Filmpodium Programmheft Oktober/November 2021

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40 SÉLECTION LUMIÈRE

OTHELLO Orson Welles’ Othello sollte eigentlich eine italienisch-französische Koproduktion werden, die dem ehrgeizigen Cineasten jene künstlerische Autonomie erlaubte, die ihm Hollywood zunehmend verwehrte. Doch der plötzliche Bankrott des italienischen Produzenten liess das Projekt von Anfang an zu einem Independent-Film werden, dessen mehrjähriger Herstellungsprozess aus ma­ terieller Not manche künstlerische Tugend machte. Nach mehreren katastrophalen Erfahrungen

konzipieren und dabei oft von Shakespeares

in Hollywood, bei denen seine Filme von

Vorlage abzuweichen. Mehr als drei Jahre

Studios verstümmelt und Projekte abge-

bastelte Welles an seinem Film, drehte an

schossen wurden, kehrte Orson Welles

immer neuen Orten und wechselte Darstel-

Ende der 1940er-Jahre seiner Heimat den

lerinnen aus. Ein kühnes Montagekonzept

Rücken und arbeitete in Europa als Schau-

erlaubte ihm, Aufnahmen verschiedenster

spieler, um seine Schulden bezahlen zu

Herkunft zu kombinieren und dabei den

können. Der italienische Produzent Michele

­geistigen Verfall des Protagonisten nachzu-

Scalera sah ihn in Gregory Ratoffs Black

bilden.

­Magic (1949) als Scharlatan Cagliostro und beschloss, mit ihm Othello zu verfilmen.

Das Ergebnis, gezeichnet von Ton­ pro­ b­ lemen und ohne Herkunftsland, wurde

Doch kaum war Welles mit seiner Equipe

1952 unter marokkanischer Flagge in

zum Drehbeginn auf der marokkanischen

Cannes lanciert und prompt mit dem Grand

Insel Mogador gelandet, kam die Nachricht

Prix (dem Vorläufer der Palme d’Or) ausge-

von Scaleras Bankrott. Welles sah sich ge-

zeichnet. (mb)

zwungen, seine Inszenierung völlig neu zu

 am Mittwoch, 11. November, 18.45 Uhr: Einführung von Martin Walder OTHELLO / USA 1952 93 Min / sw / Digital HD / E/d // REGIE Orson Welles // DREHBUCH Orson Welles, nach dem Theaterstück von William Shakespeare // KAMERA Anchise Brizzi, G. R. Aldo, George Fanto // MUSIK Angelo Francesco Lavagnino, Alberto Barberis // SCHNITT Jean Sacha, John Shepridge, Renzo Lucidi // MIT Orson Welles (Othello), Micheál MacLiammóir (Jago), Suzanne Cloutier (Desdemona), Robert Coote (Rodrigo), ­Michael Lawrence (Cassio), Hilton Edwards (Brabantio), Fay Compton (Emilia), Nicholas Bruce (Ludovico).


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