FRIZZ Das Magazin Frankfurt November 2021

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›› FRIZZ LITERATUR

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Ahmad Milad Karimi

Sandra Gugic

Shida Bayzar

Die deutsche Realität ist eine pluralistische geworden. Längst überfällige Diskurse über Identität, Zugehörigkeit, Mitbestimmung und soziale Gerechtigkeit sind an der Tagesordnung. Das Festival „Textland IV – Tanz um das goldene WIR“ im Literaturhaus zeigt mit Lesungen, Vorträgen und Gesprächen, wie eine plurale und polykulturelle Welt radikal gedacht und gelebt werden kann. ›› Text: Sohra Nadjibi

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as „Wir“ wird ständig neu verhandelt. Ebenso ob die Parallelität kultureller und religiöser Vielfalt und Lebenswelten zur Norm werden kann. Das ist nicht einfach und läuft auch nicht harmonisch ab. „Integration führt zu Konflikten […] und das ist gut so“, so der Soziologe und Professor für Politikwissenschaft Aladin El-Mafaalani. Es laufe viel besser als früher. Wo Integration gelinge, werde mehr ausgehandelt und damit auch mehr gestritten. Das bedeute aber auch mehr Teilhabe. In Impulsvorträgen, Gesprächen und Lesungen vermittelt das Festival, wie eine plurale und polykulturelle Welt radikal gedacht und gelebt werden kann. An vier Abenden bekommen aktuelle Themen aus Literatur und Journalismus einen Raum, werden gehört und diskutiert und unterschiedliche WIR-Stimmen über die heutige deutsche Normalität sichtbar gemacht. Die Auftaktveranstaltung Ende Oktober setzte sich mit dem „Deutsch-deutschen WIR?“ auseinander. Denn auch nach mehr als 30 Jahren Wiedervereinigung wird Ostdeutschsein nach wie vor als Abweichung der Norm wahrgenommen, Ostdeutsche erfahren Diskriminierung, Abwertung und Stigmatisierung. Der Autor, Kurator und Lyriker Max Czollek, der an der Veranstaltung teilnahm, hat vor einigen Jahren den Begriff der „Wehrhaften Kunst“ ins Leben gerufen: „Schreibe so, dass die Nazis dich verbieten würden!“ Er plädiert für ein „Archiv der Gegenwart“ (als einem Archiv der wehrhaften Kunst). Als Verfechter einer radikal pluralen Gesellschaft appelliert Czollek an

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den staatlich geförderten Auftrag von Kulturinstitutionen und Archiven, die Gesellschaft in ihrer Vielfalt abzubilden und ihre Debatten zu begleiten. Dies ist auf der Website der Akademie der Künste nachzulesen (adk.de). Textland IV richtet seinen Blick auf die radikale Vielfalt unserer gegenwärtigen Realität. Wie kann eine gleichberechtigte Gesellschaft funktionieren? Wie das Bewusstsein für soziale Ungleichheit noch weiter schärfen, damit diese endlich aufgelöst werden kann? „Von blinden Flecken und wie WIR sie auflösen“ (3.11.) verhandelt soziale Ungleichheit. Journalist und Autor Mohamed Amjahid erklärt in seinem Impulsvortrag den Widerstand gegen emanzipatorische Diskurse in Deutschland. Und versucht, Strategien zu entwickeln, „alles noch mal neu zu sortieren und in einen Dialog zu treten, damit eine inklusivere Gesellschaft dabei rauskommt“, so Amjahid.. Und er weiß, worüber er spricht. In seinem neuesten Buch „Der weiße Fleck“ schreibt er über die blinden Flecken innerhalb der weißen Mehrheitsgesellschaft, über die Kontinuität des Kolonialismus und „Erinnerungsüberlegenheit“. Beschreibt klug und evidenzbasiert, wie das System weißer Privilegien auf struktureller und persönlicher Ebene wirkt. Dass Marginalisierte für sich selbst sprechen, verunsichere Menschen in Machtpositionen. Auch in den sozialen Medien ist Mohamed Amjadid sehr aktiv (@m_amjahid), klärt und deckt unermüdlich auf. Die Autorinnen Elias Diallo und Shida Bazyar lesen im Anschluss. Diallo liest aus „Französisch verlernen“ und thematisiert, warum sie, als Tochter einer französischen Mutter und eines guineischen Vaters, aufgewachsen in Frankreich, heute in Frankfurt lebt und arbeitet. Shida Bazyars Roman „Drei Kameradinnen“ – der es auf die Longlist des diesjährigen Buchpreises schaffte – handelt von der bedingungslosen Freundschaft dreier junger Frauen, die eines gemeinsam haben, nämlich aufgrund der eigenen Herkunft immer und überall infrage gestellt zu werden. Wie wollen wir lieben und leben? Die Autorin und Journalistin Şeyda Kurt hält den Impulsvortrag zu „Wie WIR lieben“ (10.11.), denn unser Alltag ist streng normiert von den Geschlechterverhältnissen. In ihrem klugen Buch „Radikale Zärtlichkeit“ hinterfragt Şeyda Kurt das derzeitige Narrativ von Liebesbeziehungen, das sich (immer noch) zwischen Patriarchat, Rassismus und Kapitalismus bewegt und schlägt stattdessen eine Vielfalt von Beziehungsformen vor.

frizz-frankfurt.de


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