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Upload-Filter: Eine Herausforderung für Türkis-Grün von Martin Möser
from SUMO Ausgabe 35
Am 26. März 2019 wurde im EU-Parlament die Reform des Urheberrechts beschlossen, vor allem mit den Stimmen konservativer Seite. GegnerInnen sahen darin eine Zensur des Internet, BefürworterInnen argumentierten mit der besseren rechtlichen Absicherung, u.a. von Musik- oder (Bewegt-)Bildschaffenden, so etwa Kenny Lang im SUMOInterview. Besonders die geplanten „Uploadfilter“ sorgten europaweit für breite Proteste in der Internetcommunity. Die Mitgliedsländer haben nun bis 2021 Zeit, diese EU-Richtlinie in nationales Recht um-zusetzen. Also auch in Österreich, wo Befürworter (ÖVP) und Gegner (Grüne) gemeinsam ein Gesetz zu beschließen haben, von dem niemand weiß, wie es umgesetzt werden soll.
Das Internet ist zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses nicht ausgestorben. Ein Jahr nachdem die EU-Staaten die umstrittene Urheberrechtsreform beschlossen haben, werden im Netz nach wie vor Memes gebastelt und Katzenvideos geteilt. Eine Mehrheit von 348 zu 274 EU-Abgeordneten stimmte für die EU-Urheberrechtsreform als Gesamtpaket. Auch wenn die Mehrheit relativ klar aussieht, war es am Ende dennoch knapp: Nur fünf Stimmen haben gefehlt, um über die einzelnen Artikel 15 und Artikel 17 mittels Änderungsanträgen einzeln abzustimmen. Dadurch hätten die umstrittenen Uploadfilter und die Reform des Leistungsschutzrechtes noch verhindert werden können. Die Abgeordneten der ÖVP haben der Reform geschlossen zugestimmt, SPÖ, Grüne und NEOS stimmten dagegen, die FPÖAbgeordneten enthielten sich.
Worum geht es konkret
Die Reform selbst soll das veraltete und nicht auf Online-Aktivitäten ausgelegte Urheberrecht an das digitale Zeitalter anpassen und unter anderem dafür sorgen, dass UrheberInnen für ihre Inhalte im Netz eine gerechte und angemessene Vergütung erhalten. Dass eine Reform notwendig war, darüber herrschte Einigkeit und auch darüber, dass KünstlerInnen und andere ContentSchaffende fair vergütet werden sollen. „Wir haben derzeit die Situation, dass große internationale Plattformen sehr
gute Profite mit den Inhalten anderer machen. Das ist natürlich eine Situation, die man als Medien- und Kunstschaffender so nicht hinnehmen kann“, sagt Kenny Lang, Journalist und Kunstschaffender, im Interview mit SUMO. Konkret bedeutet das aber, dass Internetplattformen, bei denen nutzergenerierte Inhalte hochgeladen werden können, zu Vorabkontrollen aller Inhalte verpflichtet werden. Im Artikel 17 ist festgelegt, dass Online-Plattformen künftig auch dafür haften, wenn unerlaubt urheberrechtlich geschütztes Material hochgeladen wird. Bisher hafteten NutzerInnen der Plattform selbst – das soll sich nun ändern. Damit Plattformen, wie beispielsweise „YouTube“, sicherstellen können, dass kein urheberrechtlich geschütztes Material hochgeladen wird, sind technisch gesehen Uploadfilter erforderlich, wenngleich diese nicht explizit durch die Reform gefordert werden. Mit Hilfe dieser soll der Content bereits während des Hochladeprozesses geprüft und aussortiert werden. Die Uploadfilter können allerdings nicht zwischen Recht und Unrecht unterscheiden. So können rechtsverletzende Inhalte und Inhalte zur legalen Werknutzung nicht klar unterschieden werden. Zur legalen Werknutzung zählt etwa das Hochladen von Inhalten, die von Content-schaffenden für bestimmte Zwecke frei zur Verfügung gestellt wurden. Dabei könnten auch versehentlich Inhalte blockiert werden, die vom Zitatrecht Gebrauch
© Copyright: adobe stock / Chris machen oder gar Satire sind. Auch Bilder und Videos, die etwa von Memes oder Parodien verwendet werden, könnten automatisch als Urheberrechtsverstoß ausgefiltert werden, obwohl diese in der Reform explizit ausgenommen worden sind. Der zweite umstrittene Teil der Urheberrechtsreform ist der Artikel 15, bei diesem geht es um ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger. Demnach müssen Unternehmen wie beispielsweise „Google“ Verlage dafür bezahlen, wenn kleine Textpassagen – sogenannte Snippets – aus Artikeln in den Suchmaschinenergebnissen angezeigt werden.
Kenny Lang / Copyright: Christian Lietzmann
Die zwei Seiten
KritikerInnen sprechen bei dieser Reform gar von Zensur und der Gefahr, dass mehr gefiltert würde, als unbedingt notwendig. Bernhard Hayden, Urheberrechtsexperte der digitalen Grund-rechtsorganisation „epicenter. works“, sprach in einem Interview mit „futurezone.at“ (26.3.2019) gar von einem „schwarzen Tag für das Internet“. Konkret sagte er, dass „das Europäische Parlament sich nicht nur der eindringlichen Warnungen der führenden europäischen Urheberrechtsexperten sowie des UN Sonderberichterstatters für den Schutz der Meinungsfreiheit [widersetzt], sondern schlägt mit der Zustimmung zu dieser Reform einer ganzen Generation vor den Kopf.“ Untermauert wurde dies mit einer Unterschriftensammlung mit mehr als fünf Millionen Unterschriften, um den Artikel 17 zu stoppen. Franz Medwenitsch, Geschäftsführer des Verbands der österreichischen Musikwirtschaft (IFPI), sprach in einer Aussendung am 26.3. hingegen von „einem guten Tag für die europäischen Kreativen.“ In dieser Aussendung betonte er: „Die Copyright-Richtlinie ist ausgewogen und fair, neben den Kreativen stärkt sie auch die Rechte der User.“ Trotzdem muss man sich auch der Frage widmen, wer darüber entscheidet, ob es sich um eine Urheberrechtsverletzung handelt oder nicht. Kenny Lang sagt in einem Interview gegenüber SUMO, „dass man der Frage nachgehen muss, wer diese Datenbanken mit den digitalen Fingerabdrücken kontrolliert. Damit Uploadfilter effizient arbeiten und feststellen können, ob es sich um eine Urheberrechtsverletzung handelt oder nicht, muss es Datenbanken geben, die einer Kontrolle unterliegen. Und wer das kontrolliert, kontrolliert de facto, was ins Internet hochgeladen werden darf. Dementsprechend muss man da ganz genau hinschauen, damit hier keine unfairen Geschäfte betrieben und die Parameter genauestens festgelegt werden.“ Betroffen von dieser Reform sind tatsächlich aber nur die großen Konzerne und Medienhäuser. Was das für die Medienhäuser bedeutet, „lässt sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen, bei Diskussionen in der Vergangenheit haben diese aber nicht immer von solchen Gesetzen profitiert. Wenn man nur daran denkt, wie viel Verlage davon haben, bei den großen Suchmaschinen ver-linkt zu sein. Da man die Artikel dort findet, ist es natürlich ein beträchtlicher Teil des Traffic auf der Verlagsseite. Wenn man diese Verlinkungsmöglichkeiten nun einschränkt, könnte dadurch der Traffic leiden“, so Lang.
Wie geht es weiter?
2020 hat die Covid-19-Krise alles überschattet. Dennoch bleibt die Notwenigkeit, dass die EU-Mitgliedsstaaten nur noch bis Juni 2021 Zeit haben, die Richtlinien in nationales Recht umzusetzen. Ob sich das tatsächlich ausgehen wird, bleibt unklar. „Ich glaube, dass die einzelnen Staaten teilweise selbst noch nicht wissen, ob sich das ausgeht, eines ist aber auch klar – die ersten Versuche werden Fehler haben und dementsprechend muss dann nachgeschärft werden. Wichtig ist, dass die großen USUnternehmen nicht mehr so stark davon profitieren, Urheberrechte zu verletzen. Auch wenn es immer heißt, dass vor allem die großen Verlage von solch einer Reform profitieren würden, dann kann ich nur sagen: große Verlage sind voller kleiner AutorInnen“, betont Kenny Lang. Noch ist die umstrittene Reform nicht in Kraft und kann dem freien Netz bislang auch (noch) nicht schaden oder den Medienschaffenden helfen. Aber es dürfte höchst spannend werden, wie die Regierungskoalition trotz völlig unterschiedlicher Meinung der Parteien die Gesetzwerdung löst.
von Martin Möser