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Wenn private Daten in den Medien landen von Christina Glatz

Wenn private Daten in den Medien landen

Nicht nur im privaten Bereich gehören soziale Netzwerke zum Alltag, auch im Berufsleben finden sie immer öfter Anwendung. So nutzt auch der Journalismus diese Netzwerke zu seinem Vorteil – oft jedoch auf Kosten anderer. Über dieses Thema sprach SUMO mit Peter Grotter, Ressortleiter für Gericht und Recht bei der „Kronen Zeitung“, und Matthias Schmidl, Stellvertretender Leiter der Datenschutzbehörde Österreich. Im November 2016 führte der Trendrawendung von sozialen Medien als Redar der APA-OTS gemeinsam mit dem chercheplattformen? Besonders im Marktforschungsinstitut „meinungsGerichtsressort sei das keine gängige raum.at“ eine Umfrage unter österreiVorgehensweise von JournalistInnen, chischen JournalistInnen zu ihrer heuso Grotter. Er berichte über Straftaten tigen Arbeitsweise durch. Dabei wurde mit TäterInnen und Opfern, dabei seiunter anderem erfasst, wie die tägliche en ihm soziale Netzwerke keine große Recherchearbeit aussieht und mit welHilfe. Wenn Grotter Genaueres über chen Quellen JournalistInnen bevorzugt die Betroffenen in Erfahrung bringen arbeiten. Es ist nicht verwunderlich, möchte, befrage er sie oder deren Andass bereits im Jahr 2016 fast 30% der walt/Anwältin höchstpersönlich. Das Befragten häufig in sozialen Netzwerken ginge dann sogar so weit, dass er sie recherchierten. Dabei lag „Facebook“ in Haftanstalten besuche. In Bezug auf ganz klar an erster Stelle, gefolgt von Opfer-Berichterstattungen habe sich in „Twitter“ und „YouTube“. Auch berufliseiner langjährigen Laufbahn als Jourche Plattformen wie Xing oder LinkedIn nalist viel geändert. Früher sei es nichts wurden teilweise für Recherchezwecke „Unehrenhaftes“ gewesen, ein Opfer genutzt. Knapp die Hälfte der befragten zu sein, Berichterstattungen in diesem JournalistInnen gab an, die so gewonneBereich waren also durchaus legitim. nen Informationen schließlich auch häuMittlerweile seien Opfer speziell gefig (10%) oder gelegentlich (38%) in Ihre schützt, wodurch sich auch Berichte journalistischen Beiträge einzubinden. über solche Ereignisse schwieriger geEs ist zu vermuten, dass diese Zahlen in stalten. Grundsätzlich sei es aber erden letzten Jahren noch zugenommen laubt, den Namen und das Bild eines haben. Daraus resultiert die Frage, ob Opfers zu veröffentlichen, solange Recherche in sozialen Netzwerken und nichts über den höchstpersönlichen Ledie Veröffentlichung der daraus gewonbensbereich der Person preisgegeben nenen personenbezogenen Daten überwerde. Auch bei Mordprozessen brinhaupt zulässig ist. ge die „Kronen Zeitung“ immer wieder Bilder der Angeklagten. Je massiver der Opferschutz Vorwurf sei, desto eher dürften auch Peter Grotter, Ressortleiter für Gericht Name und Foto der TäterInnen veröfund Recht bei der „Kronen Zeitung“, ist fentlicht werden. Solange im Bericht die nun seit 44 Jahren als Journalist tätig. Unschuldsvermutung der TäterInnen Seine Erfahrungen bezüglich der Vereingehalten werde, sei das laut Grotter

© Copyright: adobe stock / REDPIXEL kein Problem. Generell halte sich die „Kronen Zeitung“ sehr genau an das Medienrecht, wodurch es auch nur wenige Medienverfahren im Haus gäbe.

Ehrenkodex als Richtlinie

Der Österreichische Presserat sieht seine Zuständigkeit in der Qualitätssicherung und Wahrung der Pressefreiheit in unserem Land. Der Ehrenkodex des Presserates stellt dabei eine Richtlinie für die journalistische Arbeit dar und legt Grenzen und Regeln in diversen Bereichen fest. Neben gewissenhafter Recherchearbeit und korrekter Veröffentlichung beinhaltet der Ehrenkodex auch Regeln zu Persönlichkeitsschutz und Intimsphäre. Grundsätzlich gilt es, die Würde von Personen zu wahren und deren Intimsphäre zu schützen. Vor allem Opfer von Unfällen und Verbrechen muss Anonymität gewährt werden, sofern diese nicht allgemein bekannt sind oder selbst in die Veröffentlichung einwilligen. Auch Kindern und Jugendlichen fällt ein besonderer Schutz zu, wenn über sie berichtet werden soll. Der Presserat appelliert hier an die Medien, das öffentliche Interesse an diesen Berichten besonders kritisch zu prüfen. Dieses ist laut Presserat gewährt, wenn es um die Aufklärung schwerer Verbrechen geht, die unmittelbare Sicherheit der Bevölkerung bedroht ist oder eine Irreführung der Öffentlichkeit verhindert werden kann. Nun ist dieser Ehrenkodex lediglich eine Richtlinie zur Wahrung der Berufsethik, das bedeutet, bei einem Verstoß gegen den Kodex drohen keine rechtlichen Folgen. Der Presserat kann das betroffene Medium zwar auffordern, die Entscheidung des Rates freiwillig zu veröffentlichen, jedoch auch nicht mehr.

Zwiespalt im Datenschutzgesetz

Im Mai 2018 wurde die neue Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) erlassen, welche das Datenschutzrecht in ganz Europa vereinheitlichen sollte. SUMO fragte Matthias Schmidl, den stellvertretenden Leiter der Datenschutzbehörde Österreich, inwiefern die DSGVO Medien und vor allem den Journalismus betrifft. „Das grundsätzliche Problem ist, dass Medien weitgehend von den Bestimmungen des Datenschutzgesetzes und der DSGVO ausgenommen sind, weil sonst eine journalistische Berichterstattung nicht sinnvoll möglich wäre.“ Der Journalismus stütze sich auf das Recht der freien Meinungsäußerung, dieses stehe allerdings teilweise in Widerspruch zum Recht auf Datenschutz. Sowohl die DSGVO als auch ihr Vorgänger, die Datenschutzrichtlinie, fordern die EUMitgliedstaaten dazu auf, diese beiden Rechte miteinander in Einklang zu bringen. Wenn sich in Österreich jemand durch journalistische Berichterstattung in seinem Recht auf Datenschutz verletzt sehe, habe, laut Schmidl, die Datenschutzbehörde keine Zuständigkeit dafür. In solchen Fällen müssten Gerichte diese beiden Grundrechte auf Basis des Mediengesetzes gegeneinander abwägen und entscheiden, welchem Recht der Vorrang einzuräumen sei. Grundsätzlich käme es bei der Datenschutzbehörde jedoch eher selten vor, dass jemand Beschwerde gegen ein Medium erhebt.

Eingriff in den höchstpersönlichen Lebensbereich

Nun bleibt also als rechtliche Grundlage für solche Fälle noch das Mediengesetz. Dieses beinhaltet im dritten Abschnitt diverse Richtlinien zum Schutz der Persönlichkeit. Erfährt eine Person durch ein Medium zum Beispiel zu Unrecht üble Nachrede, Beschimpfung oder gar Verspottung, kann die betroffene Person eine Entschädigung vom Medieninhaber verlangen. Vor allem bei der Bekanntgabe der Identität eines Opfers bzw. eines/r Täters/in ist Vorsicht geboten. Sollten durch die Veröffentlichung eines Fotos oder Namens schutzwürdige Interessen einer Person verletzt werden, drohen MedieninhaberInnen hohe Entschädigungszahlungen. Schutzwürdige Interessen beinhalten zum Beispiel einen Eingriff in den höchstpersönlichen Lebensbereich oder eine herbeigeführte Bloßstellung des Opfers. Ob so ein Eingriff in den persönlichen Lebensbereich auch die Recherche in sozialen Netzwerken und Verwendung der dort gesammelten Informationen beinhaltet, ist fraglich. Sicher ist jedoch, dass Betroffene ein Recht auf Persönlichkeitsschutz haben und dieses auch einklagen können.

„Viele Selfies. Im Internet auf mehreren Profilen“

Beispiele für die Veröffentlichung von privaten Fotos aus sozialen Netzwerken lieferte unter anderem die Tageszeitung „Österreich“. So erschien am 22. Oktober 2018 ein Artikel, der von einem Frauenmord in Zell am See berichtet. In dem Artikel finden sich mehrere unverpixelte Fotos der ermordeten Frau. Der Bericht und die Fotos wurden unter anderem auch auf „oe24.at“ veröffentlicht. Die Bildbeschreibung „Viele Selfies. Im Internet auf mehreren Profilen“, lässt darauf schließen, dass diese Fotos aus einem oder mehreren persönlichen Accounts in sozialen Netzwerken stammen. Zusätzlich zu den Fotos der Frau

wurden auch ihre Vorliebe für Gangs- ta-Rap, ihre „Nicknames“ im Internet und die Anzahl ihrer „Instagram“- Fol- lower veröffentlicht. Der Presserat griff den Vorfall auf und stellte fest, dass die Veröffentlichung der unverpixelten Fotos in die Persönlichkeitssphäre des Mordopfers eingriff. Zur Herkunft der Fotos und der erwähnten persönlichen Daten wurden keine Anmerkungen ge- macht. Die Tageszeitung wurde vom Presserat dazu aufgefordert, die Ent- scheidung freiwillig zu veröffentlichen, rechtliche Konsequenzen gab es keine.

Politische Stellungnahme

Die letzten großen Änderungen des Mediengesetzes liegen nun schon eine Weile zurück. Die Einführung der DSGVO hat das Thema Datenschutz zwar grundsätzlich wieder neu auf- gerollt, doch in Bezug auf Veröffentli- chung privater Daten hat sich für Me- dienunternehmen in Österreich wenig geändert. Die derzeitige Medienpolitik der Regierung sieht vor, auf die Veränderungen der Rahmenbedingungen durch die fortschreitende Digitalisie- rung angemessen zu reagieren. Eine Passage des aktuellen Regierungspro- grammes lautet: „In der digitalen Welt müssen die gleichen Prinzipien gelten wie in der realen Welt!“ Hierbei bezieht sich die Regierung vor allem auf das Thema Hass und Gewalt im Netz, ob jedoch auch Bereiche wie Privatsphäre und Persönlichkeitsrecht bedacht wer- den, ist unklar. Wie es scheint, stellt die journalistische Veröffentlichung von privaten Daten aus sozialen Netzwer- ken für die Politik zurzeit jedoch kein großes Problem dar.

von Christina Glatz

Peter Grotter / Copyright: Peter Grotter

Matthias Schmidl / Copyright: Pollmann

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