FRIZZ Das Magazin Frankfurt September 2020

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›› FRIZZ LITERATUR

Redaktion: Magdalena Schäfer

BÜCHERTIPPS Karine Tuil

Menschliche Dinge Claasen, 22 € Sex ist zerstörerisch. Er vernichtet Ehen, Karrieren, Existenzen. Claire weiß das. Trotzdem verlässt sie ihren Mann für einen Liebhaber. Ihr Sohn weiß das nicht. Er wird der Vergewaltigung angeklagt. Klägerin ist die Tochter des Liebhabers. Provokant, aber immer geschmeidig konfrontiert die Französin Geschlechter- und Gesellschaftsbeziehungen und zeigt, wie schnell die Fassade zusammenbricht. Dafür gab es den „Prix Goncourt des lycéens“.

Literaturprofessor Holm erhält eine schlimme Nachricht. Seine Zwillingsschwester Luise wurde Opfer eines terroristischen Anschlags in Barcelona. Hals über Kopf reist Holm an den Ort der Tat. Er will herausfinden, wie Luisa gelebt hat und gestorben ist. Die Reise schafft den Raum für Einsichten, Lieben und die bittere Wahrheit. Ein konzentrierter Roman, der davon erzählt, dass wir niemanden wirklich kennen können.

Tayari Jones

Das zweitbeste Leben Arche, 22 € James Witherspoon führt ein Doppelleben, zwei Frauen, zwei gleich alte Töchter. Nur Dana – die zweite, die „andere“ Tochter – und ihre Mutter Gwen wissen um das Geheimnis. Scheinbar zufällig freunden sich die beiden Mädchen an und es ist nur eine Frage der Zeit bis das Geheimnis auffliegt. Einfühlsam lässt Jones die Beteiligten ihre Sicht auf dieselbe Geschichte schildern, erzählt von der Einsamkeit zweier Teenager, von toughen Müttern und schwarzen Lebenswirklichkeiten im Atlanta 80er Jahre.

Sally Rooney

Normale Menschen Luchterhand, 20 € Connell, Arbeiterkind, Star der Fußballmannschaft und Marianne, die seltsame und gut situierte Außenseiterin verlieben sich ineinander. Ihre On-OffBeziehung setzt sich an der Uni fort, ebenso wie ihre gegenseitige Anziehungskraft. Rooney streift Themen wie häusliche Gewalt, Essstörung, Suizid, Depression und Klassenscham und erzählt davon, wie Liebe Halt geben kann – in ihrer klaren und unprätentiösen Sprache. Rooney gilt als Millennial-Shooting-Star, der Roman ist für den Man Booker Prize nominiert und ihr Verlag verkauft sie als den „Salinger für die Snapchat-Generation“ (spiegel.de).

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September 2020

© Véronique Brod

Mit „Bretonische Verhältnisse“ startete im Jahr 2012 eine mörderische Erfolgsgeschichte. Die Krimis mit Commissaire Georges Dupin lösten einen Hype aus, den sich wohl auch sein Erfinder Jean-Luc Bannalec nicht hätte träumen lassen. Auf die „Verhältnisse“ folgten im Jahresrhythmus Flut, Stolz, Gold, Geheimnisse und ein Vermächtnis. Jetzt erscheint der neunte Fall mit Kommissar Dupin: „Bretonische Spezialitäten“ führt uns in die Austernstadt Cancale, das mondäne Seebad Dinard und die Restaurantszene Saint-Malos. Dazu verspricht uns der Verlag haarsträubende Familiengeheimnisse, tragische Verwerfungen und unglaubliche Geschichten. Warum gerade diese Krimireihe hierzulande so beliebt ist? Es soll am Zauber der Bretagne liegen, in die der Commissaire aus Paris strafversetzt wurde. Tatsächlich steht in jedem Krimi ein anderer Aspekt dieser wilden, schönen Region im Nordwesten von Frankreich im Mittelpunkt. Hierzulande haben die Dupin-Bücher eine Millionen-Auflage. Sie wurden verfilmt und in 14 Sprachen übersetzt. Umso erstaunlicher ist es da, dass das Pseudonym Jean-Luc Bannalec erst spät gelüftet wurde. Dahinter steckt kein Franzose, sondern der Wahl-Frankfurter Jörg Bong. Der Literaturwissenschaftler war 22 Jahre bei S. Fischer, von 2015 bis 2019 als verlegerischer Geschäftsführer. Ein Mann mit Gespür für Literatur, ein passionierter Leser, Lektor, Verleger. Schreiben, so äußert er in einem Interview (FAZ, 13.6.20), sei für ihn „fast wie Meditation“. Es ist jetzt schon ziemlich genial, wenn man gegen Schlafstörungen anfängt, Krimis zu schreiben, und sich mal so eben ganz oben auf die Spiegel-Bestsellerlisten katapultiert. Ein Erfolgsgeheimnis ist vielleicht, dass Bong-Bannalec teilweise selbst in der Bretagne lebt und gut recherchiert. So lesen sich seine Bücher immer auch als Reiseführer zu verzauberten Wäldern, verträumten (oder überlaufenen) Küstenorten, den besten Restaurants und steinernen Sehenswürdigkeiten. Auf der deutschen Website des Tourismusverbandes der Bretagne findet man Tipps für eine Rundreise „Auf den Spuren Kommissar Dupins“. Die Küstenstadt Concarneau, wo sein Kommissariat angesiedelt ist, hat sich zu einer Pilgerstätte für Fans entwickelt. Der Autor wird jetzt mit dem deutsch-französischen Freundschaftspreis geehrt. Im Literaturhaus stellt Jörg Bong zum ersten Mal selbst einen seiner Krimis in seiner Heimatstadt vor. Ihm zur Seite stehen Schauspieler Wolfram Koch, der Kommissar Dupin in seinem neuesten Fall seine Stimme leiht, und die Kritikerin Margarete von Schwarzkopf.

LESUNGEN

Colum McCann

© Ira Schwindt

Transit Verlag, 20 €

›› 23.9.2020, 19.30 Uhr, Literaturhaus Frankfurt und im Stream

© Amrei-Marie, cc Wikimedia.tif

Die Tote von Sant Andreu

Kommissar Dupin und sein 9. Fall

© Philippe Matsas, Agence Opale

Peter Henning

JEAN-LUC BANNALEC: BRETONISCHE SPEZIALITÄTEN

Ulrike Almut Sandig

7.9.

der Suche nach Selbstbestimmung. ›› Haus am Dom, 19.30 Uhr

In „Apeirogon“ entfaltet McCann den Palästinakonflikt in seiner Historie und Komplexität. Ein Roman, der das Unbeschreibliche, die Wucht von Verlusterfahrung, sinnlich und sinnhaft erfahrbar macht. ›› Literaturhaus Frankfurt, 19.30 Uhr

13.9.

Colum McCann

10.9.

Ulrike Almut Sandig

„Monster wie wir“ ist der erste Roman der Lyrikerin. In funkelnder Prosa erzählt er von den Wunden der Kindheit und dem Wert der Freundschaft, von Umund Aufbruch, von Identitätsverlust und

Willkommen im Himmel

Historischer Poetry-Slam. Ludwig der XIV., der Sonnenkönig (Thilo Richter), empfängt in himmlischen Gefilden verblichene Dichterinnen und Dichter zum Wettstreit. Wer den Lorbeerkranz erhält, bestimmt das Publikum per Applausometer. ›› Kulturhaus Frankfurt, 19 Uhr

27.9.

Deutscher Buchpreis. Shortlist

Die sechs für den Deutschen Buchpreis

frizz-frankfurt.de

Frank Goosen nominierten Autorinnen und Autoren lesen aus ihren Büchern. Die Veranstaltung ist digital zu erleben, als exklusive Livesendung. ›› Literaturhaus Frankfurt im Stream, 15 Uhr

29.9.

Frank Goosen

Kurz nach der Geburt des Autors und Kabarettisten hörten die Beatles auf, Konzerte zu geben. Der Zusammenhang zwischen diesen beiden Ereignissen ist umstritten. Goosen aber findet: Das kann kein Zufall sein! „Acht Tage die Woche - Die Beatles und ich“ ist eine witzige Liebeserklärung an die „größte Band aller Zeiten“. ›› Neues Theater Höchst, 20 Uhr


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