40 SÉLECTION LUMIÈRE
OTHELLO Orson Welles’ Othello sollte eigentlich eine italienisch-französische Koproduktion werden, die dem ehrgeizigen Cineasten jene künstlerische Autonomie erlaubte, die ihm Hollywood zunehmend verwehrte. Doch der plötzliche Bankrott des italienischen Produzenten liess das Projekt von Anfang an zu einem Independent-Film werden, dessen mehrjähriger Herstellungsprozess aus ma terieller Not manche künstlerische Tugend machte. Nach mehreren katastrophalen Erfahrungen
konzipieren und dabei oft von Shakespeares
in Hollywood, bei denen seine Filme von
Vorlage abzuweichen. Mehr als drei Jahre
Studios verstümmelt und Projekte abge-
bastelte Welles an seinem Film, drehte an
schossen wurden, kehrte Orson Welles
immer neuen Orten und wechselte Darstel-
Ende der 1940er-Jahre seiner Heimat den
lerinnen aus. Ein kühnes Montagekonzept
Rücken und arbeitete in Europa als Schau-
erlaubte ihm, Aufnahmen verschiedenster
spieler, um seine Schulden bezahlen zu
Herkunft zu kombinieren und dabei den
können. Der italienische Produzent Michele
geistigen Verfall des Protagonisten nachzu-
Scalera sah ihn in Gregory Ratoffs Black
bilden.
Magic (1949) als Scharlatan Cagliostro und beschloss, mit ihm Othello zu verfilmen.
Das Ergebnis, gezeichnet von Ton pro b lemen und ohne Herkunftsland, wurde
Doch kaum war Welles mit seiner Equipe
1952 unter marokkanischer Flagge in
zum Drehbeginn auf der marokkanischen
Cannes lanciert und prompt mit dem Grand
Insel Mogador gelandet, kam die Nachricht
Prix (dem Vorläufer der Palme d’Or) ausge-
von Scaleras Bankrott. Welles sah sich ge-
zeichnet. (mb)
zwungen, seine Inszenierung völlig neu zu
am Mittwoch, 11. November, 18.45 Uhr: Einführung von Martin Walder OTHELLO / USA 1952 93 Min / sw / Digital HD / E/d // REGIE Orson Welles // DREHBUCH Orson Welles, nach dem Theaterstück von William Shakespeare // KAMERA Anchise Brizzi, G. R. Aldo, George Fanto // MUSIK Angelo Francesco Lavagnino, Alberto Barberis // SCHNITT Jean Sacha, John Shepridge, Renzo Lucidi // MIT Orson Welles (Othello), Micheál MacLiammóir (Jago), Suzanne Cloutier (Desdemona), Robert Coote (Rodrigo), Michael Lawrence (Cassio), Hilton Edwards (Brabantio), Fay Compton (Emilia), Nicholas Bruce (Ludovico).