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INFLATION
Inflation. Gekommen um zubleiben. Als Schreckgespenst, wird uns die Inflation wohl noch länger in Schach halten.
Autor: Franz Gschiegl
Nach Jahren und sogar Jahrzehnten niedrigster bis negativer Raten klettern die Preise seit dem Jahreswechsel, und extrem beschleunigt seit dem Krieg in der Ukraine, raketenartig nach oben. Verteuerungen um acht, neun und mehr Prozent werden uns noch etliche Monate begleiten, die Erhöhungen betreffen ja nicht nur den Energiebereich, sondern generell die meisten Rohstoffe. Allein dadurch ergeben sich zeitverzögert Zweitrundeneffekte, die uns alle treffen. Die im Jahresvergleich um über 30 Prozent höheren Produzentenpreise im EU-Raum sind ein Vorlaufindikator. Die großen Supermarktketten werden wohl den Großteil der Erhöhungen weitergeben, da sie natürlich auch betriebswirtschaftlich denken. Die Konsumenten weichen bereits auf Billigprodukte und günstigere Eigenmarken bei ihren Einkäufen aus. Klar, ohne Energie, Lebensmittel und deren Transport sowie damit auch der Mobilität werden wir nicht auskommen.
Bedingt durch den „Basiseffekt“ (die Inflationsraten werden in erster Linie im Zwölfmonatsvergleich angegeben, die aktuell hohen Werte werden dann als „Basis“ für 2023 genommen) sind zwar im nächsten Jahr deutlich niedrigere Inflationswerte zu erhoffen, der „Sockel“ der aktuellen Preisauftriebe bleibt aber erhalten – außer es käme zu extremen Preiseinbrüchen und damit zu einer sehr negativen Inflation, also einer Deflation. Wird der „Aufschrei“ vieler Medien und in erster Linie der Gewerkschaften nach einem „Preisausgleich“, in erster Linie durch Lohnerhöhungen, gehört und umgesetzt, beginnt sich die „Preis-LohnSpirale“ zu drehen. Die jetzt (noch) gut laufende Wirtschaft wird wohl
Lohnerhöhungen genehmigen und versuchen, diese in ihren Preisen wieder weiterzugeben – solange die Konsumenten das akzeptieren.
Hier kommt es natürlich auf die Marktmacht und damit auch Preisfestsetzungsmacht eines Unternehmens an.
Gestiegenes Risiko einer Stagflation
Kühlt sich die Konjunktur ab, womit zu rechnen ist (die Vereinigten Staaten weisen bereits für das erste Quartal 2022 negative Zahlen aus), bleibt gleichzeitig aber die Inflation hoch, sprechen wir von einer „Stagflation“. Diese Stagflation ist wirtschaftspolitisch eher schwer in den Griff zu bekommen. Um Sozialkonflikte zu vermeiden, gilt es dann, besonders dem Arbeitsmarkt Aufmerksamkeit zu schenken. Eine geringere Beschäftigtenrate reduziert automatisch den Privatkonsum.
Bitter wird es auch dann, wenn die Forderungen nach Lohn- und Gehaltserhöhungen nur zum Teil oder gar nicht erfüllt werden können ¬ dann droht uns ein Kaufkraft- und Wohlstandsverlust. Der deutsche Bundesfinanzminister Christian Lindner sprach bereits im Mai mit der Aussage „…wir werden alle ärmer“ die Problematik direkt an und wies darauf hin, dass der Staat nicht alles auffangen kann. Unsere Regierung gibt sich da noch zögerlich hinsichtlich derartiger Statements. Aktuell profitiert die österreichische Wirtschaft noch von den Aufholeffekten nach den Lockdowns, aber mit den Preiserhöhungen auf breiter Front wird unsere Wirtschaft bald eine langsamere Gangart einschlagen. Eine Rezession (definitionsgemäß mindestens zwei aufeinanderfolgende negative Quartale des Bruttonationalproduktes) ist nicht mehr auszuschließen.
Zinswende als „Heilmittel“?
Während bekanntlich die USA und andere Nationen bereits Zinserhöhungen vorgenommen haben, ist die EZB (die Europäische Zentralbank) noch zögerlich. Erste Schritte wurden für Juli angekündigt, weitere werden wohl folgen müssen. Stärkere Zinsanstiege sind wohl nicht zu erwarten, da die EZB die schwierige Aufgabe hat, die nötige Balance zu finden, um auf die Inflation zu reagieren, aber andererseits nicht schwer verschuldete Staaten in Schwierigkeiten zu versetzen.
Dies bedeutet, dass wir als Konsumenten vorerst noch länger auf höhere (Sparbuch-)Zinsen warten müssen und daher nun sichtlich an Kaufkraft verlieren. Da spricht man dann von negativen Realzinsen, eben wenn die Zinsen unter der Inflation liegen und die Kaufkraft rasch dahinschmilzt. Davon sind etwa 300 Milliarden Euro, die in Österreich auf Sparbüchern, Girokonten oder bar gehortet werden, betroffen.
Profiteure davon sind die meisten Schuldner, und vor allem der Staat als größter Kreditnehmer. Eine für den Fiskus sehr angenehme Art der Entschuldung („financial repression“ genannt), wenn man bedenkt, dass auch unsere Republik langlaufende Anleihen mit null oder geringsten Zinsen aufgelegt hat.
Auf der Kreditseite kommen die Zinsen jedoch schon in Bewegung, daher sollte man bei bestehenden Krediten mit variabler Verzinsung versuchen, noch auf fixe Sätze umzusteigen, und bei Neuabschlüssen sowieso. Damit bleiben negative Überraschungen fern und die periodischen Rückzahlungen sind fixiert.
Immobilienpreise am Zenit?
Die Immobilienpreise dürften auch ihren Zenit anpeilen oder demnächst überschritten haben, einerseits im Neubau aufgrund von Kostensteigerungen im Ausmaß von 20 bis 30 Prozent, andererseits auch im Bestand, wo die zumeist indexierten, also der Inflationsrate angepassten Mieten entsprechend steigen und die Mieter ohnehin an dem erwähnten Wohlstandsverlust leiden. Auch die Finanzierungen werden schwieriger werden.
Preise zu fixieren (auf beiden Seiten), wo es geht, ist die Devise in Inflationszeiten. In der Baubranche ist das aktuell eher ein Wunschdenken.
Energiewende als Profiteur
Die extrem gestiegenen Energiepreise haben nun doch bereits zu einer geringeren Nachfrage geführt. Nur die höchsten Einkommensschichten sind da wohl lediglich gering berührt. Unbeliebte und daher immer wieder aufgeschobene Maßnahmen seitens der Regierung und Politik sind nun ausgeblieben, das Korrektiv der Märkte wirkt. Sparmaßnahmen und großzügige Förderungen alternativer Energieanlagen tragen das Übrige bei.
Der Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel nimmt zu, auch wenn das Sitzplatzthema in den Zügen für Schlagzeilen sorgte.
Im Supermarkt beschränkt zwar der Griff zu preiswerteren Produkten die Wachstumsraten der Bioprodukte, aber beispielsweise eine Reduktion des Fleischkonsums hilft der persönlichen Brieftasche wie auch der Gesundheit.
Herr und Frau Österreicher konsumieren im Durchschnitt nahezu das Dreifache der von der WHO vorgeschlagenen Fleischmenge. Insbesondere Rindfleisch und Milch(produkte) sind ein ausgewiesener „CO2Schädling“, umso mehr, wenn man noch die für den Futtermittelanbau benötigte Fläche und die Importe, etwa von Futtersoja, berücksichtigt. Im Sinne der Nachhaltigkeit sollte der Blick auf saisonale und regionale Produkte geschärft werden, insbesondere in den Sommermonaten, in denen heimische Agrargüter ausreichend geerntet werden können.
In Summe gilt es wohl für uns, auf den persönlichen „Footprint“ zu achten und diesen zu reduzieren, ohne gleich wegen eines möglichen Verzichtes eine Abwehrhaltung einzunehmen. Gelingt es dann, sowohl Ausgaben als auch CO2 zu reduzieren, darf man mit Recht auf sich stolz sein.
Mag. Dr. Franz Gschiegl
Seit über 40 Jahren Börsen-, Finanz- und Wirtschaftsexperte mit Vorstandspositionen in der ERSTE-Group. Ständiger Autor im Wirtschaftsmagazin „GEWINN“. Co-Autor zahlreicher Fachbücher. Jüngst in Alterspension als konzessionierter Unternehmensberater aktiv. Von Beginn an im Vorstand des „Nachhaltigkeitsforums Illmitz“ für die Bereiche Finanzen und Wirtschaft zuständig. Sein Ziel: In unserem „Thinktank“ mitwirken um „etwas zu bewegen“ und einen nachhaltigen „positiven Footprint“ zu hinterlassen.