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ES GEHT UM LIQUIDITÄT

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VOX FEMINA

VOX FEMINA

§§ 1104, 1105 ABGB am Prüfstand. Wolfgang Binder, Berndt Querfeld und Alfred Nemetschke sind sichtlich erleichtert.„Das Gutachten von Univ. Prof. Dr. Brigitta Zöchling-Jud gibt uns in allen Punkten recht.“

Das Gespräch führte: Michael Neubauer

Auf den ersten Blick stärkt das von den Fachgruppen Gastronomie, Kaffeehäuser und Hotellerie in Auftrag gegebene Rechtsgutachten die Position von Mietern und Pächtern.

Alfred Nemetschke: Das Gutachten ist wichtig und notwendig. Trotz aus unserer Sicht klarer Regelung im ABGB sind viele Pächter und Mieter mit Forderungen von Vermietern und Verpächtern bis hin zu Räumungsklagen konfrontiert. Insbesondere auch deshalb, weil der Gesetzgeber im Rahmen der COVID-19 Gesetzgebung keine ausreichende Klarstellung getroffen hat.

Eines vorweg. Die Prüfung des Mietvertrages ist der erste Schritt. Die Bestimmungen der §§ 1104,1105 ABGB sind dispositiv – das heißt, die Bestimmungen sind nicht zwingend, sie können in einem Mietvertrag oder in einer Nebenabrede vertraglich abgeändert werden.

Was sagen die §§ 1104, 1105 ABGB genau?

Nemetschke: Gibt es keine anderslautenden Vereinbarungen, dann ist gemäß § 1104 ABGB kein Mietzins zu entrichten, wenn das Mietobjekt wegen „außerordentlicher Zufälle“ – das Gesetz nennt hier unter anderem Feuer, Krieg und Seuche – nicht gebraucht werden kann. § 1104 ABGB ist somit keine Schadenersatz- oder Gewährleistungsbestimmung, sondern eine Gefahrtragungsregel; die Gefahr für „außerordentliche Zufälle“ wird dispositiv dem Vermieter zugewiesen. Andererseits ist eben auch keine der Vertragsparteien zu Schadenersatz oder Beseitigung des betreffenden Zustands verpflichtet: Der außerordentliche Zufall entbindet beide Parteien von ihren Pflichten. Auf den Punkt gebracht – keine Mietzahlung, keine Verantwortung für die Behebung der eingetretenen Situation. Die Annahme irgendwelcher Mitverschuldensaspekte scheidet daher ebenfalls von vornherein aus.

Gleiches gilt sinngemäß für § 1105 ABGB, der für eine Einschränkung des Gebrauchs des Mietobjekts durch außerordentlichen Zufall eben einen verhältnismäßigen Mietzinserlass vorsieht.

Auf den Punkt gebracht: § 1104 ABGB ist eine reine Gefahrtragungsregel, die die Gefahr für unter anderem Seuche und behördliche Eingriffe dem Vermieter zuweist. Unabhängig vom Geschäftszweck des vom Mieter im Mietobjekt ausgeübten Gewerbes oder Berufes. Die Eigentümer sehen dies aber oft anders.

Wenn Unternehmer aber staatliche Unterstützung in Form eines Fixkostenzuschusses oder Umsatzersatzes bekommen – müssen Sie dann damit auch Miete zahlen.

Nemetschke: Nein. Ein „Stellvertretendes Commodum“ tritt gezielt an die Stelle eines untergegangenen Vermögenswertes eines Schuldners (zB die erwähnte Versicherungsleistung für untergegangene Sache, der Ersatzanspruch für untergegangene Sache, der Erlös aus Doppelverkauf). Davon kann aber bei einem Mieter in der „Lockdown-UmsatzersatzSituation“ keine Rede sein: Es geht durch den Lockdown kein mietvertraglich geschuldeter Vermögenswert eines Mieters unter, der durch den Lockdown-Umsatzersatz ersetzt würde. Auch hier teilt das Gutachten unsere Position, dass staatliche Unterstützungen keine Auswirkungen auf die zwischen Bestandnehmer und Bestandgeber geltende gesetzliche Rechtslage haben. Der Mieter/Pächter kann sich also auch dann auf §§ 1104 f ABGB gegenüber dem Vermieter/Verpächter berufen, wenn er staatliche Unterstützungsleistungen in Anspruch nimmt.

Schon aus diesem Grund stellt daher ein „Lockdown-Umsatzersatz“ kein „Stellvertretendes Commodum“ in der Sphäre des Mieters dar: Mangels Untergangs einer Vertragsleistung des Schuldners (Mieters) kann eine erhaltene Förderung kein „stellvertretendes“ Commodum im Vermögen des Empfängers sein: Es gibt beim Schuldner in diesem Sinne nichts zu „ersetzen“.

Schuld an der strittigen Rechtsauslegung zwischen Vermieter und Mieter rund um Fixkostenzuschuss und Umsatzersatz ist das 2.COVID-19-JuBG (Justiz-Begleitgesetz). In dessen Entwurf gab es einen Hinweis auf das Mietminderungs- oder Befreiungsrecht, im Initiativantrag für das Gesetz finden sich diese Ausführungen nicht mehr. Stattdessen wird in den Erläuterungen ausgeführt, dass Fragen, wie etwa über Geschäftsraummieten und Pachtverträge, „auf Grundlage der bestehenden Gesetzeslage gelöst werden“ sollen. Gott sei Dank hat das Gutachten auch hier eindeutig Position bezogen.

Ihr Fall wurde breit in den Medien diskutiert. Was ist der aktuelle Stand?

Berndt Querfeld: Nach wie vor gibt es keine Gespräche. Wir werden einander vor Gericht treffen. Das müsste nicht sein. Bis zum 1. Lockdown haben wir immer pünktlich die Miete bezahlt – dabei geht es um einen hohen fünfstelligen Betrag pro Monat. Bedauerlicherweise gibt es aufgrund der fehlenden Bereitschaft der Vermieter zu einer gemeinsamen Lösungssuche derzeit keine Alternative zu einer gerichtlichen Klärung.

Wir haben einen guten – auch rechtlich abgesicherten – Grund nicht zu zahlen. In der Krise ist es wichtig, ausreichend Liquidität im Haus zu behalten. Wir mussten das Café Landtmann, wie alle unseren anderen Betriebe auch, schließen und können das Mietobjekt daher nicht nutzen. Wir haben daher beschlossen, nur das Notwendigste zu zahlen. Unser Vermieter nennt das Mietzinsrückstand. Aus unserer Sicht sind wir aber nichts schuldig.

„Nach wie vor gibt es keine Gespräche. Wir werden einander vor Gericht treffen. Das müsste nicht sein.“

Berndt Querfeld

Zwischen den Zahlen lesen.

Wolfgang Binder

Der Fachgruppenobmann der Kaffeehäuser der Wirtschaftskammer Wien ist stellvertretender Obmann des Klubs der Wiener Kaffeehausbesitzer und Betreiber des Wiener Kaffeehauses Frauenhuber.

Wie sieht es an den anderen Standorten aus?

Querfeld: Mit privaten Vermietern haben wir rasch eine Einigung erzielt. Probleme haben wir bei institutionellen Vermietern wie eben der Wlaschek Stiftung im Fall des Café Landtmann, einer anderen Stiftung im Fall Café Mozart und mit der Burghauptmannschaft beziehungsweise der Schloss Schönbrunn Kultur- und Betriebsgesellschaft. Letztere will sogar Anspruch auf einen Teil des Fixkostenzuschusses erheben. Ich sollte damit die Mieten bezahlen.

Nemetschke: Wenn Betreiber den Fixkostenzuschuss 1 und/oder den Fixkostenzuschuss in Höhe von 800.000 Euro in Anspruch nehmen, dann sind diese, gemäß der Richtlinien zur Schadensminderung – genauer gesagt zur Kostenminderung – verpflichtet. Konkret bedeutet das, dass der Förderungswerber verpflichtet ist, Miet- oder Pachtzinsentfall oder -minderung beim Vermieter geltend zu machen, wenn die Voraussetzungen der §§ 1104 ff ABGB vorliegen. Ist das Mietobjekt aufgrund der herrschenden Pandemie und/ oder im Zusammenhang mit der Pandemie erlassener behördlicher Verfügungen (Betretungsverbote, Abstandsregeln, Beschränkungen der Öffnungszeiten) nicht oder nur eingeschränkt nutzbar, steht dem Mieter Anspruch auf Miet- oder Pachtzinsentfall bzw. -minderung zu. Als Minimalerfordernis ist die Zahlung der Mietzinse „unter Vorbehalt“ nötig. Eine vorsätzliche Verletzung dieser Fördervoraussetzungen führt zu einem Rückforderungsanspruch der COFAG und ist auch mit strafrechtlichen Konsequenzen (Förderbetrug) bedroht.

Ein privater Vermieter kann womöglich leichter auf Mieteinnahmen verzichten – beziehungsweise die Rechtslage ohne Gegenwehr, so sinnvoll oder sinnlos diese wäre, hinnehmen. Vorstände, Geschäftsführer von institutionellen Anlegern verwalten fremdes Geld. Wollen diese sich durch ihr Vorgehen unter Umständen gegen Schadenersatzforderungen der Eigentümer bzw. Berechtigten absichern? Stichwort: „Ich hab’s versucht – aber bin bei Gericht nicht durchgekommen“?

Nemetschke: Das will ich nicht ausschließen. Ändert aber nichts an der Rechtslage.

Klingt wie Anstiftung zum Förderungsbetrug – was man bei Burghauptmannschaft und Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsgesellschaft wohl ausschließen können sollte. Da weiß anscheinend die rechte nicht was die linke Hand tut?

Nemetschke: Finanzministerium und COFAG hetzen geradezu Bestandnehmer und Bestandgeber gegeneinander auf, kommunizieren unabgestimmt, noch dazu irreführend. Der ganze Konflikt wird auf dem Rücken der Förderungswerber/Mieter ausgetragen.Es war eine politische Entscheidung der Regierung, Vermieter nicht unterstützen zu wollen.

Kommen Sie mit der bisher erhaltenen Unterstützung über die Runden?

Querfeld: Die achtzig Prozent Umsatzersatz im November haben ausgereicht, um die Weihnachtsgehälter der Mitarbeiter zu bezahlen. Im Dezember waren es dann fünfzig Prozent. Jetzt bekommen wir aufgrund der Größe des Unternehmens nichts mehr. Der Topf für uns ist leer. Jetzt haben wir noch Anspruch auf Verlustersatz in Höhe von 75 Prozent. Anders als andere Kollegen haben wir schnell reagiert – und uns rasch um externe Hilfe

Alfred Nemetschke

Seit 1990 als Rechtsanwalt in Österreich zugelassen - gilt als einer der führenden Immobilienexperten in Österreich und CEE/SEE und berät nationale und internationale Mandanten in den Bereichen Immobilienrecht sowie Projektentwicklung und -finanzierung.

„Eine Verletzung der Fördervoraussetzungen führt zu einem Rückforderungsanspruch der COFAG.“

Alfred Nemetschke

bemüht. Ein bekannter Immobilienexperte hat mich an Rechtsanwalt Nemetschke verwiesen. Wir sind aber auch den Umgang mit Behörden, Finanzamt, Sozialversicherung gewöhnt. Da ist beim ersten Anwaltsbrief wohl so manchen das Herz in die Hose gerutscht. Einige werden wohl auch aus Kostengründen den Weg zum Anwalt gescheut haben.

Wolfgang Binder: Die COFAG arbeitet nicht nur viel zu langsam. Wir haben am 10. September 2020 über unseren Steuerberater den Fixkostenzuschuss eingereicht. Es folgten mehrere Telefonate. Ende Oktober dann die telefonische Auskunft: Der Antrag sei abgewiesen worden. Eine schriftliche Mitteilung hätte man schon vor einiger Zeit zugestellt. Diese ist aber nie eingetroffen.

Jetzt aber kommt‘s: Der Antrag wurde abgewiesen. 2017 hätte es ein Finanzverfahren gegeben – daher hätten wir keinen Anspruch auf den Fixkostenzuschuss.

Da geht es um die Frage der steuerlichen Ehrlichkeit? Etwa beim Umsatzersatz, beim Fixkostenzuschuss I und II oder der COVID-19-Investitionsprärnie sind (vorsätzliche) Finanzstraftaten ein Ausschlussgrund.

Binder: Stimmt. Dagegen ist auch nichts einzuwenden. Aber: Das Finanzstrafverfahren wurde zu unseren Gunsten eingestellt. Diese

Rechnet sich.

Berndt Querfeld

Cafétier Berndt Querfeld ist Chef des Café Landtmann. Neben dem Café Landtmann gehören zum „Querfeld-Imperium“ das Café Mozart gegenüber der Albertina gelegen, das Café Residenz in Schönbrunn, das Café Hofburg im Inneren Burghof, Landtmann’s Parkcafé beim Neptunbrunnen im Schlosspark Schönbrunn, das Café Museum, Landtmann‘s Jausen Station im Schönbrunner Kronprinzengarten und Das Bootshaus an der Alten Donau. Alle Betriebe werden von Familienmitgliedern geführt.

Unterlagen lagen der COFAG aber nicht vor. Dass wir Ende Oktober den Bescheid mit der Einstellung an die COFAG geschickt haben, hat das Verfahren nicht wesentlich beschleunigt. Nach weiteren Telefonaten ist die Auskunft nach immerhin 14 Wochen „Der Akt ist in Bearbeitung“. Man warte – mittlerweile ist es Mitte Jänner – auf ein Ergänzungsgutachten zum Gerichtsverfahren vom BMF. Dies könne man seitens der COFAG aber nicht beschleunigen. Anfang März haben wir dann ein automatisch erstelltes Formular für einen Antrag zur Erstellung eines Ergänzungsgutachtens, auf das die COFAG schon seit Wochen wartet, erhalten.

Wie ist der aktuelle Stand?

Binder: Bis dato – also seit 10. September 2020 – ist leider noch nicht klar, ob bzw. wann wir mit einer Überweisung des Fixkostenzuschuss rechnen können.

Wir sind sicher kein Einzelfall – ich spreche stellvertretend für meine Kollegen, die vor ähnlichen Problemen und bürokratischen Hindernissen stehen. Es wird die Hilfe des Staates sehr geschätzt, doch die Zeit ist und bleibt ein wesentlicher Faktor.

„Bei vielen Betrieben sind die finanziellen Reserven ausgeschöpft.“

Wolfgang Binder

Wie sehen Sie die Höhe der Zuschüsse – kommt man damit durch?

Binder: Es kristallisiert sich auch deutlich heraus, dass man mit den 15 Prozent Umsatzersatz und 15 Prozent Vorschuss auf den Fixkostenzuschuss Jänner, Februar und März 2021 nicht auskommen kann. Wie wir haben viele andere Kaffeehausbetreiber auch Überbrückungskredite aufgenommen. Jetzt werden die ersten Raten fällig, gleichzeitig sind bei vielen Betrieben die finanziellen Reserven ausgeschöpft. Die COFAG Mitarbeiter leisten sicher gute Arbeit, aber die paar tausend Unternehmer, die aus dem automatischen System herausgefallen sind, brauchen die Hilfsgelder genauso wie alle anderen. Angeblich bzw. laut COFAG beträgt die Bearbeitungszeit durchschnittlich 17 Tage.

Die Realität schaut offensichtlich anders aus: Der Fall Café Frauenhuber dauert schon sechs Monate – also statt rund 17 Tagen mehr als das Zehnfache, nämlich rund 180 Tage.

Rechtsprechung bisher

# Ein Friseur, der im Frühjahr wegen gesetzlicher Vorgaben im Rahmen der Coronapandemie sein Geschäft schließen musste, muss nach Ansicht des Gerichts für diese Zeit keine Miete zahlen. Das Urteil basiert auf § 1004 ABGB (Urteil BG Meidling 9 C 368/20b).

# Im zweiten Fall hatte eine Textilhandelskette die Miete für März nur unter Vorbehalt bezahlt, die für April ganz einbehalten. Die vermietende Gesellschaft klagte auf Mietzahlung und Räumung. Auch in diesem Fall entschied das Gericht zugunsten der Mieter und bestätigte den kompletten Entfall des Mietzinses während der Zeit des Lockdowns. Die Frage, ob der Händler seine Umsätze im Internet hätte retten können, erübrigte sich: Er betrieb nachweislich keinen Onlineshop. Etwaige Fördermaßnahmen waren nicht Gegenstand des Verfahrens, weil die Klägerin dazu nicht genug vorgebracht hatte. Auch in dieser Entscheidung bezieht sich das BG auf die Rechtslage nach dem ABGB hinsichtlich unbeherrschbarer Zufälle bzw. „Seuchen“ (Urteil BG Meidling 9c 361/20y).

# Der dritte Fall betraf einen Swingerclub. Dieser hatte die Mieten für die Monate Mai bis inkl. Juli nicht bezahlt. Der Vermieter klagte – der Mieter sei in einem qualifizierten Mietzinsrückstand. Der Beklagte habe wissen müssen, dass eine gänzliche Mietzinsreduktion nicht in Betracht käme, wenn das Objekt zumindest teilweise benutzbar wäre und zum bedungenen Gebrauch geeignet; der Mieterin sei gemäß ihrem eigenen Vorbingen bewusst gewesen, dass die Öffnung des Barbereichs möglich gewesen wäre. Das Gericht stellte fest, dass das Bestandsobjekt zum Betrieb eines Swingerclubs vermietet worden war. Vom 16. März bis 4. Mai war das Betreten des Kundenbereiches untersagt. Die Beklagte war daher zur Schließung des Lokals verhalten. Danach war bis Juli 2020 die Öffnung zwar möglich, durch Sperrstunden um 23:00 Uhr aber nur für eine Stunde bzw. am Samstag für zwei Stunden. Die Beklagte konnte das Bestandsobjekt daher nicht nutzen und war von der Mietzinszahlung befreit. Das Räumungsbegehren wurde abgewiesen. (Urteil BG Josefstadt 5 C 313/20d).

# Und dann gibt es noch ganz aktuell das erste Urteil 2. Instanz (LG ZRS Wien 39 R 27/21s), das im Falle eines Buchhändlers Mietzinsbefreiung während des 1. Lockdowns zuspricht und die Argumentation, dass der FKZ 1 dem Mieter das Recht nehme, sich auf §§ 1104 f ABGB zu berufen, verwirft.

VwGH zum Entschädigungsanspruch nach dem EpiG

Im vorliegenden Fall betreibt eine Gesellschaft mehrere Buchhandlungen, darunter auch ein Geschäft im Bezirk Bruck-Mürzzuschlag. Aufgrund der COVID-19-Maßnahmenverordnung (COVID 19 MV) bzw. der COVID-19-Lockerungsverordnung (COVID 19 LV) durfte dieses Geschäft zum Erwerb von Waren zunächst gar nicht und dann nur unter bestimmten Voraussetzungen betreten werden (begrenzte Kundenanzahl, Abstandsregeln sowie verpflichtender Mund-NasenSchutz). Die Gesellschaft machte geltend, es handle es sich hierbei um Beschränkungen der Betriebsstätte im Sinne des § 20 Epidemiegesetz 1950 (EpiG). Sie beantragte daher bei der Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag für den Zeitraum der Beschränkungen eine Vergütung für den Verdienstentgang nach § 32 EpiG in der Höhe von ca. 230.000 Euro. Die Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag sowie auch das Landesverwaltungsgericht Steiermark (Verwaltungsgericht) verneinten einen Ersatzanspruch nach § 32 EpiG und wiesen den Antrag ab. Die Gesellschaft erhob dagegen Revision.

Der VwGH wies die Revision ab. Laut der COVID-19-Maßnahmenverordnung und der COVID-19-Lockerungsverordnung wurde das Betreten von Geschäften untersagt bzw. eingeschränkt. Die Verordnungen fußten auf dem COVID-19-Maßnahmengesetz, aber nicht auf den für die Entschädigung relevanten Paragrafen (Paragraf 20 Epidemiegesetz). Daher greift auch die Entschädigung nach dem Epidemiegesetz nicht für Unternehmen, die nach den beiden COVID-19-Verordnungen zusperren mussten. (Ra 2021/03/0018 vom 24. Februar 2021).

Die Hoffnung von Unternehmen, Entschädigungen nach dem Epidemiegesetz zu erhalten, ist damit vorbei.

Immobilien-Know-Wow!

Rechtsgutachten schafft Klarheit

Des einen Freud des andern Leid. Die §§ 1104 f ABGB geben klare Regeln für den Fall der Pandemie vor, nichtsdestotrotz sehen sich Mieter/Pächter mit (teilweise massiven) Forderungen von Vermietern/Verpächtern und Mietzins- und Räumungsklagen konfrontiert. Ein bei Univ. Prof. Dr. Brigitta Zöchling-Jud, Professorin für Zivilrecht und Dekanin der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, von den Fachgruppen Gastronomie, Kaffeehäuser und Hotellerie in Auftrag gegebenes Privatgutachten stärkt die Position von Mietern und Pächtern.

1. Ob ein Bestandnehmer den Bestandzins auch dann (ganz oder teilweise) zu entrichten hat, wenn er das Bestandobjekt auf Grund der aktuellen Pandemie nicht vertragsgemäß nutzen kann, ist eine Frage der Gefahrtragung, die im ABGB umfassend geregelt ist. Dabei gilt als Grundsatz, dass die Preisgefahr den Bestandgeber trifft, also zufällige Ereignisse wie die aktuelle COVID-19 Pandemie in seine Sphäre fallen. Dies gilt nicht nur für gewöhnliche Zufälle (§ 1096 ABGB), sondern auch für „außergewöhnliche Zufälle“ iSd §§ 1104 f ABGB. Die Besonderheit bei außergewöhnlichen Zufällen besteht darin, dass der Bestandgeber von der Wiederherstellungspflicht befreit wird. Die §§ 1096, 1104 f ABGB sind ein gesetzlich positivierter Fall der Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage.

2. Entsprechend der herrschenden Lehre und der (bislang vorliegenden erstinstanzlichen) Judikatur ist die COVID-19 Pandemie als außerordentlicher Zufall iSd § 1104 ABGB anzusehen. Die durch die Pandemie verursachte Unbrauchbarkeit eines Bestandobjektes führt also dazu, dass den Bestandnehmer keine oder nur eine eingeschränkte Verpflichtung trifft, den Bestandzins zu zahlen.

3. Unter §§ 1104 f ABGB sind nicht nur Gebrauchsbeeinträchtigungen zu subsumieren, die unmittelbar auf einer behördlichen Maßnahme (Betretungsverbot, Abstandsregelungen, Einschränkung der Öffnungszeiten) beruhen, sondern auch sonstige pandemiebedingte Umsatzausfälle. Stets muss aber die im Kunden- und Umsatzrückgang liegende Beeinträchtigung auf die Pandemie zurückzuführen sein, wofür der Mieter/Pächter beweispflichtig ist. Der Zusammenhang ist aber für die Bereiche der Gastronomie und Hotellerie prima facie anzunehmen.

4. Die §§ 1104 f stellen für Miete und Pacht weitgehend gleiche Regelungen bereit. Dies gilt von vornherein für den Entfall der Wiederherstellungspflicht des Bestandgebers bei außerordentlichen Zufällen und für den Entfall der Zinszahlungspflicht bei Unbrauchbarkeit des Bestandobjektes. Unbrauchbarkeit (und nicht Gebrauchsbeeinträchtigung) liegt immer dann vor, wenn das Bestandobjekt über einen bestimmten Zeitraum nicht benützt werden kann, wenn Teile davon unbrauchbar sind, oder auch dann, wenn ein nur ganz geringer Ertrag erwirtschaftet werden kann. Ein Restnutzen, der etwa in der Lagerung von Waren liegt, ist unbeachtlich. Liegt eine bloße Gebrauchsbeeinträchtigung vor, ist auch ein Pächter eines für mehr als ein Jahr gepachteten Objektes zur Pachtzinsminderung berechtigt, wenn der durch den außerordentlichen Zufall verursachte Nachteil nicht in Folgeperioden kompensiert werden kann, wie es für Betriebe des Gastgewerbes oder Hotels typisch ist.

5. Ob und inwieweit die COVID-19-Pandemie zu einer gänzlichen oder teilweisen Unbrauchbarkeit des Bestandobjektes führt, ist stets am „bedungenen Gebrauch“ zu messen. Maßgebend ist also der Vertrag. Dabei kommt es nicht nur auf ausdrückliche Vereinbarungen an, sondern auch auf den gewöhnlich vorausgesetzten Verwendungszweck.

6. Ein Bestandgeber kann nicht dazu verhalten werden, im Geschäftslokal ein anderes Geschäft als vertraglich vereinbart oder wie bisher betrieben auszuüben, um dem Bestandgeber den vollen Bestandzins zu erhalten. Kaffeehäuser müssen also nicht zu Lebensmittelgeschäften oder, wie etwa ein Vermieter ernsthaft meint, in Apotheken umgewandelt werden.

7. Es besteht auch keine Verpflichtung, ein Liefer- oder Abholservice einzurichten, wenn ein solches nicht schon vor der Pandemie betrieben wurde. Gegebenenfalls kann ein solches Liefer- oder Abholservice, das bisher betrieben wurde, sogar eingestellt werden, wenn es wegen der Pandemie nicht mehr betriebswirtschaftlich sinnvoll betrieben werden kann.

8. Ein allfälliger Restnutzen des Geschäftslokals durch Lagermöglichkeiten, Unterbringung der Geschäftsausstattung uä stellt keine teilweise Brauchbarkeit iSd § 1105 ABGB dar, sondern Unbrauchbarkeit iSd § 1104, weil die Lagerung und Unterbringung idR nicht Selbstzweck ist.

9. Zwischen Entfall des Bestandzinses und Minderung besteht wie bei § 1096 ABGB nur ein quantitativer Unterschied. Auch bei §§ 1104 f ist das Ausmaß der Zinsminderung nach der relativen Berechnungsmethode zu bestimmen. Daher ist die Minderung durch Vergleich des vereinbarten Bestandzinses zu jenem Bestandzins zu ermitteln, der trotz Gebrauchsbeeinträchtigung am Markt zu erzielen wäre. Maßgebend ist der Grad und die Dauer der Unbrauchbarkeit, die wiederum am Vertragszweck zu orientieren ist. Gute Gründe sprechen dafür, die Unbrauchbarkeit am Umsatzentgang zu messen und daher bei der Berechnung der Minderung einen Umsatzvergleich anzustellen. Die Mietzinsminderung hat den gesamten Mietzins zum Ausgang zu nehmen, also auch die Betriebskosten zu erfassen.

10.Die Minderung wirkt ex lege, so dass ein zu viel entrichteter Zins nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen zurückgefordert werden kann. In der vorbehaltslosen Zahlung des Zinses liegt nur dann ein konkludenter Verzicht auf die Minderung, wenn sie nicht irrtümlich erfolgte, einschließlich Rechtsirrtümern.

11. Staatliche Unterstützungen haben keine Auswirkungen auf die zwischen Bestandnehmer und Bestandgeber geltende gesetzliche Rechtslage. Der Mieter/Pächter kann sich also auch dann auf §§ 1104 f ABGB gegenüber dem Vermieter/Verpächter berufen, wenn er staatliche Unterstützungsleistungen in Anspruch nimmt.

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