es, sobald das Schiff ablegt, eigentlich nur noch besser werden kann – auch wenn selbstverständlich kaum jemand so gut und gerne aufgenommen wurde wie der Nobelpreisträger Albert Einstein als Professor in Princeton. Inmitten der historischen Dokumente im Museum, die viele Einzelschicksale der Passagiere detailliert erzählen, ist ein sehr aktueller Satz zu lesen: „Migration mag heute anders aussehen als damals, doch die menschliche Seite der Migration ist universal und zeitlos.“ Die Bilder mögen schwarzweiß, die Umstände und Zeiten andere sein, doch diesen menschlichen Kern haben die Bilder von damals mit jenen gemeinsam, die wir heute jeden Tag zu sehen bekommen: Sie zeigen Menschen, die (fast) alles verloren haben und die das, was sie sich aufgebaut hatten, unfreiwillig aufgegeben haben, und die nicht wissen, was aus ihnen wird. Sie sind, das sieht man auf einen Blick, hilfsbedürftig. Um das zu erkennen, muss man kein Einstein sein.

F o t o s : s a b i n e e d i t h b r a u n , B a s t i a n E h l , NASA / B i l l I n g a l l s

E

s hat 33 Jahre gedauert. Nun heißt es wieder 18 Jahre warten. Dann erscheint der nächste „Blutmond“: Vollmond, eine Totalfinsternis und die maximale Nähe des Mondes zur Erde fallen zusammen. Doch bis dahin wird er uns auch weiter beschäftigen. Denn obwohl seit über vierzig Jahren kein Mensch mehr auf dem Mond war und ein bemannter Marsflug bis 2030 geplant ist, lässt uns der Bleiche da oben nicht los. Woher diese Faszination? „Durch die schiere Nähe. Der Mond ist der zur Erde nächste Himmelskörper“, meint Astrophysiker Werner Zeilinger von der Universität Wien. Selbst mit einem Fernrohr von geringer Auflösung können am Mond viele Details erkannt werden.

lbert Einstein, der gerade eine A Formel an die Tafel schreibt; der geniale Professor mit dem weißen


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Aus Wissenschaft und Forschung Höhlenforschung

Drohnen in Platos Höhle Alte Höhlenpläne entpuppen sich als neu zu entdeckende Elemente der Kulturgeschichte – und Drohnen bringen das Licht Sonja Burger

D

er Geisterschacht in der Lurgrotte erzählt eine tragische Geschichte: Dort kam 1926 eine Pionierin der heimischen Höhlenforschung, Leopoldine „Poldi“ Fuhrich, ums Leben. Begleitet wurde sie vom Höhlenforscher Hermann Bock. Dessen Höhlenpläne, etwa von der Lurgrotte oder der Mammuthöhle, zählen für den Geologen ­Lukas Plan von der Karst- und Höhlen-Arbeitsgruppe im Naturhistorischen Museum Wien „zu den besten dieser Zeit“. Historische Höhlenkarten liefern heutigen Höhlenforschern aber lediglich Anhaltspunkte, denn Realität und Fiktion überschneiden sich darin oft. Aus historischer Perspektive sind jedoch gerade diese Überschneidungen spannend.

Im Finsteren: Höhlenfantasien

Buch „Reisen ins Unterirdische. Eine Kulturgeschichte der Höhlenforschung in Österreich bis in die Zwischenkriegszeit“ befasst sich der Historiker und Höhlenforscher Johannes Mattes mit historischen Höhlenplänen. Alte Pläne aus aller Welt verraten viel über ihren Entstehungskontext. Hierarchien, Diskurse, Geschlechterverhältnisse, Interessen oder Technik – all das fließt in den Akt des Entdeckens und Zeichnens ein. Höhlenforschung war bis ins 20. Jahrhundert eine streng hierarchisierte Männerdomäne. „Nur der Expeditionsleiter durfte Pläne zeichnen. Ihm stand auch die Exklusivität des „ersten Blicks“ zu. Bereits vor der Expedition wurde festgelegt, wer wie tief in die Höhle vordringen darf “, erklärt Johannes Mattes.

Diese Hierarchien beim Vordringen in die als „weiblich“ konnotierte Höhle flachten erst mit dem Aufkommen der „Einseiltechnik“ in den 1970-ern ab. Die Expeditionstrupps schrumpften in der Folge von mehreren Dutzend auf eine Handvoll Teilnehmer.

Drohnen gegen blinde Flecken Irgendwann kommen Höhlenforscher in Bereiche, die nicht mehr sichtbar sind. „Höhlenforscher zeichnen lieber ein, dass die Höhle endet, als ein Fragezeichen zu setzen“ Lukas Plan, NHM Wien

Mattes machte verschiedene Strategien aus, wie diese Bereiche in historischen Plänen abgebildet wurden: Entweder nutzten die Zeichner ihre Fantasie, „oder sie beschrieben diese Winkel besonders detailliert, um zu verschleiern, dass sie nicht weiter kamen“. Unwissenheit wurde weder

zugegeben, noch in den Höhlenplänen dargestellt. Erst Ende der 1920er-Jahre finden sich erste Belege, dass uneinsehbare Bereiche in Höhlenplänen mit einem „Fragezeichen“ gekennzeichnet wurden. Das ging Hand in Hand mit der Verwissenschaftlichung der Höhlenkunde. Im Jahr 1929 wurde der weltweit erste Lehrstuhl für Höhlenkunde an der Universität Wien geschaffen. Auch wurden die Techniken besser, mit denen das eben noch Unsichtbare sichtbar gemacht werden konnte. Doch trotz der Verwissenschaftlichung fällt es manchen offenbar noch immer schwer zuzugeben, dass sie einen Bereich nicht genau erfassen konnten, meint Lukas Plan. „Dann zeichnen sie lieber ein, dass die Höhle endet, als ein Fragezeichen zu setzen.“ Dem soll die Automatisierung der Erstellung von Höhlenplänen vorbeugen – auch wenn die menschliche Beobachtung vor Ort unerlässlich bleibt. Doch Drohnen in den Höhlen könnten auch bisher unsichtbare Bereiche ins Licht rücken.

F o tos: pr i vat, Dac h s t e in i m Sa l zk a m m e rg u t|N e i c hl , w e r n e r h au p t

Jene Höhlenbereiche, in die kein Licht fällt und in denen Höhlenforscher nichts mehr sahen, beflügelten ihre Fantasie, auch beim Zeichnen der Pläne. Wie deuteten sie das „Unsichtbare“? Was wollten sie vermitteln? In seinem soeben erschienenen

„Nur der Expeditionsleiter durfte Pläne zeichnen. Ihm stand auch die Exklusivität des ,ersten Blicks‘ zu“ Johannes Mattes, Universität Wien

Hier ist die Mammuthöhle gut begehbar und einsehbar. Doch wie erfasst und verzeichnet man Stellen, die nicht zu erreichen sind? Können Drohnen dabei helfen?


Titel 8

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heureka

Licht nach Einstein und Bohr

Der Countdown zum Thema Sabine Edith Br aun

9 460 730 472 580 800 Meter beträgt die Länge eines Lichtjahres.

300 000 000 000

Euro beträgt der ­geschätzte globale Marktwert photo­ nischer Technologien gegenwärtig. Im Jahr 2020 soll er sich verdoppeln.

900 000 000 299 792 458 6 000 000

Euro umfasste das Jahresbudget des

CERN im Jahr 2014.

Meter legt Licht in einer Sekunde zurück.

US-Dollar betrug 1944 der Preis bei einer ­Versteigerung für die amerikanische Kriegs­ anleihe von Einsteins 1943 angefertigtem Manuskript-Duplikat der ­Speziellen Relativitätstheorie.

300 000 160 000 153 000 100 000 60 000 20 000 2500 1963 1962 1960 1400

Um diesen Faktor nimmt die scheinbare visuelle Hel­ ligkeit des Mondes bei einer zentralen Finsternis ab. Lux beträgt die Beleuchtungsstärke eines ­Operationssaals. Lichtpunkte gibt es im öffentlichen Raum in der Stadt Wien. Lichtjahre beträgt der Durchmesser der Milchstraße.

Mars-Umrundungen hat die NASA-Raumsonde „2001 Mars Odyssey“ seit Oktober 2001 absolviert.

Lux beträgt die Beleuchtungsstärke eines bedeckten Sommertages.

Jahre alt ist der vermutlich früheste Bericht über Polarlicht (in babylonischer Keilschrift).

postulierte der Schweizer Physiker André Petermann die Existenz von Quarks.

wurde die Leuchtdiode (LED) erfunden. taucht der Begriff „Photonik“ auf.

Lux Beleuchtungsstärke muss ein Fußballstadion der höchs­ ten Qualitätskategorie gemäß UEFA mindestens aufweisen.

1000 758 600 107 106 95,97 30 20 18 14 12 6 0,25 0 0,000 138

Punkte kann das „unbewaffnete“ menschliche Auge auf der Vollmondscheibe unterscheiden.

Kilogramm beträgt das Gewicht der NASA-Raumsonde „2001 Mars Odyssey“. Nanometer umfasst die Wellenlänge von orangenem Licht.

lautet die Ordnungszahl des nach Niels Bohr benannten ­chemischen Elements Bohrium. Minuten kann die Totalität einer Mondfinsternis längstens ­dauern. Prozent beträgt der CO2-Anteil der Marsatmosphäre.

Patente besitzt Charles K. Kao, der „Vater“ der Glasfaseroptik und Physik-Nobelpreisträger des Jahres 2009.

Prozent des weltweiten Elektrizitätsverbrauchs entfällt auf Beleuchtung .

Jahre (und 11,33 Tage) dauert ein Saroszyklus (Zeitabstand, in dem sich die Stellung von Erde, Sonne und Mond zueinander wiederholt).

Quantenbits verschränkten Innsbrucker Quantenphysiker 2011 kontrolliert miteinander. Das ist das bisher größte Quantenregister. neue „Dark Sky Places“ gab es im Jahr 2014. Sie werden von der ­International Dark Sky Association weltweit zertifiziert.

Prozent nimmt die Lichtverschmutzung weltweit jährlich durch­ schnittlich zu. Lux beträgt die Beleuchtungsstärke einer Vollmondnacht.

lautet der Wert des Eigendrehimpulses eines Higgs-Bosons. Prozent beträgt der Anteil des seltenen stabilen Isotops Helium-3 in der Erdatmosphäre. Lumen: das ist die Sehschwelle

0,000 000 000 000 1des menschlichen Auges.

0,000 000 000 000 000 000 000 1

beträgt die Lebensdauer eines Higgs-Bosons in Sekunden.


heureka

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Licht nach Einstein und Bohr

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Die Grundlage allen Denkens Der US-amerikanische Wissenschafter Douglas Hofstadter möchte uns die Bedeutung der Analogie für Mensch und Tier nahebringen Jochen Stadler

E

ine Hummel fliegt über eine Wiese. Plötzlich fesselt etwas ihre Aufmerksamkeit: der Nektar einer Blüte. Auf der Wiese steht auch Albert Einstein. Er denkt über die spezielle Relativität nach. Was Hummel und Einstein noch verbindet ist die Art, wie sie zu ihren Erkenntnissen kommen. „Jeder Gedanke beruht auf dem Herstellen von Analogien“, erklärt der US-amerikanische Wissenschafter ­Douglas Hofstadter. Der Physiker, Informatiker und Kognitionsforscher arbeitet an der Indiana University (USA). Er hat unter anderem die erste fraktale Struktur in der Physik entdeckt, den sogenannten „Hofstadter-Schmetterling“. Einer großen Öffentlichkeit wurde er durch sein 1979 erschienenes Buch „Gödel, Escher, Bach: ein Endloses Geflochtenes Band“ bekannt. In seiner Forschung befasste er sich zunächst vor allem mit künstlicher Intelligenz. Gegenwärtig erkundet er die Grundlagen des menschlichen und tierischen Denkens und Lernens. Dazu hielt er einen Vortrag an der Fakultät für Mathematik der Uni Wien, nach dem dieses Gespräch stattfand.

foto: Phillip Lichtenegger

Herz – Denken

„In der Wissenschaft und der Öffentlichkeit ist dieses Denken in Analogien aber kaum bekannt und nicht entsprechend berücksichtigt“, meint Hofstadter. Um dies zu ändern, hat er mit seinem Kollegen Emmanuel Sander das Buch „Die Analogie: Das Herz des Denkens“ geschrieben. „Dabei machten wir allerdings einen taktischen Fehler!“ Sie begannen ihr Werk ­nämlich mit den einfachsten Analogien und spannten dann den Bogen zu den beeindruckendsten Beispielen wie etwa Einsteins Erkenntnisse.

„Die Menschen glauben leider offensichtlich alle, dass bei einem Buch das Wichtigste zum Schluss kommt. Wenn sie mit unserem Buch fertig sind, verknüpfen sie Analogien nur mit Erkenntnissen eines Genies, aber nicht mit ihrem täglichen Leben. Doch jedes Mal, wenn wir etwa einen Tisch oder andere Menschen erkennen, und bei jedem Wort, das wir wählen, rufen wir dabei Analogien auf. Leider erklären wir das in unserem Buch schon im ersten Kapitel. Das haben die Leser wohl als nette Einleitung, jedoch nicht als die wichtigste Botschaft des Buches verstanden.“

ferraum legen. Natürlich hat mein Fahrrad keinen Kofferraum, sondern einen Korb über dem Hinterrad – rechteckig und hinter dem Fahrer wie der Kofferraum eines Autos. Aus irgendeinem Grund sprach ich statt von Korb von Kofferraum.“ Der Fehler verweise auf den Prozess des Analogie-Machens im Hintergrund.

„Bei jedem Wort, das wir wählen, rufen wir ­Analogien auf.“

Wann ist was ein Berg?

Analogien kommen in einem kontinuierlichen Spektrum vor. Vergleichbar einer Landschaft, in der es sehr hohe, mittelgroße und kleinere Berge, Hügel, Mugl und kleine Erhebungen im Straßenbelag gibt. „Wenn Berge an Größe verlieren, hört man irgendwann auf, von Bergen zu sprechen. Leider ist das auch so bei Analogien.“ Eine kleine Bodenwelle auf der Bundesstraße sei zwar nicht so beeindruckend wie der Mount Everest, aber das gleiche Phänomen. „Bei Analogien interessieren mich besonders die unscheinbaren.“ An kleinen Versprechern etwa lässt sich bemerken, dass unser Reden auf Analogien gründet. „Mit meinen Kindern war ich in einer Pizzeria. Wir schafften es nicht, alles aufzuessen und ließen die Überbleibsel einpacken. Ich hatte mein Fahrrad dabei und sagte zu den Kindern, ich würde die Kartons in den Kof-

„Für einen Hund ist ein Ball nicht zwingend etwas Rundes, sondern ein Ding, mit dem er spielen darf.“ Douglas Hofstadter

Douglas hofstadter

Analogien seien so grundlegend, dass sie sogar bei Tieren im Spiel sind. „Ich denke, dass Insekten ein angeborenes System an Kategorien haben. Es erweitert sich bei ihnen nicht. Doch Säugetiere erweitern dieses System und sorgen so für mehr Differenzierung.“ So erkenne sein Hund einen Ball, was sicher nicht angeboren ist. „Wenn ich seinen Ball wegschlage, läuft er und bringt ihn mir zurück.“ Dazu habe der Hund das Wort „Ball“ gelernt. Dennoch fällt die Kategorie „Ball“ beim Hund nicht ganz mit jener seines Herrchens zusammen. „Für ihn ist ein Ball nicht zwingend etwas Rundes, sondern ein Ding, das ihm gehört, das am Boden liegt, mit dem er spielen darf und zu dem ich manchmal etwa auch Gummiknochen sagen würde.“ Der Hund mache seine Sache nicht falsch. Seine Analogien beschränken sich auf für ihn relevanteren Kriterien.

Mehr Analogien in der Lehre

Douglas Hofstadter meint, es würde nicht schaden, wenn man an Schulen und Universitäten mehr auf Analogien setze. „Ich habe bei meinen Physikvorträgen immer zu Anfang eine Analogie gebracht und erklärt: Wenn man diese begreift, hat man 90 Prozent der Vorlesung verstanden.“ Viele Lehrende würden Analogien bloß einstreuen und als nebensächliche Scherze betrachten. Dabei seien sie oft das Wichtigste eines Vortrags. „Einerseits halten wir Analogien für großartig, weil daraus tolle Einsichten kommen. Andererseits schätzen wir sie gering und befinden sie für kindisch.“ Dies will Hofstadter ändern: „Wenn nötig mit einem weiteren Buch, in dem wir es diesmal besser machen.“


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Licht nach Einstein und Bohr

Kann jeder Quantenphysik verstehen? Phänomene der modernen Physik in einem fotorealistischen Online-Game selbst erproben USCHI SORZ

hne Wissenschaftsvermittlung und -kommunikation geht heute nichts O mehr. Von der Kinder-Uni bis zur Lan-

gen Nacht der Forschung zeugen erfolgreiche Events vom wachsenden Interesse einer breiten Öffentlichkeit für die Welt der Wissenschaft. Dabei ist es gar nicht so einfach, komplizierte Sachverhalte allgemein verständlich und zugleich fachlich präzise zu erklären. Das Team der Forschungsgruppe Quanten­nanophysik um Markus Arndt an der Universität Wien legt sogar noch eins drauf: Anhand eines virtuellen Lehrpfads führt es Laien in fundamentale Anwendungen der Quantenmechanik ein und lässt sie dann im virtuellen Labor selbst Experimente vornehmen. Zwei fotorealistische Computersimulationen machen das möglich. http://interactive.quantumnano.at

Quantenphysik und Natur

Mathias Tomandl, Universität Wien

„Es geht beim virtuellen Lehrpfad darum, Wissen aus verschiedenen Bereichen miteinander zu verknüpfen“

„Auch wenn sie unser Weltbild auf den Kopf stellt, ist Quantenphysik längst im Alltag angekommen“, erklärt Mathias ­Tomandl die Motivation der Wiener Forscher, möglichst viele Menschen – zumindest virtuell – in die

Rolle des Experimentalphysikers schlüpfen zu lassen. „Man denke etwa an Digitalkameras oder den Laser an der Supermarktkasse. Selbst die Existenz von Atomen lässt sich nur mit der Quantenphysik begründen. Insofern ist sie eine Basis für unser Verständnis der Natur.“ Tomandl hat im Zuge seiner Dissertation wesentliche Elemente der Simulation geschaffen. An der Schnittstelle von experimenteller Quantenphysik, Physikdidaktik und Computational Physics untersucht der 30-Jährige, ob sich virtuelle Labors zur Vermittlung modernster Wissenschaft eignen. „Es hat viel Hirnschmalz gekostet, alles in Echtzeit berechnen zu können. Denn niemand will an einem virtuellen Hebel drehen und dann auf die Resultate warten müssen.“ Nun ist er zufrieden mit dem „Flugsimulator der Quantenphysik“, wie er das Onlinelabor augenzwinkernd nennt. „Es geht darum, Wissen aus verschiedenen Bereichen miteinander zu verknüpfen. Dazu zeigt unser Lehrpfad zuerst stark vereinfachte Darstellungen und erklärt den Zusammenhang. Anschließend können die

Phänomene im interaktiven Forschungsexperiment beobachtet und beeinflusst werden.“ Vieles wurde bis ins Detail realitätsgetreu simuliert. So muss man etwa Pumpen und Ventile einsetzen, um den Druck in den Vakuumkammern ändern zu können. Wobei es nicht ausschließlich um Quantenphysik geht, sondern auch um Phänomene aus der Schulphysik.

Start zu Schulbeginn Da Schüler und Studierende eine wesentliche Zielgruppe sind, ging das Tool zu Schulbeginn an den Start. „Wir haben die Software mit Oberstufenschülern erprobt und das Feedback war sehr gut. Auch Lehrer haben bereits Anfragen an uns gerichtet“, so Tomandl über den erstmaligen Versuch, ein Forschungsexperiment in großem Stil zu Lehrzwecken einzusetzen. Zusätzlich zur Onlinepräsenz wird es mit der Wanderausstellung „Wirkungswechsel“ durch Österreich touren; eine Kurzversion kann aktuell im Naturhistorischen Museum Wien getestet werden. Das neuartige Lehrkonzept wurde im Journal Scientific Reports veröffentlicht.

Zuviel Erleuchtung schadet uns Wir werden auch nachts vom Licht überwältigt. Straßenbeleuchtung sorgt für immer mehr Lichtverschmutzung J och e n s t a d l e r

ben wir es zunehmend, sagt Thomas Posch vom Institut für Astrophysik der Universität Wien. Das verschwendet Energie, schadet der Gesundheit und der Tierwelt. Die Lichtverschmutzung treibt nun viele Astronomen in möglichst lichtarme Gegenden, vor allem in Wüsten und ins Weltall. „Etwa acht Prozent der weltweit verbrauchten Energie gehen in die künstliche Beleuchtung“, so Posch. Davon könnte man drei Viertel einsparen, denn das meiste Licht leuchte bloß nutzlos ins Weltall. Viele Lampen bleiben zu lange eingeschaltet, obwohl sie niemand braucht, oder sie sind schlichtweg zu hell. „Man schätzt, dass in der global verschwendeten Lichtenergie 750 Millionen Tonnen des Treibhausgases CO2 stecken“, erklärt Thomas Posch.

Die öffentliche Hand verschwendet Nicht Privatpersonen oder Firmen seien die großen Verschwender, sondern die öffentliche Hand. „Seit man die Straßen vor 300 Jahren mit Gasbeleuchtung erhellte, glaubt man, dass mehr Licht die Menschen nur

„Etwa acht Prozent der weltweit verbrauchten Energie fließen in die künstliche Beleuchtung“ Thomas Posch, Universität Wien

noch glücklicher machen kann.“ Von einer Leuchtmittelgeneration zur nächsten – aktuell ist LED der letzte Schrei – würde man nicht den Verbrauch senken, sondern jubeln, dass man mit der gleichen Energiemenge alles noch heller machen kann. „Licht ist einer der wenigen Fälle, wo man politisch etwas schnell umsetzen kann, das gut sichtbar ist und scheinbar den Wähler nur erfreuen kann“, sagt Posch. Dass es hier Grenzen gäbe, sei in der Politik noch nicht angekommen. Im privaten Haushalt wäre es hingegen selbstverständlich, das Licht abzuschalten, wenn es nicht gebraucht wird. „Sogar die großen Supermarkt-Betreiber drehen etwa die Parkplatzbeleuchtung außerhalb der Geschäftszeiten ab.“

Blaulicht macht uns fertig Alles zu erleuchten bringt auch keinen Sicherheitseffekt. „Im Gegenteil, manchmal ist der Vandalismus häufiger, wo das Licht die ganze Nacht brennt.“ So würden zum Beispiel Graffiti eher dort hinterlassen, wo Sprayer etwas sehen, ohne auffällig mit einer Taschenlampe hantieren zu müssen. Seit einiger Zeit sind auch die Schäden für Mensch und Tier gut dokumentiert.

Vor allem Licht mit einem hohen Blauanteil wie bei Bildschirmen verhindert etwa die Ausschüttung des Ruhehormons Melatonin. Man kann zwar meist trotzdem schlafen, wacht aber morgens wie gerädert auf, riskiert Fettleibigkeit, hormonabhängige Krebserkrankungen wie Brustoder Prostatageschwüre und schwächt das Immunsystem. „Man hat auch herausgefunden, dass jedes Jahr 20 Milliarden Insekten an Straßenlaternen umkommen und die Zugvögel durch die künstliche Beleuchtung Orientierungsprobleme bekommen“, sagte Posch.

Flucht in die Wüste Ständig auf der Flucht vor dem Licht sind die Astronomen, denn der Lichtsmog ist heller als die Strahlen der weit entfernten Himmelskörper. „Wir können schon lange unsere Arbeiten nicht mehr in besiedelten Gebieten durchführen und müssen mittlerweile in die Antarktis und große Wüsten ausweichen“, so der Astrophysiker. Doch auch hier gäbe es zunehmend Schwierigkeiten. Darum erkunden mittlerweile einige Weltraumteleskope außerhalb der lichtgetränkten Erdatmosphäre die fernen Himmelskörper.

Fotos: privat

erden die Tage im Herbst immer kürW zer, lassen wir das Licht in den Häusern umso länger brennen. Dabei übertrei-


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Haidingers Hort der Wissenschaft

Grafikkabinett Püribauers Tierversuche

Relativ ignorant M a r tin H a idinge r

interlassen Leistungen von SpitzenH forschung und Hochkultur eigentlich Spuren in den Köpfen von Politikern? Ich Martin Haidinger ist Historiker, Wissenschafts­ journalist bei Ö1 und ­Staatspreisträger für Wissenschafts­ journalismus

meine geistige, nicht budgetäre. Nein, ich reite nicht die x-te, fade Attacke auf die angebliche Minusintelligenz mancher Exponenten der Politkaste. Sondern mir hat vom Jahr 1916 geträumt. Da ist bekanntlich der langlebige Boss des ­Alten Österreichs verstorben, der greise Kaiser Franz Joseph. Er hat relativ lange regiert, nämlich 68 Jahre. Es war eine Epoche der Umwälzungen auf allen Gebieten. So ist es gekommen, dass zwischen 1848 und 1916 unter Franz Joseph Kultur und Wissenschaft das Land Österreich und sogar die Welt veränderten. Das blieb von ihm selbst, bis auf ein paarmal Winke-Winke-Machen in eine neumodische Filmkamera, weitgehend unbeachtet. Nicht einmal ein Auto mochte der Monarch besteigen. Drei Exempel dieser Zeit aus Musik, Technik und Naturwissenschaft:

I llust r a tion : B e r nd P ü r ib a ue r

Freihandbibliothek Buchtipps von Emily Walton Früher war alles anders

Der Physik-Nobelpreisträger Steven Weinberg führt seine Leser auf eine Zeitreise durch die Forschungsgeschichte von den Griechen bis zur Neuzeit. Dabei ordnet er die jeweiligen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse in ihre Zeit ein und zeigt, wie Physiker einst arbeiteten, und zwar ohne das Wissen, das heute verfügbar ist. Der Autor beleuchtet die Evolution der Naturwissenschaft und auch ihr Zusammenspiel mit anderen Disziplinen wie Technologie, Mathematik, Religion, Philosophie oder gar Dichtkunst. To Explain the World: The Discovery of Modern Science. Steven Weinberg. Harper, 432 S.

Fehler sind menschlich

Charles Darwin, Lord Kelvin und Albert Einstein. Alle waren sie brillante Wissenschafter, die bedeutende Beiträge zur Forschung leisteten. Aber niemand ist perfekt. In „Brilliant Blunders“ beschreibt Mario ­Livio die Fehler der großen Genies: Der eine berechnete etwa das Alter der Welt falsch, der andere spekulierte falsch über die Kräfte, die das Universum im Gleichgewicht halten. Geschadet haben diese Irrtümer nicht, vielmehr haben sie zum wissenschaftlichen Fortschritt beigetragen. Brilliant Blunders: From Darwin to Einstein – Colossal Mistakes by Great Scientists That Changed Our Understanding of Life and the Universe. Mario Livio. Simon and Schuster, 341 S.

Die Nase reinstecken

Neugierde ist eine wesentliche Voraussetzung für einen Naturwissenschafter. Nicht immer aber war Neugierde eine Tugend. Im Gegenteil, sie wurde einst verurteilt. Für Jahrhunderte ging man davon aus, dass der Mensch nicht das Recht hatte, alles zu wissen. Erst seit dem späten 16. Jahrhundert entwickelte sich die Neugierde als wichtiger Bestandteil der Forschung. Autor Philip Ball beschreibt den Wandel der Neugierde vom Laster zur Tugend und ihre wichtigen Auswirkungen auf die Forschung. Curiosity: How Science Became Interested in Everything. Philip Ball. University of Chicago Press, 465 S.

Wann kommt der Big Bang 2.0?

Was war vor dem Urknall? Welche Kräfte ordnen unser Universum 14 Milliarden Jahre später? Und welche kosmische Zukunft erwartet uns? Diesen Fragen geht der englische Mathematiker und Physiker Roger Penrose in seinem Werk „Cycles of Time“ nach. Er untersucht jene Zustände und Kräfte, die in unserem Universum zu einem neuen Big Bang führen könnten. Das 300-seitige Werk liefert eine fundierte und spannende Einführung in kosmologische Modelle und in die Grundannahmen der modernen Physik. Cycles of Time. Roger Penrose. Vintage Press, 304 S.

1.

1848 wird der Radetzkymarsch von Johann Strauß Vater uraufgeführt. 1916 wirken bereits die Komponisten der „Wiener Schule“ Arnold Schönberg, Anton von Webern und Alban Berg in der Reichshaupt- und Residenzstadt. 2.

1848 ist die Daguerrotypie gerade einmal seit neun Jahren patentiert und die Abbildung lebender Personen wegen der langen Belichtungszeit noch eine ziemliche Prozedur. 1916 gibt es schon die ersten Experimente mit frühen Tonfilmen unter Kombination von Laufbildern mit Grammophonaufnahmen. 3.

1849 gelingt der österreichischen ­Marine zum ersten Mal das technische Kunststück, einen Ballon von einem Schiff aus zu starten, um das aufständische Venedig zu bombardieren. Das Vorhaben scheiterte allerdings am ungünstigen Wind. 1911 ist Albert Einstein Professor für Theoretische Physik an der Universität Prag und wird österreichischer Staatsbürger. Zu diesem Zeitpunkt hat er längst die Spezielle Relativitätstheorie publiziert. So verläuft die Ära Franz Joseph zwischen Radetzkymarsch und Atonalität, zwischen trudelnden Luftballons und der Elektrodynamik bewegter Körper. Der alte Kaiser blieb von alledem so ungerührt wie es der junge einst gewesen war. Ihn kümmerten nicht Teilchen-, sondern Truppenbewegungen. War er nur ­relativ ­ignoranter als die heutige Politik, die weniger in die heimische Grundlagenforschung investiert, als eine saftige HypoPleite kostet?


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Lichtjahr REBECCA HULLA

E

s ist ein Jubiläumsjahr der Physik. 2015 wird „das Jahr des Lichts“ gefeiert und der Veröffentlichung der Allgemeinen Relativitätstheorie von Albert Einstein gedacht. Die Physik hat es sich zur Aufgabe gemacht, Licht durch Modelle und Theorien zu beschreiben. Auch Einstein forschte vor der Entwicklung seiner beiden Relativitätstheorien über die Eigenschaften des Lichts. Seine Erkenntnisse aus dieser Forschung sind für seine späteren Arbeiten von höchster Bedeutung.

Licht in Wellen

Was genau ist Licht? Im Alltag meinen wir damit das für das menschliche Auge sichtbare Licht. Für die Physik hingegen besteht Licht aus elektromagnetischen Wellen. Zu ihnen gehören auch Radiowellen, Mikrowellen, Wärmestrahlung oder Schallwellen. Anhand ihrer Wellenlänge kann man sie in ein Spektrum einteilen.

Relativitätstheorien, Quantenmechanik und Standardmodell. Was bitte? Ein Versuch, etwas Licht zu bringen

Einsteins Einstieg

Laut Plancks neuer Theorie wird Energie also ,gequantelt‘ weitergegeben. Aus Arbeiten seiner Kollegen entnahm er die Formel für Energie: Es ist die Frequenz f multipliziert mit einer durch Experimente gefundenen „Naturkonstante“ h (zu den Naturkonstanten gehört etwa auch die Lichtgeschwindigkeit c). Planck schloss daraus, dass die Energiepakete ausschließlich in hfgroßen Stücken vorkommen können und unteilbar sind. Nachdem Planck die Quantentheorie postuliert hatte, begann sich auch der junge Einstein mit den Welleneigenschaften elektromagnetischer Strahlung auseinanderzusetzen. Er führte einen Versuch durch, um Plancks Theorie zu erweitern – und stieß auf den photoelektrischen Effekt.

Newtons Regenbogen

Schon im 17. Jahrhundert entdeckte der englische Physiker Isaac Newton die Eigenschaft des Lichts, sich in Spektren aufzuteilen. In seinem Experiment ließ er einen Lichtstrahl auf ein durchsichtiges Prisma fallen. Nachdem das Licht durch das Prisma gedrungen und auf einen Schirm gefallen war, sah Newton darauf die Farben des Regenbogens. Er schloss daraus, dass sich weißes Licht aus allen Farben zusammensetzen müsse.

Licht als Teilchen

Temperatur oder Wärmestrahlung

In Einsteins Versuch strahlt Licht mit einer bestimmten Frequenz auf eine Metallfolie. Aus den Ergebnissen der dabei gemessen Stromflüsse schloss er, dass Elektronen aus den äußeren Schalen der Metallatome herausgeschlagen werden. Das aber hieß für ihn, dass Licht aus Teilchen bestehen muss. Diese Teilchen werden Photonen oder auch Energiequanten genannt. Sie enthalten gemäß Plancks Entdeckung die Energie hf. Damit ein Photon ein Elektron aus dem Metall herausschlagen kann, müssen seine Energie und Frequenz sehr hoch sein.

Die Forschung des späten 19. Jahrhunderts widmete sich vor allem der Temperatur- oder Wärmestrahlung. Jeder Körper mit einer bestimmten Temperatur sendet Strahlung aus. Diese Wärmestrahlung ist unabhängig von der Form des Körpers. Sie hängt allein von seiner Temperatur ab. Ein Körper kann genauso viel Strahlung aufnehmen wie abgeben. Das führt zu einem Gleichgewicht der Temperatur. Etwa in einer Tasse mit heißem Kaffee, in die ein Eiswürfel fällt: Das Getränk gibt Wärme an den Eiswürfel ab. Der wiederum gibt seine Wärme (alltagssprachlich: „Kälte“) an den Kaffee ab. Dieser wird gekühlt, bis der Eiswürfel geschmolzen ist. Nun haben sowohl der Kaffee als auch das Wasser des Eiswürfels dieselbe Temperatur.

Zwei Formen des Lichts

Plancks schwarze Box

Im Laufe des 19. Jahrhunderts setzten sich Physiker mit folgendem Problem auseinander: Wie verhält sich die Wärmestrahlung bei einer Änderung der Temperatur? Denn dadurch ändert sich auch die Wellenlänge. Hält man zum Beispiel ein Eisen in eine Flamme, beginnt es schwach rot zu glühen. Mit steigender Temperatur

wird es kirschrot, dann leuchtend gelb und schließlich bläulich weiß. Was wir als unterschiedliche Farben erkennen, ist die Änderung der Wellenlänge. Ende der 1890er-Jahre suchte der deutsche Physiker Max Planck nach einer Formel zur Beschreibung der Wärmestrahlung. Er stellte ein neues Modell auf, wie sich ein strahlender Körper verhält. Um es möglichst einfach zu halten, wählte er dazu eine schwarze Box. Darin sind Oszillatoren, also „schwingende Systeme“ wie etwa Pendel, die aneinander gereiht sind. Die Energie wird über diese Oszillatoren in Form von Wärme in kleinen Paketen weitergegeben. Diese Pakete werden „Quanten“ genannt.

„Kleines Zitat hier herunten“ Wer Wer, Wo Was Wo Was

Ursprünglich galt Licht als Welle. Doch der Photoeffekt war ein Phänomen, das nicht zum Wellenmodell passte. 1905 machte ein Versuch Einsteins deutlich, dass Licht nicht im Raum verteilt ist. Es kommt in kleinen Paketen, Photonen oder Energiequanten, daher. Sie bewegen sich mit einer immer gleichen Lichtgeschwindigkeit. Durch Einsteins Versuch hatte der Welle-TeilchenDualismus des Lichts in die Physik Einzug gehalten. Bei elektromagnetischen Wellen treten Phänomene auf, die man nur erklären

kann, wenn man eine Welle als Paket von Teilchen, also Quanten, betrachtet. Umgekehrt gibt es Teilchen wie Elektronen oder Neutronen, die Eigenschaften von Wellen besitzen. Man nutzt sie etwa in Elektronenmikroskopen zur Untersuchung von Materialoberflächen. Welle oder Teilchen? Darauf gibt es keine einseitige Antwort. Kein Modell allein ist richtig. Man braucht beide!

Zusammenhang Welle-Teilchen

Der französische Physiker und Nobelpreisträger Louis de Broglie bewies in den 1920er-Jahren einen mathematischen Zusammenhang zwischen Wellen- und Teilchenmodell. Er setzte die Energieformel eines Teilchens mit der einer Welle gleich. Durch Umformung erhielt er eine Gleichung, in der Impuls (Teilchencharakter) und Wellenlänge (Wellencharakter) vorkommen. Die nach ihm benannte DeBroglie-Wellenlänge ist ein fundamentales Hilfsmittel zur Beschreibung quantenmechanischer Effekte.

Licht kommt in kleinen Paketen, Photonen oder Energiequanten, daher. Mit Lichtgeschwindigkeit

Interferenz

Einer dieser Effekte entsteht beim Doppelspaltexperiment. In eine Fläche werden zwei Schlitze (Spalten) geschnitten und dann Elektronen darauf gestrahlt. Dabei lässt sich nicht voraussagen, welches Elektron (also Teilchen) durch welchen Spalt fliegen wird. Doch ergibt sich nach langem Teilchenbeschuss des Doppelspalts ein Muster auf einem Schirm dahinter. Dort, wo die Elektronen aufprallen, erscheinen helle und dunkle Streifen. Dunkel, wo viele, hell, wo kaum welche auftreffen. Dieses Muster wird als Interferenzmuster bezeichnet. Eigentlich gibt es so etwas nur bei Wellen. Übrigens spielt es keine Rolle, in welchem Zeitabstand (und seien es Jahre) Elektronen durch den Doppelspalt geschickt werden: Das typische Interferenzmuster bildet sich immer. Zu diesem Welle-und-Teilchen-Sein des Lichts meint der Physiker Richard Feynman, berühmt für seine verblüffend einfache Erklärung des Raumfähre-Challenger-Desasters: „Wer behauptet, dass er die Quantenphysik versteht, der hat sie nicht wirklich verstanden.“ Das Zitat zielt auf das paradoxe Wesen eines Dualismus. Es ist nicht möglich, Fortsetzung Seite 14


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Zu den Fotos

FOTO: G EORG E K AULFER SCH / W W W.G EORG E Y E .COM

George Kaulfersch alias Georgeye, 1986 in Washington D.C. geboren, versucht in seinen Fotos Entschleunigung: die bewusste Betrachtung eines Moments mit all seinen Facetten. Ob Landschaft, Architektur, Dokumentation, Image oder Porträt – Georgeye verfolgt jedes seiner Projekte mit derselben Motivation: Neugierde als oberstes Prinzip. Mit Panoramen und Langzeitbelichtungen eröffnet der studierte Informationsdesigner die Möglichkeit, über die Grenzen der Wahrnehmung hinwegzusehen. www.georgeye.com

Nina Korn, auch bekannt unter ihrem Künstlernamen „Weltenbrücke“, nutzt das späte Licht des Sommertages, um akrobatische Figuren an einem Seidentuch zu trainieren. Aerial Silk ist eine moderne Form der Bewegungskunst.


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Licht nach Einstein und Bohr Fortsetzung von Seite 12

1915 veröffentlichte Albert Einstein seine zweite Allgemeine Relativitätstheorie. Man stelle sich in einem Bahnhof einen Zug vor, in dem man sitzt. Am Nebengleis steht ein zweiter. Bewegt sich dieser, kann man den Eindruck gewinnen, der eigene Zug sei losgefahren. Man hat ja nur auf die Bewegung geachtet. Doch weder der eigene Zug noch der Bahnhof haben sich bewegt. In einem Flugzeug realisiert man die eigene Bewegung, außer im Fall von Turbulenzen, überhaupt nicht. Man befindet sich in einem sogenannten Inertialsystem. Auch die Erde scheint für uns stillzustehen. Tatsächlich bewegt sie sich um ihre eigene Achse und um die Sonne. Die wiederum bewegt sich in unserer Galaxie und diese in unserem Universum. So sind alle Bewegungen zueinander relativ. Es gibt keinen festen Standpunkt, von dem aus sie erschlossen werden könnten. Doch gelten für alle Inertialsysteme und ihre Bewegungen dieselben Naturgesetze. Weil man aber nicht festlegen kann, wer sich tatsächlich in Ruhe befindet, spricht man von „Relativität“.

Standardmodell: Bausatz aller Teilchen, die Materie bilden oder die physikalischen Kräfte verursachen

Fermionen und Bosonen

Teilchen, die Wellencharakter aufweisen, sind Neutronen und Elektronen. Es gibt aber mehr davon. Seit weit über einhundert Jahren versuchen Physiker, das sogenannte Standardmodell zu vervollständigen. Das Standardmodell ist ein Bausatz aller Teilchen, welche entweder Materie bilden oder die physikalischen Kräfte verursachen. Es beinhaltet zwei Gruppen von Teilchen: Fermionen und Bosonen. Fermionen sind Masseteilchen. Man nimmt an, dass sie die gesamte Materie unseres Universums aufbauen. Zu ihnen zählen zwölf verschiedene Teilchen. Sechs davon sind Quarks, sechs sind Leptonen. Alle besitzen individuelle Energie und Masse. Die Masseteilchen werden von Bosonen oder Wechselwirkungsteilchen zusammengehalten. Sie verursachen die Kräfte zwischen zwei Teilchen, so zum Beispiel die elektrostatische Anziehung oder Abstoßung zwischen einem Teilchenpaar. Die Theorie, dass Bosonen für die Anziehungskraft verantwortlich sind, konnte allerdings noch nicht bewiesen werden. Im Mikrokosmos der Teilchen spielt die Gravitation keine Rolle. Gravitonen, also Verursacher der Gravitation, konnten experimentell nicht nachgewiesen werden.

Zeitdehnung/Längenkontraktion

Die erste Konsequenz der Allgemeinen Relativitätstheorie ist die Zeitdehnung oder Zeitdilatation. Man stelle sich eine Astronautin vor, die mit einem sehr schnellen Raumschiff geradeaus von der Kontrollstation wegfliegt. Schickt die Station ein Lichtsignal mit Lichtgeschwindigkeit zur Spitze des Raumschiffes, misst die Astronautin dort eine bestimmte Zeit zwischen Sendung und Empfang des Signals. Sie stimmt mit der Zeitmessung der Kontrollstation überein. Fliegt das Raumschiff an der Kontrollstation vorbei, während der Lichtpuls gesendet wird, muss das Licht eine diagonale, also längere Bahn als beim Abflug zurücklegen. Es fliegt zwar mit Lichtgeschwindigkeit, dennoch misst die Astronautin eine andere, längere Zeit als die Kontrollstation. Man kann sagen, die Uhr der Astronautin im sich bewegenden Raumschiff funktioniert langsamer als die der Kontrollstation. Allgemein gesprochen: bewegte Uhren gehen langsamer. Das zweite Phänomen des Relativitätsprinzips ist die Längenkontraktion. Die Astronautin in ihrem fliegenden Raumschiff legt einen Weg zurück, der um jenen Faktor kleiner ist, um den auch ihre Zeitmessung von jener der Kontrollstation abweicht.

Elektromagnetische Kraft

Ein Beispiel zur Erläuterung der Kräfte zwischen Teilchen ist die elektromagnetische Kraft. Sie entsteht, wenn zwei Elektronen (Leptonengruppe) ein Photon (Bosonengruppe) austauschen. Die Elektronen beginnen einander abzustoßen. Vergleichbar ist dieser Effekt mit zwei Menschen (Masseteilchen) auf einer Eisoberfläche, die sich einen Ball (Wechselwirkungsteilchen) zuwerfen. Durch den Schwung eines Wurfes rutscht der Werfer zurück. Die Wucht des Balls verursacht beim Fänger dasselbe, allerdings in die entgegengesetzte Richtung. Das größte Teilchen im Welle-TeilchenDualismus ist das C60-Molekül (Fulleren). Das Kohlenstoffisotop zeigt die Symmetrie eines Fußballs, wird daher auch „Fußballmolekül“ genannt. Bei Experimenten zur Untersuchung seiner Eigenschaften zeigte sich, dass es sich wie eine Welle verhält.

„Obwohl die Theorie der Raumzeit bereits vor hundert Jahren postuliert wurde, sind wegen der Komplexität der Gleichungen bei Weitem noch nicht alle Konsequenzen daraus verstanden“ Peter Christian Aichelburg, Theoretischer Physiker, Universität Wien

Die Raumzeit

Die Folge von Zeitdilatation und Längenkontraktion ist der Verlust der Gleichzeitigkeit. Nehmen wir an, die Astronautin befestigt in der Mitte des Raumschiffes zwei Lampen und dahinter zwei Zielscheiben, eine am rechten Ende des Raumschiffes, die andere am linken. Beide Lampen haben denselben Abstand zu den Zielscheiben. Schaltet die Astronautin nun die Lampen an, kommen beide Impulse mit Lichtgeschwindigkeit gleichzeitig an den Zielscheiben an. Fliegt das Raumschiff jedoch an

der Kontrollstation links vorbei, registriert man dort, dass das Licht der beiden Lampen zuerst die rechte Zielscheibe trifft und danach erst die linke. Von hier aus gesehen legt das nach rechts zielende Licht eine kürzere Strecke zurück. Kürzere Strecke bedeutet aber auch kürzere Zeit. Die Zeit hat so ihre Eigenständigkeit verloren. Sie ist relativ geworden und abhängig vom Ort. Daher sprechen wir heute vom Raum-Zeit-Kontinuum oder von der „Raumzeit“.

Gekrümmte Raumzeit

Drei Raumkoordinaten und eine Zeit­ koordinate bilden die Vierdimensionalität. Vergleichbar sind die verschiedenen Koordinaten mit einem ausgemachten Treffpunkt: Man verabredet sich in einer Straße (1. Raumkoordinate), an einer bestimmten Hausnummer (2. Raumkoordinate), in einer bestimmten Etage (3. Raumkoordinate) und zu einer ausgemachten Zeit (Zeitkoordinate). In der ersten, speziellen Relativitätstheorie hat Albert Einstein bei der Beschreibung von auftretenden Ereignissen die Schwerkraft vernachlässigt. So war die Raumzeit flach und nicht gekrümmt. Seine Allgemeine Relativitätstheorie berücksichtigt auch noch die Gravitation als Eigenschaft der Raumzeit. Die Gravitation tauscht Kräfte zwischen zwei Massen aus. Das erzeugt Energie. Und dies bedeutet wiederum, dass das Raum-Zeit-Kontinuum oder die Raumzeit durch Energie gekrümmt wird.

Navi und Relativität

Eine Anwendung der beiden Relativitätstheorien findet man bei Navigationssystemen. Das Prinzip der Positionsbestimmung ist die Messung des Standortes durch drei Satelliten. Sie empfangen Signale, rechnen

Gravitation bedeutet, dass die Raumzeit oder das Raum-Zeit-Kontinuum ­gekrümmt wird

diese um und schicken sie wieder zurück. Allerdings unterliegen sie der Zeitdilatation und dem starken Gravitationsfeld der Erde. Der Physiker Franz Embacher von der Universität Wien meint dazu: „Misst ein Satellit während einer bestimmten Zeit ein Signal, würde das ohne Korrektur, also ohne Rücksichtnahme auf die Relativitätstheorie, zu einem gravierenden Messfehler führen.“ Die Erforschung der Raumzeit geht weiter. „Obwohl die Theorie vor hundert Jahren postuliert wurde, sind wegen der Komplexität der Gleichungen bei Weitem noch nicht alle Konsequenzen daraus verstanden“, sagt der Theoretische Physiker ­Peter Christian Aichelburg. Auch wenn sie fürs Verständnis des Universums noch so wichtig sind, werden sich Relativitätstheorie und Quantenmechanik wohl nur wenigen erschließen.

Foto: Uni Wien

Allgemeine Relativitätstheorie

Wellen- und Teilcheneigenschaften gleichzeitig mathematisch zu beschreiben. Also werden Eigenschaften jeweils einzeln betrachtet. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die in einer Betrachtung ignorierte Eigenschaft nicht vorhanden ist. Eine Eigenschaft schließt die andere eben nicht aus. Auch wenn sie in einer jeweiligen mathematischen Betrachtung „nicht vorhanden“ ist.


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Als Feuerkünstlerin malt Nina Korn zu Gitarrenklängen von Marko Arich und Trommeln von Konrad Überbacher bizarre Figuren in den Nachthimmel.


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Licht nach Einstein und Bohr

Das kommende Quanteninternet Sonja Burger

„Die Langzeitvision ist ein globales Quanteninternet für sichere Datenübertragung“

Der Quanten­ computer ist zumindest im Labor Realität. Jetzt sollen Quantencomputer zu einem Internet zusammen­ geführt werden

johannes majer, Uni Wien

110 Jahre nach Einsteins theoretischer Arbeit zur Erklärung des „photoelektrischen Effekts“, wonach Licht aus Lichtpaketen, den Photonen oder Lichtquanten, besteht, sind den meisten von uns die Grundlagen der Quantenmechanik ein Rätsel. Die Quantenphysik hingegen hat Fortschritte gemacht, die Physiker wie Max Planck, Albert Einstein, Nils Bohr oder Richard Feynman in ungläubiges Staunen versetzt hätte. Jeder von ihnen hatte einen bedeutenden Anteil an der Forschung. Ob sich einer jedoch hätte vorstellen können, woran heute weltweit geforscht wird und was bereits realisiert ist?

„Von einem Bauplan für große, robuste Quantenspeicher sind wir ziemlich weit entfernt“ Johannes Majer, Universität Wien

Die Quanten-Hotspots in Österreich Seit Jahrzehnten mischen österreichische Forscher erfolgreich mit. Im Westen ­bilden die Universität Innsbruck und das Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (IQOQI ), im Osten Wien mit dem Atominstitut der TU Wien und dem Institut für Experimentalphysik der Uni Wien die Forschungshotspots. Markus Arndt, Rainer Blatt, Arno Rauschenbeutel, Jörg Schmiedmayer, Anton Zeilinger oder Peter Zoller zählen zu den Aushängeschildern der heimischen Quantenphysik. Gemeinsam mit ihren Teams tragen sie auf theoretischer oder experimenteller Ebene dazu bei, dass eine Vision immer mehr Gestalt annimmt: das Quantennetzwerk oder Quanteninternet.

Die Erfindung des Quantencomputers Meilensteine auf dem Weg dorthin sind Quantencomputer und Quantenspeicher. In Innsbruck hat die Gruppe rund um den Experimentalphysiker Rainer Blatt (­siehe Seite 4) mithilfe von Ionenfallen funktionsbereite, kleine Quantencomputer im Labor hergestellt. Einzelne Atome bilden den

­ uantenspeicher. Diese atomaren QuantenQ bits werden mit Laserlicht manipuliert, um Quantenrechnungen auszuführen. Während ein klassisches Bit nur die Zustände 0 oder 1 annehmen kann, sind bei einem Qubit auch quantenmechanische Überlagerungszustände möglich. Dadurch ist das Potenzial des Quantencomputers weitaus größer als das von gängigen Computern. Erste Vorschläge zu einem IonenfallenQuantencomputer sind schon zwanzig Jahre alt und stammen von Juan Ignacio ­Cirac und Peter Zoller. Zoller, Professor für Theoretische Physik der Universität Innsbruck und Research Director am IQOQI, erklärt, „dass die kleinen Quantencomputer heute in der Lage sind, mehrere hundert Quantenoperationen auszuführen. Die Quantenbits für lange Zeiten stabil zu erhalten, ist derzeit die große Herausforderung.“ Damit meint er, dass eine Fehlerkorrektur realisiert werden muss. Solche Quantencomputer lassen sich dann zu einem Quanteninternet vernetzen. Die Ideen dazu gehen auf Innsbrucker Arbeiten von Hans Jürgen Briegel, Juan Ignacio ­Cirac, Wolfgang Dür und Peter Zoller zurück. Die Forscher dachten darüber nach, wie sich Quantenkommunikation über längere Distanzen umsetzen lässt. Erreicht wird dies über Quantenrepeater, eine Art Zwischenverstärker für Quanteninformationen. Die Experimente des Physikers Arno Rauschenbeutel vom Atom­ institut der TU Wien stehen mit der Thematik in engem Zusammenhang. Ihm gelang es, einzelne Atome an Glasfasern zu koppeln, um Lichtquanten bzw. Photonen mithilfe ultradünner Glasfaserkabeln zu übertragen.

Der Beginn des Quanteninternets „Die Quantenbits für lange Zeiten stabil zu erhalten, ist derzeit die große Herausforderung“ Peter Zoller, Universität Innsbruck

Aus heutiger Sicht ist für die Innsbrucker Forscher das Thema Quantenspeicher abgehakt. Jene in ihrem Labor können Quantenbits sehr lange stabil halten. Jedenfalls reicht es aus, um einen Schritt weiter gehen zu können und ein Quanteninternet aufzubauen. Mit der Vernetzung von Quantencomputern befasst sich eine neue ­Generation aus Ben Lanyon, Tracy E. ­Northup und Christine A. Muschik. „Ihre Langzeitvision ist, ein globales Quanteninternet zu realisieren. Die Möglichkeit, Daten in diesem Netzwerk garantiert sicher zu übertragen, ist eine zentrale Motivation“, sagt Zoller. Die Grundidee besteht darin, Daten mittels Teleportation zu übertragen. Dazu benötigt man ein korreliertes Teilchenpaar, ein sogenanntes Einstein-Podolsky-Rosen(EPR)-Paar. Da die Übertragung von Photonen über Glasfasern nicht perfekt ist, kann man solche EPR-Paare nur über kleine Distanzen mit guter Qualität erzeugen. Beim Quantenrepeater, welcher die Grundlage für die

Quantenkommunikation bildet, werden solche EPR-Paare auf kurzen Distanzen zu einem EPR-Paar über lange Distanzen verknüpft: Wie Schuhbänder, die man zusammenknüpft, um ein langes Seil zu erhalten. Damit soll eine fehlerfreie Übertragung von Quantendaten über globale Distanzen erreicht werden.

Was Löcher in Diamanten bringen Am Atominstitut der TU Wien wird unter der Leitung des Experimentalphysikers Jörg Schmiedmayer in Teams u.a. von Johannes Majer und Michael Trupke ebenfalls über

„Wir wissen nicht, wo wir in drei Jahren sein werden. Das macht die Quantenphysik so spannend“ jörg schmiedmayer, Uni Wien

funktionsfähige Quantenspeicher geforscht. Im Unterschied zu Innsbruck verbinden sie die Quanten- mit der Festkörperphysik. Superschnelle, leistungsstarke Quantencomputer wären in vielen Bereichen, etwa in der Forschung, von großem Nutzen. Dafür müssen jedoch Quantenspeicher entwickelt werden, die Quantenbits dichtest gepackt bei Raumtemperatur möglichst lange stabil halten können. Schmiedmayers „Atomchip Group“ beschäftigt mehrere Forschergruppen mit der Suche nach Kandidaten. „Davon gibt es in der Forschungswelt einige“, erklärt Johannes Majer. „Von einem Bauplan für große, robuste Quantenspeicher sind wir aber ziemlich weit entfernt. Die Anforderungen sind jedoch klar: Einen Quantenzustand möglichst lange speichern, halten und genau zurückschreiben.“ Majers Team befasst sich mit künstlich erzeugten Diamanten. Als Quantenspeicher könnten sich Stickstoffdefekte eignen, die aus einem Stickstoffatom und einem Loch bestehen und den Diamanten eine intensiv rote Farbe geben. Um diese künstlich zu erzeugen, erfüllt ein Relikt aus dem Atomzeitalter gute Dienste. Im Forschungsreaktor des Atominstituts, auch „Prater­reaktor“ genannt, wird der Diamant mit Neutronen beschossen, um die Löcher zu erzeugen. Der bestrahlte Diamant wird dann bei 900 Grad erhitzt, die Löcher werden mobil, binden sich an Stickstoffatome und erzeugen so die gewünschten Defekte in der Diamantkristallstruktur. „Die Wissenschaft entwickelt sich so schnell. Wir wissen heute nicht, wo wir in drei Jahren sein werden. Gerade das macht die Quantenphysik für uns so spannend“, bringt es Schmiedmayer auf den Punkt.

Foto: brasch majer, c. lackner

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ubiKopf12345 fragte am 27. August im Internet-Forum gutefrage.net „Bitte kindgerecht erklären – Was ist ein Quant? Ich habe schon überall geguckt und verstehe es wirklich überhaupt nicht.“ Die Antworten darauf reichen von Rechenbeispielen über das Quanteln bis zu „ein Quant ist die kleinste Mengeneinheit“.


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LICHT NACH EINSTEIN UND BOHR

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Der Mond, eine Taschenlampe und das warme Licht eines Hauses beleuchten eine nebelige Nasswiese in Liebenfels in Kärnten, auf der Frösche nachts Konzerte geben.

FOTOS: G EORG E K AULFER SCH / W W W.G EORG E Y E .COM

In der Stadt hingegen wird der Mensch rund um die Uhr mit Licht und Lärm bespielt. Einer Pokerrunde am Margaretengürtel über den Dächern Wiens macht das nichts aus.


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Licht nach Einstein und Bohr

Quanten in unserem Alltag Alexandra Markl

Ohne Quantenphysik geht also nichts? Pietschmann: Interessant ist ja, dass vier Nobelpreisträger, die wesentlich in der Entwicklung der Quantentheorie waren, nämlich Max Planck, Albert Einstein, Louis de Broglie und Erwin Schrödinger, meinten: Die Quantenphysik ist keine anständige Wissenschaft, da machen wir nicht mehr mit. So wird die Schrödinger-Gleichung etwa überall in Physik und Chemie gebraucht. Er selbst hat aber die Interpretation seiner Gleichung, die in der Quantenmechanik ganz wesentlich ist, nie anerkannt, weil sie auf einen Widerspruch führt. Und der sollte in der Wissenschaft nicht vorkommen.

Der Philosoph Herbert Pietschmann, der Physiker Harold Steinacker und der Mathematiker Roland Steinbauer, alle Uni Wien, über die Quanten und uns

Am Quantencomputer wird intensiv ­geforscht – aber was soll er uns bringen? Harold Steinacker: Das ist Zukunftsmusik. Der Quantencomputer will Quantenphänomene noch stärker ausnutzen, um gewisse Dinge effizienter rechnen zu können, etwa auch im Zusammenhang mit Kryptografie, also

Harold steinacker

Verschlüsselung. Derzeit bringt er aber noch nicht viel. Es kann jedoch wichtig sein, um physikalische Prozesse zu simulieren, was vor allem für die Forschung relevant wäre. Hat die Quantenphysik auch ihre Grenzen? Steinacker: Ich sehe eher die klassische Physik an ihre Grenzen stoßen. Was aber vor allem an die Grenzen stößt, ist unser theoretisches Verständnis. So wissen wir, dass die allgemeine Relativitätstheorie und die Quantenphysik nicht ganz zusammenpassen – aber nicht warum.

„Der großartige Erfolg der Naturwissenschaft beruht darauf, gewisse Fragen auszuklammern“ Herbert Pietschmann, Philosoph

Warum ist es wichtig, diese T ­ heorien in Einklang zu bringen? Steinacker: Aus Prinzip: Wir wissen, dass wir gewisse Dinge nicht verstehen. Und das kann man als Wissenschafter nicht akzeptieren. Aus dem Bedürfnis, die Atome zu verstehen, ist die Quantenmechanik entstanden. Es geht darum: Wie funktioniert die Welt? Der Großteil des Universums, 70 bis 80 Prozent davon, besteht ja aus etwas, das wir noch überhaupt nicht verstehen.

Theorie zu kommen, ist mathematische Eleganz“ Roland Steinbauer, Mathematiker

Was ist an dieser ­Forschung so faszinierend? Steinacker: Man weiß, dass es im Zentrum unserer Milchstraße ein gigantisches schwarzes Loch gibt. Und es gibt interessante Beobachtungen: Dinge, von denen man weiß, dass sie existieren und unvorstellbare Größen haben. Das wird nicht wirklich verstanden, auch weil es der Quantenphysik widerspricht. Man versucht, die astronomischen Beobachtungen zu verbessern. Die Masse der schwarzen Löcher kann man bis zu einem gewissen Grad messen. Dann

Die Verschränkung wird ja auch ­herangezogen, um ­übersinnliche Phänomene zu erklären … Pietschmann: Das ist ein Unsinn. Die Quantenphysik gehört zur Wissenschaft der Materie. Und nach der Descartschen Spaltung von Geist und Materie gehört das Bewusstsein in den Bereich des Geistes, daher kann die Quantenphysik unter keinen Umständen „Eine der Möglichkeiten, das Bewusstsein erreichen. zu einer gemeinsamen Gibt es nicht die Sehnsucht, über die Trennung von Naturwissenschaft und Religion hinwegzukommen?

artige Erfolg der Naturwissenschaft beruht eben darauf, gewisse Fragen auszuklammern. Das ist die Frage nach dem Sinn, den kann man in der Naturwissenschaft nicht finden. Und da glauben manche Leute, es gäbe überhaupt keinen Sinn. Das ist aber ein Missverständnis: Denn die Naturwissenschaft ist eben nicht alles.

„Wir wissen, dass allgemeine Relativitätstheorie und Quantenphysik nicht ganz zusammenpassen“

Darf es in der Naturwissenschaft ­keine Widersprüche geben? Pietschmann: Das mechanistische Denken leidet an Aristoteles. Für ihn gibt es keine Widersprüche, sondern immer nur ein entweder/oder. Das ist zwar nützlich in den Naturwissenschaften, aber in der Quantentheorie steht man dann an. Wo liegt das Problem? Pietschmann: Das Ganze ist nicht mehr als die Summe seiner Teile, sondern das Ganze ist etwas anderes als die Summe seiner Teile. Das heißt, zwei Teilchen, die von einem Teilchen ausgesendet werden, stammen aus einem Ganzen und sind miteinander verschränkt. Wenn sie auseinanderfliegen und man an einem Teilchen eine Messung macht, verändert sich am anderen Teilchen die Eigenschaft. In der Quantenphysik werden die Eigenschaften eines Objektes durch die Messung also nicht festgestellt, sondern hergestellt.

Pietschmann: Natürlich. Aber dieser groß-

versucht man die indirekten Effekte, welche diese Objekte produzieren, mit theoretischen Modellen zu vergleichen. Das betrifft etwa Pulsare: kleine Sterne, die 400mal pro Sekunde um die eigene Achse rotieren und akustische Signale senden. Das sind einfach unvorstellbare Phänomene. Wo erleben wir die Relativitäts­ theorie im Alltag? Roland Steinbauer: Zum Beispiel, wenn wir von Wien nach New York fliegen! Da fährt man nämlich nicht, so wie man glauben könnte, einfach westlich. Man muss vielmehr knapp an Grönland vorbei. Das kommt so: Die Grundgleichung der Relativitätstheorie besagt, dass die Krümmung der Raumzeit proportional zur ihrem Materie- und Energieinhalt ist. Man kann sich das so vorstellen: Wenn man ein Netz nimmt und in der Mitte eine Kugel auflegt, wölbt sich das Netz. Und der einfachste gekrümmte Raum ist die Kugeloberfläche. Auf der Kugel, hier der Erde, ist die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten natürlich nicht gerade, sondern der Großkreisbogen: Man schneidet die Ebene, auf der diese zwei Punkte liegen und den Kugelmittelpunkt mit der Kugel. Und so führt der kürzeste Weg von Wien nach New York eben an Grönland vorbei. Wie wird Krümmung noch lebendig? Steinbauer: Beim Pizzaessen. In jedem Punkt einer Fläche gibt es eine Richtung größter und eine Richtung kleinster Krümmung. Wenn man diese beiden Krümmungen multipliziert, ergibt sich eine Größe, die invariant ist, d.h. sie verändert sich nicht, wenn man die Fläche verformt. Wenn ich also eine Pizzaecke vom Teller nehme und aufbiege, entsteht eine Krümmung. Nachdem das Produkt der größten und kleinsten Krümmung 0 bleiben muss, gibt es eine Richtung, in der es keine Krümmung geben kann. Das ist eben die Richtung zur Spitze hin, und diese Spitze hängt vorne nicht einfach herunter. Man denkt nicht darüber nach, aber da steckt ein mathematischer Satz dahinter. Wie entwickelt sich die Relativitäts­theorie weiter? Steinbauer: Die Einstein‘schen Gleichungen gibt es seit einhundert Jahren und man hat bis jetzt keinen endgültigen Überblick über das, was sie alles aussagen. Darüber hinaus gibt es mehrere Theorien, welche versuchen, Quantentheorie und Relativitätstheorie zu vereinen. Weil dazu wenig Experimentelles vorliegt, ist eine der Möglichkeiten, zu so einer Theorie zu kommen, mathematische Eleganz. Mathematik ist ein Riesengebiet. Wenn man sein ganzes Leben fleißig Mathematik studiert und lernt und wirklich gut ist, kann man am Schluss vielleicht zehn Prozent davon wissen.

Fotos: privat

Falter Heureka: Wie beeinflusst uns die Quantenphysik im Alltag? Herbert Pietschmann: Gar nicht – oder vollständig. Die Quantenphysik wird erst im Mikrokosmos wirksam, wenn es um den Aufbau von Atomen geht, die wir im Alltag nicht spüren. Aber alle modernen Geräte, die wir verwenden wie Mobiltelefon, Computer oder Laser, sind nur aufgrund der Erkenntnisse der Quantenphysik möglich. Wie auch der Transistor, ohne den wir noch immer Röhren im Radio hätten.


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Fasziniert und ängstlich verfolgt der Mensch seit jeher „die Waffen der Götter“. Blitze sind Funkenentladungen oder kurzzeitige Lichtbogen zwischen Wolken oder zwischen Wolken und Erde. Weniger kurzlebig ist das atmosphärisch-optische Phänomen des Regenbogens. Der Beobachter hat eine Schicht reflektierender Wassertropfen vor sich und die Sonne im Rücken.


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Licht nach Einstein und Bohr

Licht nach Einstein und Bohr: Das Glossar Jochen stadler

Absorbtionsspektrum

Von dunklen Linien durchzogenes Farbspektrum. Strahlt weißes Licht durch Materie, nimmt diese Materie Lichtquanten bestimmter Wellen­ linien auf. Dort bleibt es finster. Allgemeine Relativitätstheorie

Beschreibt die Wechselwirkungen der Raumzeit mit Materie. Führt unter an­ derem die Gravitation auf eine Raumzeit-Krümmung zurück und degradiert sie zur Scheinkraft. Annus mirabilis

Wunderjahr, in dem jemand beson­ ders einfallsreich war. Etwa Isaac Newton 1665/66, als er seine klassische Mechanik entwickelte, oder Albert Einstein im Jahr 1905, als er diese mit vier Arbeiten zum Photoeffekt, zur Brownschen Bewegung, zur Quantenhypothese und zur Relativitätstheorie zum Rand­ gebiet degradierte. Atommodelle

Veranschaulichen Atome als einfache Teilchen, Rosinenkuchen, Planetensys­ teme, Zwiebeln, Kerne mit Elektro­ nenbahnen (Bohr'sches Atommodell) oder wahrscheinlichkeitsbestimm­ ten Elektronenorbitalen. Endet bei der quantenmechanischen Beschrei­ bung, die man sich bildlich nicht vor­ stellen kann. Bohr, Niels

Dänischer Physiker, der sich um die Erforschung der Struktur der Atome und der von ihnen ausgehenden Strah­ lungen verdient machte. Entwickelte das nach ihm benannte Atommodell. Brownsche Bewegung

Der schottische Botaniker Robert Brown entdeckte 1827 ­ruckartige, unkoordinierte Bewegungen von win­ zigen Teilchen in Flüssigkeiten und Gasen. Einstein erklärte sich und der Welt dies schließlich so, dass Molekü­ le durch Wärmebewegungen ständig und aus allen Richtungen gegen die­ se Teilchen stoßen und sie einmal hier­ hin, einmal dorthin bewegen. E = m·c2

Der Star unter den physikalischen Formeln. Von Einstein aufgestellt be­ deutet sie, dass Masse (m) und Ener­ gie (E) äquivalent sind. Ihr Propor­ tionalitätsfaktor ist das Quadrat der Lichtgeschwindigkeit (c). Einstein, Albert

Stellte die Physik auf den Kopf, in­ dem er erklärte, dass alles relativ, Zeit

nur die menschliche Wahrnehmungs­ form der vierten Raumdimension und Raumzeit krümmbar ist. Elektromagnetische Wellen Wellen aus elektrischen sowie magne­ tischen Feldern wie etwa Licht, Wärme

und Röntgenstrahlen. Sie brauchen kein Medium, um sich fortzubewe­ gen und breiten sich im Vakuum mit Lichtgeschwindigkeit aus. Klassische Mechanik

Von der alles bestimmenden Physik­ theorie Anfang des 20. Jahrhun­ derts zum Randgebiet der Relativitätstheorie und Quantenmechanik ver­ kommen, weil sie manche Vorgänge nicht mehr zu erklären vermochte. Im Alltag besticht sie freilich im­ mer noch mit Zweckmäßigkeit und Anschaulichkeit. Korrespondenzprinzip

Bestimmt, dass bisherige Konzepte wie die klassische Mechanik nicht auf einmal ungültig sind, sondern als Spezialfall der neuen, umfassenderen Theorien wie Quantenmechanik und Relativität aufgefasst werden. Laser

Eines der am verbreitetsten Produk­ te, welche die Relativitätstheorie mög­ lich machte. Licht

besagt sie, dass Licht nicht in beliebi­ gen Energiemengen, sondern nur in diskreten Portionen, also in Quanten existiert. Quantenkryptografie

Mit Quantenmechanik kann man ab­ hörsicher Codes übertragen, weil ein Zuhörer das Signal verändern und so­ mit bemerken würde. So übermittelte man in Wien schon einen Scheck vom Rathaus zur Bank.

Teilchen

Von Physikern für winzige, nicht di­ rekt wahrnehmbare Zustandswech­ sel von Quanten eingeführter Begriff, der mittlerweile für etliche, vermeint­ lich weltbewegende Fortschritte miss­ braucht wurde. Quantenteleportation Übertragung des Quantenzustands durch Quantenverschränkung. Gelang Zeilinger

und Kollegen erstmals außerhalb des Labors durch einen Abwasserkanal unter der Donau, später über 143 km von La Palma nach Teneriffa.

Quantenzustand

Planck, Max

Deutscher Physiker und als Entdecker, dass Licht portionsweise existiert, Be­ gründer der Quantenphysik. Quant/Photon

Ein massenloses Elementarteilchen. Daraus besteht elektromagnetische Strahlung. Quantenhypothese

Mittlerweile zur Tatsache evolviert,

Spezielle Relativitätstheorie Damit beschrieb Einstein das Verhal­

Quantensprung

Lichtgeschwindigkeit

Dabei stehen Quanten mit Materie in Wechselwirkung, wobei Materie ein Quant absorbiert und dafür ein Elek­ tron verliert.

Mittlerweile vielfach bewiesenes ma­ thematisches Konstrukt Einsteins, mit dem er die Physik und die Vorstel­ lung von Raum, Zeit und Gravitation revolutionierte.

Beschreibt Effekte, bei denen physi­ kalische Größen nicht beliebige, son­ dern nur diskrete, gequantelte Werte annehmen können. Aktuell neben der Relativitätstheorie das Nonplusultra in der Physik.

Quantenverschränkung Verbindet Quanten so wie ­Liebespaare

Photoeffekt

Relativitätstheorie

ten von Raum und Zeit aus der Sicht verschiedener Beobachter, deren Uh­ ren auf einmal ungleich schnell gehen und deren Meterstäbe unterschiedlich lang sein können. Vereinigt auch die beiden Größen zur Raumzeit und er­ klärt, dass Masse und Energie gleich­ wertig sind.

Quantenphysik

Sichtbarer Teil der elektromagneti­ schen Strahlung. Kommt portions­ weise auf uns zu und ist Welle und Teilchen zugleich. Naturkonstante, die im Vakuum sogar unabhängig von der Geschwindigkeit der Lichtquelle oder des Licht-messen­ den Empfängers ist.

zueinander, nicht aber zu einem äußeren Bezugssystem.

frei nach dem Motto: Wenn du weinst, wein’ ich mit. Momentaner Zustand eines Systems, der aber nur als Wahrscheinlichkeit bestimmt werden kann. Rauch, Helmut

Österreichischer Kernphysiker, der einen Beweis lieferte, dass auch mas­ sive Partikel sowohl Materie als auch Wellen sein können. Raumzeit

Vereinigung von Raum und Zeit als vier Dimensionen durch die Relativitätstheorie.

Relativitätsprinzip

Lässt man in einem gleichmäßig fah­ renden Schiff unter Deck Wasser in ein Gefäß träufeln, muss man nicht die Fahrgeschwindigkeit berücksich­ tigen, um zu treffen, erklärte Gali­ leo Galilei. Denn hier wirken nur die Bewegungen der Körper relativ

Kann im Gegensatz zu Wellen zu einer bestimmten Zeit nur an einem bestimmten Ort sein. Weinfurter, Harald/Kurtsiefer, Christian Österreichische Quantenphysiker, die

mit der Übertragung einer Nachricht über 23,4 Kilometer von der Zugspit­ ze zum Karwendel einen Quantenkryptografie-Rekord aufstellten. Welle

Sich räumliche fortpflanzende Verän­ derung, die in Ausbreitungsrichtung oder senkrecht dazu schwingt. Trans­ portiert Energie, aber keine Materie. Wellen-Teilchen-Dualismus

Weil man das Verhalten von Quantenobjekten einmal als Wellen-, einmal als Teilchen veranschaulichen kann, schreibt man ihnen beide zu. Weltformel

Versuch, alle bekannten physikali­ schen Phänomene präzise mit einer einzigen anstatt vieler uneinheitlicher Theorien zu erklären. Zeilinger, Anton

Österreichisches Einstein-Äquivalent nicht nur im Aussehen und der Me­ dienpräsenz. Entwickelte Techniken für die Quantenverschränkung und ist durch seine Quantenteleportationen als ,Mr. Beam’ bekannt. Zwillingsparadoxon

Gedankenexperiment zur Relativität der Zeit. Reist ein Zwilling mit fast Lichtgeschwindigkeit zu einem fernen Stern und wieder zurück, kommt er jünger an, als sein auf der Erde zu­ rückgebliebener Doppelgänger.


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F端r den einen ist es Lichtverschmutzung, f端r den anderen Romantik. Inmitten von Weing辰rten auf dem 449 Meter hohen Wilhelminenberg, bietet sich ein Blick 端ber das hell erleuchtete Wien.


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erforschung von menschen

Was hat es uns gebracht? Gertraud Illmeier

Das fragten Vertreter von Jäger- und Sammlerkulturen ihre Erforscher bei einer Konferenz in Wien

sie einsetzen. Darüber hinaus, so das Resümee der Wiener Konferenz, müssten die Indigenen selbst und ihr Wissen viel stärker in den wissenschaftlichen Forschungsprozess einbezogen werden. Sollte die Anthropologie je ein Fall für den Elfenbeinturm gewesen sein – die moderne Jägerund Sammlerforschung ist es glücklicherweise nicht.

„Es gibt Menschen, die ihr Jäger-Sammler-­Erbe ­wiederentdecken und neue Formen schaffen”¶ P e T e r S c hw e i t z e r

Peter Schweitzer, stellvertretender Vorstand des Instituts für Kultur- und Sozialanthropologie der Universität Wien, hat zur 11. Internationalen Konferenz zu Jäger- und Sammlergesellschaften nach Wien eingeladen. Rund 400 Wissenschafter waren seinem Ruf gefolgt. Wir sprachen mit ihm.

„Vieles gelingt mir einfach nicht. Dann lachen die Jäger. Aber das ist auch ein Mittel, um angenommen zu werden“ Khaled Hakami, Universität Wien

„Wien ist von vielen Jäger-Sammlergesellschaften weit weg, aber wir können zu einer Schnittstelle der Forschung werden“ Peter Schweitzer, Universität Wien

www.ishgr.org

Falter Heureka: Wer oder was sind Jäger und Sammler? Peter Schweitzer: Das haben wir bewusst nicht definiert. Wenn man das zu eng definiert, muss man viele Gruppen streichen. Man kann Jagen und Sammeln besser verstehen, wenn man Überlappungen mitnimmt und sich Jäger und Sammler anschaut, die eine bestimmte Form von Gartenbau betreiben oder Rentierhaltung wie im hohen Norden. Alle strikten Definitionen sind kontraproduktiv.

Über das baldige Aussterben der Forschungsobjekte wird lamentiert, seit es die Anthropologie gibt. Wie steht es heute um die Jäger und Sammler? Schweitzer: Es ist eine Tatsache, dass der prozentuelle Anteil von Jägern und Sammlern an der Weltbevölkerung seit 10.000 Jahren (Anm. seitdem mit der „neolithischen Revolution“ die Menschen begannen, sesshafte Ackerbauern zu werden) schrumpft. Das hat sich im 21. Jahrhundert nicht geändert. Aber es gibt auch neue Formen und Menschen, die ihr Jäger-Sammler-Erbe wieder entdecken. Es ist nicht nur ein Bestand, der bewahrt werden muss. Welche Bedeutung hat die Jägerund Sammlerforschung? Schweitzer: Neben der Anthropologie beschäftigt sich die Archäologie und Ur- und Frühgeschichte mit dem Fach. Wer einen evolutionären Ansatz hat, den interessiert dieser tiefe Zeithorizont ebenfalls. Es geht um die Entwicklungsgeschichte der Menschheit und da spielen Jäger und Sammlergesellschaften als die erste Form

des Wirtschaftens und Zusammenlebens der Menschheit eine ganz wichtige Rolle. Welche großen Fragen beschäftigt die Jäger- und Sammlerforschung? Schweitzer: Die Frage nach der Natur des Menschen ist eine ewige Frage. Sie ist vielleicht aus der Mode gekommen in den letzten Jahren, weil man die großen Fragen dekonstruiert hat. Das hat zu einer gewissen Verarmung der Sozial- und Kulturwissenschaften geführt, weil man sich weigerte, dazu Stellung zu nehmen. Hat die Konferenz neue Einsichten gebracht? Schweitzer: Wir sind wieder mehr auf dem Weg ins Zentrum der Sozialwissenschaften. Die Jäger- und Sammlerforschung war die letzten zwanzig Jahre nicht sehr dominant. Postmoderne Interventionen und dekonstruktivistische Ansätze haben dabei eine Rolle gespielt. Wir hatten thematisch, regional und theoretisch ein breites Spektrum von Personen auf der Konferenz und nicht nur einen kleinen Kreis von Spezialisten. Das zeigt, dass es notwendig ist, das Thema wieder mehr ins Zentrum von anthropologischen und sozialwissenschaftlichen Ansätzen zu stellen. Was bedeutet das für das Fach? Schweitzer: Zu glauben, dass nur mehr Fragen der Industriegesellschaft relevant sind und wir uns den großen Menschengruppen zuwenden müssen, ist eine sehr ­ethnound eurozentrische Annahme. So zu tun, als wären alle so wie wir, ist keine Lösung. Insofern ist die theoretische und empirische Hinwendung zu Lebensformen, die radikal anders sind, eine wichtige, solange sie nicht romantisierend ist im Sinne des ­,edlen Wilden’. Können wir denn eigentlich etwas von Jägern und Sammlern für unser eigenes Leben lernen? Schweitzer: Unser Interesse an anderen Gesellschaften ist immer gelenkt von den eigenen Interessen. Insofern ist das Unbehagen über die Mensch-Umwelt-Beziehungen ein wichtiger Stimulus. Es spricht nichts dagegen, dass man sich andere Modelle anschaut. Aber man kann sie nicht eins zu eins in einen anderen Kontext transportieren. Welche Rolle spielt Wien? Schweitzer: Wien ist von vielen Jäger-Sammlergesellschaften weit weg, aber wir können zu einer Schnittstelle der Forschung werden. Auch für die Integration von Aktivisten, unabhängig, ob indigene oder NGOVertreter, eignet sich Wien. Zu einer Konferenz nach Australien reisen jene, die sich genau mit diesem Gebiet beschäftigen. Aber Wien kann Umschlagplatz für verschiedene Präsentationen sein, weil es inhaltlich nicht besetzt ist.

fotos: privat

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igentlich mag Khaled Hakami den Regenwald nicht besonders. „Man ist ständig nass und sinkt irgendwo ein, vor allem in der Regenzeit. Es ist sehr anstrengend. In Wahrheit ist man zu 75 Prozent mit Überleben beschäftigt und nur zu 25 Prozent mit der Forschung.“ Hakami vom Institut für Kultur- und Sozialanthropologie der Universität Wien kennt die Härten der Feldforschung. 2005 begleitete er Helmut Lukas von der Akademie der Wissenschaften erstmals nach Südthailand, wo dieser seit den 1990ern zum Jäger- und Sammlervolk der Maniq forscht. Die Maniq leben ausschließlich vom Sammeln und Jagen im Regenwald. Alle paar Wochen wechseln sie ihre Lager. Die aus großen Blättern errichteten Windschirme sind in wenigen Stunden geflochten und aufgebaut. Sofern man Jäger und Sammler und kein urbaner Akademiker ist: „Du brauchst für alles viel länger. Vieles gelingt einfach nicht. Dann lachen sie und du bist der Kasperl. Aber das ist auch ein Mittel, um angenommen zu werden.“ Trotz der Belastung empfindet Hakami es als Privileg, die Lebensweise dieses nomadischen Volkes erforschen zu können. Hochmobile und egalitäre Gruppen wie die Maniq gebe es weltweit nur mehr fünf bis zehn, schätzt er. Die Bandbreite dieser selten gewordenen Lebens- und Wirtschaftsweise entfaltete sich an der Uni Wien bei der 11. Konferenz zu Jäger- und Sammlergesellschaften. Neben Themen wie Mobilität, Kultur des Teilens und egalitäre Gesellschaftsstruktur wurden vor allem die Umwälzungen im Zuge von Globalisierung und fortschreitender Umweltzerstörung diskutiert. „Die Anthropologie kann die Veränderungen dokumentieren. Was können wir sonst noch tun?“, fragten betroffene Wissenschafter. Das Recht auf Land und die Kontrolle der Ressourcen seien von zentraler Bedeutung für das Überleben indigener Gesellschaften, wurde betont. Vor 50 Jahren wurde mit der Konferenz „Man the Hunter“ der Grundstein für die moderne Jäger- und Sammlerforschung gelegt. Im Vorjahr konsolidierte sich die Forschergemeinschaft und gründete die Internationale Gesellschaft zur Jäger- und Sammlerforschung (ISHGR), die künftig von Wien aus von Sekretär Khaled Hakami verwaltet wird. Auch einige Vertreter (ehemaliger) Jägerund Sammlervölker wie jene der Kalahari San, die zu den am besten erforschten Gruppen zählen, aber heute mit wenigen Ausnahmen sesshaft und in Armut leben, nahmen an der Konferenz teil. Sie fragten ihre (Er-)Forscher: „Was hat es uns gebracht? Hat es unsere Situation verbessert?“ Die Antwort blieb offen, aber die Botschaft ist längst angekommen. Die ISHGR will nicht nur den Erkenntnisgewinn über diese Völker fördern, sondern sich auch für


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Gedicht W i ll i a m W o r d sw o r t h : G e d i c h t , n o c h o h n e T i t e l , f ü r S . T. C o l e r i d g e .

Es wär vergebne Müh, des bummelanten Jünglings unstete Studien en détail zu schildern, da im folgenden leicht zu erahnen sein mag, welcherart und was sie warn. Mein Innenleben war (zumindest dies will ich bemerken) oft, an Tiefe und Empfindung, wie eine zweite Seele, separiert von meiner äußeren Lektüre-Lust, und doch sind jene Bücher, die ich einst am meisten liebte, auch heute mir die liebsten: denn, in lebendiger Natur bewandert, hatt ich an ihnen einen Guide, der mir die andernfalls geschlossnen Augen häufig öffnete, ein’ Maßstab, den ich nutzreich, wenn schon unbewußt, auch andern Dingen, die ich weniger verstand, anlegte. Im allgemeinen konnte ich Gedachtes besser werten als Worte – was sie betraf, verführt nicht nur von allgemeiner Unerfahrenheit der Jugend, sondern von dem Gehuber auch mit klassischen Preziosen, jenem Zitatenwahn, der Jungstudenten wie Altgelehrten eigen ist, dem überschätzten, riskanten Trick, aus Sprachen Phrasen sich herauszupicken, Sprachen, die lebendig doch gesprochen werden müssen, damit sie ganz Natur dem Herzen werden und uns sagen, was Empfindung, was Wahrheit, Schlichtheit & Vernunft, Verstand sei.

William Wordsworth (1770–1850), britischer Dichter und führendes Mitglied der Romantikbewegung. Das 1805 entstandene, posthum veröffentlichte autobiografische Langgedicht „The Prelude“ gilt als sein Meisterwerk. Wordsworth behandelt darin Kindheit und Jugend, die Studienjahre in Cambridge und London; in Paris wird er Zeuge des Terrors der Französischen Revolution. Die moralphilosophischen Überlegungen dazu prägen seine Dichtung. er ich k lein

aus: William Wordsworth ­„Gedicht, noch ohne Titel, für S. T. Coleridge. (The 1805 Prelude)“

Aus dem Englischen übersetzt und herausgegeben von Wolfgang Schlüter, Matthes & Seitz, Berlin 2015.

Rätsel von Gaja 2

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Senkrecht 1 Disziplin bei der Physikolympiade? 2 Parlamentarische Ausschuss-Ware? 3 Nix ist absolut fix – alles eine Frage der Perspektive 4 Art Brut am Telefonblock 5 Europäische Kernkompetenz: dort werden schleunigst Teilergebnisse gefordert 7 Als Flugobjekt kein Pilotprojekt 10 Hat bei Schwarz-Weiß-Denkern Steine im Brett 13 Fernseher, der keine TV-Stars anhimmelt 17 Friesisches Kur-distan? Seit 1927 verdammt 19 Keine Leibeigene, die Himmelfahrtskommandokandidatin 20 Franziskaner-Parka? 21 Fehlerhafte DATEI (error: 41235) 25 Kost für Kochverächter?

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Waagrecht: 1 Dr. Petermann redete keinen Topfen, als er deren Existenz postulierte Lösungswort: 6 Solch Zahlen haben die Kurve raus 8 In Sachen Internetadresse hierzulande das Letzte 9 Logische Vernichtung? 1 2 3 4 5 6 7 8 11 Kindliche Alterserscheinung 12 Selbstredend zwischen no und ned … 14 … und im nächsten Augenblick erstaunlicherweise auch da davor 15 In der Wolle gefärbter Stoff für griechischen Hammelheldenmythos 16 Vösenstadt? 18 Einst ein, also vor Einstein, Job für Naturphilosophen 22 Verständliche Regel für Global Player 23 Wurde u.a. mit 17 und 66 berühmt (Vorname) 24 Wird von oben herab behandelt 26 Macht Glücksritter zu Kreuzerlrittern 27 Für Agenten: Dienst nach Vorschrift

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Lösungswort: SATELLIT Waagrecht: 1 QUARKS, 6 UNGERADE, 8 AT, 9 NEGATION, 11 TROTZ, 12 NA, 14 NU, 15 VLIES, 16 SCS, 18 PHYSIKER, 22 RULE, 23 UDO, 24 UNTERTAN, 26 LOTTO, 27 GEHEIM Senkrecht: 1 QUANTENSPRUNG, 2 UNTERSUCHUNG, 3 RELATIV, 4 KRITZELEI, 5 CERN, 7 DROHNE, 10 GO, 13 ASTRONOM, 17 SYLT, 19 SEELE, 20 KUTTE, 21 EDATI, 25 ROH

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Was am Ende bleibt Licht erich klein

Wer das Licht der Welt erblickt, läuft Gefahr, zu viel Licht ausgesetzt zu sein. Vom schöpfungsgeschichtlichen Imperativ der Bibel „Es werde Licht!“ ergießt sich ein Lichtstrom durch Menschheits- und Kulturgeschichte in die Gegenwart. Bei Weltanfang wie Weltende spielte Licht eine ebenso große Rolle wie bei den Göttern der Religionen und ihrem Erleuchtungsgeschäft. Prometheus entwendet Licht; Lucifer, der Teufel, soll vor seinem Engelssturz ein Lichtbringer gewesen sein. Das klingt nach Mythos, aber auch Philosophen haben von der Metapher ausführlichen Gebrauch gemacht: Gott sei Licht, das noch in den Niederungen der Materie seinen Abglanz zeige. Im einflussreichen „Buch der vierundzwanzig Philosophen“ aus dem 12. Jahrhundert heißt es: „Gott ist das Licht, das alles durchdringt und durch das alles gottförmig, aber niemals Gott wird.“ Mittelalterliche Baumeister folgten derartige Überlegungen im Sakralbau. Wer dafür empfänglich ist, mag sich dem „mystischen“ Effekt der Glasfenster eines gotischen Doms auch heute noch hingeben. Und wie verhält es sich mit der Umkehrung: Licht ist Gott? Schon ­Dante Alighieri, der im höchsten Himmel seiner „Göttlichen Komödie“ einen Taumel an Lichtpunkten inszenierte, kapitulierte am Ende seiner Erweckungsreise poetisch stammelnd: „Oh wie schwach ist mein Reden, gleichsam stimmlos gegen meinen Begriff!“ Der Version von einem triumphierenden Licht-Gott im Barock wird schon nur noch wenig Glauben geschenkt. Eine allein im Glanz eines Sonnenkönigs erstrahlende Welt schreit geradezu nach Aufklärung. Diese führt die Lichtmetapher zwar noch im Namen (noch deutlicher bei „Enlightenment“ oder „Lumières“), übergibt in Sachen Licht aber endgültig an die Naturwissenschaften. Das sogenannte letzte Wort des sterbenden Goethe „Mehr Licht“ ist nur Legende. Dahinter höheren Sinn zu sehen, begehrt allein der Bildungsbürger. Im 20. Jahrhundert versickert alle Metaphysik des Lichts endgültig. Viel folgenreicher wird in dunklen Abgründen der Seele herumgestochert. Allerdings ist es auch bezeichnend, dass eine seinerzeit populäre Geschichte der Atombombe zur alten Metapher zurückgriff: „Heller als tausend Sonnen.“ Jüngst ließ der amerikanische Schriftsteller Thomas Pynchon in „Gegen den Tag“ ein Luftschiff mit „Licht als Antrieb und als tragendes Medium“ in die Gegenwart fliegen. Das futurologische Epos beginnt mit dem Zitat „It’s always night, or we wouldn’t need light.”


Besuchen Sie uns – 3.- 5.11. 2015 Stand A.d47

European Utility Week in Wien

Seestadt Aspern: eine Stadt beginnt zu denken. Mit unseren Kunden verwirklichen wir, worauf es ankommt. Gemeinsam bringen wir Österreichs Infrastruktur voran.

Bereits im Jahr 2030 wird Wien zwei Millionen Einwohner haben. Möglich ist dies auch dank eines der größten Stadtentwicklungsprojekte Europas: Der Seestadt Aspern.

Die Seestadt Aspern wird zur denkenden Stadt: sie erkennt, wann Energie am günstigsten ist und richtet ihren Energiebedarf weitgehend danach aus.

Und eines der interessantesten: ein einzigartiges, partnerschaftlich geführtes Forschungsprojekt, das die Seestadt Aspern zu einem Musterbeispiel für die Energiewende macht. Mit Hilfe eines interdisziplinären Ansatzes, der Einbindung der Bewohner und neuer IT-basierter Lösungen schafft Siemens hier eine neue Art der Energieeffizienz.

Durch die Verbindung von virtueller und realer Welt steigert Siemens die Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit seiner Kunden. Gemeinsam mit ihnen elektrifiziert, automatisiert und digitalisiert Siemens die Welt, in der wir leben – und verwirklicht das, worauf es ankommt.

siemens.at/gemeinsam


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