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4.3.2 Digitalisierung
DIN 2000 - Zentrale Trinkwasserversorgung – Leitsätze für Anforderungen an Trinkwasser, Planung, Bau, Betrieb und Instandhaltung der Versorgungsanlagen DVGW Arbeitsblatt W 1000 – Anforderungen an die Qualifikation und die Organisation von Trinkwasserversorgern
Die Überprüfung des technischen Sicherheitsmanagements und die Teilnahme an Benchmarking-Projekten sind freiwillige Leistungen des WVU, die nicht gesetzlich verpflichtend gefordert werden. Mit einer erfolgreichen TSM-Überprüfung dokumentiert ein Unternehmen nach außen, dass es alle normativen Anforderungen erfüllt. Da das Technische Sicherheitsmanagement eines Unternehmens von unabhängigen Sachverständigen durchgeführt und bestätigt wird, kommt dem Zertifikat eine gewichtigere Nachweisfunktion zu als eine Selbsterklärung. Eine TSM-Zertifizierung kann z. B. im Fall von Rechtsstreitigkeiten vorteilhaft zum Tragen kommen.
Grundsätze – Leitbild
Die Digitalisierung von Prozessen in der Wasserversorgung bietet zukunftsweisende Potenziale zur Optimierung der Wirtschaftlichkeit, Sicherheit, Nachhaltigkeit und Kundenzufriedenheit.
Voraussetzung für eine erfolgreiche Transformation ist die Kenntnis über den Status quo des eigenen Unternehmens bezogen auf die digitale Kompetenz und die relevanten technischen Kenngrößen sowie eine realistische Vorstellung der möglichen Einsatzbereiche und Gestaltungsfelder.
Der Fortschritt einer digitalen Transformation darf nicht zu einem Verlust von Sicherheit bzw. einem Kenntnisverlust analoger Betriebsabläufe, Betriebssteuerung etc. führen. Handlungsbedarf - Ausführungshinweise
Im Rahmen der Ertüchtigung der Wasserversorgungsdatenbank WAVE 7 sind die dort enthaltenen Kenngrößen mit dem Hauptkennzahlensystem abzugleichen.
Zur Vermeidung von Mehrfachabfragen und zur Begrenzung des Aufwandes seitens der WVU ist bei der Informationsbeschaffung und -übermittlung nach § 88 WHG i. V. m. § 90 SächsWG weitmöglich eine Orientierung am Hauptkennzahlensystem anzustreben.
Um zukünftig die Anzahl teilnehmender Unternehmen zu erhöhen, kann ein koordiniertes Vorgehen aller Beteiligten mit zielgerichteten Aktionen unterstützend wirken.
Ziele – Umsetzungsstrategie
Die Informations- und Weiterbildungsangebote z. B. DVGW Reifegradmodell Wasserversorgung 4.0 sind bestmöglich zu nutzen.
Die Mitwirkung in Gremien, die fachspezifische Anforderungen der Digitalisierung für die Wasserversorgungsbranche „übersetzen“ und zu Mindestanforderungen für die Standardisierung von branchenspezifischer Software oder Systemen entwickeln, ist zu empfehlen.
Ein sorgfältiges Abwägen, welche Schritte im Sinne einer nachhaltigen Versorgungs- und Geschäftspolitik sinnvoll sind, ist geboten (keine Digitalisierung um jeden Preis). Die Risiken digitaler Aufgabenerfüllung sind offen zu diskutieren.
IST-Zustand – Status quo
Die zunehmende Digitalisierung aller Lebensbereiche führt zu einem fortlaufenden Wandel der Alltagsabläufe, tradierte Gewohnheiten und Techniken werden abgelöst. Mithin verändern sich gesellschaftliche Werte und Ansprüche, die begründete aber auch diskursive Erwartungshaltungen erwachsen lassen. Die Automatisierung manueller Prozesse, kaum flächendeckend abgeschlossen, ist dem digitalen Anpassungsdruck ausgesetzt. Der Prozess beeinflusst mit einer hohen Dynamik auch die beruflichen Anforderungen.
Der Begriff Industrie 4.0 beschreibt die industrielle Produktion als vernetztes System, in dem alle relevanten Daten kontinuierlich erfasst, über WLAN zu übergeordneten Computersystemen bzw. in eine Cloud transferiert und analysiert werden. Die Ergebnisse der Analysen fließen automatisch in die Prozesssteuerung ein und können für die Planung und Durchführung z. B. von Instandhaltungsmaßnahmen genutzt werden. Auch die Wasserwirtschaft kann sich dem digitalen Entwicklungsdruck nicht entziehen. Zusammengefasst unter der Begrifflichkeit Wasser 4.0. werden Entwicklungen beschrieben, die unter Einsatz digitaler Technologien Auswirkungen auf alle Bereiche der Wasserversorgung von der Rohwassergewinnung bis zur Ausreichung an den Kunden haben werden.
Das Potenzial der Nutzungsmöglichkeiten der Digitalisierung für die Trinkwasserversorgung ist vielfältig und bei weitem nicht ausgeschöpft. In der Wasseraufbereitung sind digitale Transformationen z. B. bei der Überwachung von Qualitätsparametern und der automatischen Anlagensteuerung vor allem bei großen Unternehmen der Branche bereits vollzogen und zum Teil bereits Stand der Technik. Bezogen auf digitale Innnovationen bei der Überwachung des Wasserverteilnetzes und der automatisierten Steuerung gibt es dagegen ein erhebliches Anpassungspotenzial.
Voraussetzung für eine erfolgreiche digitale Transformation ist die Kenntnis über den Status quo des eigenen Unternehmens hinsichtlich relevanter technischer Kenngrößen sowie eine realistische Vorstellung der möglichen Einsatzbereiche und Gestaltungsfelder. Zur Unterstützung der Wasserwirtschaftsunternehmen wurde im Rahmen des DVGW-Forschungsprojektes „Reifegradmodell Wasserversorgung 4.0“ ein standardisiertes Modell entwickelt, mit dessen Hilfe der digitale Entwicklungspfad systematisch analysiert wird. Es kann bestimmt werden, wo das Unternehmen in Bezug auf die Digitalisierung steht. Damit wird die notwendige Wissensbasis geschaffen, um sich mit dem Thema Digitalisierung strukturiert auseinanderzusetzen und für das Unternehmen sinnvolle Potenziale der Digitalisierung zu identifizieren.149
Ergänzend werden in der aktuellen Fachpublikation des DVGW „Nutzungsmöglichkeiten der Digitalisierung in der Wasserwirtschaft“ Einsatzbereiche digitaler Technologien ausführlich dargestellt und beschrieben. Eine Auswahl ist nachfolgend wiedergegeben:
Smart Meter (digitaler Wasserzähler)
Digitale Wasserzähler ermöglichen die digitale Erfassung, Übertragung und Auswertung des Durchflusses am Hauseingang eines Endabnehmers mit hoher zeitlicher Auflösung (u. a. Leckageüberwachung in der Trinkwasserinstallation/Hausanschlussleitung) und schaffen damit die Voraussetzung für eine Optimierung der Genauigkeit der Trinkwasserbilanzierung in einem Versorgungsgebiet. In Kombination mit durchflussreduzierenden und ferngesteuerten Armaturen ist es perspektivisch denkbar, in Wassermangelsituationen den Absatz gezielt zu senken.
Als Zugangspunkte zur Datenfernübertragung des Wasserversorgers (oder eines Dienstleisters) werden Smart Meter strategisch wertvoll, da sie sich auch mit weiteren Sensoren z. B. zur Qualitätsüberwachung (primär Temperatur) ausstatten lassen. Gegenwärtig existiert noch kein einheitlich genutzter Standard für die sichere Datenübertragung von Smart Metern, außerdem sind Fragen zum Datenschutz offen.
Wartung und Instandhaltung
Die geeignete Ausrüstung von Maschinen und Anlagen mit Sensoren und ihre Modellierungen lassen Aussagen zum Zustand und Voraussagen zum künftigen Verhalten eines Bauteils oder einer ganzen Anlage zu. Dementsprechend lassen sich unterschiedliche Instandhaltungsstrategien begründen. Zum Beispiel wird eine vorausschauende Wartung ermöglicht, d. h. durch die Auswertung von Sensordaten können Wartungsarbeiten durchgeführt werden, bevor es zu einem Ausfall der Anlage kommt. Ein wichtiger Einsatzbereich ist das Wasserverlustmanagement durch den Einsatz von Druck- und Durchflusssensoren und die Erfassung von Wasserqualitätsveränderungen mit Hilfe von Event-Detektionssystemen.
149 DVGW. (2020). Wasser-Impuls: Nutzungsmöglichkeiten der Digitalisierung in der Wasserwirtschaft
Drohnen und Satellitenfernerkundung
Mit Industrie-Drohnen lassen sich videooptische Kontrollen mit Ortsangaben kombinieren, um das Bildmaterial anschließend als Dokumentation zu archivieren. Anwendungsfälle sind z. B. die Überprüfung von ausgedehnten Zaunanlagen, Talsperrenmauern, Funkmasten, Leckagekontrollen an schlecht zugänglichen Wassertransportleitungen, Erfassen und Beobachten von Algenblüten in Talsperren, Wasserprobenahme durch Drohnen oder Satellitenleckerkundung.
Trinkwasserprognosen
Durch die Auswertung der historischen Daten zum Trinkwassergebrauch, der dazugehörigen Schaltzustände von Aufbereitungsanlagen, Behältern und Wasserverteilungsnetzen und unter Berücksichtigung von Witterung und Wetter lassen sich mit Hilfe von selbstlernenden auf künstlicher Intelligenz (KI) basierenden Systemen in naher Zukunft Voraussagen zum Trinkwasserbedarf machen.
Nutzungskonflikte in Trinkwassereinzugsgebieten
Durch die Vernetzung von Nutzergruppen im Trinkwassereinzugsgebiet, z. B. der landwirtschaftlichen Bewässerung und der Kombination mit feldscharfen Satellitendaten zum Wachstumszustand verschiedener Feldfrüchte, der Verschneidung mit Niederschlagsdaten sowie Daten zur Bodenbeschaffenheit und der Bodenfeuchte, lassen sich mit Hilfe von KI-Anwendungen Wasserbedarfs- und Wasserdargebotsprognosen verbessern und ggf. in Echtzeit abbilden.
Arbeitswelt
Die Digitalisierung von betriebstechnischen Abläufen und Prozessen befördert eine Flexibilisierung hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitsort mit einem Mehrwert für Unternehmen und Arbeitnehmer. Die Automatisierung von Prozessen und die Nutzung künstlicher Intelligenz können den Ablöseprozess gerade für körperlich anstrengende, eintönige oder wiederkehrende Tätigkeiten befördern. Bei allem zukunftsweisenden Potenzial, dass der Digitalisierung von Prozessen in der Wasserwirtschaft innewohnt, ist jedoch Vorsicht geboten mit der Adaption der Erwartungshaltung einer vergleichenden Gegenüberstellung von industrieller Digitalisierung und digitaler Wasserwirtschaftszukunft. Wassergewinnung, -aufbereitung und -verteilung sind komplexe Prozesse und mit naturgegebenen Ungenauigkeiten und Ausfallmomenten gepaart. Mögliche Einflüsse von außen sind zu wenig kalkulierbar, um Planung und Steuerung gänzlich zu automatisieren, wie dies beispielsweise bei industriellen Produktionsprozessen möglich ist.
Desgleichen birgt die digitale Systemanpassung eines Unternehmens auch Risiken, die abzuwägen sind, z. B.:
Abhängigkeit von Datenflüssen und Informationstechnologien sowie Abhängigkeit von der Zuverlässigkeit der eingesetzten technischen Infrastruktur, Folgefehler, wirtschaftlicher Schaden aus unrichtigen Rohdaten, Nichtbeherrschung von Methoden und Verfahren, spezifische Anfälligkeit gegenüber unerwünschten Eingriffen von außen, aufgrund des digitalen Anpassungsdrucks, Verbreitung von Insel- bzw. Einzellösungen, beispielsweise bei Sensoren, Steuerungselementen oder Softwarepaketen, die für spezielle Fragestellungen entwickelt werden, aber untereinander gar nicht oder nur schwer zu verknüpfen sind, im Bereich des Betriebspersonals die Notwendigkeit der schnellen Anpassungsfähigkeit und eines höheren Qualifikationsanspruchs bei ggf. gleichzeitig bestehendem Fachkräftemangel aufgrund der hohen Dynamik und Geschwindigkeit der Veränderung, Verlust von fundamentalen Anlage- und Prozesskenntnissen bzw. der Kenntnis über Bedienung manueller Steuerungstechnik.
Rechtsgrundlage – Handlungsrahmen
Die Digitalisierung erleichtert und beschleunigt Prozesse und verbessert im Idealfall sowohl die Wirtschaftlichkeit als auch die Prozesssicherheit. Mit der Automatisierung und Vereinfachung von Arbeitsabläufen kommt das Risiko des Datendiebstahls und des Eingreifens Unbefugter in sensible Systeme. Die Datenschutzgrundverordnung soll den Schutz personenbezogener Daten in allen gesellschaftlichen Bereichen bewirken. Für sogenannte Kritische