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KEIN SCHERZ

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30 JAHRE EHL

30 JAHRE EHL

Zum Autor

Hans Jörg Ulreich, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Ulreich Bauträger GmbH, Bauträgersprecher Österreich, Lektor an der TU Wien und FH Wien.

Kein Scherz

Kommentar: Hans Jörg Ulreich

Während in der durch einen Angriffskrieg zutiefst erschütterten Ukraine ein Komiker zu politischen Höchstleistungen aufläuft, passiert bei uns täglich aufs Neue genau das Gegenteil.

Als am Sonntag zu bester Lesezeit der jüngste Altkanzler unserer Geschichte mit einem exklusiven Interview einen Einblick in sein neues Leben und seine zukünftigen politischen Pläne gab, hielt ich kurz inne, aber blätterte mit einer traurigen Gewissheit weiter: Ich glaube ihm und allen anderen österreichischen Politikerinnen und Politikern genau gar nichts mehr. Aber das liegt nicht an Chatskandalen oder an der besagten Nacht auf Ibiza. Es liegt schlicht und ergreifend an dem täglichen Blödsinn, der – Sie entschuldigen – verzapft wird um uns Weiß für Schwarz zu verkaufen.

Reform gefordert

Und ausgerechnet jetzt, in einer Zeit, in der unsere Politik nur mehr oberflächlich, kurzsichtig und populistisch agiert, ausgerechnet jetzt steht eine Reform des österreichischen Mietrechts in ihren Startlöchern. Dass ich, als einer, der seit Jahrzehnten eine solche Reform einfordert, gerade jetzt eine solche wirklich nicht will, sollte auch Ihnen einen Denkanstoß zu dem aktuellen Unzustand der österreichischen Volksvertreter geben. Aber ich kann leider nicht anders. Täglich ist vom systematischen Marktversagen am Immobilienmarkt die Rede, immer wieder werden Leerstandsabgaben und Mietpreisregulierungen gefordert, ob es nun Sinn macht oder nicht.

Mit vernünftigen Argumenten, auch gegenüber Meinungsbildnern, ist man erstens alleine und zweitens fällt es schwer, damit durch die jahrzehntelang aufgebauten falschen Meinungen durchzudringen.

Hausverstand wäre gefragt

Dabei würde ein einziger Blick über den eingefleischten Tellerrand, vielleicht eine Stunde Recherche, genügen, um die alten Denkmuster einmal neu zu überdenken. Man könnte sich zum Beispiel die tatsächliche Situation am Immobilienmarkt genauer ansehen, statt – getrieben durch Schlagzeilen, dass Wohnen nicht mehr leistbar ist – gleich mit Begriffen wie Marktversagen um sich zu werfen.

In Wien zum Beispiel gibt es derzeit rund 900.000 Mietwohnungen. 43 Prozent aller Wienerinnen und Wiener wohnen in rund 200.000 Gemeindewohnungen und in gemeinnützig erbauten Mietwohnungen, also in Genossenschaftswohnungen. Ein Drittel aller Wienerinnen und Wiener mietet am privaten Wiener Wohnungsmarkt. 50 Prozent der

Ärmsten in Wien mieten – wegen diverser Zugangshürden -privat. Das Meridianjahreseinkommen in Wien liegt bei rund 21.500 Euro netto, eine Person mit bis zu 49.000 Euro Nettojahreseinkommen hat das Recht, eine Gemeindewohnung zu bekommen. Dafür bekommen Menschen, die weniger als 997 Euro netto im Monat verdienen, keine Wohnbeihilfe. Wohnbeihilfe kann auch nur beantragt werden, wenn eine Wohnung bereits bewohnt wird.

Im Wiener Wohnungsanzeiger, in dem freie oder freiwerdende Gemeindewohnungen zu finden sind, wird eine 45 Quadratmeter große Ein-Zimmer Wohnung mit 3500 Euro Ablöse und 460 Euro Bruttomiete inseriert, allerdings inklusive eines Heizwärmebedarfes von 226 HWB – ein solcher ist in Frankreich zukünftig sogar verboten! Im gegenüberliegenden, privat vermieteten, topsanierten Erstbezugsaltbau kostet eine nur 42 Quadratmeter große Wohnung, die dafür aber 1,5 Zimmer hat, 590,00 Euro – zu einem Heizwärmebedarf von weniger als 40 HWB!

Nur ein kleiner Blick über den Rand zeigt, dass es beim Thema Wohn- und Wohnbaupolitik um so vieles geht, doch übrig bleiben wird eine medial gut zu verkaufende Robin-Hood-Mietrechtsreform gegen eine vermeintlich geldgierige Branche, statt der Versuch, echte Probleme, soziale wie ökologische, mutig anzugehen.

Wir als Branche haben schon viele solcher Konzepte ausgearbeitet. Immer auch mit dem umsichtigen Blick für sozialen Ausgleich und ökologische Nachhaltigkeit, natürlich unter der Prämisse, unternehmerisch sorgfältig und wirtschaftlich sinnvoll zu handeln.

Und ja, wir sind gegen Preisregulierungen am privaten Wohnungsmarkt, weil dieser nämlich bestens funktioniert. Die Mieten werden, angesichts des Überangebots, in Wien im Neubau in den nächsten Jahren weiter nach unten gehen.

Aber von langfristigen, weitsichtigen Lösungen profitieren Komiker nun einmal nicht. Nur vom Applaus in der aktuellen Show.

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