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TEXTLAND IV

© Dirk Skiba

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Sandra Gugic Shida Bayzar

© Daniel Biskup

Ahmad Milad Karimi

© Joachim Gern

Die deutsche Realität ist eine pluralistische geworden. Längst überfällige Diskurse über Identität, Zugehörigkeit, Mitbestimmung und soziale Gerechtigkeit sind an der Tagesordnung. Das Festival „Textland IV – Tanz um das goldene WIR“ im Literaturhaus zeigt mit Lesungen, Vorträgen und Gesprächen, wie eine plurale und polykulturelle Welt radikal gedacht und gelebt werden kann. ›› Text: Sohra Nadjibi

Das „Wir“ wird ständig neu verhandelt. Ebenso ob die Parallelität kultureller und religiöser Vielfalt und Lebenswelten zur Norm werden kann. Das ist nicht einfach und läuft auch nicht harmonisch ab. „Integration führt zu Konflikten […] und das ist gut so“, so der

Soziologe und Professor für Politikwissenschaft Aladin El-Mafaalani. Es laufe viel besser als früher. Wo Integration gelinge, werde mehr ausgehandelt und damit auch mehr gestritten. Das bedeute aber auch mehr Teilhabe.

In Impulsvorträgen, Gesprächen und Lesungen vermittelt das Festival, wie eine plurale und polykulturelle Welt radikal gedacht und gelebt werden kann.

An vier Abenden bekommen aktuelle Themen aus Literatur und Journalismus einen Raum, werden gehört und diskutiert und unterschiedliche WIR-Stimmen über die heutige deutsche Normalität sichtbar gemacht.

Die Auftaktveranstaltung Ende Oktober setzte sich mit dem „Deutsch-deutschen WIR?“ auseinander. Denn auch nach mehr als 30 Jahren Wiedervereinigung wird Ostdeutschsein nach wie vor als Abweichung der Norm wahrgenommen, Ostdeutsche erfahren Diskriminierung, Abwertung und

Stigmatisierung. Der Autor, Kurator und Lyriker Max Czollek, der an der

Veranstaltung teilnahm, hat vor einigen Jahren den Begriff der „Wehrhaften

Kunst“ ins Leben gerufen: „Schreibe so, dass die Nazis dich verbieten würden!“ den staatlich geförderten Auftrag von Kulturinstitutionen und Archiven, die Gesellschaft in ihrer Vielfalt abzubilden und ihre Debatten zu begleiten. Dies ist auf der Website der Akademie der Künste nachzulesen (adk.de). Textland IV richtet seinen Blick auf die radikale Vielfalt unserer gegenwärtigen Realität. Wie kann eine gleichberechtigte Gesellschaft funktionieren? Wie das Bewusstsein für soziale Ungleichheit noch weiter schärfen, damit diese endlich aufgelöst werden kann? „Von blinden Flecken und wie WIR sie auflösen“ (3.11.) verhandelt soziale Ungleichheit. Journalist und Autor Mohamed Amjahid erklärt in seinem Impulsvortrag den Widerstand gegen emanzipatorische Diskurse in Deutschland. Und versucht, Strategien zu entwickeln, „alles noch mal neu zu sortieren und in einen Dialog zu treten, damit eine inklusivere Gesellschaft dabei rauskommt“, so Amjahid.. Und er weiß, worüber er spricht. In seinem neuesten Buch „Der weiße Fleck“ schreibt er über die blinden Flecken innerhalb der weißen Mehrheitsgesellschaft, über die Kontinuität des Kolonialismus und „Erinnerungsüberlegenheit“. Beschreibt klug und evidenzbasiert, wie das System weißer Privilegien auf struktureller und persönlicher Ebene wirkt. Dass Marginalisierte für sich selbst sprechen, verunsichere Menschen in Machtpositionen. Auch in den sozialen Medien ist Mohamed Amjadid sehr aktiv (@m_amjahid), klärt und deckt unermüdlich auf. Die Autorinnen Elias Diallo und Shida Bazyar lesen im Anschluss. Diallo liest aus „Französisch verlernen“ und thematisiert, warum sie, als Tochter einer französischen Mutter und eines guineischen Vaters, aufgewachsen in Frankreich, heute in Frankfurt lebt und arbeitet. Shida Bazyars Roman „Drei Kameradinnen“ – der es auf die Longlist des diesjährigen Buchpreises schaffte – handelt von der bedingungslosen Freundschaft dreier junger Frauen, die eines gemeinsam haben, nämlich aufgrund der eigenen Herkunft immer und überall infrage gestellt zu werden. Wie wollen wir lieben und leben? Die Autorin und Journalistin Şeyda Kurt hält den Impulsvortrag zu „Wie WIR lieben“ (10.11.), denn unser Alltag ist streng normiert von den Geschlechterverhältnissen. In ihrem klugen Buch „Radikale Zärtlichkeit“ hinterfragt Şeyda Kurt das derzeitige Narrativ von Liebesbeziehungen, das sich (immer noch) zwischen Patriarchat, Rassismus und Kapitalismus bewegt und schlägt stattdessen eine Vielfalt von Beziehungsformen vor.

© privat RADIKALE VIELFALT DER GEGENWART

Textland IV

© M. Heinke Mohamed Amjahid

Seyda Kurt

›› 3.+10. +17.11. 2021, Literaturhaus Frankfurt & via Stream, 19.30 Uhr, Saalticket 9/ erm. 6/ Streamingticket 5 €/pro VA, literaturhaus-frankfurt.de, 3G

Formen, die ein gerechteres Miteinander möglich machen und unzeitgemäße Beziehungsmodelle aufbrechen: „Denn Liebe existiert nicht im luftleeren Raum. Sie ist ein Spiegel unserer Gesellschaft. Und sie ist politisch “, so Şeyda Kurt. Sandra Gugić erzählt in „Zorn und Stille“, ihrem zweiten Roman, die Geschichte einer serbischen Familie, deren Mitglieder als Arbeitsmigrant:innen in Wien leben. Nora Eckert liest aus ihrer Autobiografie „Wie alle, nur anders. Ein transsexuelles Leben in Berlin“. Die Diskussion im Anschluss verhandelt den modernen Mythos Liebe in seinen unterschiedlichsten Ausprägungen. „Plurale WIRklichkeiten“ (17.11.) sind längst Realität in unserer Gesellschaft. Die Abschlussveranstaltung fühlt unter anderem dem innovativen Potenzial der Geschwisterreligionen Judentum und Islam für die Gesamtgesellschaft nach. Ahmad Milad Karimi – Autor Religionsphilosoph und Islamwissenschaftler – erklärt, wie es gelingen kann, dass die Religionen miteinander leben und kooperieren, ohne das Trennende dabei zu vergessen. Denn erst durch die Trennung ist das Eigene sichtbar. Karimi zeigt auf, welche Gemeinsamkeiten man bauen kann, um dem feindseligen und chaotischen Nebeneinander entgegenzuwirken. Denn Ähnlichkeiten und Sympathien könn(t)en Synergien bilden und bereichern. Die gesellschaftliche Vielfalt ist längst Realität, nicht nur eine Ansammlung unterschiedlicher Kulturen und Religionen: Deutschland ist ein Einwanderungsland – laut Statischem Bundesamt leben hierzulande 21,9 Million Menschen mit Migrationshintergrund. „Die Pluralisierung verändert uns alle“, schreibt die Philosophin Isolde Charim in ihrem Werk „Ich und die Anderen. Wie die neue Pluralisierung uns alle verändert“, für das sie den Philosophischen Buchpreis 2018 erhielt. Sie verändere den Bezug zur Gemeinschaft und zur eigenen Identität. Und das birgt ein großes Potenzial, Unterschiedlichkeit als Bereicherung und nicht als Bedrohung wahrzunehmen! Der Historiker Doron Rabinovici und der Autor Deniz Utlu („Gegen Morgen“) lesen und diskutieren im Anschluss mit Ahmad Milad Karimi. Miryam Schellbach und Leon Joskowitz moderieren die Veranstaltungen des Festivals.

Kann endlich wieder trainiert werden: das Tanzbein

Am Ende eines langen Tages – geht es in der Lounge jetzt endlich wieder los! Bring Freunde und ein bisschen Feierlaune mit und genieß einen Abend mit lauten Beats, kühlen Drinks und den besten Party-DJs aus dem Rhein-Main-Gebiet. Auf www.spielbank-bad-homburg.de/events fi ndest Du das gesamte Programm.

Es gilt 3G – Einlass für Geimpfte, Genesene oder Getestete mit negativem PCR-Test nicht älter als 72 Stunden. Bitte beachte die geltenden Schutzvorschriften und die Maskenpfl icht. Alle aktuellen Maßnahmen fi ndest Du auch auf unserer Website.

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