gesundheit medizin zukunft
Magazin des Universit채tsklinikums D체sseldorf Schwerpunkt Alternsforschung Ausgabe 2005
Alt werden. Jung bleiben.
Mythologie: Das Tithonos-Dilemma | Rechtsmedizin: Dem Alter auf den Zahn gef체hlt | Titel: Das Methusalem-Geheimnis Nabelschnurblut: Option auf die Zukunft | Stammzelltherapie: Keine Angst vorm Fliegen | Ethik: Freiheit bis zuletzt Reportage: Die Seele von CE6 | Krebsforschung: Vom Mikroskop ans Krankenbett | Ich. Danis. Ein Simulator erz채hlt
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E D I TO R I A L
Im Lichte der Evolution ist das Altern ein rätselhafter Vorgang. Warum wird, wer Stress hat, schneller grau? Sind Men-schen gesünder, die jeden Tag einen Apfel essen? Welche genetischen Voraussetzungen fördern oder verhindern das Altern? Wie können wir das Altern hinauszögern? Können wir es reparieren oder gar verhindern? Warum werden wir alt? Tatsache ist: Unsere Lebenszeit ist endlich und je näher wir diesem Ende kommen, desto gebrechlicher werden wir. Das Leben zu verlängern, ohne den Alterungsprozess anzupassen, ist leidvoll. Die moderne Medizin aber versucht genau dies – weshalb den Menschen in den postindustriellen Gesellschaften das Schicksal des Tithonos droht, der zwar vergreiste, aber nicht sterben konnte (Seite 6). Geht das überhaupt? Alt werden und jung bleiben? Für Mediziner und Biologen bedeutet das, nicht nur dafür zu sorgen, dass die Menschen älter werden. Noch wichtiger ist, dass die höhere Lebenserwartung im Einklang steht mit dem Alterungsprozess: Länger leben mit weniger altersbedingten Krankheiten. Das ist das Ziel. In dieser Erstausgabe des UKD-Magazins befassen wir uns aber nicht nur mit dem Altern: Wir begleiten eine Pflegekraft bei ihrem anstrengenden Tag auf einer Chirurgischen Station, wir stellen einen Leibniz-
preisträger vor, der für die Grundlagenforschung eintritt, wir lassen ein Dummy erzählen, warum es notwendig ist, dass man an ihm seltene medizinische Krisenszenarien erprobt – und wir erklären anhand einer bahnbrechenden Erfindung in der Krebsforschung, auf welchen Wegen neu gewonnene Erkenntnisse zum Patienten gelangen. Die enge Verbindung von Medizin, Forschung und Lehre unterscheidet im Übrigen ein Universitätsklinikum von allen anderen Krankenhäusern: Das nützt nicht nur den Patienten ganz unmittelbar, es lässt uns vor allem auch einen Blick in die Zukunft der Medizin werfen. Und die ist so spannend, wie es die vielen Fragen erahnen lassen, die wir eingangs gestellt haben. Um die Antworten ringen am Universitätsklinikum Düsseldorf über 700 Mediziner und Forscher in 64 Kliniken und Instituten. Ihnen haben wir über die Schulter geschaut. In den kommenden Ausgaben werden wir den Fragen weiter auf den Grund gehen. Denn Gesundheit und Medizin sind ganz gewiss ein Zukunftsthema.
Die Redaktion
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I N H A LTSVERZE ICHNIS
EDITORIAL
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Im Lichte der Evolution ist das Altern ein rätselhafter Vorgang xxx xxx
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MYTHOLOGIE
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Das Dilemma des Tithonos Wo käme es hin mit der Welt, wenn alle ewig leben würden?
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ALTERNSFORSCHUNG
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Dem Alter auf den Zahn gefühlt Die Rechtsmedizinerin Stefanie Ritz-Timme untersucht, wie Altern vor sich geht – bei Menschen und bei Mäusen.
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ALTERNSFORSCHUNG
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Das Methusalem-Geheimnis Warum altern wir? Für diese Frage interessiert sich mittlerweile auch die Wissenschaft.
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ALTERNSFORSCHUNG
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Gesund altern Interview mit Johannes Siegrist vom Düsseldorfer Institut für Medizinische Soziologie.
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STAMMZELLFORSCHU N G
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Jung, dynamisch, flexibel Das genetische Programm von Stammzellen ist variabel. Das lässt sich medizinisch nutzen. STAMMZELLTHERAPIE
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Keine Angst vorm Fliegen Eine Krankheit, eine Therapie und ein neuer Lebensentwurf. NABELSCHNURBLUT
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Option auf die Zukunft Auf den regenerativen Therapien ruhen die Hoffnungen vieler Patienten. ETHIK
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Freiheit bis zuletzt Was macht der Arzt eigentlich, wenn ein Kranker nicht mehr leben will?
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Berufsbegleitend zum
R E P O RTAGE
Die Seele von CE6 Patienten wollen rund um die Uhr individuell versorgt werden – die Bereichspflege hilft dabei.
MBA
in 21 monaten
AU SG E Z E I CHNET
Die Forscher forschen lassen Der Leibnizpreisträger Klaus Pfeffer sieht in seiner Auszeichnung ein Plädoyer für die Grundlagenforschung. R E I S E F I E BER
Wenn Viren auf die Reise gehen Viren und Bakterien sind mobil, reiselustig und sehr anpassungsfähig.
der studiengang ›general management‹ mit akademischem abschluss master of business administration (mba)
K R E B S FO RSCHUNG
Vom Mikroskop ans Krankenbett Eine neue Methode in der Krebsdiagnostik macht sich auf den Weg zum Patienten.
Die Agentur AQAS S I M U L ATO R
Ich. Danis. Mein Tag beginnt mit einer Narkose. Ein Anästhesie-, Notfall- und Intensivsimulator erzählt. L I F E SC I E NCE
Reine Nervensache Zwei Geschichten über den steinigen Weg von der Innovation zum Erfolg.
AU TO R E N
Prof. Dr. Fritz Boege ist Direktor des Zentralinstituts für Klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik am Universitätsklinikum Düsseldorf und stv. Sprecher der SFBInitiative Alternsforschung. Peter Breuer lebt in Wuppertal. Er arbeitet als Werbetexter, freier Autor und Grafiker. Helene Conrady ist freie Journalistin. Gemeinsam mit dem Journalisten Thomas Finkemeier leitet sie das Redaktionsbüro „Words Unlimited“. Patrick Eickemeier ist Biologe und freier Wissenschaftsjournalist in Berlin. Seit 2003 ist er Mitglied des Journalistenbüros „Schnittstelle“. Ulrich Kraft ist Mediziner und arbeitet als freier Wissenschaftsjournalist in Berlin. 2002 erhielt er für seine Arbeit den begehrten Heureka-Journalistenpreis. Thorsten Sauter ist freier Journalist und Mitglied der Redaktion.
hat den Studiengang ›GENERAL MANAGEMENT‹
mit dem Abschluss MBA für 5 Jahre akkreditiert und das Konzept als beeindruckend und vorbildlich qualifiziert.
DÜSSELDORF BUSINESS SCHOOL AN DER HEINRICH-HEINE UNIVERSITÄT
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M Y T HOLOGIE
Das Dilemma des Tithonos Text: Prof. Dr. Fritz Boege Illustration: Peter Breuer
Dass wir sterben müssen, macht uns unglücklich, ist aber nachvollziehbar. Wo käme es hin mit der Welt, wenn alle ewig leben würden? Schwerer verständlich ist, dass der Tod auf Raten zu uns kommt: Erst sterben die Augen, am Schluss das Herz.
Schon die griechische Mythologie hat diesen allmählichen Tod als zentrales Menschheitsproblem identifiziert: Die Göttin Eos entführt den Königssohn Tithonos als ihren Gemahl. Sie erbittet für ihn von Zeus Unsterblichkeit, vergisst aber ewige Jugend. Tithonos vergreist ohne sterben zu können, leidet fürchterlich und wird zuletzt gnadenhalber in eine Zikade verwandelt. Das Dilemma des Tithonos ist heute aktueller denn je. Unsere körperliche Regenerationsfähigkeit ist begrenzt; Annäherungen an diese Grenze sind leidvoll. Wer die Lebensspanne verlängert, ohne den Alterungsprozess anzupassen, bahnt eine Tragödie an. Die moderne Medizin macht genau das: Sie steigert die Lebenserwartung, ohne die Alterungsrate zu bremsen. Allen Mitgliedern postindustrieller Gesellschaften droht das Schicksal des Tithonos, und zwar ohne das Happy End mit der Zikade. Für die Lebenswissenschaften leitet sich ein klarer Auftrag ab: Klärt die Mechanismen des Alterns und findet heraus, wie sie abgebremst oder kompensiert werden können, so dass Alterungsrate und Lebenserwartung wieder in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen.
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Die Alternsforschung ist ein Spätling. Lange hat sie sich mit der Frage nach dem Warum gequält. Warum hat die Evolution – der Schöpfer – so etwas Kompliziertes wie den Menschen hervorgebracht, ohne dafür zu sorgen, dass diese aufwändige Konstruktion über ihre gesamte Lebensspanne hinweg gleichmäßig und zuverlässig funktioniert? Frühe Darwinisten glaubten, dass ein genetisches Programm dahintersteckt, welches die Prozesse des Alterns ausführt, um Selektionsnachteile zu beseitigen, die der Spezies aus extremer Langlebigkeit des Einzelorganismus erwachsen würden. Die Gegner dieser Hypothese wenden ein, dass die natürliche Selektion in späteren Lebensabschnitten ihre Kraft verliert, weil üblicherweise die meisten Individuen einer Spezies umkommen, bevor sie die maximal mögliche Lebensspanne erreicht haben. Deshalb postuliert diese Denkschule, dass die Evolution vorwiegend den jungen Organismus optimiert und dabei ungünstige Effekte in späteren Lebensabschnitten zulässt. Altern entsteht in dieser Sicht aus einer Menge genetischer und regulatorischer Fehlfunktionen, die evolutionär zugelassen werden, weil sie sich erst spät im Leben manifestieren. Sie verursachen quasi nebenbei das Phänomen Altern.
Obwohl die Frage nach dem Warum offen bleibt, ist die Lösung des Tithonos-Dilemmas näher gerückt, weil mittlerweile der rätselhafte Vorgang des Alterns in einfachen, kurzlebigen Modellorganismen (Pilze, Fliegen, Würmer) auf wenige mechanistische Grundprinzipien zurückgeführt wurde. Alterungsmechanismen können in Säugerzellen molekular charakterisiert und in Tiermodellen nachgestellt werden. Damit ist die Medizin in der Lage, Verfahren der Protektion und Prävention zu entwickeln und zu erproben. Auf dieser Agenda hat die Umwelt- und die Ernährungsforschung einen prominenten Platz, weil sich immer deutlicher herausstellt, dass Altern zwar innerhalb genetisch vorgezeichneter Bahnen verläuft, letztendlich aber von äußeren Einflüssen und der Lebensführung vorangetrieben wird. Deshalb ist es sinnvoll, an diesen äußeren Rahmenbedingungen anzusetzen, wenn wir den Alterungsprozess abbremsen wollen.
M Y T H O LO G I E
Zeus schenkt Tithonos das ewige Leben – aber nicht die ewige Jugend. So wird der Königssohn immer älter. Er vergreist ohne sterben zu können und leidet fürchterlich. Seine Erlösung: Er wird in eine Zikade verwandelt. Die Medizin steht vor einem ähnlichen Problem. Die Menschen werden älter, aber auch immer gebrechlicher. Für die Alternsforschung gibt es viel zu tun.
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A LT E RNSFORSCHUNG
Headline Text: , Fotos:
Wissenschaftler auf der ganzen Welt beschäftigen sich mit dem Altern beim Menschen. Mäuse sind da – aufgrund ihres ähnlichen genetischen Codes – ein ideales Versuchsfeld. Die Methusalemstiftung in den USA zum Beispiel hat eine hohe Belohnung für den Forscher ausgelobt, der die beste Strategie zur Verlängerung eines Mäuselebens findet. Stefanie RitzTimme weiß, wie man das Alter einer Maus bestimmt. Sie untersucht dazu bestimmte Eiweiße in den Zähnen. Deshalb landen Mäusezähnchen aus der ganzen Welt in ihrem Labor.
A LT E R N S FO RSC H U N G
Dem Alter auf den Zahn gefühlt Text: Thorsten Sauter Foto: Dominik Asbach
Man ist so alt, wie man sich fühlt, heißt es. Dieser Volksweisheit würde Stefanie Ritz-Timme sicher nicht widersprechen, doch sie geht das Trendthema Altern lieber wissenschaftlich an. Die Direktorin des Instituts für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Düsseldorf (UKD) untersucht, wie das Altwerden im Organismus vor sich geht. Eiweiße sind dazu ein Schlüssel. Die meisten Proteine im menschlichen Körper haben die Eigenschaft, sich immer wieder zu erneuern und ihre Funktion ein Leben lang zu erfüllen. Einige Eiweiße aber werden nicht rechtzeitig ausgetauscht, sie altern. Ihre Bausteine, die Aminosäuren, sind instabil: Ein junges Eiweiß besteht aus so genannten L-Aminosäuren, die mit zunehmendem Alter in D-Aminosäuren umgewandelt werden. Je älter ein Mensch ist, desto höher ist der D-Anteil. Ein Beispiel ist Elastin. Das Protein sitzt unter anderem im Hautgewebe und sorgt dafür, dass die Haut glatt ist. Leider wird es nicht erneuert, es altert, und so kommt es im Lauf der Jahre zu Falten und Runzeln. Natur mit Schwachstellen Warum baut die Natur Eiweißmoleküle, in denen Schwachstellen vorprogrammiert sind? Die junge Professorin zuckt mit den Schultern. „Wir wissen es noch nicht, aber wir gehen davon aus, dass dieses Phänomen einen biologischen Sinn hat. Und daran forschen wir.“ Auf alle Fälle erlaubt die Schwachstelle der Rechtsmedizin wichtige Erkenntnisse. Wenn eine Aminosäure vom Tag der Geburt an zu altern beginnt, dann kann man daran ablesen, wie alt der Mensch ist. Biochemische
Lebensalterschätzung nennt man das, und Ritz-Timme hat die Methode im Wesentlichen entwickelt. Damit ist das UKD global führend. Seitdem kommen Anfragen aus der ganzen Welt nach Düsseldorf – von Staatsanwälten, die das Alter einer Leiche wissen möchten, oder von Behörden, die mit Menschen zu tun haben, deren Geburtsurkunde verloren gegangen ist. Das kommt beispielsweise bei der Klärung von Rentenansprüchen vor. Einmal wollte ein Zahnarzt aus Afrika von RitzTimme einfach so wissen, wie alt er ist. Er wusste es nicht. Um das zu klären, braucht die Wissenschaftlerin einen Zahn. Denn im Zahnbein gibt es alternde Proteine, über die das Alter bis auf etwa drei Jahre genau ermittelt werden kann. „Natürlich ziehen wir Zähne nicht extra“, betont Ritz-Timme, „wir bitten die Person, einen bereits gezogenen Zahn aufzuheben.“ Die Rechtsmedizinerin ist noch an einer anderen Front aktiv. Zusammen mit einer Bochumer Software-Firma hat sie eine Technik entwickelt, die das Alter anhand von Gesichtsproportionen bestimmt. Einsatzgebiet soll vor allem die Ermittlung im Bereich Kinderpornographie werden. Dazu wird ein Computer mit vielen tausend Bildern von Kindergesichtern gefüttert, die dann mit ver-
dächtigem Material verglichen werden. Da in Deutschland juristisch nur als Kind gilt, wer unter 14 Jahre alt ist, kommt der genauen und automatisierbaren Schätzung eine große Bedeutung zu. Ermittlungsbehörden und das BKA haben ihr Interesse an dem Verfahren bekundet. Eine Betaversion existiert bereits, gerade hat die EU die Finanzierung eines Anschlussprojektes zugesagt. Der Antrag wurde allerdings schon vor zehn Monaten gestellt, aber „die EU-Verwaltung ist zähflüssig“, sagt die Forscherin. Dem Alter den Stachel nehmen Werden wir das Altern irgendwann aufhalten können? In Großbritannien gibt es Wissenschaftler, die dieser Meinung sind, doch RitzTimme ist eher pessimistisch. „Die Veränderungen bei diesen Proteinen geschehen spontan und unaufhaltsam. Altern ist außerdem ein wahnsinnig vielschichtiger Prozess. Eine Wunderwaffe gegen das Altern wird es wohl so bald nicht geben.“ Die Symptomatik des Alterns zu gestalten, also weniger an Krankheiten und Gebrechen zu leiden und so dem Alter den subjektiven Stachel zu nehmen, das kann sich die 43-Jährige dagegen gut vorstellen. Man ist so alt wie man sich fühlt. Aber die innere Uhr tickt. Und Stefanie Ritz-Timme ist dabei, das Uhrwerk zu erkunden.
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A LT E RNSFORSCHUNG
Das Methusalem-Geheimnis Text: Ulrich Kraft Fotos: Eduardo Cebrian
Warum altern wir? Die Frage, die wohl jeden bewegt, interessiert mittlerweile auch die Wissenschaft. Das Ziel der Alternsforscher heißt Gesundheit und ein langes Leben.
Am 15. Juni 2005 erblickte Nele Marie in einem Berliner Krankenhaus das Licht der Welt. Ein paar Tage zu früh, aber gesund und quietschfidel. Ob die Kleine wohl ahnt, wie glänzend die Chancen stehen, dass sie das 22. Jahrhundert noch erlebt? Denn gut die Hälfte aller heute geborenen Mädchen kann mit großer Wahrscheinlichkeit die hundertste Kerze auf der Geburtstagstorte selbst anzünden − und jeder zweite Junge wird mindestens 95. Früher durfte der Mensch von einem solch biblischen Alter nicht einmal träumen. Mit einer Lebenserwartung von etwa 45 Jahren hielten 1840 die Schwedinnen den Rekord. Heute liegen die Japanerinnen vorn, im Schnitt feiern sie den 85sten. Hierzulande beträgt die mittlere Lebenserwartung für Frauen momentan etwa 81 Jahre, für Männer gut 75. Das sind dreißig Lenze mehr als 1900. Lebenserwartung bei über 90 Fest steht: Die Menschen werden immer älter. „Ein langes Leben ist heute kein Ausnahmefall mehr − und es wird künftig immer normaler sein“, erklärte Jutta Gampe vom MaxPlanck-Institut (MPI) für demografische Forschung in Rostock unlängst vor der Wissenschaftspressekonferenz. „Seit 1840 steigt die Lebenserwartung kontinuierlich um drei Monate pro Jahr, und eine Änderung ist nicht in Sicht.“ Rein statistisch entspricht das einem Zugewinn von zweieinhalb Jahren pro Jahrzehnt. Hochgerechnet läge die mittlere Lebenserwartung der Deutschen im Jahr 2050 dann bereits bei über neunzig Jahren, vorausgesetzt, die Entwicklung setzt sich ungebremst fort.
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Unbegrenzt leben? James Vaupel, Direktor des Rostocker MPI, hegt daran keinerlei Zweifel. Es gäbe nicht die geringsten Anzeichen, dass die Lebenserwartung auf ein Limit zusteuere, so der Demografieexperte. Diese Meinung tat er im renommierten Wissenschaftsmagazin „Science“ kund und sorgte damit für einiges Aufsehen. Vaupel kritisierte offen, dass viele Fachleute „blind an der alten Vorstellung hängen“, die Lebensspanne des Menschen besitze eine biologisch bedingte Grenze. Sein Gegenargument ist ebenso einfach wie überzeugend: Sämtliche Prognosen über vermeintliche Obergrenzen der natürlichen Lebenserwartung erwiesen sich bisher als falsch. Gesundheits- und Sozialpolitiker sollten sich dringend darauf einstellen, dass die Zahl der Hochbetagten stetig steige, rät Vaupel. Stolze 122 Lenze zählte Jeanne Loise Clement, als sie 1997 das Zeitliche segnete. Bis heute gilt Madame Clement, die gerne mit ihrem jugendlichen Äußeren kokettierte − „ich habe nur eine Falte, auf der sitze ich“ − ,als älteste Frau der Welt. Was der Dame aus Arles im sonnigen Südfrankreich einen Eintrag ins Guiness-Buch der Rekorde einbrachte, könnte in einer nicht so fernen Zukunft Standard sein.
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Wenn die Lebenserwartungskurve weiterhin linear nach oben verläuft und, wie James Vaupel glaubt, keine biologische Barriere in Sicht kommt, erreichen die Bewohner westlicher Industrienationen im Jahr 2150 im Schnitt ein Alter von über 120 Jahren. Herausforderung für die Zukunft Schon jetzt erfüllt die zunehmende Vergreisung der Gesellschaft viele mit Sorge. Weil zeitgleich die Geburtenrate sinkt, dreht sich die Bevölkerungspyramide in Deutschland langsam, aber sicher um. Eine demografische Entwicklung, die unsere bereits knappen Rentenkassen zusätzlich belasten wird. Und auch auf das Gesundheitssystem kommen große Herausforderungen zu, nicht nur in finanzieller Hinsicht.
Die Menschen werden nicht nur älter, sondern auch immer später im Leben hinfällig, wie Klaus Hager, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Alternsforschung weiß. Dennoch bleiben Alter und Krankheit ein unzertrennliches Paar. Das bedeutet, dass im Zuge der steigenden Lebenserwartung altersbedingte Leiden wie Diabetes, Osteoporose und Demenz sprunghaft zunehmen werden. Nach Schätzungen von Experten leiden im Jahr 2030 zwei Millionen Deutsche unter Alzheimer. Im Vergleich zu heute hätte sich die Zahl der Betroffenen dann verdoppelt. Deshalb gewinnt eine Forschungsdisziplin in letzter Zeit enorm an Bedeutung, die vor allem in Europa lange ein Schattendasein fristete: Die Gerontologie, wie die Wissenschaft des Alterns im Fachjargon heißt. Mittlerweile arbeiten Forscher aus der ganzen Welt daran, den biologischen Alterungsprozess des Körpers zu entschlüsseln. Die dahinter steckende Idee: Wenn man die Mechanismen, die beim Altern am Werk sind, kennt,
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und weiß, wie diese den Menschen krank machen, lassen sich Therapien und Medikamente entwickeln, um altersbedingten Leiden vorzubeugen oder sie zumindest zu lindern. Gesundheit und ein langes Leben, lautet letztendlich das Ziel. „Altern ist formbar“ Ob jemand alt wird und wie fidel er dabei bleibt, hängt von verschiedenen Faktoren ab, da sind sich die Experten einig. „Zu einem Viertel altern wir unserem genetischen Programm gemäß“, erklärt Jutta Gampe. „Ein weiteres Viertel wird durch das bestimmt, was bis zum 50. Lebensjahr passiert ist. Krankheiten oder auch der sozioökonomische Status. Die andere Hälfte bestimmen die Lebensumstände − ob wir Sport treiben, uns gesund ernähren, unser Wohlstand, das Milieu, in dem wir leben.“ Welch große Bedeutung die Lebensumstände besitzen, zeigt sich daran, dass die Menschen in Entwicklungsländern deutlich früher sterben als in der westlichen Wohlstandsgesellschaft. Das bedeutet aber auch: Zumindest in Teilbereichen lässt sich der natürliche Alterungsprozess beeinflussen. „Altern ist formbar“, formuliert Klaus Hager den Sachverhalt. Weil es außerdem jeden betreffe, liege die Intensivierung der Alternsforschung in unser aller Interesse, so der Experte. Altern ist ein genetisches Problem Die Heinrich-Heine-Universität trägt dem längst Rechnung. Wissenschaftler unterschiedlicher Couleur suchen in Düsseldorf nach Antworten auf ganz entscheidende Fragen: Welche molekularen Mechanismen lassen Zellen und Organe altern? Und welche Alterungsprozesse werden durch Umwelteinflüsse und die Lebensführung vorangetrieben? Gerade hier hofft man am ehesten bremsend eingreifen zu können. Auch an der Entwicklung von regenerativen Therapien, die mit den Jahren
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in ihrer Funktion nachlassende Organe unterstützen oder gar ersetzen, arbeiten die Mediziner und Biologen. Ein Graduiertenkolleg der Deutschen Forschungsgemeinschaft und interdisziplinäre Sonderforschungsbereiche sollen die Kräfte jetzt über die Fakultätsgrenzen hinweg bündeln – mit dem Ziel, an der Spitze eines Wissenschaftsfeldes zu stehen, das in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen wird. Der Gen-Faktor Einer der Hauptverantwortlichen für den Boom der Alternsforschung heißt Michael Rose. In seinem fast schon legendären Fliegen-Experiment schlug der Genetiker von der University of California in Irvine Anfang der 1990er Jahre dem Tod elegant ein Schnippchen. Rose räumte in den Fliegenkäfigen so lange die frisch gelegten Eier weg, bis nur noch ein paar sehr alte Tiere übrig waren. Diese durften sich dann fortpflanzen. Mit den Nachkommen wiederholte er das Prozedere, und auch für die folgenden Generationen galt: Nur die Eier der betagtesten Weibchen werden zur Weiterzucht verwendet. „Superfliegen“ nannte der Biologe die Population, die sich bereits nach 15 Fortpflanzungszyklen in Folge der Selektion entwickelt hatte. Ihre Lebenserwartung lag 20 Prozent über der von Standard-Exemplaren. Und nicht nur das. „Sie sind kräftiger, widerstandsfähiger und noch völlig gesund, wenn normale
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Fliegen längst auf dem letzten Loch pfeifen“, erklärte Rose und schlug gleich die Brücke zum Menschen. Die Methusaleme seien so, wie jeder Mensch gerne sein würde. Darüber lässt sich streiten, denn die kurzlebigen Fliegen sind nicht wirklich ein repräsentatives Modell für den Menschen, der weit länger lebt, als die einzelnen Zellen, aus denen er aufgebaut ist. Etwas anderes konnte der Biologe mit seinen Züchtungsexperimenten aber zweifelsfrei zeigen. Offenbar gibt es bestimmte Genvarianten, die lebensverlängernde Wirkung besitzen. Anders gesagt: Wie der Alterungsprozess abläuft, wird von den Erbanlagen zumindest mitbestimmt. Michael Roses Schlussfolgerung geht noch ein gutes Stück weiter: „Altern ist kein unausweichlicher Vorgang. Es ist ein genetisches Problem − und es ist lösbar.“ Einen der für das Altern verantwortlichen DNA-Abschnitte hat Cynthia Kenyon identifiziert, allerdings nicht bei Fliegen, sondern beim Fadenwurm Caenorhabditis elegans. Der millimeterkurze Gartenbewohner gehört zu den Lieblingstieren der Gerontologen. Die Biochemikerin von der University of California, San Francisco, fand heraus, dass Stämme von C. elegans mit Genmutationen namens daf-2 deutlich älter werden als normalerweise. Kenyon schaltete daf-2 ab und siehe da − die genetisch manipulierten Würmer lebten doppelt so lange wie ihre Artgenossen.
Der Erbgutschnipsel dient als Vorlage für einen Rezeptor, an dem das Signalprotein IGF-1 andockt und seine Wirkung entfaltet. Zwar sind die mannigfaltigen Effekte des IGF-1Systems noch längst nicht vollständig entschlüsselt; dass dieses im Alterungsprozess eine Rolle spielt, gilt aber mittlerweile als erwiesen. So schufen französische Forscher Mäuse mit einer auf die Hälfte der Norm reduzierten Anzahl des IGF1-Rezeptors − und verlängerten dadurch die durchschnittliche Lebensspanne der Nager von 19 auf 24 Monate. Auf den Menschen übertragen bedeutete das eine Lebenserwartung von 115 Jahren! Mopsfidel ins Greisenalter Nur sind Menschen aber keine Mäuse und schon gar keine Fadenwürmer. Wir müssen nicht nur fressen und uns fortpflanzen und leben auch nicht ein paar Wochen, sondern 70, 80 Jahre, in denen wir es mit wesentlich mehr Umwelteinflüssen zu tun bekommen als C. elegans. Trotzdem spricht einiges dafür, dass es auch auf den menschlichen Chromosomen Genvarianten gibt, die einem biblischen Alter zuträglich sind. Wie anders ließe sich erklären, warum manch einer es mopsfidel ins Greisenalter schafft, obwohl er sich in puncto „gesunder“ Lebensweise all die Jahre weniger an die Ratschläge von Medizinern als an Winston Churchill hielt: „No Sports“, dafür Rauchen und Alkohol − diesen Prinzipien blieb der britische Premierminister treu, bis er mit 90 starb. Aus Zwillingsstudien schlussfolgert die Wissenschaft, dass Langlebigkeit zu einem Viertel durch genetische Faktoren bestimmt wird. James Vaupel vom MPI in Rostock hält den Einfluss des Erbguts gerade bei Menschen, die sehr alt werden, noch für deutlich größer. Solche rüstigen Senioren sollen jetzt dabei helfen, das Methusalem-Geheimnis zu lösen. „Genetics
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A LT E RNSFORSCHUNG
Johannes Siegrist, Direktor des Instituts für Medizinische Soziologie an der HeinrichHeine-Universität Düsseldorf, erforscht, wie sich gesellschaftliche Einflüsse auf die Gesundheit des Einzelnen auswirken. Patrick Eickemeier sprach mit ihm über Rezepte für gesundes Altern und zu kurz gekommene Hobbys. Wann ist ein Mensch „alt“? Die Gestalt des Alterns hat sich in unserer Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten grundlegend verändert. Das Alter hat heute zwei Gesichter. Jenseits der 80 oder 85 Jahre sind viele Menschen von Krankheiten oder Behinderungen betroffen. Die wachsende Gruppe von „jungen Alten“ ist in der Phase nach ihrer Erwerbstätigkeit dagegen mehrheitlich gesund. Sie können reisen, sie können individuelle Bedürfnisse befriedigen, ihnen fehlt aber eine gesellschaftliche Aufgabe. Man hat versäumt, diese Phase gesellschaftlich aktiv zu gestalten. Diese Verschwendung von Energie, Kreativität und Leistungsvermögen können wir uns eigentlich gar nicht leisten. Viele gehen heute schon früh in Rente. Wie wirkt sich das auf ihre Gesundheit aus? Für Menschen, die stark auf ihre Arbeit fixiert waren, kann es gesundheitliche Probleme geben. Sie neigen eher zu Depressionen. Bei Menschen, die keine sinnvolle zukunftsgewandte Aktivität mehr haben, ist die negative Stimmung der Depressivität ganz deutlich erhöht. Sie sind auch anfälliger für Herz-Kreislauf-Krankheiten. Als Reaktion auf das Wegfallen ganz zentraler Aktivitäten des Lebens gibt es ein erhöhtes Risiko eines plötzlichen Herztods. Menschen, die in dieser Phase neue Aufgaben übernehmen und versuchen, auch für andere etwas zu leisten, sind dagegen vitaler und haben eine höhere Lebensqualität. Es geht ihnen besser. Gibt es weitere Rezepte für gesundes Altern? Es gibt eine ganze Reihe. Im Alter treten häufiger chronische Krankheiten auf, einfach als Folge des Verschleißes des Organismus über Jahrzehnte hinweg. Dagegen kann man aber etwas tun. Das erste ist eine ge-
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Foto: Eduardo Cebrian
Gesund altern
sundheitsförderliche Ernährung, die das Auftreten körperlicher Verschleißerscheinungen verzögern kann. Ein zweiter Faktor ist Training, sich körperlich, aber auch geistig fit zu halten. Dazu gehört auch, gegen die Vereinsamung anzukämpfen. Kontakte, auf die man sich auch in Krisensituationen verlassen kann, sind sehr wichtig. Dann gilt es sich zu bemühen, mit Optimismus in die Zukunft zu blicken. Auch das trägt zum gesunden Altern bei. Wann sollte man damit beginnen, sein Leben in dieser Weise zu gestalten? Schon im mittleren Lebensalter. Gerade, was die gesundheitlichen Risiken betrifft, sollte man Vorsorge treffen. Deshalb sprechen wir auch von der präventiven Geriatrie. Hilft die Gesellschaft den Menschen, diesen Lebensabschnitt entsprechend zu gestalten? Wir tun nicht genug, um Älteren gesundheitsförderliche und qualitativ hochwertige Arbeitsplätze, auch Teilzeit-Arbeitsplätze bieten zu können. Wir müssen ihnen die Chance geben, mindestens bis zum Rentenalter ökonomisch aktiv zu bleiben. Da gibt es große Defizite, in anderen Ländern wird deutlich mehr investiert. Bei uns scheiden viel zu viele Menschen vorzeitig aus dem Arbeitsleben aus. Ist die Verlängerung der Lebensarbeitszeit eine gesundheitsförderliche Maßnahme? Das kann man nicht generell sagen. Das gilt dann, wenn die Qualität der Arbeit so ist, dass sie der Gesundheit und dem Leistungsvermögen der Arbeitenden entspricht. Es gibt ja auch viele Arbeitsverhältnisse, die krank machen. Das war in den letzten fünfzehn
Jahren ein Forschungsschwerpunkt unseres Instituts. Menschen, die immer viel leisten müssen und nicht angemessen belohnt wurden – ich meine jetzt nicht nur das Gehalt – werden häufig früh krank und scheiden oft auch früher aus dem Erwerbsleben aus. Im Bereich Stressabbau und Stressbewältigung am Arbeitsplatz kann man in Deutschland noch viel tun. Wie sieht die Gesellschaft von morgen aus? Wenn man nicht sehr bald beginnt, sich auch auf europäischer Ebene intensiv mit der Thematik des Alterns auseinander zu setzen, sehe ich intergenerationelle Konflikte auf uns zukommen. Da bin ich auch nicht der einzige, das sagen viele Experten. Aber wie sich das im Detail auf den gesellschaftlichen Alltag auswirken wird, haben wir bisher zu wenig erforscht. Welcher Anteil des Sozialbudgets für Pflege und Krankheitskosten aufgebracht werden muss oder wie sich die Lohnnebenkosten entwickeln, das sind noch offene Fragen. Heißt das, es ist noch Zeit, zu reagieren? Auf jeden Fall. Wir haben zum Beispiel ein Gesundheitssystem, in dem die kurative, behandelnde Medizin sehr viel leistet, aber auch sehr viel Geld in Anspruch nimmt. Dagegen fließen relativ wenig Mittel in die präventive Medizin. Da müssen wir umschichten. Das lässt sich auch auf den Einzelnen übertragen. Je früher ein Mensch in seinem Lebenslauf der Gesundheitsförderung eine Chance gibt, desto günstiger sind die Auswirkungen auch bis ins hohe Alter hinein. Sie sind jetzt 61 Jahre alt, was haben Sie sich für die kommenden Jahre vorgenommen? Im Moment bin ich so beschäftigt, dass ich noch nicht sehr viel darüber nachgedacht habe. Ich würde gerne über mein 65. Lebensjahr hinaus die spannenden Forschungsprojekte fortführen. Vielleicht stoße ich zu einer Forschungsgruppe in Frankreich oder einer in England. Ansonsten werde ich mich meinen bisher zu kurz gekommenen Hobbys widmen, vor allem der Kammermusik. Ich spiele Geige und Klavier, und da habe ich noch ein großes Betätigungsfeld.
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of Healthy Aging“ oder kurz GEHA lautet der Name eines Forschungsprojekts, das seit gut einem Jahr läuft. Neben Vaupels Institut sind 25 weitere Forschungseinrichtungen aus insgesamt zehn EU-Ländern beteiligt. Demografen, Epidemiologen, Mediziner, Genetiker, Molekularbiologen, Bioinformatiker und Statistiker arbeiten gemeinsam auf ein großes Ziel hin: die gesamte menschliche DNA systematisch nach Langlebigkeitsgenen zu durchforsten. Studienobjekt sind 2.800 hochbetagte Geschwisterpaare, Mindestalter 90 Jahre. Die Probanden beantworten einen Fragebogen zu ihren Lebensgewohnheiten und geben eine Blutprobe ab, die dann analysiert wird. Interessant sind vor allem jene Gene, die Geschwister gemeinsam haben, die beide sehr alt werden. Natürlich führen solche Querschnittsuntersuchungen nicht direkt zu Medikamenten und Therapien, mit denen sich altersbedingte Erkrankungen verhindern oder verzögern lassen. Aber sie könnten ein erster Schritt sein, um die Genetik des gesunden Alterns und die molekularen Mechanismen, die dem entgegenwirken, zu verstehen. Vielleicht kann man dann in einer ferneren Zukunft daran gehen, bestimmte „Langlebigkeitsgene“ gezielt zu aktivieren oder lebensverkürzende Gene abzuschalten. Dies wird allerdings kein ganz unriskantes Unternehmen sein, weil viele lebensverlängernde Gene auch die Tumorbildung fördern, während manche lebensverkürzende Gene offenbar vor Krebsentstehung schützen. Die biologische Lebensuhr Doch selbst wenn das gelingen sollte: Ganz aufhalten wird man den Alterungsprozess wohl niemals können. Es gehört nun ein-
mal zum Kreislauf der Natur, dass Lebewesen sterben, um für die nächsten Generationen Platz zu machen. Welche biologischen Mechanismen Zellen und Organe mit den zunehmenden Jahren immer mehr verschleißen lassen, gehört zu den drängendsten Fragen der Gerontologie. Eines der momentan anerkanntesten Erklärungsmodelle stammt eigentlich bereits aus dem Jahr 1881. Der deutsche Biologe und Mediziner August Weismann stellte damals die Hypothese auf, dass Zellen sich nicht unendlich oft teilen können. Wenn die Kapazität, abgenutztes Gewebe durch Zellteilung zu ersetzen, erschöpft sei, trete der Tod ein, so Weismann. Vom Grundgedanken her lag der Forscher richtig. Wie man heute weiß, besitzen die Körperzellen tatsächlich eine Art molekulare Lebensuhr. Sie befindet sich in den Endstücken der Chromosomen, den so genannten Telomeren. Bei der Geburt bestehen diese DNA-Kappen aus mehreren tausend Basenpaaren. Im Laufe des Lebens verkürzen sie sich aber, weil bei jeder Zellteilung ein kleines Stück verloren geht. Werden die Telomere zu kurz, kann die Zelle sich nicht mehr replizieren − und sie verharrt in einer Art Totenstarre oder stirbt ganz ab. Stress verringert die Lebenszeit Kinder mit einer bestimmten Form der Progerie, einer seltenen Erbkrankheit, besitzen bei der Geburt normal lange Chromosomen-Enden, die sich dann aber rasant verkürzen. Folge: Die Betroffenen vergreisen quasi im Zeitraffertempo, sechsmal so schnell wie normal. Ihre Lebenserwartung beträgt etwa zwölf Jahre, dann sterben die Kinder − meist an typischen Alterskrankheiten wie Schlaganfall oder Herzinfarkt. Vor zwei Jahren konnte ein amerikanisches Forscherteam erstmals nachweisen, dass die Telomere auch bei gesunden Menschen Rückschlüsse auf die Lebenserwartung erlauben. Die Wissenschaftler bestimmten in den Blutzellen von 143 über 60-Jährigen die Zahl der Basenpaare an den Chromosomenenden. Das Ergebnis fiel recht eindeutig aus. Bezogen auf die jeweilige Altersstufe, lebten die Studienteilnehmer mit längeren DNA-Kappen durchschnittlich vier bis fünf Jahre länger als jene Probanden, deren Telomere schon stark verkürzt waren.
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A LT E RNSFORSCHUNG
„Zwei Äpfel, eine Orange und ein halber Liter grüner Tee täglich: Das reicht aus, um die Haut gegen vorzeitige Alterung zu schützen, die von UV-Strahlen herrührt. Aber auch das Gegenteil ist nachweisbar: Einige Nahrungsmittelbestandteile fördern den Alterungsprozess, indem sie die Reparatur umweltbedingter molekularer Schäden verzögern oder verhindern. Um diese Einsichten weiter zu vertiefen, brauchen wir die molekulare Alternsforschung, weil sie der Präventivmedizin das wissenschaftliche Fundament liefert.” Prof. Dr. Jean Krutmann, Direktor des Instituts für Umweltmedizinische Forschung (IUF) und Sprecher der SFB-Initiative Alternsforschung an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.
Ende letzten Jahres machte Elissa Epel eine interessante Entdeckung. Dauerhafte psychische Belastungen lassen die molekularen Zeitmesser beschleunigt schrumpfen. Die Forscherin und ihre Kollegen von der University of California analysierten die Telomerlänge in den Immunzellen von 58 Frauen im Alter zwischen 20 und 50 Jahren. Je stressiger der Alltag der Probandinnen war und je länger dieser Zustand bereits anhielt, desto kürzer waren die Enden der Chromosomen. Zwischen den Frauen mit dem niedrigsten und dem höchsten Stressniveau betrug der biologische „Altersunterschied“ volle zehn Jahre. „Unsere Arbeit lässt nun den zellulären Mechanismus erkennen, über den chronischer Stress zu frühzeitigem Altern und zu Krankheiten führen kann“, so Epel.
Die Theorie der freien Radikale könnte erklären, warum die Ernährung für die Gesundheit so wichtig ist. Pflanzliche Nahrungsmittel enthalten Antioxidantien, beispielsweise die Vitamine C und E, die freie Radikale abfangen und neutralisieren. „An apple a day keeps the doctor away“, weiß der Volksmund. Schaden tut es bestimmt nicht, doch den eindeutigen Beweis, ob sich mit viel Obst und Gemüse das Älterwerden wirklich verzögern lässt, konnte die Wissenschaft bis heute nicht erbringen. Das mag unter anderem daran liegen, dass ein Apfel auch Wirkstoffe enthält, die den Alterungsprozess fördern.
An apple a day keeps the doctor away
Alt werden ohne Gebrechen – nur ein Menschheitstraum?
Einiges spricht also dafür, dass die Telomere am Alterungsprozess beteiligt sind. Allerdings gilt das nur für Zellen, die sich regelmäßig teilen, wie Immunzellen oder die Haut. Doch auch Gewebe, in denen praktisch keine Replikationen stattfinden, altert. Beispielsweise die Neuronen im Gehirn. Ergo müssen noch andere Mechanismen am Werk sein, etwa die so genannten freien Radikale. Diese hochreaktiven und deshalb sehr aggressiven Sauerstoffverbindungen entstehen paradoxerweise bei einem lebensnotwendigen Stoffwechselvorgang, der Energiegewinnung in den Mitochondrien, den Kraftwerken der Zelle. Freie Radikale werden dort ständig freigesetzt, und sie greifen fortwährend die verschiedensten Zellbausteine an: Proteine, Lipide und die DNA. Zum größten Teil reparieren die Zellen den angerichteten Schaden − aber eben nicht vollständig. Die verbleibenden Defekte summieren sich im Laufe der Zeit, bis die Zellen ihre komplexen Funktionen nicht mehr aufrechterhalten können. Sie altern und sterben.
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Immer gesund, keine Falten, stets eine schlanke Figur − der Traum von der ewigen Jugend ist so alt wie die Menschheit selbst. Auch die gerade erst den Kinderschuhen entwachsende Alternsforschung wird ihn wohl nicht erfüllen. Doch vielleicht gelingt es ihr, die komplexen biologischen Mechanismen des Alterungsprozesses vollständig zu entschlüsseln. Dann könnte eine ähnlich reizvolle Aussicht in greifbare Nähe rücken, die der renommierte amerikanische Gerontologe Jay Olshansky so formulierte: „Uns alle ohne große Gebrechen ein reifes Alter erreichen zu lassen, bis wir irgendwann tot umkippen.“ Die Zeit drängt, denn die Generation Methusalem ist bereits geboren.
Noch sind Alter und Krankheit ein unzertrennliches Paar. Doch wir könnten gesund alt werden, wenn wir genau wüssten, welche Mechanismen beim Altern am Werk sind, welche davon uns krank machen und wie wir dem vorbeugen oder zumindest die Folgen lindern, indem wir zum Beispiel nachlassende Organe unterstützen oder ersetzen. Diese Vision bündelt über die Fakultätsgrenzen hinweg vielfältige Forschungsanstrengungen der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf: In einer Reihe von Sonderforschungsbereichen und Graduiertenkollegs gehen Wissenschaftler fachübergreifend der Frage nach, was Altwerden eigentlich ist. Dabei geht es u.a. um molekulare Mechanismen des Alterns, um Strategien zur Verhinderung umweltbedingter Alterungsprozesse oder um neue Wege des Organersatzes: Hier soll die größte Stammzellbank Europas im Institut für Transplantationsdiagnostik und Zelltherapie genutzt werden, um ein Entwicklungszentrum für regenerative Therapien zu gründen, an dem fast alle Kliniken und Institute von Universitätsklinikum und Medizinischer Fakultät mitwirken können.
STA M M Z E L L FO R SC H U N G
Jung, dynamisch, flexibel Text: Patrick Eickemeier Illustration: Peter Breuer
Stammzellen haben eine Eigenschaft, die sie von anderen Körperzellen unterscheidet: Ihr genetisches Programm ist variabel, die Zellen können sich zu unterschiedlichen Gewebetypen entwickeln. Das versuchen Mediziner für die Behandlung verschiedener Krankheiten zu nutzen.
Das Spektrum der Einsatzmöglichkeiten ist so groß wie die Wandlungsfähigkeit der Zellen: Im Organismus von Diabetikern könnten Stammzellen die Produktion des Stoffwechselhormons Insulin wiederherstellen. Stammzellen, die sich zu Nervenzellen entwickeln, wären in der Lage, Schädigungen des Rückenmarks zu überbrücken. Es gibt mehrere Möglichkeiten, Stammzellen zu gewinnen. Eine ist die Entnahme aus Embryonen, die künstlich aus Ei- und Samenzelle erzeugt wurden. Innerhalb von zehn Tagen entwickelt sich aus dem befruchteten Ei die so genannte Blastozyste, eine kleine Kugel aus etwa 1.000 Zellen. Diese Zellen sind embryonale Stammzellen, die sich zu den meisten Gewebetypen im Körper entwickeln können. Einem südkoreanischen Forscherteam gelang es im Frühjahr 2005, geklonten Embryonen Stammzellen zu entnehmen. Die Klone entwickelten sich aus Eizellen, deren Erbgut man entfernt und durch den Kern einer Körperzelle ersetzt hatte. Ziel dieses so genannten therapeutischen Klonens ist es, Stammzellen zu gewinnen, die die Funktion der geschädigten oder kranken Gewebe übernehmen. Bei der Verpflanzung dieser Zellen sind nur geringe
Abstoßungsreaktionen der Körperabwehr zu erwarten, da die Transplantate genetisch zum Patienten passen. So hoffen Mediziner maßgeschneiderte Therapien für Krankheiten wie Parkinson oder Multiple Sklerose entwickeln zu können.
Institutsdirektor Peter Wernet ist zugleich Präsident der Internationalen Netcord Foundation. Diese zentrale Datenbank enthält Einträge von über 100.000 Nabelschnurblutspendern aus 14 Nabelschnurblutbanken weltweit.
Doch bislang gelingt es nicht, die Entwicklung der Zellen so weit zu steuern, dass das Risiko der Tumorentstehung ausgeschlossen werden kann. Zudem müssen die Embryonen beim Entnehmen der Stammzellen zerstört werden. In Deutschland dürfen diese Zelllinien daher nicht hergestellt werden.
„Unser Ziel ist es, Nabelschnurblut-Transplantate mit der höchstmöglichen medizinischen Qualität bereitzustellen“, sagt Wernet. Weltweit haben schon rund 4.000 Menschen eine solche Stammzellspende erhalten. Das Immunsystem und die Blutbildung LeukämieKranker, deren Knochenmark bei der Krebsbehandlung zerstört wird, können mit den Zellen wieder gestärkt werden. Die anpassungsfähigen Zellen werden auch gegen andere Krankheiten wie erbliche Immunschwächen eingesetzt.
Eine Alternative sind adulte Stammzellen, die dem Patienten entnommen werden. Am Universitätsklinikum Düsseldorf werden Stammzellen aus Knochenmark zur Behandlung von Infarktpatienten eingesetzt. Ihr Einsatz gegen weitere Gefäßkrankheiten wird klinisch erprobt. Auch Nabelschnurblut enthält adulte Stammzellen, die besonders anpassungsfähig sind. Sie werden in Stammzellbanken gesammelt. Das Düsseldorfer Institut für Transplantationsdiagnostik und Zelltherapeutika ist mit Nabelschnurblut von rund 9.000 Menschen die größte Stammzellbank Europas.
Im vergangenen Jahr konnte ein Düsseldorfer Forscherteam um Gesine Kögler zudem zeigen, dass die Zellen im Labor vermehrt werden können, ohne ihre Wandlungsfähigkeit zu verlieren. Stammzellen aus Nabelschnurblut könnten sich demnach für die Therapie ebenso vieler Leiden eignen wie embryonale Stammzellen (s. Artikel auf der nächsten Seite).
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P F L EGEFALL FÜR EINEN TAG
Headline Text: , Fotos:
Etwa 11.000 Menschen erkranken in Deutschland jährlich an Leukämie. Chronisch lymphatische Leukämie (CLL) ist die häufigste Blutkrebsform bei Erwachsenen. Eine Möglichkeit der Behandlung ist die Stammzelltherapie, mit der man krankes durch gesundes Knochenmark ersetzen kann. Dazu wird zunächst durch eine hoch dosierte Chemotherapie das erkrankte Knochenmark zerstört. Eine anschließende Transfusion von Stammzellen sorgt dafür, dass sich neues, gesundes Knochenmark bildet. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten: Die Zellen stammen aus dem eigenen Blut (autolog) oder von einem Fremdspender (allogen). Die Stammzelltherapie wird im Universitätsklinikum Düsseldorf seit 1989 angeboten. Übrigens haben Krebspatienten im UKD seit Frühjahr 2005 die Möglichkeit, sich zentral im Interdisziplinären ambulanten Chemotherapiezentrum (IAC) behandeln zu lassen.
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STA M M Z E L LT H E RA P I E
Keine Angst vorm Fliegen Text: Thorsten Sauter Foto: Dominik Asbach
Den 16. Oktober 2002 wird Volker Steinacker nicht vergessen. An diesem Tag erfuhr er, dass er an chronisch lymphatischer Leukämie (CLL) erkrankt ist. Eine Stammzelltherapie gibt ihm jetzt neue Hoffnung. „Damals ist meine Lebensplanung komplett zusammengebrochen“, sagt der 58-Jährige heute. „Ich hatte mich zuvor des Öfteren ausgebrannt und leer gefühlt. Sicher steht man manchmal im Stress. Aber wer denkt da schon an den Ernstfall?“ Und unter der rechten Achsel hatte er einen Knoten, der da nicht hingehörte, der aber auch nicht störte. Es folgte eine erste sechsmonatige Chemotherapie in einem lokalen Krankenhaus, die keinen Erfolg brachte. Die Ärzte wussten nicht weiter. Man sieht Steinacker die Leidensgeschichte nicht an. Er fühle sich wohl, sagt er. Doch das war nicht immer so. Über viele Monate hinweg hat er sich intensiv über seine Krankheit informiert, im Internet und in Büchern. „Ich habe von Fallstudien gelesen und von dem großen Bedrohungspotenzial, das mich ganz real betrifft. Aber ich bin Laie und konnte das nicht interpretieren. Irgendwann habe ich dichtgemacht.“ Die Literatur wanderte ins Altpapier. Durch einen Zufall erfuhr der Düsseldorfer von der Stammzelltherapie im Universitätsklinikums. Dort machte er die Bekanntschaft mit Professor Rainer Haas, dem Direktor der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Klinischer Immunologie. Anfang 2004 kam es zur ersten, autologen Stammzelltherapie. Doch im April dieses Jahres hat sich die Krankheit erneut gezeigt.
Die aktuelle Chemotherapie, die er im „Interdisziplinären Ambulanten Chemotherapiezentrum“ (IAC) des UKD verabreicht bekommt, um den Krebs unter Kontrolle zu halten, verträgt er gut. Nun ist eine allogene Stammzelltherapie, also eine mit den Zellen eines anderen Menschen, seine letzte Chance. Seit Juni sucht das Universitätsklinikum weltweit nach einem Spender. Das ist nicht einfach, denn das genetische Muster des Spenders muss mit dem von Volker Steinacker weitgehend übereinstimmen. Aber immerhin hat Steinacker jetzt eine neue Perspektive. Bei der Stammzelltherapie mit fremden Zellen besteht eine realistische Hoffnung auf Heilung, nicht nur auf Verlängerung des Lebens. Volker Steinacker will seine Leukämie jetzt endgültig besiegen. „Beste Zeit meines Lebens” Und dann fällt ein bemerkenswerter Satz: „Mit der Krankheit begann die beste Zeit meines Lebens“. Wie bitte? Durch die Diagnose ist er dem „Moloch Arbeit“ entkommen, sagt er, und das war bitter nötig. Denn bei einem Gesundheits-Check im Zuge der Therapie wurde nebenbei eine Aortenverengung festgestellt, die lebensbedrohlich war. Der berufliche Stress hätte den selbstständigen Werbekaufmann über kurz oder lang „unter die Erde gebracht“, so seine Vermutung. Die Konse-
quenz war für ihn klar. Er hängte seinen Job über Nacht an den Nagel. Steinacker begann, das Leben zu genießen. Bei einem der zahlreichen Krankenhausaufenthalte schwärmte ein Bettnachbar vom Weihnachtsshoppen in New York. Vergangenen Dezember ist Steinacker mit seiner Frau hingeflogen, es war „wunderbar“. Dazu hat er sogar seine Flugangst überwunden. „Ich genieße nun jeden Tag.“ Stammzellen spenden heißt Leben spenden Überhaupt sieht der gelernte Werbekaufmann heute vieles bewusster. Blutspenden sei schon eine „tolle Tat“, aber die Entscheidung, Stammzellen zu spenden heiße Leben zu spenden. „Jemand, der die Zellentnahme über sich ergehen lässt, hat sich dazu entschlossen, ein einzigartiges Geschenk zu machen.“ Man spürt, dass Steinacker aufrichtige Achtung empfindet. Die entspringt auch aus seinem Glauben an Gott, ohne den er die Strapazen nicht überstanden hätte, wie er sagt. Und wie läuft es finanziell, so ganz ohne Arbeit? Der groß gewachsene Mann lehnt sich in seinem Gartensessel entspannt zurück. Materiell sei er nicht besonders anspruchsvoll, er lebe jetzt vom Sparbuch. Nur für seine Leidenschaft, das Fotografieren, gebe er ordentlich Geld aus. Er will nicht verschweigen, dass er immer wieder mal „vor einem großen, dunklen Loch steht“ und nicht weiter weiß. Aber er weiß, was er noch vorhat. Kürzlich schipperte er mit seiner Frau auf der Seine von Paris nach Le Havre. Und eine Fotoausstellung im Oktober ist schon fest geplant.
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N A B ELSCHNURBLUT
Bei vielen heute noch nicht heilbaren Erkrankungen wie Diabetes, Parkinson oder Alzheimer ruhen die Hoffnungen vieler Patienten auf den regenerativen Therapien durch Zellersatz. Mit Hilfe der Unterstützung der Deutschen José Carreras LeukämieStiftung e.V. konnte sich die Düsseldorfer Stammzellbank seit 1996 zur derzeit größten Stammzellbank in Europa entwickeln. Im Universitätsklinikum ist auch die Schaltstelle von Netcord angesiedelt, einer Datenbank, an der 14 führende Nabelschnurblutbanken beteiligt sind.
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N A B E L SC H N U R B LU T
Option auf die Zukunft Text: Susanne Dopheide Foto: Dominik Asbach
Schöne neue Welt: Diabetes und Parkinson sind heilbar, eine kaputte Bauchspeicheldrüse ist schnell ersetzt und ein verwirrter Alzheimer-Patient erfreut sich nach einem kleinen Eingriff wieder bestechender geistiger Potenz. Das ist Zukunftsmusik. Doch Mediziner forschen weltweit mit Hochdruck. Objekt ihrer Begierde sind Stammzellen. Die werden am besten direkt nach der Geburt gewonnen.
Bei einer Geburt sorgt sich die Mutter zuerst darum, dass ihr Kind wohlauf ist. Neuerdings stehen werdende Eltern aber vor der Entscheidung, ob das Restblut aus der Nabelschnur unmittelbar nach der Geburt konserviert werden soll. Denn das könnte einmal eine Art Lebensversicherung werden – für sich und andere. Die Nabelschnur ist nicht nur Versorgungsleitung des Fötus für Nährstoffe, Flüssigkeit und Sauerstoff. Durch sie fließen auch Stammzellen aus dem Körper des ungeborenen Kindes. Und die Stammzellen sind begehrt, denn sie werden verwendet, um Kindern und Erwachsenen mit Leukämien und anderen schweren Erkrankungen des blutbildenden Systems zu helfen. Um diese wertvolle Ressource werben kommerzielle und öffentliche Nabelschnurblutbanken. Solidarisches Prinzip Genau hier fängt das Problem an. Der Hauptunterschied zwischen beiden Blutbanktypen ist die vorgesehene Verwendung. Eine private Blutbank hebt das Blut ausschließlich für den Spender auf. Wenn sein Nabelschnurblut heute konserviert wird, darf er bei Bedarf ein Leben lang darauf zurückgreifen – aber nur er. Öffentliche Stammzellbanken dagegen verfolgen ein solidarisches Prinzip. Alle Eltern
haben die Möglichkeit, das Nabelschnurblut ihrer Sprösslinge einlagern zu lassen. Zugriff haben prinzipiell alle Patienten, denen dadurch geholfen werden kann. Unabhängig davon, ob eine eigene Spende vorliegt oder nicht. Einen medizinischen Grund zur Konservierung der eigenen Stammzellen aus Nabelschnurblut gibt es derzeit nicht. Sowohl bei Leukämien als auch bei anderen genetischen Erkrankungen gilt, dass ein Patient nicht seine eigenen belasteten Zellen zurückerhalten kann. Die eventuelle Anlage einer schweren Erkrankung würde sonst noch einmal übertragen. Vor diesem Hintergrund ist es besser, die Zellen eines fremden Spenders zu verwenden. Denn auch die Haltbarkeit der Stammzellpräparate ist noch nicht erwiesen: Möglicherweise ist die eigene Spende, wenn sie nach 20, 30 oder gar 50 Jahren benötigt wird, bereits zu alt und unbrauchbar. Gesine Kögler, Leiterin der José-CarrerasStammzellbank am Universitätsklinikum Düsseldorf, glaubt deshalb, dass „aus medizinischen und ethischen Gründen nur die Nabelschnurblutspende an eine öffentliche Stammzellbank mit gutem Gewissen“ empfohlen werden kann. Denn diese Spende steht allen Patienten zur Verfügung.
Die Spende ist für den Spender kostenlos. Dafür muss allerdings in einer der 50 bis 60 registrierten Entnahmekliniken in Deutschland entbunden werden, denn nur hier besteht die Möglichkeit einer so genannten gerichteten Spende, die beispielsweise einem Geschwisterkind zugute kommen soll. Für die Einlagerung von zielgerichteten Spenden in kommerzielle Stammzellbanken tragen die Eltern der Säuglinge die Kosten. Diese belaufen sich für eine Lagerung von zwanzig Jahren auf rund 2.000 Euro. Die private Entnahme ist in jeder Entbindungsklinik möglich. Falsche Vorstellungen korrigieren Wie aber sollen werdende Eltern die richtige Entscheidung treffen, wenn ihnen solche Informationen nicht zur Verfügung stehen? Für Gesine Kögler gibt es nur einen Weg: „Eine seriöse Beratung in den Entbindungskliniken muss die falschen Vorstellungen werdender Eltern korrigieren, die ihnen durch die Werbung vermittelt werden. Eine Nabelschnurblutspende ist keine Lebensversicherung für das eigene Kind.“ Das renommierte Deutsche Ärzteblatt geht noch einen Schritt weiter. Es nennt die kommerzielle Einlagerung für den Eigenbedarf „Luxusvorsorge für Utopisten“.
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Freiheit bis zuletzt Text: Thomas Finkemeier Illustrationen: Anke Hedfeld
Der Mensch ist mündig, sagt die Aufklärung. Das Leben ist heilig, sagt die Bibel. Und was tut der Arzt, wenn der Kranke nicht mehr leben will?
„Hoffentlich sterbe ich, bevor ich alt bin“ – so hat Pete Townshend von der britischen Rockband „The Who“ in den 60er Jahren gesungen. Ist das eigentlich eine Patientenverfügung? Sollte der inzwischen 60-jährige Musiker einmal ins Krankenhaus müssen, wird ihn wohl niemand beim Wort nehmen. It’s only Rock ’n’ Roll. Bleibt das Problem: Wie finden Ärzte in medizinischen Extremsituationen den Willen eines Patienten heraus? Einfach fragen, ist nicht immer möglich. Oft steht der Patient unter starken Schmerzmitteln, ist ohne Bewusstsein, dement oder desorientiert. Und was von dem Gesunden früher formuliert worden ist – im Gespräch mit Angehörigen oder festgelegt in einer Patientenverfügung – ist möglicherweise nicht mehr gültig. Ärzte erfahren es immer wieder: Auch Todkranke hoffen, solange der letzte Funken Leben glüht. Das eiskalte Händchen der Apparatemedizin Die moderne Medizin sorgt dafür, dass sterbende Menschen viel länger als früher weiter existieren können. Wohlgemerkt: existieren. Aber wie viel Leben steckt darin? Gerade wenn das Alter näher rückt, zittern so manchem „Best Ager“ die Knie. Noch nicht aus
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Altersschwäche. Sondern aus Angst: Angst vor Demenz und Alzheimer, vor Krebs und Herzinfarkt, vor Krankheit, Pflegebedürftigkeit und vor einem langsamen, einsamen Tod am eiskalten Händchen der Apparatemedizin. In Würde altern und in Würde sterben zu dürfen, wünschen sich die meisten Menschen. Doch was dies bedeutet, ist für jeden unterschiedlich. Ärzte kommen nicht daran vorbei, es in jedem individuellen Fall herauszufinden. Denn „die Anerkennung der Autonomie des Patienten ist eine Voraussetzung dafür, dass die Würde des Kranken erhalten bleibt“, meinen Klaus Schäfer und Jeanne Faust in ihrer Schrift „Geborgenheit und Autonomie – Wege zur Ethik im Krankenhaus“. Da stimmt auch Bernd Grabensee zu, Direktor der Klinik für Nephrologie (Nierenheilkunde) am Universitätsklinikum Düsseldorf. Er betont: „Die Selbstbestimmung des Patienten hat für uns die allergrößte Bedeutung.“ Als Vorsitzender des neu gegründeten Ethikrates am Klinikum ist Grabensee berufen, Empfehlungen auszusprechen, sofern der Leiter der für den Patienten zuständigen Klinik ihn darum bittet. Ethik, ein Teilbereich der Philosophie, beschäftigt sich damit, wie Menschen handeln sollen. Ethische Fragen
sind praktische Fragen, zumal für den Arzt: Soll noch reanimiert werden oder nicht? Sollen lebenserhaltende Maßnahmen aufrechterhalten oder abgebrochen werden? Sollen dem todkranken Krebspatienten medikamentös die Schmerzen genommen werden, auch wenn ihn diese Schmerzbehandlung einige Tage der knappen Zeit kostet, die er noch zu leben hat? Wenn einer „seinen“ Tod haben will Die selbstbestimmte Entscheidung macht den Menschen aus – zumindest das aufgeklärte Weltbild will es so. „Ich will meine Freiheit haben“ – mit dieser Begründung soll es der sterbende Dichter Rainer Maria Rilke konsequent abgelehnt haben, mit Medikamenten die heftigen Schmerzen zu lindern, die seine Blutkrankheit hervorrief. „Es war ihm ganz und gar nicht gleichgültig, wie er aus seinem Leben schied. Er wollte seinen Tod haben“, schreibt der Bonner Mediziner Linus Geisler, zeitweise Sachverständiger der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags zu Ethik und Recht der modernen Medizin. Aber kann der Mensch überhaupt handeln, wie er will? Immanuel Kant sagt: ja. Der Aufklärer aus Königsberg verkündete: „Der Geist des Menschen ist mündig und frei.“ Kant selbst starb im Jahr 1804 knapp 80-jährig. Fünf Jahre vorher hatte er seinen Freunden mitgeteilt: „Meine Herren, ich bin alt und schwach, Sie müssen mich wie ein Kind betrachten“ – so zeichnet es sein Biograf Manfred Kühn auf. Kant war im Alter „entkantet“, formulierte
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Johann Georg Scheffner, der Vertraute des Philosophen. Alt werden ist nichts für Heulsusen „Das hohe und höchste Alter ist gekennzeichnet von Gebrechen“, klagt der Journalist Haug von Kuenheim, Jahrgang 1934. „Der Schwerhörigkeit entgehen nur ganz wenige, die Sehkraft lässt nach, der Stock wird zum dritten Bein.“ Eine 97-jährige Anthropologin beschied der Journalistin Elizabeth Kolbert in einem Interview für die Zeitschrift New Yorker: „Eines kann ich Ihnen versichern, alt werden ist nichts für Heulsusen.“ So sehr die Erkenntnis schmerzt: Das selbstbestimmte und autonome Dasein stößt irgendwann an eine biologische Grenze. Für die einen früher, für die anderen später. Das Greisenalter, so rechnet der renommierteste deutsche Alterswissenschaftler Paul Baltes vom Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, beginnt etwa ab dem achten Lebensjahrzehnt. Dann wird der Abbau der körperlichen und geistigen Leistungskraft deutlich spürbar. Schon 15 Prozent der 80Jährigen und jeder zweite 90-Jährige leiden beispielsweise unter Demenz. Wodurch wird die Autonomie ergänzt, wenn die körperlichen und geistigen Fähigkeiten nachlassen? Das Vertrauen in den Arzt? Die
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Fürsorge der Angehörigen? Den professionellen Pflegedienst? Das Altenheim? Das Sterbehospiz? Oder doch durch die Religion, durch das göttliche Versprechen, Leid zu lindern und ewiges Leben zu schenken? Wenn es weh tut, sind wir christlich Not lehrt bekanntlich beten. Daniel Cohn Bendit, Alt-68er und Abgeordneter der Grünen im EU-Parlament, gestand jüngst im Interview mit der Berliner „Tageszeitung”: „Wir sind eine libertäre Partei, aber wenn es weh tut, sind wir christlich.“ Diese Haltung hat Tradition. Schon der Dichter Heinrich Heine spottete: „Den Himmel überlassen wir den Spatzen“ – und soll doch während seines Jahre dauernden Sterbens den Priester an seine Matratzengruft gerufen haben. Auch für Bernd Grabensee ist Gott die letzte Instanz. Leben ist dem Wissenschaftler heilig. Deswegen hält er beispielsweise die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe – wie in den Niederlanden – für nicht vertretbar. Übrigens sprechen nicht nur christliche Gründe dagegen. Die Grünen-Politikerin Christa Nickels, von Beruf Krankenschwester, warnt: „Ist aktive Sterbehilfe erst einmal legalisiert, wird über kurz oder lang in Rechtfertigungszwang geraten, wer trotz Leiden und unheilbarer Krankheit noch weiter-
leben will.“ Denn schließlich verursache er Kosten und Mühen. Was wohl die Krankenkassen und die Familien dazu sagen würden? Immer wieder gern zitiert wird die Geschichte, dass Eskimos im Alter zum Sterben allein hinaus aufs Eis gehen, um ihre Angehörigen zu entlasten. Ist das wahre Selbstbestimmung? Das Schicksal annehmen Wer den eigenen Tod will, hat seine Gründe. Diese Gründe liegen nicht unbedingt in der Krankheit. Mindestens ebenso wichtig ist es, welche Erfahrungen und Erwartungen der einzelne mit dieser Krankheit verknüpft. Ein Beispiel dafür schildert der aktuelle Bericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags. Er berichtet von einem alten Ehepaar, das gemeinsam den Freitod suchte. Der Grund: Bei der Frau war ein tödlicher Tumor diagnostiziert worden. Und der Mann hatte bereits seine erste Frau „elendig“ an Krebs zugrunde gehen sehen. Doch die Selbsttötung scheiterte. Und in den Monaten darauf gelang es durch schmerzlindernde Therapien, die so genannte Palliativmedizin, der Frau ein vergleichsweise friedliches Sterben zu ermöglichen. So hatte das Paar die Chance, die Situation anzunehmen: Sie ihren Tod und er sein Überleben.
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Auch beim „Sterben” kommt es auf das Leben an Zur Selbstbestimmung gehört es, sich nicht auf die Krankheit und den nahenden Tod reduzieren zu lassen. Das Leben und Sterben ist eingebunden in ein Netz aus Beziehungen zu Menschen, aus Hoffnungen und Erinnerungen. Hier gibt es viele Möglichkeiten für den Arzt, mit einfachen Mitteln die Lebensqualität auch eines Todkranken zu verbessern. „Da ist jemand vielleicht ein renommierter Wissenschaftler gewesen. Jetzt liegt er unrasiert und hilflos im Krankenbett und ist für die Schwestern bloß der Opa auf Zimmer drei“, malt Grabensee die Situation aus. Unter dem Verlust seiner Würde leidet der Mann unter Umständen mehr als unter den Schmerzen. Grabensee: „Deswegen frage ich Patienten immer, was sie beruflich machen oder gemacht haben. Wenn sie davon erzählen, blühen sie geradezu auf.“ Die innere Verbindung zum Leben vor der Krankheit erhält die Selbstachtung. Wird dieser Faden gekappt, kann auch der Wunsch zu leben verlöschen. Auch beim Sterben kommt es also auf das Leben an. Wer beispielsweise Gelegenheit hatte, sich an das Altern und das Nachlassen der Kräfte zu gewöhnen, vermag womöglich leichter mit dem Verlust an Autonomie umzugehen.
Paul Baltes wählt dazu ein idyllisches Bild wie aus der deutschen Romantik: Er beschreibt, wie ein alter Mann zunächst seinen Garten, später nur noch ein Beet und noch später nur den Blumenkasten vor seinem Fenster hegt und pflegt. Der Spielraum wird kleiner. Die Zufriedenheit bleibt. Der israelische Humorist Ephraim Kishon nahm das Thema lieber mit Humor: „Altern ist ein hochinteressanter Vorgang“, meinte er. „Man denkt und denkt und denkt. Und plötzlich kann man sich an nichts mehr erinnern.“
Zum Weiterlesen: Der aktuelle Zwischenbericht der Enquete-Kommission Ethik und Recht der modernen Medizin, „Verbesserung der Versorgung Schwerstkranker und Sterbender in Deutschland durch Palliativmedizin und Hospizarbeit“. Download als pdf-Datei: http://www.bundestag.de/parlament/
Der Ethikrat bietet konkrete Entscheidungshilfen. Der Klinische Ethikrat im Universitätsklinikum Düsseldorf ist nach Hannover, Erlangen und Freiburg erst der vierte an einer deutschen Universitätsklinik. Seine Hauptaufgabe ist es, Klinikleitern und behandelnden Ärzten im Einzelfall zur Beratung zur Verfügung zu stehen. Dabei geht es beispielsweise um die Frage, ob auf Reanimation oder bestimmte therapeutische Maßnahmen verzichtet werden kann, wenn ein todkranker Patient dies vorher in einer schriftlichen Patientenverfügung verlangt hat. Dem Klinischen Ethikrat unter Vorsitz von Professor Dr. Bernd Grabensee, Direktor der Klinik für Nephrologie, gehören neben Ärzten auch Juristen, Pfleger und Seelsorger an. Er kann sich bei Bedarf schnell zusammenfinden, um auf eine akute Situation zu reagieren. Der Ethikrat kann dem Behandlungsteam die Entscheidungen zwar nicht abnehmen, soll die Entscheidungsfindung aber durch Informationen und Beratung erleichtern.
kommissionen/ethik_med/berichte_stellg/ 05_06_22_zwischenberichtpalliativmedizin.pdf
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R E P ORTAGE
Die Seele von CE6 Text: Helene Conrady Fotos: Dominik Asbach
Kartoffelsuppe oder Gulasch, Streit mit der Krankenkasse, menschliche Zuwendung: Patienten wollen individuell versorgt werden, und das rund um die Uhr. Das neue Konzept der Bereichspflege hilft dabei. Wir haben einer Krankenschwester einen Tag lang über die Schulter geschaut. „Guten Morgen, ich bin Schwester Marion, ich möchte mit Ihnen die Mahlzeiten für den nächsten Tag besprechen.“ Schwester Marion legt ihre rechte Hand sanft auf den Unterarm der fast 90-Jährigen, die müde aus ihren Kissen blinzelt. Es ist 9.45 Uhr an einem hellen Sommermorgen, und auf der Chirurgischen Station CE6 des Düsseldorfer Universitätsklinikums herrscht geschäftiges Treiben. Auf dem Flur ist ein stetes Kommen und Gehen, Ärzte, Pfleger, Schwestern, Putzfrauen eilen rauf und runter, doch in dem Zweibettzimmer ist es still. Schwester Marion beugt sich über die alte Frau und spricht weiter, langsam und freundlich, wie eine gute Freundin. „Wollen Sie lieber Kartoffelsuppe, Milchreis oder Gulasch?“
* Alle Patientennamen geändert.
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„Was war das erste?“ Frieda Müller* wird zusehends munterer. „Kartoffelsuppe.“ Die Patientin strahlt: „Die nehm’ ich.“ Schwester Marion gibt die Information mit einem Spezialstift auf einem flachen Tablett-PC ein, dem Logimen-System. „Und zum Nachtisch?“ Punkt für Punkt gehen die beiden das Essen des nächsten Tages durch, wie viele Kekse, welche Brotsorte, welcher Belag, welcher Tee. Frieda Müller, die am Abend zuvor eine Hüftoperation hinter sich gebracht hat, wird immer gesprächiger. Sie erzählt von dem Un-
fall, bei dem ihre Hüfte brach, und von Auseinandersetzungen mit der Krankenkasse. „Wissen Sie was?“, sagt Schwester Marion, „ich sage dem Sozialdienst Bescheid. Die können Ihnen sicherlich helfen.“ „Ich bin Kummer gewohnt“, antwortet Frieda Müller, und sie lacht, wie eine, die am liebsten über sich selbst scherzt. Schwester Marion tätschelt der Patientin noch einmal kurz die Hand und geht dann ans Nebenbett. Dort liegt die 93-jährige Else Meier, ein zierliches Persönchen mit tiefer, etwas rauer Stimme. Weil sie sehbehindert ist, trägt sie eine dunkle Brille, hinter der ihr schmales Gesicht fast verschwindet. Auch sie ist gefallen und hat sich dabei die Hüfte gebrochen. „Möchten Sie wieder Weißbrot zum Abendessen?“ „Nein“, Else Meier schüttelt energisch den Kopf, „ich will Graubrot. Ich hatte seit acht Tagen keine Verdauung.“ „Sie brauchen ein Zäpfchen“, stellt Schwester Marion fest, „der Stationsarzt wird es Ihnen gewiss verordnen.“ Individuelle Betreuung Eine gute Stunde dauert dieser Gang durch die sieben Zimmer der Station. Eigentlich ist es eine eintönige Tätigkeit, doch Schwester Marion macht daraus einen Krankenbesuch,
Marion Wittau, 54, hat ihre Ausbildung von 1967 bis 1970 im Kreiskrankenhaus Schkeuditz gemacht und anschließend viele Jahre im Bezirkskrankenhaus Neubrandenburg gearbeitet. Dort hat sie sich auf Unfallchirurgie und Traumatologie spezialisiert. Im Frühjahr 1990 wechselte sie in das Düsseldorfer Universitätsklinikum, wo sie heute Stationsleiterin der Chirurgischen Station CE6 ist.
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der die Patienten für ein paar Minuten aus ihrem Leid reißt und ihnen ein Gefühl dafür gibt, dass das Leben weitergeht – in all seiner beruhigenden Banalität. Geschockt, oft traumatisiert sind alle, die es auf CE6 verschlägt, denn sie wurden durch einen Unfall jäh aus dem Alltag gerissen. Und dieses Erlebnis ist mindestens so schwer zu ertragen wie das körperliche Leiden selbst. Neben den alten Menschen sind auch viele junge Leute hier: Männer, die sich beim Motorradfahren in einer Kurve verkalkuliert haben, Väter, die beim Spiel mit den Sprösslingen ihre sportlichen Fähigkeiten überschätzten, oder der LKW-Fahrer, der zwischen zwei Lastwagen eingeklemmt wurde. Ein zweifacher Familienvater wurde sogar eines Abends von Unbekannten in der Wohnung seines Vaters überfallen: Die Räuber haben ihm und seinem Vater gezielt in die Beine geschossen. Das Entsetzen über das Erlebte ist in den Augen vieler Patienten noch zu sehen. Keiner von ihnen hat verarbeitet, was passiert ist. Nur eines haben sie begriffen: Von einer Sekunde zur nächsten hat sich ihr Leben dramatisch verändert. Sie sind eingeschränkt, vielleicht sogar für den Rest des Lebens, und derzeit auf Hilfe bei den einfachsten Dingen angewiesen, beim Waschen zum Beispiel
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oder dem Gang zur Toilette. In so einer Situation kann ein Gespräch über das Essen des nächsten Tages das Gefühl von Normalität vermitteln, nach der sich diese Menschen möglicherweise sehnen. Genau dieses Gefühl vermittelt Schwester Marion. Mal scherzt sie mit einem der Patienten über Männer, die keinen Milchreis mögen, mal rät sie einem anderen, zum Abendessen doch mal einen anderen Brotbelag zu wählen. Ihr Ton ist freundlich, manchmal fürsorglich und beinahe liebevoll. Bereichspflege: Ein neues Konzept zum Nutzen der Patienten Schwester Marion ist Leiterin der Station, also zuständig für Organisation, Planung und Kontrolle der täglichen Arbeit. Außerdem übernimmt sie den so genannten Außendienst. Sie wird immer dann aktiv, wenn das Team Unterstützung braucht. Grund für diese Doppelrolle: CE6 ist eine von sechs Stationen im Universitätsklinikum, die nach einem neuen Pflegekonzept arbeiten, der so genannten Bereichspflege. Damit ist ein Arbeitsmodell, das Anfang der 90er Jahre in der Industrie Einzug hielt, nun auch in der Krankenpflege angekommen: die Gruppenarbeit und mit ihr die größere Autonomie einzelner Mitarbeiter.
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Wesentlicher Bestandteil des neuen Konzepts: Die Schwestern und Pfleger können – ja, müssen! – sich ihre Tätigkeiten innerhalb eines vorgegebenen Rahmens selbst einteilen. Vorbei sind die Zeiten, in denen die eine Fieber maß, die andere Betten machte und der dritte schließlich die Patienten wusch. Die Patienten von CE6 sind in zwei Gruppen aufgeteilt: Die rote hat vier Zimmer mit zwölf Patienten, die blaue vier Zimmer mit 13 Patienten. Pro Schicht ist eine examinierte Schwester oder ein Pfleger für eine Gruppe zuständig. Die so genannten Bereichspfleger werden häufig von Auszubildenden unterstützt, versehen also gleichzeitig Aufgaben als Mentoren der Azubis. An diesem Sommermorgen versorgt Inga Knörck die rote Gruppe und Walter Christoph die blaue. Schwesterschülerin Hanna SchulteHengesbach geht Schwester Inga zur Hand. Alle drei sind seit sechs Uhr auf der Station, haben bereits erste Besprechungen und die so genannte Übergabe erledigt. Während dieser Zeit hat Schwester Marion die Kranken versorgt. Um acht Uhr ist ein ebenfalls examinierter Pfleger dazugekommen: Stefan Hoffmann versieht als weiterer Springer bis 16.30 Uhr den so genannten Zwischendienst.
Schwester Inga und Pfleger Walter müssen sich alle anfallenden Aufgaben innerhalb ihrer Gruppe selbst einteilen. Dazu gehört die Grundpflege ebenso wie Betten machen, Temperatur messen, Infusionen auswechseln, Medizin verabreichen und nicht zuletzt Buch führen über das, was sie getan haben. Manche Patienten müssen zur Toilette begleitet werden, andere gewaschen werden. Am Ende der Schicht werden diese Pflegedokumente in einer ausführlichen Besprechung an die Kollegin oder den Kollegen weitergegeben, die damit bestens über den Zustand der Patienten informiert sind. Größere Eigenverantwortlichkeit Der besondere Vorteil des neuen Konzepts: „Es ist eine patientenorientierte Pflege, die eine ganzheitliche Betrachtung erlaubt. Mit einer festen Bezugsperson bietet sie Zeit und Raum für die emotionalen, sozialen und physischen Bedürfnisse der Patienten“, so Petra Köhler, Pflegefachbereichsleiterin im Universitätsklinikum. „Das stimmt“, sagt Schwester Marion, „wenn Sie mehrere Tage einen Menschen derart intensiv betreut haben, wissen Sie, wann er Schmerzen hat und warum, wie sein Allgemeinzustand ist und was er braucht.“ Doch
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das ist es nicht allein, weshalb sie das neue System positiv beurteilt. „Jetzt kann sich keiner mehr durchschlängeln“, fasst sie die Veränderungen zusammen. „Wenn früher etwas schief lief, hatte nie einer Schuld. Nie.“ Sie lächelt vielsagend. „Heute sehen Sie sofort, wer’s war.“ Ist die Gruppenarbeit also eine gute Methode, um Mitarbeiter und Kollegen zu kontrollieren? „Gewiss. Das ist eine meiner Aufgaben.“ 10.45 h – Schwester Marion tritt auf den Gang. Pfleger Walter schiebt einen Mann im Rollstuhl zum Badezimmer, wo er ihm beim Duschen helfen wird. Physiotherapeut Dirk Gollata öffnet die Tür zur „Folterkammer“, wie der Raum für die Krankengymnastik scherzhaft genannt wird. Heraus kommt Mustafa Ersoy, der Mann, der beim Überfall angeschossen wurde. Auf zwei Krücken gestützt, macht er kleine, vorsichtige Schritte, das Gesicht bleich vor Schmerz. Stationsarzt Dr. Mohssen Hakimi ist auf Verbandsvisite. Mit drei Medizinstudentinnen im praktischen Jahr geht er von Zimmer zu Zimmer, begutachtet Wunden, legt neue Verbände an. Die jungen Frauen sollen lernen, bestimmte Verbände selbstständig zu wechseln. Immer wieder kommt einer der Mediziner auf den Flur, um vom Verbandswagen steriles Material zu holen.
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Die alte Frau aus Zimmer 18 kommt aus der Tür, auf der ein rotes, gemaltes Herz klebt. „Darf ich ein bisschen laufen?“ „Aber selbstverständlich!“, sagt Schwester Marion und macht der Patientin Platz, damit die sich am Handgitter festhalten kann, das sich an der Wand entlangzieht. „Sehr gut machen Sie das, Frau Schulze!“, lobt sie die Kranke. Die alte Frau leidet unter Alzheimer. Daher das rote Herz auf der Tür, die Schwestern haben es als Wegweiser angeklebt. Den Überblick behalten – keine leichte Aufgabe 11.00 h – Zwei junge Männer betreten die Station und gehen auf ein Bett im Gang zu, in dem eine Frau mit einem verletzten Bein liegt. Sie sind im Begriff, das Bett zum Aufzug zu schieben. „Moment!“, Schwester Marion eilt dazu. „Wo bringen Sie Frau Schmitz hin?“ „Zum Röntgen“, sagt einer der Männer – der, wie sich herausstellt, beim „Hol- und Bringdienst“ arbeitet. Es entspinnt sich ein kurzer Wortwechsel. Am Ende schiebt Schwester Marion die Patientin wieder ins Zimmer zurück. Erregt läuft sie in das kleine Glaskabuff in der Mitte der Station. „Olga“, sagt sie zur Stationssekretärin Olga Maniotou, „rufen Sie bitte in der Röntgenabteilung an und klären Sie das!“
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Schwester Marion ist empört. Es bedurfte vieler Telefonate und Terminabstimmungen am Tag zuvor, um sicherzustellen, dass Frau Schmitz erst einen Gips bekommt und dann geröntgt wird und das im Beisein des Oberarztes, der den komplizierten Bruch im Sprunggelenk der Patientin in einem ganz bestimmten Winkel sehen möchte. Und nun das! Beinahe wäre die Patientin ohne Gips geröntgt worden. „Wie gut, dass ich das rechtzeitig mitbekommen habe“, seufzt Schwester Marion erleichtert. Was sie nicht weiß: Eine knappe Stunde später wird sie Frau Schmitz wieder aus den Händen der Männer vom Hol- und Bringdienst reißen müssen, die sie erneut zum Röntgen entführen wollen. Slapstick? Aber nein! Alltag in einem Betrieb mit vielen Abteilungen, in dem Absprachen nicht immer reibungslos funktionieren. 11.10 h – Während sie sich sammelt, kommt schon wieder ein fremder Mensch auf die Station: eine Besucherin. Schwester Marion eilt auf sie zu, redet auf sie ein, die Frau nickt und geht wieder. Besucher sind vor 14 Uhr nicht erwünscht, denn gerade am Vormittag steht viel Arbeit auf dem Plan, zum Beispiel die Visite des Professors. Gemessenen Schritts
betritt Joachim Windolf die Station. Begleitet von anderen Ärzten, beginnt er seine Runde. Schwester Marion verzieht sich in den Materialraum. Gemeinsam mit Pfleger Walter prüft sie die Bestände und schreibt Bestellungen für Verbandsmaterialien, Spritzen und Kanülen. „Eigentlich ein ruhiger Tag heute“, sagt sie. Keine Neuaufnahme, niemand, der von der Intensivstation überwiesen wird. Beides hätte eine sehr intensive Arbeit mit dem jeweiligen Patienten erfordert. Bei Neuaufnahmen müssen die Krankenakte angelegt sowie Formulare für die Verwaltung und die Krankenkassen ausgefüllt werden. Patienten, die von der Intensivstation kommen, werden in einem gesonderten Raum neben dem Glaskabuff untergebracht, wo sie unter ständiger Kontrolle sind. Dort werden die Maschinen justiert und die Infusionen eingestellt – eine aufwändige Arbeit. Patientenbetreuung rund um die Uhr 11.30 h – Zeit für eine Pause. Schwester Marion geht in den Sozialraum der Station, ein heller Raum mit Balkon und einem unbezahlbaren Blick über die Skyline von Düsseldorf. Doch das sieht keiner mehr, der hier arbeitet. Wer sich an dem Tisch mit der bunten Plastikdecke niederlässt oder auf dem Balkon
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eine Zigarette raucht, der will abschalten, und zwar gründlich. Die Pausen – pro 8,5 StundenSchicht sind es 30 Minuten – werden morgens festgelegt. Immer nur einer darf seine Arbeit unterbrechen; damit ist gewährleistet, dass die Patienten stets einen Ansprechpartner haben. Auch dies ist ein Unterschied zur früheren Arbeitsorganisation. Damals machten alle gleichzeitig Pause – mit dem Resultat, dass Patienten, die um Hilfe baten, als lästige Störung empfunden wurden. Schwester Marion gießt sich ein großes Glas Wasser ein und trinkt in langsamen Schlucken. 12.00 h – Die Wagen mit dem Mittagessen stehen auf dem Gang. Schwester Marion verteilt Tabletts, die mit weißen Zetteln gekennzeichnet sind. Auf ihnen stehen die Namen der Patienten. Unterstützung bekommt sie von Ana Toljau, der Versorgungsassistentin. „Frau Herwig braucht Hilfe beim Essen“, sagt Schwester Marion, „schickst Du bitte Nadine?“ Nadine, die Praktikantin, geht zu der alten Frau auf Zimmer 17, die allen Sorgen bereitet, weil sie das Essen verweigert. Allmählich wird es ruhiger auf dem Flur. Die Ärzte sind verschwunden, die Kranken essen. 12.30 h – Ein Anruf aus dem OP. Frau Hofer kann nach unten gebracht werden. Die 70-
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Jährige ist in ihrem Bett bereits auf den Gang geschoben worden. Zwar benommen von ihren Beruhigungsmitteln, fragt sie dennoch nach dem Mittagessen. „Wir heben es für Sie auf“, beruhigt sie Schwester Marion. Gemeinsam mit Pfleger Stefan schiebt sie das Bett zum Patientenaufzug und fährt zwei Etagen hinunter zur Schleuse, wo die Patientin von den Grünkitteln aus dem OP auf einen Tisch gebettet wird. Frau Hofer murrt leise über die harte Unterlage. „Es dauert nicht lange“, sagt Schwester Marion, „bald sind Sie wieder oben.“ Fingerspitzengefühl für jeden einzelnen Kranken 12.45 h – Katharina Scholz, Saime Isik sowie Schwesternschülerin Daniela Köster sind eingetroffen, sie werden die Spätschicht übernehmen. Die drei treffen sich mit Schwester Inga, Schwesterschülerin Hanna und Praktikantin Nadine im Sozialraum. Die „Übergabe“ steht auf dem Plan. In den nächsten 45 Minuten sind Schwester Marion und Pfleger Stefan für die Patienten zuständig, während die sechs drinnen anhand der Krankenakten die Patienten Person für Person besprechen. Es geht nicht allein um die medizinische Diagnose, um Medikamente oder den Zustand der Wunden, auch das psychische Befinden der
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Kranken ist ein überaus wichtiges Thema. Schwester Inga berichtet, dass Herr Nando endlich gegessen habe. „Ja, seit er unseren Kuchen probiert hat, hat er Appetit bekommen“, wirft Schwester Katharina ein, sichtlich stolz auf die Idee, den alten, ein wenig verwirrten Mann mit süßen Sachen zu verführen. Nicht nur er ist unberechenbar, auch Frau Herwig aus Zimmer 17, die das Essen verweigert, ist Thema. „Sie soll morgen entlassen werden“, berichtet Schwester Inga, „mal sehen, ob das Pflegeheim sie wieder nimmt.“ Und dann ist da Frau Sacher. Sie weint häufig aus nicht nachvollziehbaren Gründen, berichtet Schwester Inga. Die Patientin mit dem gebrochenen Bein hat Angst vor der Operation, vor allem vor einer Narbe. Grund: Sie trägt gern kurze Röcke. Betretenes Schweigen am Tisch, dann murmelt eine was von „Ich würde mich freuen, wenn ich wieder laufen könnte“.
13.30 h – Schwester Katharina und Schwester Saime gehen nach draußen zu den Patienten. „Noch 15 Minuten“, sagt Schwester Marion, „dann kommt meine Stellvertreterin. Wir wollen die Dienstpläne für August und September durchgehen. Danach bin ich fertig für heute.“ Sie setzt sich an den bunten Tisch. Sie sieht müde aus, dann fängt sie sich wieder, betrachtet ihre Besucher herausfordernd, lächelt, ihre blau-grünen Augen leuchten. „Wissen Sie was? Ich mache meine Arbeit gern. Man kann die Erfolge so gut sehen. Oft kommen Patienten mit schrecklichen Verletzungen, Mehrfachbrüchen, dramatischen Wunden und sind völlig verwirrt von den Ereignissen. Doch irgendwann können sie sich wieder allein bewegen und in ihr altes Leben zurückkehren. Das ist toll zu sehen!“
13.20 h – Schwester Marion kommt ins Zimmer: „Frau Schneide ist aus dem OP zurück. Sie kann in einer Stunde essen. Frau Esser kommt morgen in die Reha. Hast Du das schon notiert, Inga?“ Inga schüttelt den Kopf, greift zum Stift. Schwester Marion sieht ihr dabei zu. Dann: „Habt ihr schon eure Pausen eingeteilt?“ Die jungen Frauen nicken.
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Die Forscher forschen lassen Text: Thorsten Sauter Foto: Dominik Asbach
Der Immunologe und Mikrobiologe Klaus Pfeffer ist Leibnizpreisträger. Er sieht die Auszeichnung als Plädoyer für die Grundlagenforschung und bekommt dabei Unterstützung von Leibniz selbst. Es gibt Menschen, die fragen aus reinem Interesse. Etwa: Wie berechnet man die Fläche eines Tintenkleckses? Der das fragte, war Gottfried Wilhelm Leibniz. Wozu das gut sein soll, war ihm erst einmal egal. Er wollte den Klecks berechnen, aus Neugier, einfach so. Doch dazu war bis dahin niemand in der Lage, denn die Konturen eines Flecks sind unregelmäßig und ein adäquates mathematisches Verfahren gab es nicht. Bis Leibniz auf die Idee kam, den Fleck gedanklich in kleine Quadrate aufzuteilen, ähnlich den Kästchen auf Rechenpapier, sodass auch die Konturen bis ins Detail kalkuliert werden konnten. Je kleiner die Quadrate, desto genauer müsste das Ergebnis werden. Damit hatte er die Lösung – und zugleich die Grundlage für die Unendlichkeitsrechnung gelegt. Ohne die hätten wir heute keine moderne Mathematik, keine Mikroelektronik, überhaupt würde die Welt anders aussehen. „Wissenschaft ist immer der Weg ins Ungewisse“, sagt Klaus Pfeffer, „und nicht primär gewinnorientiert.“ Pfeffer ist Professor für Infektionsimmunologie und Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie am Universitätsklinikum Düsseldorf. Er betreibt Grundlagenforschung auf dem Gebiet der molekularbiologisch orientierten InfektionsImmunologie und konzentriert sich darauf,
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neu entdeckte Gene auf ihre Funktion bei der Abwehr intrazellulärer Krankheitserreger hin zu untersuchen. Er fand heraus, dass bestimmte Gene in Zellen, die von einem Erreger infiziert wurden, bei den Nachbarzellen Alarm schlagen und Abwehrmechanismen aktivieren, um der Krankheit den Garaus zu machen. Seit rund 15 Jahren ist er an dem Thema dran. Pfeffer schätzt, dass von den 30.000 bis 40.000 Genen des Menschen rund 20 bis 25 Prozent mit der Infektionsabwehr beschäftigt sind. Leider weiß bislang niemand, welche Gene das sind. Ein Thema für die Grundlagenforschung. Für seine Arbeiten wurde ihm 2004 der Leibnizpreis der Deutschen Forschungsgemeinschaft verliehen. 1,55 Millionen Euro bekommt Pfeffer als Preisgeld. Die Summe ist abrufbar bis 2009 und wirkt sich segensreich aus. Der Forscher hat aus diesen Mitteln bereits ein Hochdurchsatzsortiergerät beschafft. 350.000 Euro kostet es und sortiert dafür einzelne Zellen des Immunsystems und analysiert, welche Funktionen sie bei der Erregerabwehr haben. Dadurch ist das Institut in der Lage, acht bis zehn Gene gleichzeitig zu untersuchen. Vorher waren es drei bis vier. „Wir haben jetzt viel höhere Erfolgschancen“, betont Pfeffer und verweist auf die neu geschaffenen Stellen.
Zwei Postdoktoranden, ein Technischer Assistent und ein Doktorand forschen zusätzlich mit. Das kommt nicht nur dem Institut, sondern auch dem Universitätsklinikum zugute. Dass Grundlagenforschung sinnvoll ist, beweisen die Ergebnisse jetzt schon. Menschen, die an rheumatoider Arthritis leiden, können nun zu Medikamenten greifen, bei denen die Nebenwirkungen besser abzusehen sind und vor der Therapie berücksichtigt werden können. Mittelfristig ist denkbar, infektionsanfällige Patienten gezielt auf Defekte in den Genen zu untersuchen, die für ihre Erregerabwehr bekannt sind. Doch das ist ein weiter Weg. Wissenschaft ist eine Kulturleistung Grundlagenforschung bleibt die Basis für medizinischen Fortschritt. Knappe öffentliche Haushalte und der Druck, profitabel zu wirtschaften, stehen dem entgegen. Aber es geht auch anders. Während wir für Grundlagen immer weniger Geld ausgeben, legen die Amerikaner zu. Größere Anstrengungen um Stifterkapital aus privaten Händen und ein ausgeprägter Sinn für Öffentlichkeitsarbeit sind der Schlüssel dazu. „Wissenschaft ist eine anerkannte Kulturleistung“, sagt Pfeffer,„viele Menschen haben sich über hunderte von Jahren angestrengt, um das zu erreichen. Man muss die Forscher forschen lassen, dann wird das schon.” Vielleicht sollte man den Verantwortlichen die Geschichte von dem Tintenklecks erzählen und auch, dass es keine Garantie für den schnellen Erfolg gibt.
Klaus Pfeffer ganz oben: Dem Wissenschaftler wurde 2004 der Leibnizpreis verliehen. Die 1,55 Millionen Euro Preisgeld ermöglichen ihm, die Forschungen in der molekularbiologisch orientierten Infektionsimmunologie zu intensivieren. Gut auch für das Universitätsklinikum, das damit sein internationales Renommee auf diesem Gebiet unterstreicht.
Der Leibnizpreis hat zum Ziel, die Arbeitsbedingungen herausragender Wissenschaftler aller Fachrichtungen zu verbessern und sie von administrativem Aufwand zu befreien. Er ist mit 1,55 Millionen Euro der höchstdotierte deutsche Forscherpreis und wird seit 1985 vergeben. Zuweilen als „deutscher Nobelpreis“ bezeichnet, geht die Auszeichnung zurück auf das Universalgenie Gottfried Wilhelm Leibniz, der in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts grundlegende Erkenntnisse in Mathematik und Philosophie erarbeitete und sich auch als Erfinder hervortat. UKD-Magazin 01/05
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Wenn Viren auf die Reise gehen Text: Thomas Finkemeier, Ulrich Kraft Illustrationen: Peter Breuer
Viren und Bakterien haben etwas mit dem Menschen gemeinsam: Sie sind mobil. Und sehr anpassungsfähig.
Zu Tausenden zogen sie aus, um den christlichen Glauben mit Waffengewalt in die arabische Welt zu tragen. Ruhm und Macht winkten jenen, die wieder in die Heimat zurückkehrten. Doch fatalerweise hatten die Kreuzritter noch etwas anderes im Gepäck als glorreiche Siege. Ein etwa 200 Nanometer großes Virus, das später einmal den Namen Variola bekommen sollte. Der Erreger der Pocken forderte in den folgenden Jahrhunderten viele Millionen Todesopfer in Europa. Aber der Virus wanderte weiter. Als die europäischen Eroberer nach Amerika kamen, brachten sie die auch als „Blattern“ bezeichnete Infektionskrankheit mit, die in der neuen Welt bis dahin völlig unbekannt war und unter den Ureinwohnern verheerende Epidemien auslösten. Erst im 19. Jahrhundert verlor die Krankheit dann nach und nach ihren Schrecken, weil es dem englischen Landarzt Edward Jenner gelang, einen Impfstoff zu entwickeln. Heute sind die Pocken ein Fall für Medizinhistoriker. Das Grundproblem ist hingegen drängender denn je. Denn Viren und Bakterien teilen mit ihrem „Wirtstier“, dem Menschen, eine gemeinsame Leidenschaft. Sie reisen gerne und das fällt im dritten
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Jahrtausend besonders leicht. Bedingt durch die zunehmende Globalisierung können sich nun auch solche Krankheitserreger verbreiten, die bislang auf bestimmte Regionen begrenzt waren: Bequem reisen sie in klimatisierten Flugzeugen binnen sehr kurzer Zeit um den gesamten Erdball. Diese Entwicklung hatte Sir Frank MacFarlane Burnet wohl nicht kommen sehen: 1958 prophezeite der Medizin-Nobelpreisträger, bis zum Ende des Jahrhunderts habe man die meisten Infektionskrankheiten besiegt. Weit gefehlt! Nach wie vor sind ansteckende Krankheiten die weltweit häufigste Todesursache. Fast 20 Millionen Tote gehen jedes Jahr auf das Konto von Viren und Bakterien. Tendenz steigend. Die Weltgesundheitsorganisation WHO schlug bereits Alarm: „Infektionskrankheiten weiter auf dem Vormarsch!“ Altbekannte Seuchen kehren mit Macht zurück, auch dorthin, wo man sie längst besiegt glaubte. So kam es 1992 in den USA zu einem Cholera-Ausbruch, dem ersten seit hundert Jahren. Eingeschleppt wurde der Erreger in einem Flugzeug aus Peru. Aber auch viele ganz neue Leiden sind in der jüngeren Vergangenheit aufgetaucht, das prominenteste heißt AIDS. Fest steht: Infektionskrankheiten sind ein
globales Problem, ihre Erreger halten sich nicht an Einwanderungsbestimmungen und Passkontrollen. Außerdem besitzen Mikroben noch eine zweite, gefährliche Eigenschaft. Sie sind sehr flexibel und können sich durch Mutation rasch an veränderte Bedingungen anpassen. Die Grippe steht vor dem Comeback Auf der Liste der „globalen Killer“ steht die Malaria zurzeit „nur“ auf Rang drei. Was vor allem damit zusammenhängt, dass sich die von Stechmücken der Gattung Anopheles übertragene Tropenkrankheit nicht in gemäßigten Klimaregionen ausbreiten kann. In Mitteleuropa ist es dem Malaria-Erreger, einem Einzeller namens Plasmodium, zu kalt. Das muss aber nicht so bleiben, wenn die Klimaerwärmung weiter fortschreitet. „Über Wochen dauernde Wärmeperioden, also selbst nachts eine Temperatur von mehr als 18 Grad Celsius, würden auch hier die Ansiedlung von Malaria, Leishmaniose, Dengue, West-NileFieber und anderer Krankheiten ermöglichen“, erklärt Professor Heinz Mehlhorn, Direktor des Instituts für Zoomorphologie, Zellbiologie und Parasitologie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. „Überträgermücken sind bereits in ausreichender Menge hier. Touristen könnten dann als aktive Importeure dienen.“ Zwischen 800 und 1.500 Bundesbürger erkranken jährlich an Malaria, alle auf Reisen in tropische Regionen. 10 bis 20 von ihnen sterben, zumeist nach ihrer Rückkehr. Wegen der langen Inkubationszeit bringen nicht wenige die Plasmodien in ihrem Blut mit nach
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Hause. Doch auch wer seinen Urlaub lieber in Bayern verbringt, ist nicht gefeit, denn manchmal kommen die Erreger auch zu uns. Die Grippe, auch Influenza genannt, ist eine alte Bekannte. So alt, dass viele sie inzwischen für harmlos halten. Oft verwechseln wir sie sogar wegen der ähnlichen Symptome mit einer einfachen Erkältung. Reinhard Kurth, Präsident des Robert-Koch-Instituts, der zentralen Einrichtung der Bundesregierung auf dem Gebiet der Krankheitskontrolle und -prävention, hat sofortige staatliche Investitionen zur Vorbereitung auf eine katastrophale Grippewelle gefordert. Die Gefahr einer so genannten Pandemie, einer weltweiten Ausbreitung mit vielen Millionen Toten, sei seit fünfzig Jahren nicht mehr so hoch gewesen wie heute, sagte Kurth in einem Interview mit der Zeitung „Die Zeit“. Was das bedeuten könnte, zeigt ein Rückblick auf die Jahre 1918/19, als zwischen 20 und 50 Millionen Menschen weltweit der so genannten „Spanischen Grippe“ zum Opfer fielen. Als wahrscheinlichsten Kandidaten für die nächste große Influenza-Attacke bezeichnet das Robert-Koch-Institut das Vogelgrippevirus H5N1. Bei Zuchtvögeln wie Hühnern hat sich H5N1 im gesamten asiatischen Raum von Taiwan bis Indonesien verbreitet. Entdeckt wurde das Virus vor acht Jahren in Hongkong. Die Ärzte identifizierten es in sechs Menschen, die nach dem Kontakt
mit infiziertem Hausgeflügel erkrankt und gestorben waren. Seit 2002 wird der neu gefundene Virustyp immer aggressiver. H5N1 befiel in einem nächsten Schritt Katzen, Schweine und Tiger. Dann griff es immer häufiger auch Menschen an und verursachte schwere Erkrankungen, nicht selten mit tödlichem Ausgang. Zehn asiatische Länder meldeten bis heute mehr oder minder große Ausbrüche. Binnen Tagen um die Welt „Tatsächlich ist die Frage nicht mehr, ob es eine Pandemie gibt, sondern nur noch, wann und in welchem Ausmaß“, äußerte sich Sabine Reiter, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Robert-Koch-Institut, in der Berliner Tageszeitung „Das hochaggressive Vogelgrippevirus hat die Fähigkeit erlangt, auf Menschen überzuspringen.“ Die Experten befürchten, dass das Virus sich so verändert, dass es auch von Mensch zu Mensch weitergegeben werden kann. Bisher wurde dieser Infektionsweg wissenschaftlich noch nicht bestätigt. Falls dies jedoch passiert und das mutierte H5N1 asiatische Großstädte erreicht, dann werden Touristen und Geschäftsreisende die Killergrippe binnen weniger Tage über den ganzen Globus verbreiten. Es geschieht häufig, dass sich ein Virus genetisch umbaut und dadurch seine Eigenschaften verändert. So sind viele für den
Menschen gefährliche Viren wie der LassaErreger, die Marburg- und Ebola-Viren oder der Verursacher des Krim-Kongo-Fiebers erst in den letzten Jahrzehnten aufgetaucht. Auch das Coronavirus, das 2002 in der chinesischen Provinz Guangdong die der Lungenentzündung ähnliche Erkrankung SARS hervorrief, war vorher völlig unbekannt. Reisende trugen den Erreger in zahlreiche asiatische Länder − und darüber hinaus bis nach Kanada, Großbritannien und Deutschland. Der WHO zufolge starben 916 Menschen an SARS. Einer von ihnen war der italienische Arzt Carlo Urbani, der als erster auf die neue Lungenkrankheit aufmerksam machte. So tragisch sie verlief, die Geschichte von SARS lässt sich auch als Erfolgsstory erzählen. „Im Fall des SARS-Virus ist es gelungen, eine weltweite und dauerhafte Verbreitung zu verhindern“, erläutert Professor Hartmut Hengel, Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Düsseldorf (UKD). „Einerseits beruhte das darauf, dass es mit Hilfe molekularbiologischer Verfahren innerhalb kurzer Zeit möglich war, infizierte Patienten zuverlässig zu erkennen. Der zweite Baustein des Erfolgs war, dass die Gesundheitsbehörden der betroffenen Länder unter Federführung der WHO besser und offener zusammenwirkten. Darauf wird es auch bei einer drohenden Influenza-Pandemie ankommen, auf die wir uns heute schon einstellen müssen.“ HIV – eine moderne Seuche Welche vernichtende Kraft ein Erreger ent-
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faltet, der nicht gestoppt werden kann, zeigt das Human Immunodeficiency Virus (HIV). Es verursacht die tödliche Immunschwäche AIDS. Nachdem das Virus zuvor nur Affen befiel, scheint es irgendwann in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts mutiert zu sein. Es infizierte zunächst Menschen in Afrika und gelangte dann vermutlich über Haiti in die USA, wo es Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre ankam. Inzwischen hat es sich auf der ganzen Welt verbreitet. Aids tötet drei bis vier Millionen Menschen pro Jahr. In den Staaten des ehemaligen Ostblocks werden aktuell verheerende Zuwachsraten der HIV-Erkrankungen um den Faktor zehn beobachtet. Professor Dieter Häussinger, Direktor der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie am UKD, warnt: „Das sind erschreckende Zahlen. Wir können damit rechnen, dass wir von dieser Entwicklung wegen der geringen Entfernung auch betroffen sein werden.“ Und das Virus bleibt flexibel. Hartmut Hengel ergänzt: „Es gibt einen Wettlauf zwischen dem Virus und den Medikamenten. Denn die HI-Viren werden schnell gegen die Medikamente resistent, wenn diese nicht konsequent eingenommen werden.“ Es ist ihre Anpassungsfähigkeit, die Infektionserreger wie Viren und Bakterien so erfolgreich machen. Immer wieder umgehen sie die Antworten, die das menschliche Immunsystem oder die Medizin auf sie finden. Sie entwickeln Resistenzen gegen Medikamente
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und passen sich neuen Wirten und Überträgern an. Das macht es so schwer, eine Infektionskrankheit weltweit auszurotten. Bei einem Virus ist dies bisher erst einmal gelungen. Beinahe. Viren als Waffen Variola, der Pockenerreger, den Europa den Kreuzrittern verdankte, ist heute nahezu ausgerottet. Noch im 18. Jahrhundert forderten die Pocken in Europa mehrere hunderttausend
Tote. Doch im Gegensatz zu vielen anderen Viren, die auf oder in unterschiedlichen Wirten überleben, kann das Pockenvirus nur im Menschen existieren. Ein entscheidender Vorteil, der den Kampf gegen den Killer erleichterte. Mit einer konsequenten Impfkampagne gelang es 1977, das Virus zu vernichten. Fast. Hätten nicht einige Labors, beispielsweise in der Sowjetunion und den USA, Proben des Variola-Virus behalten. Warum? Das Pockenvirus gibt eine wirksame biologische Waffe
Demnächst im UKD: Höchste Sicherheit vor Infektionen Der Umgang mit Patienten, die unter hoch-
Krankheiten stationär in Quarantäne und un-
gradig ansteckenden Infektionen leiden, ist
ter besonderen Sicherheitsvorkehrungen be-
riskant – für die Ärzte genau so wie für das
handelt werden. Ein Hochsicherheitslabor zur
Pflegepersonal und die Labormitarbeiter. Im
Untersuchung von Proben wird die Station
Universitätsklinikum Düsseldorf (UKD) soll
ergänzen. Beide Einrichtungen sind bean-
nun unter der Leitung von Prof. Dr. Dieter
tragt; allerdings steht der Baubeginn noch
Häussinger, Direktor der Klinik für Gastro-
nicht fest.
enterologie, Hepatologie und Infektiologie,
Die Notwendigkeit einer Isolierstation zur
eine Isolierstation entstehen. Mit ihr ließen
Unterbringung und Behandlung von infizier-
sich die therapeutischen Möglichkeiten er-
ten Patienten zeigt sich gerade auch vor
heblich erweitern, über die das UKD bereits
dem Hintergrund der steigenden Zahl tropi-
seit 1997 verfügt. (Die Tropenmedizinische
scher Krankheiten wie Dengue-Fieber oder
Ambulanz wurde seinerzeit als erstes Zentrum
Malaria, die von Touristen mitgebracht wer-
für Infektiologie in Nordrhein-Westfalen zer-
den. Je nach Schwere der vermuteten Infek-
tifiziert.) Auf der Isolierstation können Pa-
tion gelten unterschiedliche Sicherheits-
tienten mit Verdacht auf hoch ansteckende
standards für den Umgang mit den Erregern.
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ab. Das hatten bereits die Engländer in Nordamerika entdeckt: Sie verteilten verseuchte Decken an die Indianer und töteten auf diese Weise zahlreiche Ureinwohner, deren Immunsystem im Gegensatz zu dem der Europäer keinerlei Erfahrung mit dem Erreger besaß. 1992 berichtete ein in die USA übergelaufener Wissenschaftler, Ken Alibek, er habe in Russland ein Projekt geleitet, in dem das Pocken-
virus genetisch verändert wurde, um es als Biowaffe scharf zu machen. Weil auch das Gros der Europäer inzwischen keine Antikörper mehr gegen das Pockenvirus besitzen und Impfstoffe lange Zeit nicht mehr produziert wurden, ist das Bedrohungspotenzial beispielsweise durch einen Terrorakt groß genug, um die Politik wachzurütteln. Experten wie Dieter Häussinger beraten die Landesregierung zu möglichen Präventivmaßnahmen. Inzwischen seien vorsorglich wieder PockenImpfstoffe produziert worden, erklärt der hochangesehene Leibniz-Preisträger. Alte Bekannte kehren zurück
HIV, Tuberkulose und SARS fallen in die Sicherheitsstufe S3. Die höchste Sicherheitsstufe S4 gilt den so genannten gemeingefährlichen Infektionskrankheiten. Dazu zählen Lungenpest, Pocken und direkt von Mensch zu Mensch übertragbare virale Fieber wie Ebola, die mit starken Blutungen einhergehen.
Für das Düsseldorfer Hochsicherheitslabor wird der Standard S3 angestrebt. S4-Labore sind in Deutschland derzeit nur drei vorhanden oder in Planung, nämlich in Hamburg, Marburg und Berlin.
Es braucht nicht unbedingt Terroristen, um fast vergessen geglaubte Infektionskrankheiten wieder zu uns zurückzubringen. Der Virologe Hartmut Hengel zählt „zum Beispiel Diphtherie, Tuberkulose und Polio“ auf. „Der Tourismus und die Vertreibung von Menschen ist bei der Verbreitung dieser Infektionen eine entscheidende Ursache.“ Einer der Faktoren, der einen neuen Siegeszug der Infektionskrankheiten begünstigt, ist Armut. Denn die Erreger haben überall dort besonders gute Chancen, wo Menschen durch Unterernährung, mangelnde Hygiene oder Vorerkrankungen geschwächt sind. So ist in den Ländern des ehemaligen Ostblocks die Tuberkulose nach dem Zusammenbruch des staatlichen Gesundheitssystems wieder stark auf dem Vormarsch. Und auch in den USA steigt die Zahl der Erkrankten an. Umgekehrt sind aber auch die vergleichsweise
reichen, medizinisch gut versorgten Bürger der Industrienationen anfälliger geworden. Ihre Körper haben es verlernt, sich gegen die selten gewordenen Infektionskrankheiten zu wehren, die die Menschheit jahrhundertelang begleitet haben. Und ihre Ärzte können diese Krankheiten manchmal nicht mehr sicher diagnostizieren. So geschehen 1973 in Italien. Damals brach in Neapel die Cholera aus und verbreitete sich rasch, weil die Ärzte statt der Cholera ein unbekanntes Virus vermuteten. Klassische Infektionskrankheiten wie Tetanus, Keuchhusten, Masern, Kinderlähmung oder Hepatitis B könnten auch dadurch eine Renaissance erfahren, dass die Menschen sich zu sicher fühlen. Experten beklagen, dass vorbeugende Schutzimpfungen immer öfter verschlampt oder sogar abgelehnt werden. Hengel: „Es kommt immer noch zu MasernAusbrüchen, in diesem Jahr besonders in Hessen und Bayern. Vor allem in den alten Bundesländern gibt es zu viele Impfgegner.“ Dass selbst Fachleute nicht immer darauf achten, sich optimal zu schützen, zeigt der Umgang mit Hepatitis A und B. Gerade auf Reisen in Länder mit mangelhaften hygienischen Verhältnissen kann man sich relativ schnell mit diesen Krankheitserregern infizieren, man kann sich aber ebenso leicht durch Impfungen wappnen. „Doch nach einer Umfrage unter meinen Zoologie- und Medizinstudenten sind maximal zwei Drittel gegen Hepatitis A oder B geimpft“, verrät
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Forschung per Magnet Heinz Mehlhorn. „Eindeutig zu wenig.“ In Krankheitserregern wie Viren, Bakterien, Parasiten, Pilzen oder den relativ neu entdeckten Prionen stecken noch viele Geheimnisse. Am besten erforscht ist derzeit das Aidsvirus HIV. Dazu hat nicht zuletzt ein Forscherteam der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf um Prof. Dr. Dieter Willbold beigetragen. Der Wissenschaftler ist Leiter der NMR-Abteilung im Institut für Physikalische Biologie. NMR, die Magnetische Kernresonanz, ermöglicht einen Einblick in die molekularen Bausteine der Krankheitserreger. Mit dieser Technik hat Willbold unter anderem Strategien des Aidsvirus aufgedeckt, die das Immunsystem schwächen. Und beim SARS-Virus gelang es seiner Forschergruppe, die dreidimensionale Struktur eines Proteins zu entschlüsseln, das offensichtlich die T-Abwehrzellen des Menschen blockiert. Beide Ergebnisse bilden die Basis für neue Medikamente. Gegen die Prion-Proteine, die für Rinderwahn (BSE) und die CreutzfeldtJakob-Krankheit verantwortlich sein sollen, wird der Einsatz kurzkettiger Eiweißbausteine
erprobt. Diese sollen die Bildung jener krank machenden Variante verhindern, die BSE auslöst. Ähnlich gehen die Forscher bei Alzheimer vor. Dafür haben sie ein Eiweißmolekül entworfen, das sich im lebenden Gehirn an die für Alzheimer typischen Eiweiß-„Plaques“ heften kann. Ein Verfahren, das sowohl für die Diagnose als auch für die Therapie neue Wege eröffnet. Bei diesen Forschungsarbeiten kooperiert die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf eng mit dem Institut für Biologische Informationsverarbeitung im Forschungszentrum Jülich. Willbold wurde hier zum Leiter des neuen NMR-Zentrums ernannt. In einem neuen Labor stehen den Wissenschaftlern drei Großgeräte, so genannte magnetische Kernresonanz-Spektrometer, zur Verfügung. Mit ihrer Hilfe lässt sich die räumliche Struktur von Proteinen noch umfassender als bisher untersuchen. Auf diese Weise will man dem Aufbau und der Funktionsweise von Erregern auf die Spur kommen, die AIDS, Alzheimer oder Rinderwahn verursachen.
Genmutationen als Schutz vor Infektionen Bei Infektionskrankheiten scheint die Rollenverteilung klar: Der Angreifer kommt von außen, die Immunabwehr ist für die Verteidigung zuständig. Aber der Kampf verläuft nicht bei jedem Menschen gleich. Und manch einer muss sich gar nicht wehren, weil er gegen die Krankheit immun ist. Dieses Glück verdankt er wahrscheinlich seinem Erbgut, denn genetische Dispositionen können über den Verlauf von Infektionskrankheiten mitentscheiden, berichtet der Virologe Prof. Dr. Hartmut Hengel vom Universitätsklinikum Düsseldorf. Deshalb erforscht der Leibniz-Preisträger Prof. Dr. Klaus Pfeffer, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie, welche Rolle die Gene bei der Abwehr von Krankheitserregern spielen. Untersuchungsobjekte sind in der Regel Mäuse. Denn die Evolution hat sich den Scherz erlaubt, Menschen und Mäusen eine überwiegend identische genetische Grundausstattung für das Immunsystem mitzugeben. Beim Menschen verändert beispielsweise eine Genvariante namens CCR5delta32 einen Eiweißstoff an der Oberfläche bestimmter Zellen, die der Immunabwehr dienen. Etwa jeder zehnte Nordeuropäer weist diese Mutation auf – und ist dadurch vor einer HIV-Infektion geschützt. Einer weit verbreiteten Hypothese zufolge schützt die Mutation zugleich vor einer Infektion durch Yersinia Pestis, den Pestvirus. Forscher der US-Universität Stanford zeigten jedoch: Zumindest für Mäuse stimmt das nicht.
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Literaturtipp
Expeditionen ins Reich der Seuchen Über medizinische Himmelfahrtskommandos während der deutschen Kaiser- und Kolonialzeit berichten zwei Wissenschaftler der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Der Parasitologe Professor Dr. Heinz Mehlhorn und der Augenarzt Professor Dr. Johannes W. Grüntzig liefern eine faktenreiche und exzellent bebilderte Chronik über die Feldforschung deutscher Mediziner zur Zeit der Kolonien, darunter Robert Koch, dem vor 100 Jahren der Nobelpreis für Medizin verliehen wurde. Was während dieser Expeditionen an Wissen gesammelt und dokumentiert wurde, bedeutete einen enormen Fortschritt insbesondere für die Tropenmedizin, aber auch für die Medizin insgesamt. Wissenschaftlich betrachtet waren in dieser kurzen Zeit von 1870 bis 1918 nicht allein die Entdeckungen der Erreger und der Übertragungswege bahnbrechend: Insbesondere wurden bereits in diesen Anfängen einer weltweiten Seuchenbekämpfung wegweisende Methoden zur Entwicklung standardisierter Untersuchungswege geschaffen. Und quasi nebenbei wurden auch die jahrtausende alten Geißeln der Menschheit wie Syphilis, Pest, Cholera, Milzbrand, Tuberkulose, Malaria oder die Schlafkrankheit entmystifiziert.
Johannes W. Grüntzig /Heinz Mehlhorn: „Expeditionen ins Reich der Seuchen. Medizinische Himmelfahrtskommandos der deutschen Kaiser- und Kolonialzeit“, Elsevier-Verlag, München 2005, 380 Seiten, 305 Abb., 28 Euro, ISBN 3-8274-1622-1
Der Wurm-Cocktail Nicht nur Viren und Bakterien lassen sich gern im Menschen nieder. Die ganze Menschheitsgeschichte hindurch waren Faden- und Bandwürmer im Homo sapiens zu Hause. Den Industrienationen ist es zum ersten Mal gelungen, die Würmer loszuwerden. Ganz sicher kein Verlust – doch unser Immunsystem scheint irritiert und entwickelt deswegen auch bei geringfügigen Anlässen ein viel zu großes „Waffenarsenal“. Der Parasitologe Prof. Dr. Heinz Mehlhorn von der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität ist der Ansicht, dass das Fehlen von Wurminfektionen in Deutschland das Auftreten von Krankheiten vom Typ Morbus Crohn begünstigt. Morbus Crohn und ähnliche entzündliche Darmerkrankungen sind in Europa weit häufiger verbreitet als noch vor 50 Jahren, während sie nur in geringer Zahl in Ländern mit starkem Wurmbefall vorkommen. Derzeit sind etwa 300.000 Menschen in Deutschland von Morbus Crohn betroffen.
Eine deutliche Besserung dieser chronischen Krankheiten lässt sich unter Umständen durch die Infektion mit den Eiern von Würmern beispielsweise des Schweins erzielen. Diese Behandlung führt nicht zu einem dauerhaften Wurmbefall, weil diese Würmer im Menschen nicht lange überleben. Mehlhorn erklärt, dass diese Behandlung auch Erfolg bei Hauterkrankungen wie zum Beispiel Neurodermitis habe. Die Firmenausgründung des Instituts für Parasitologie, dessen Leiter Mehlhorn ist, verkauft solche Eier zur Anwendung.
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Vom Mikroskop ans Krankenbett Text: Thorsten Sauter Fotos: Dominik Asbach
Um Menschen zu heilen, braucht es nicht nur gut ausgebildete Ärzte. Ohne die Forschung, die neue und vor allem bessere Methoden entwickelt und praxistauglich macht, gäbe es keinen medizinischen Fortschritt. So gesehen sind in einem Universitätsklinikum die Bedingungen optimal, denn dort ist die Wissenschaft eng mit der Praxis verzahnt. Die Krebsbehandlung ist ein gutes Beispiel dafür. Wir zeichnen den Weg einer bahnbrechenden Erfindung nach. Der Mann hat eine Mission. Das merkt der Besucher schon, wenn er das Büro betritt. Bücher und Diapositive stapeln sich auf dem Schreibtisch, und dort, wo bei anderen Blumen in der Vase Atmosphäre schaffen sollen, steht bei Alfred Böcking ein Mikroskop. Damit hat der Direktor des Düsseldorfer Instituts für Zytopathologie eine Entdeckung gemacht, die die Krebsvorsorge weltweit revolutionieren könnte. DNA-Bildzytometrie heißt das Verfahren. Statt, wie in der konventionellen Krebsdiagnostik, Gewebe zu entnehmen, reichen der DNA-Bildzytometrie ein paar hundert Zellen. Dann wird computergestützt unter dem Mikroskop die Menge an Erbsubstanz in den Zellkernen gemessen. Weicht der DNA-Gehalt von der Norm ab, kann Krebs diagnostiziert werden. Das ist billiger als manch andere Methode und vor allem für die Patienten viel angenehmer. Bei einigen Krebsarten genügt es nämlich, mit einer kleinen Bürste über die Zunge zu streichen und zellhal-
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tigen Speichel aufzunehmen. Frisch gewonnener Urin oder ein feiner Nadelstich in das verdächtige Körperorgan sind weitere Möglichkeiten der Zellentnahme. Patientenstrom nach Düsseldorf Laut Böcking ist die Früherkennung via DNABildzytometrie bei 16 Tumoren erfolgreich nachgewiesen, darunter Mundschleimhaut-, Schilddrüsen- und Bauchspeicheldrüsenkrebs. Einige Krebsarten ließen sich bis zu 2,5 Jahre früher erkennen. Bei Prostatakarzinomen könne man die Zahl der Operationen um 20 Prozent reduzieren. „Unsere Methode könnte ein Publikumsmagnet sein und einen Patientenstrom nach Düsseldorf bringen“, prophezeit der Düsseldorfer Wissenschaftler. „Die Einbindung der DNA-Bildzytometrie in die Diagnostik gibt es nur hier.“ In Deutschland sind die Verantwortlichen zögerlich, in China macht Böckings Methode schon Furore. Dort ist die Frauenheilkunde in großem Stil in die DNA-Bildzytometrie eingestiegen, wenn auch nicht ganz legal, was
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„In unserem Gesundheitssystem wird nichts gemacht, was laut Gebührenordnung kein Geld bringt. Eine leitende Krankenhausärztin sagte mir einmal, dass die DNA-Bildzytometrie für sie wirtschaftlich nicht interessant sei.“*
die Urheberrechte angeht. Andererseits hat er sein Verfahren bewusst nicht patentieren lassen, um die Verbreitung zu erleichtern. Also fährt der Professor aus Düsseldorf demnächst nach Peking und Shanghai und hält Vorträge. Es geht ihm um die Sache, um seine Sache. An der ist er seit mehr als 20 Jahren dran. Schon zu Beginn der 80er Jahre bemerkte Böcking, dass bei Krebszellen die DNA-Histogramme, also die Aufteilung der DNAMengen in den Zellen, auffällig gut mit der Überlebenszeit der Patienten übereinstimmen. Es bestand außerdem die Möglichkeit, über die DNA-Menge Krebszellen zu identifizieren. Auf der Hannover-Messe 1985 konnte Böcking seine Idee zum ersten Mal einer breiten Öffentlichkeit vorstellen. Eingeladen von den Hochschulen Nordrhein-Westfalens, präsentierte er ein Mustergerät zur DNAMessung, worauf ihm die Optischen Werke Leitz einen Informatiker bezahlten, der das System verfeinerte. Bereits Anfang der 90er Jahre ist die DNA-Bildzytometrie in die Gebührenordnung für Ärzte aufgenommen worden und damit als Kassenleistung anerkannt. So gesehen ist Böckings Erfindung nun Schulmedizin. Diagnose elf Monate früher
* Im Universitätsklinikum Düsseldorf wird die DNA-Zytometrie vor allem in der Augenklinik, der Gastroenterologie, der Endokrinologie, der Urologie, der Zahnklinik und in der HNO-Klinik angewendet.
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Seit zehn Jahren wendet der Mediziner das Verfahren in der Praxis an. Die Diagnosen sind für ihn Routine. Das Ergebnis der jüngsten Studie: Bei 20 Patienten mit behandelten bösartigen Tumoren der Horn- und Bindehaut wurden alle aufgetretenen Rückfälle der gerade überstandenen Krankheit erkannt und
keine falsch-positive Diagnose gestellt. Mit der DNA-Zytometrie können Diagnosen durchschnittlich elf Monate früher gestellt werden, als das mit der herkömmlichen Gewebeentnahme möglich ist. Allein in den vergangenen fünf Jahren hat Böcking rund 1.000 Personen ohne Gewebeentnahme auf Mundkrebs untersucht, der dadurch etwa 2,5 Jahre früher erkennbar ist. Einer der Untersuchten ist Klaus S. Der heute 65-Jährige wurde vor drei Jahren mit dem Verdacht auf Mundkrebs konfrontiert. Die Gewebeentnahme kam zu dem Ergebnis, dass kein Krebs vorliegt. Die anschließende DNAZytometrie ergab das Gegenteil. Strelow hatte tatsächlich Krebs. Er konnte danach operiert und geheilt werden. Jürgen Becker, Direktor der Zahnklinik am UKD, bezeichnet die Methode als „einen der wichtigsten Fortschritte in der Krebsdiagnostik“. Paradigmenwechsel in der Krebsvorsorge Dennoch geht es für Böcking nicht schnell genug voran. Die Anwendung hat in Deutschland immer noch Seltenheitswert. „Das deutsche Gesundheitssystem ist teilweise innovationsfeindlich“, meint der Mediziner. Die bürokratischen Strukturen sorgen seiner Meinung nach nicht immer dafür, dass den Patienten die beste Behandlung zuteil wird. Vielleicht ist seine Disziplin, die Zytopathologie, auch zu schwach, um ein solch neues Verfahren massenwirksam durchzusetzen. Denn es ist ein Paradigmenwechsel: Bisher schaut der Arzt ins Mikroskop, interpretiert die Bilder anhand seiner Erfahrung und stellt
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die Diagnose. Böcking dagegen misst den DNA-Gehalt von rund 300 Zellen und lässt den Computer mitentscheiden, ob Krebs vorliegt und wie bösartig er ist. Manchen Ärzten ist das suspekt. Immerhin ist die Methode mittlerweile auch international standardisiert. Weltweit haben Fachleute geklärt, wie viele Zellen man benötigt, wie stark die Messwertschwankungen sein dürfen und mit welchen Algorithmen man etwas aussagen kann. Alleine Böcking hat 80 Publikationen zur DNA-Zytometrie veröffentlicht, davon knapp fünfzig in den USA. „Mit Zellen statt Skalpellen“ Vielleicht fruchten die Anstrengungen bald auch in Deutschland. Zusammen mit seinem Sohn, einem Journalisten, schreibt Böcking derzeit ein Buch zu dem Thema. „Mit Zellen statt Skalpellen“ soll seine Erfahrungen zusammenfassen und für Betroffene ein praxisbezogener Ratgeber sein. Unterstützt wird das Projekt von der Gmünder Ersatzkasse. Außerdem trifft sich Böcking demnächst mit einem namhaften deutschen Hersteller optischer Geräte, um auszuloten, ob eine Serienherstellung möglich ist. Beide Seiten wissen, worum es geht. Und derzeit wird die Krebsvorsorge für Frauen neu geordnet. Eventuell werden neue Methoden vorgeschlagen, die Chancen für Böckings Verfahren stehen nicht schlecht. „Wenn die DNABildzytometrie in die Leitlinien hineinkäme, wäre das der Durchbruch“, glaubt Böcking.
In vier Jahren geht der rastlose Forscher in den Ruhestand. Seine Methode der Krebsvorsorge hat er vom Mikroskop bis ans Krankenbett umgesetzt. Doch möchte er auf dem Weg, den Ansatz in der Breite zu etablieren, noch ein gutes Stück weiterkommen. Dass er es vehement probiert, kann als sicher gelten.
Speichel unter der Lupe: Eine spezielle, von Alfred Böcking entwickelte Software ermittelt den DNA-Gehalt der Zellen.
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S I M U LATOR
Der D체sseldorfer An채sthesie-, Notfall- und Intensivsimulator DANIS bei der Arbeit.
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UKD-Magazin 2005
S I M U L ATO R
Ich. Danis. Text: Peter Breuer Fotos: Dominik Asbach
Meine Erscheinung ist so unspektakulär wie mein Name. Ich bin Danis. 1,80 Meter groß, 80 Kilogramm schwer und 25 Jahre alt. Das beschreibt in etwa mein Äußeres, das mir allerdings nicht besonders viel bedeutet: Es ist halt nur die Voreinstellung, die mir meine amerikanischen Eltern mit auf den Weg gegeben haben. Weil die zwar oft vorkommt, jedoch im Klinikbetrieb meist zu den pflegeleichten Fällen gehört, habe ich nicht nur einen großen Teil des Pschyrembel1 im RAM, sondern trage auch einen Mikrozensus der deutschen Bevölkerung in einer Datenbank. So bin ich mal die 40 Kilo leichte alte Dame mit langer Krankengeschichte, mal ein übergewichtiger Diabetiker mit Medikamentenunverträglichkeit oder – ganz profan – das Opfer einer Wirtshausschlägerei. Dann kommt es vor, dass ich es nicht auf den OP-Tisch schaffe und unter erschwerten Bedingungen am Boden behandelt werde. Nur eines ist immer gleich: Mein Tag beginnt mit einer Narkose. Die Ärzte, denen ich mich rund 200-mal im Jahr anvertraue, treffen mich immer am selben Ort: Im Simulationszentrum für Anästhesie- und Intensivmedizin. Und sobald sie mein Zimmer betreten, ändern sich die Perspektiven: Simulation meint eigentlich ein Modell, mit dem Natur oder Technik nachgebildet wird. Ich bin echt. Sobald die Schulungsteilnehmer die Schwelle überquert haben, ist die Illusion perfekt. Hier wird keine Puppe beatmet, sondern ein Leben gerettet! Meist kommen sie zu fünft. Einer von Ihnen ist fast immer Dr. Olaf Picker, der Leiter des Simulationszentrums und meine engste Bezugsperson. Er ist zwar nur als Beobachter im Raum, aber er ist der einzige, der die
unvorhergesehenen Vorfälle während meiner OP kennt und mitunter auch provoziert. Dann wispert er sogar zwischendurch in sein Handy und hinter der Glasscheibe des Operationssaales wird mein Programm modifiziert.
Ich agiere und reagiere. Eben wie ein Organismus, der sich als komplexes Geflecht aus Ursachen, Wirkungen und Wechselwirkungen darstellt. Interessant ist nur, was um mich herum geschieht. Meine Lebenszeichen übertragen sich – wie bei jedem anderen Patienten – auf einen Patientenmonitor: EKG, Blutdruck und der Gasaustausch meiner Atemluft sind auf dem Kontrollbildschirm zu sehen. Meine Pupillen reagieren sowohl auf die Gabe von Medikamenten als auch auf Lichtreflexe. Das Geräusch meines Herzens produziert Adrenalin bei allen Teilnehmern. Zu langsam. Jetzt reagieren. Komplikationen erzeugen Stress und den gilt es zu kontrollieren. Vier Menschen kämpfen um mein Leben. Jeder davon gut ausgebildet, jeder routiniert in seinen Methoden. Aber wie reagieren sie, wenn der Stress ein bestimmtes Level überschreitet? Wie gut funktioniert das Teamwork mit anderen Experten? Diese Softskills mögen in anderen Berufen das Sahnehäubchen sein. Für Ärzte sind sie ein Muss und für Patienten schlichtweg lebenswichtig. Deshalb halte ich Tag für Tag klaglos den Kopf hin. Damit im Ernstfall aus einer Komplikation nach Möglichkeit eben kein Ernstfall entsteht. Zwischendurch mel-
det sich ein Pieper. Eine dringende Frage. Wieder ein Notfall. Beide Augen des Arztes ruhen trotzdem auf mir. Wie gut kann der Proband mit simultanen Anforderungen umgehen? Ich lasse meinen Puls sacken,der Monitor meldet sich mit aufgeregten Signalen. Das Telefon verschwindet mit einem Griff im Kittel, die richtige Infusion kommt in der richtigen Menge. Diese Informationen werden mit diskret verpackter Technik ins Kontrollzentrum jenseits meines Fußendes übermittelt: Barcodeleser erkennen die codierten Spritzen, Messgeräte unter meiner Bauchdecke ermitteln die Dosierung. Ich habe überlebt. Für die vier Anästhesisten, Intensiv- und Notfallmediziner ein Erfolg. Und Auftakt zu einer zweiten Schicht. Die OP-Kleidung darf abgelegt werden. Straßenschuhe sind jetzt erlaubt. Der eine oder andere wischt sich den Schweiß von der Stirn. Nun kommt die Nachbereitung. Wieder bin ich die Hauptperson, diesmal jedoch werden die Personen rund um den Tisch seziert: Das Krisenmanagement wird unter die Lupe genommen. Videokameras unter der Decke sind die ganze Zeit mitgelaufen und helfen, die Situation zu rekapitulieren. Nachdem sich mein Puls stabilisiert hatte, meine Narkose schwächer wurde, ist mein Arbeitstag nun beendet. Der Strom ist aus, mein linker Arm hängt schlaff herunter. Zeit für die Putzkolonne, den Hagebuttentee in meinem Blutbeutel in den Ausguss zu schütten. Die Tupfer dürfen in der Nierenschale liegen bleiben, sie waren als Einziges nur Dekoration.
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Klinisches Wörterbuch
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L I F E SCIENCE
Reine Nervensache Text: Helene Conrady Illustrationen: Anke Hedfeld
Modern, funktional, gesichtslos – so wirkt das Life Science Center Düsseldorf (LSC) von außen. Doch wer eines der drei Gebäude am südlichen Rand der Düsseldorf Innenstadt betritt, kann sich auf eine Reise in die Zukunft begeben.
Auf knapp 1.800 Quadratmetern arbeiten rund 200 Wissenschaftler daran, spannende Produkte zu entwickeln. Unterstützt von der Stadt Düsseldorf. Wir haben zwei Unternehmen besucht, beide Ausgründungen der Heinrich-Heine-Universität: Zwei Geschichten über den steinigen Weg von der Innovation zum Erfolg. Hans Werner Müller ist ein Wissenschaftler, wie er im Buche steht: leidenschaftlich, hartnäckig und auf seine Forschungsziele fokussiert. Einer, der gerne im Labor arbeitet und dort den Rätseln des Lebens auf die Spur kommen will, aber nicht unbedingt jemand, der sich den Wagnissen der Marktwirtschaft aussetzt. Und doch hat er es getan. Vor drei Jahren gründete der Neurobiologe ein Unternehmen: die Neuraxo Biotechnologie GmbH. Das Ziel: In drei Jahren ein Medikament auf den Markt zu bringen, mit dem Rückenmarksverletzungen therapiert werden können – große Hoffnung für Querschnittsgelähmte also. Verletzte Nerven wachsen nach Jahrzehntelang galt es als ausgemacht, dass sich verletzte Rückenmarks- oder Gehirnnerven nicht regenerieren. Doch Anfang der 80er Jahre, Müller war damals Postdoktorand an der
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Stanford Medical School, gelang kanadischen Wissenschaftlern erstmals im Tierversuch der Gegenbeweis: Verletzte Nerven wuchsen wieder nach. „Die Erkenntnis hat mich elektrisiert“, erinnert sich Müller. Mitte der 80er Jahre, wieder zurück in Deutschland, begann er mit seinen Studien. Wie, so lautete die Frage der Arbeitsgruppe, die er an der Düsseldorfer Universität gründete, wie kann man dafür sorgen, dass die Nerven der Menschen nach einer Verletzung wieder nachwachsen? Welche Motive hatte Müller? Mitgefühl? Helferdrang? Der Neurobiologe schüttelt den Kopf: „Mich haben vorrangig die wissenschaftlichen Fragen beschäftigt: Wie kann man ein schwieriges klinisches Problem lösen, das als unlösbar gilt?“ Ganz Wissenschaftler, hält er sich auch heute aus dem operativen Geschäft der Neuraxo heraus. Geführt wird das Unternehmen von erfahrenen Managern. Brücke in ein neues Leben? Das Wirkprinzip, das Müller hat patentieren lassen, ist genial einfach: Cordaneurin, so der Name des Medikaments, unterdrückt die Narbenbildung rund um die Rückenmarksverletzung. Damit haben die verletzten Nervenfasern Gelegenheit, nachzuwachsen und Anschluss an das gesunde Nervengewebe zu
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Biotechnologie lässt Mäuse wieder laufen: Ohne Behandlung unterdrücken Narben (blau) das Wachstum der Nervenfasern und verhindern den Anschluss an das gesunde Gewebe. Entsprechende Medikamente stoppen die Narbenbildung. So können die Nerven zusammenwachsen.
finden. Erweisen sich die klinischen Studien als erfolgreich, so ist die Behandlung vergleichsweise risikoarm: Cordaneurin wird nur einmal lokal in das verletzte Gewebe gespritzt, dank seiner Depotwirkung wirkt es über einen Zeitraum von mindestens 14 Tagen. Bedenkt man, dass Nervenstränge pro Tag einen Millimeter wachsen, so „können diese 14 Millimeter die Brücke in ein anderes Leben darstellen“, betont Müller. Tierversuche haben gezeigt, dass die verletzten Tiere nach zwei Monaten wieder laufen konnten, berichtet er. Doch dieses Versprechen mag der Wissenschaftler den Patienten nicht geben, wohl aber die Hoffnung, dass ihr Bewegungsspielraum deutlich größer sein wird als ohne eine Neuraxo-Therapie. Das innovative Unternehmen mit elf Mitarbeitern gehört – noch – zu den stillen Stars der Life-Science-Branche im Rheinland. Im Gegensatz zu bereits etablierten Universitätsausgründungen wie Qiagen oder Rhein Biotech, die sich in der Fachwelt, aber auch an der Börse bereits einen Namen gemacht haben. Aber die junge Neuraxo-Geschichte ist eng mit den großen Namen verknüpft, denn es waren private Sponsoren wie der Qiagen-Mitgründer Detlev Riesner und der
Rhein-Biotech-Gründer Cornelis Hollenberg, die an die Chancen der Neuraxo geglaubt und sie finanziell unterstützt haben. Zusammen mit Fördergeldern vom Land NRW in Höhe von 1,6 Millionen Euro kamen so bislang vier Millionen Euro Kapital zusammen, eine bescheidene Basis für ein innovatives HighTech-Unternehmen. Fehlendes Startkapital – Hauptproblem vieler Neugründungen So überzeugend die Neuraxo-Innovation aus medizinischer Sicht ist – aus marktwirtschaftlicher Perspektive ist sie ein kleiner Fisch. Der makabre Grund: Mit etwa 1.500 Querschnittsverletzungen pro Jahr ist der Markt in Deutschland uninteressant für die Großen der Branche. Derzeit verhandelt das Unternehmen mit Investoren. Für die klinischen Studien, die Anfang nächsten Jahres beginnen sollen, ist viel Geld nötig, unter anderem, um ein Anwendungs-Kit zu entwickeln, das den Ärzten die Arbeit erleichtert und eine möglichst perfekte Behandlung garantiert. Was kann das Unternehmen künftigen Kapitalgebern bieten? Die Aussicht, dass die Neuraxo innerhalb von fünf Jahren nach der Markteinführung eine dreistellige Millionensumme erwirtschaftet, erklärt Pressesprecherin Barbara Behle.
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Das Thema Finanzierung ist auch für den Molekularbiologen Shukry Na’amnieh, der am Institut für Enzymtechnologie der Düsseldorfer Universität promovierte, ein steter Stachel. Drei Business Plan-Wettbewerbe hat der junge Wissenschaftler gewonnen – einer war von der Unternehmensberatung McKinsey und den Sparkassen ausgelobt, der andere vom Verein „Netzwerk und Know-How (NUK)“, der neues Unternehmertum im Rheinland fördern will, und der dritte von „Start2grow“ in Dortmund – doch Geld floss nur spärlich. Erst kürzlich verweigerte ihm die Bank einen Kredit, den er für bestimmte Geräte gebraucht hätte, die wiederum einen Umsatz in mehrfacher Höhe des Kredites ermöglicht hätten. Die Geräte kann er nun nicht kaufen. Damit ist nicht nur ein wichtiger Kunde abgesprungen, sondern ein ganzer Geschäftszweig unmöglich geworden. Doch Na’amnieh ist weit davon entfernt, zu verzagen: „Man darf sich nicht entmutigen lassen, sondern muss aus Rückschlägen lernen. Schließlich bin ich Unternehmer.“ Vereinfacht gesagt, entwickelt und produziert seine 2002 gegründete X-Zyme GmbH Wirkstoff-Bausteine für die Pharmaindustrie, die Feinchemie und die Kosmetikbranche. Das
besondere an dem X-Zyme-Verfahren: Die Bausteine werden nicht chemisch synthetisiert, sondern auf Basis eines biologischen Verfahrens produziert. Es sind Enzyme, die beispielsweise auf der Grundlage von Hefe entstehen. „Wir haben ein Klonierungsverfahren entwickelt, das die Herstellung von Enzymen wirtschaftlich macht“, erklärt Na’amnieh. „Außerdem sind diese – wie von der Industrie gefordert – zu 99,5 Prozent rein.“ Erste Abnehmer für seine Produkte hat der Biotech-Unternehmer bereits gefunden: So zählt das Pharmaunternehmen Merck zu seinen Kunden. Doch der große Durchbruch ist ihm noch nicht gelungen. Die Erlöse decken derzeit kaum die laufenden Kosten von vier Laboren und einem molekularbiologischen Team. „Es ist ein spezialisierter Markt und damit ein langwieriger Prozess“, erläutert Na’amnieh, „aber was läuft schon glatt im Leben?“
In dem Maße, wie sich die Life Science entwickelt, nehmen auch Streitigkeiten um Biopatente zu. Das haben die Richter am Düsseldorfer Oberlandesgericht in den letzten Jahren festgestellt. Das Gericht gilt in Deutschland, aber auch international als ausgezeichneter Standort, um Streitigkeiten über Urheberschaft und andere Schutzrechtsverletzungen zu klären. Grund: Die Düsseldorfer Richter zeichnen sich nach Ansicht der Anwälte durch eine hohe Kompetenz aus, denn sie sorgen für zügige, effiziente Verfahren, die mit präzisen Aussagen enden. Daher entscheiden sich Unternehmen – auch aus dem Ausland – gerne für Düsseldorf als Gerichtsort, wenn es um Patentstreitigkeiten geht. Nur knapp neun Monate dauert es durchschnittlich von dem Tag, an dem die Klage eingereicht wurde, bis zum Ende der mündlichen Verhandlung, die oft nur zwei Stunden in Anspruch nimmt. Nicht selten einigen sich die Parteien dann auf einen Vergleich. Ist ein Urteil notwendig, dauert das Verfahren rund drei Monate länger. Die Streitwerte in diesen Verfahren liegen selten unter 100.000 Euro, Millionenbeträge sind die Regel. Wenn es um Patente aus der Pharmazie oder Medizin geht, klettern die Summen schnell in zwei- oder dreistellige Millionenhöhen – ein Indiz dafür, welche Kosten hinter der Patententwicklung stehen und welche wirtschaftlichen Erwartungen die Unternehmen damit verbinden.
Impressum: Herausgeber Universitätsklinikum Düsseldorf, Moorenstraße 5, 40225 Düsseldorf, Telefon 0211 – 81-0 Konzept und Realisation Artevia Projektagentur für das Neue, Düsseldorf Redaktion Uwe Marschel (ViSdP), Margarita Ahrweiler (Projektmanagement), Eduardo Cebrian (Bild), Thorsten Sauter (Text) Beratung Prof. Dr. Fritz Boege, Prof. Dr. Bernhard Homey Korrektorat und Schlussredaktion Fabian Schamoni Gestaltung Peter Breuer, Dr. Anke Hedfeld Umschlaggestaltung Chris Wöstemeyer Titelfoto Getty Images Produktion Wolfgang Stankowiak Druck Druckhaus Duisburg OMD GmbH Anzeigen in dieser Ausgabe: Betula Schuh GmbH, Linz; Düsseldorf Business School; Holmes Place Health Club, Düsseldorf; K20K21 Kunstsammlung NRW, Düsseldorf
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050720_Anz_UDK_210x297_01 21.07.2005 15:03 Uhr Seite 1 M
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Jeff Wall, Morning Cleaning, Mies van der Rohe Foundation, Barcelona, 1999, Detail, Cibachrome in Leuchtkasten, 204 x 365 cm, © Jeff Wall 2005
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Sammlung 2005 Unter anderem mit Steve McQueen Eija-Liisa Ahtila Olafur Eliasson Thomas Schütte Katharina Fritsch Jeff Wall Andreas Gursky Paul McCarthy Franz West Thomas Hirschhorn Tino Sehgal Tony Cragg
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K21 Kunstsammlung im Ständehaus Ständehausstraße 1 40217 Düsseldorf, +49 (0)211 83 81- 600 info@kunstsammlung.de, www.kunstsammlung.de Medienpartner: Handelsblatt