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30 JAHRE EHL

30 JAHRE EHL

Verdammt nochmal - Jetzt!!!

Farbe bekennen. Während der letzten Jahre ertappe ich mich aber dabei, auf einmal klarer zu werden, stringenter, dort und da auch unbeugsamer.

Autor: Thomas Malloth

Zeit meines bisherigen, nunmehr annähernd 60 Jahre dauernden Lebens wurde mir immer wieder, wohin ich auch gestellt wurde oder mich gestellt habe, vorgeworfen, ich würde immer den Mittelweg gehen, zu konsensorientiert sein, keine Entscheidungen treffen. Nun, das entspricht meinem Sternzeichen – der Waage. Für mich sind Dissonanzen, negativ aufgeladene Situationen, furchtbar und ich versuche, ihnen aus dem Weg zu gehen. Während der letzten Jahre ertappe ich mich aber dabei, auf einmal klarer zu werden, stringenter, dort und da auch unbeugsamer. Ist es das Älterwerden oder sind es die Umstände, die uns veranlassen müssen deutlicher zu werden, Farbe zu bekennen, das Gerede auszulassen zugunsten nicht des kleinsten gemeinsamen Nenners, sondern der unabdingbaren Lösung?

Coca Cola erzeugt pro Jahr 88 Milliarden Einwegflaschen ¬ nicht Millionen, Milliarden! In den Ozeanen befinden sich aktuell 275 Millionen Tonnen Plastik. Es gibt eine „Plastikinsel“ so groß wie Frankreich und wir können Plastikweichmacher bereits im menschlichen Blut nachweisen. In Österreich sind 600.000 Menschen übergewichtig, 24 Prozent der sieben- bis 14-jährigen krankhaft adipös, und das Zuckerkarussel dreht sich weiter. Fünf bis sieben Bauern geben täglich ihre Betriebe auf. Die Selbstmordrate im landwirtschaftlichen Bereich ist vor allem in Schwellenländern signifikant erhöht, drei Prozent der bäuerlichen Betriebe bewirtschaften in Europa 50 Prozent des Ackerlandes, und es gibt Betriebe mit bis zu 50.000 Tieren.

Seit 1970 sind 88 Prozent der großen Süßwassertiere ausgestorben, 40 Prozent der Insekten werden in den kommenden Jahrzehnten aussterben. Die Frage der natürlichen Bestäubung – und damit des Erhalts der menschlichen Nahrungskette – steht unmittelbar vor der Türe. Es wird nicht möglich sein, Roboter zu schaffen, die die Bienenarbeit übernehmen.

30 bis 40 Prozent der Treibhausgasemissionen werden in Gebäuden verursacht, zwei Drittel der CO2-Menge geht auf das Konto der Verbrennung fossiler Brennstoffe.

Das ist keine Jammer-Litanei, das ist der Befund.

Und vor diesem Befund erdreisten sich tatsächlich Politiker, weiteren Straßen, weiteren Flughäfen, einer weiteren Intensivierung der Landwirtschaft das Wort zu reden. Das einzige was wir hören, ist, dass das Wirtschaftswachstum nicht mehr so stark ist wie früher. Nie, exakt nie, hören wir, dass es Formen des alternativen Wachstums gibt: Umdenken, Umplanen, anderes anbauen, die Fruchtfolge ändern, diversifizieren. Wirtschaftswachstum im bislang gekannten Sinn ist keine Alternative.

Ich wiederhole: Verdammt nochmal – jetzt! Kettet euch an wie damals in Hainburg, glaubt nicht an die Schlagkraft irgendeines – politisch-wirtschaftlichen – Systems, glaubt euren eigenen Sinnen, wenn ihr hinunter zum See fahrt und die Schilfinseln mangels Wasser aus dem Schlamm herauswachsen, die Lacken längst gestorben sind und der Schilfgürtel das Wasser verdeckt.

Ein namhafter Wissenschaftler hat vor wenigen Tagen zu mir gesagt: „Wissen sie, wenn wir das 1,5- bis Zwei-Grad-Ziel nicht erreichen, und die Chance ist sehr gering, dann ist es ziemlich egal, was wir weiter tun!“

Warum ist der Ort, an dem ich lebe – Illmitz, das Herz des Seewinkels und des Unesco-Weltkulturerbes – so einzigartig? Früher hätten wir gesagt: „Wegen der Fauna und Flora, des pannonischen Klimas, des Weines“, heute bleibt übrig: „Weil es ein Ort ist an dem wir ¬ vor vielen anderen Orten ¬ die Auswirkungen unseres (Nicht-)Tuns fußfrei beobachten können.“

Ich zitiere Paragraph 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Nachhaltigkeit: „Die Republik Österreich…bekennt sich zum Prinzip der Nachhaltigkeit bei der Nutzung von natürlichen Ressourcen, um auch zukünftigen Generationen bestmögliche Lebensqualität zu gewährleisten.“

Verdammt noch mal – JETZT!

Ihr Thomas Malloth

P.S. Lesen sie das Buch „Das leise Sterben“ von Martin Grassberger, aus diesem habe ich viel an Datenmaterial und Anregungen übernommen. Und kommen Sie zu den Illmitzer Gesprächen, Martin Grassberger wird auch da sein.

Prof. Mag. Thomas N. Malloth, FRICS

... ist Jurist und hat sich auf die Bereiche Immobilienbewertung, Immobilienconsulting, Immobilienverwaltung, und -vermarktung und auf die Projektentwicklung, v.a. im dichten städtischen Raum, spezialisiert. Er ist ständiges Mitglied des Bundesdenkmalbeirates und Lehrbeauftragter an 7 Universitäten. Im November 2016 wurde Prof. Malloth in den Vorstand des österreichischen Chapters der Royal Institution of Chartered Surveyors berufen.

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