FRIZZ Das Magazin Frankfurt Dezember 2021

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Redaktion: Sohra Nadjibi

AusstellungsHalle 1 a

Die Bänke und gepolsterten Liegen sind eine willkommene Einladung, sich etwas auszuruhen. So wie man das in größeren Ausstellungen zwischendurch gerne mal macht. Diese im Museum verteilten Sitzgelegenheiten sind aber gleichzeitig ein öffentliches Bekenntnis zu den eigenen körperlichen Grenzen. „All this standing is painful, sit if you agree“, steht auf einer der Bänke in großen Buchstaben geschrieben. Das Hinsetzen wird zu einem Statement. Die Bänke sind eine Arbeit von Shannon Finnegan mit dem Titel „Do you want us

here or not“. Finnegan lebt seit ihrer Geburt mit einer Behinderung, so wie viele andere Künstler der Ausstellung auch. „Crip Time“ – „Krüppelzeit“ beschäftigt sich mit der gesellschaftlichen Wahrnehmung von Behinderung sowie mit dem Leben von Behinderten. Und den Einschränkungen, die sie in ihrem Leben durch die Behinderung erfahren

– die häufig vermeidbar wären. Franco Bellucis verdrehte, gefesselte MüllSkulpturen erzählen aus seiner Zeit in der Psychiatrie, Michelle Miles Film von ihren Bemühungen, ein Hand-Model zu werden. Immer wieder wird deutlich: Krankheit ist nicht nur eine individuelle Angelegenheit. Ann Wente-Jaeger

Marc Brandenburg: Hirnsturm II ›› Bis 30.1.2022, Städel, Di/Mi, Fr-So 10-18+Do 10-21 Uhr, staedelmuseum.de

Dass Marc Brandenburgs Bilder Zeichnungen sind, erkennt man im ersten Moment gar nicht. Seine Vorlagen sind Fotografien, die wie ein visuelles Tagebuch der letzten 30 Jahre wirken. Die Bilder zeigen flüchtige Eindrücke von der Straße: Junkies, in Schlafsäcke gewickelte Obdachlose, Parkbänke mit Graffiti. Menschenmengen, Demonstrant:innen mit Plakaten und Festivalbesucher:innen. Auf einigen Bildern erkennt man Prominente, Michael Jackson und Yves Saint Laurent. Allerdings sind sie alle das Negativ ihrer selbst: weiß ist schwarz und schwarz ist weiß. Zusätzlich werden die Zeichnungen in Schwarzlicht präsentiert, was die Verfremdung noch erweitert. Auch in der Videoinstallation „Camouflage Pullover“ im Raum davor beschäftigt sich Brandenburg mit Rassismus und Homophobie. Zu sehen sind Menschen, die mit gestrickten Ganzkörperpullovern bekleidet sind: stereotype, blonde Deutsche, Schwarze und Asiat:innen. Der Film zeigt die irritierten Reaktionen der Berliner Passant:innen und Parkbesucher:innen auf die sich unterhaltende und flanierendeAkteur:innen. Ann Wente-Jaeger

Biografisches Kabinett: Theodor Wonja Michael ›› Historisches Museum, Di/Do/Fr 10-18/ Mi 10-21/ Sa+So 11-19 Uhr, historisches-museum-frankfurt.de, 3G

VORANKÜNDIGUNG Deutsche weisen schon lange keine homogenen phänotypischen Merkmale auf. Sie haben diverse kulturelle Backgrounds, heißen nicht nur Marie oder Leon und sind nicht ausschließlich blond und bauäugig. Was wie eine Binsenweisheit klingt, wird leider immer noch diskutiert und in Frage gestellt. Die neue Ausstellung im Biografischen Kabinett setzt sich mit diesem Phänomen „Schwarz und Deutschsein – ein Widerspruch?“ auseinander – anhand des Lebens von Theodor

Wonja Michael, afrodeutscher Zeitzeuge des Nationalsozialismus. Als Kind eines kamerunischen Vaters und einer preußischen Mutter in Berlin 1925 geboren, erlebte er Rassismus, Entmenschlichung und Ausgrenzung. Nach der Machtergreifung der Nazis, konnte er seine Schulbildung nicht abschließen und sollte in NS-Propagandafilmen „den Primitiven“ mimen: „Wir spielten, mit Baströcken um die Hüften, Afrikaner, wie die Europäer sie sich vorstellten: als kulturlose, ungebildete Wilde […].“ Theodor Wonja Michael (1925–2019) – Journalist, Schauspieler, Beamter des BND – thematisierte unermüdlich die Lebensrealitäten Schwarzer Deutscher, über die zu wenig bekannt ist. Und das, obwohl die inhumane Rassenideologie des 20. Jahrhunderts existenzielle Konse-

© Kirsten Köhler

© Marc Brandenburg

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© Axel Schneider

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Drei Generationen, drei jüdische Künstlerinnen, geprägt von Migration, Antisemitismus, Erfolgen, Rückschlägen, Assimilation, Ausgrenzung, Sexismus und Resillienz. Tatiana Ovrutschski, ihre Tocher Julia Ovrutschski und Enkeltochter Anna Nero zeigen ihre unterschiedlichen künstlerischen Postionen in der Ausstellung „DREI jüdische Künstlerinnen aus Frankfurt“. ›› 2.-19.12.2021, Schulstr. 1a, Mi+Fr 16-20/ Sa+So 12-18 Uhr, ausstellungshalle.info

DZ Kunststiftung

Sophie Thun fotografierte sämtliche Gegenstände ihrer Einzimmerwohnung, die 1:1 auf Großformat-Negative passen. Ihre Arbeit ist zum ersten Mal in der Ausstellung im Ganzen zu sehen. Sara Cwynar zeigt fotografische und filmische Collagen, die bei den Betrachter:innen visuelle Überforderung auslösen. Cwynar hinterfragt, wie News, Werbung, Kunst und Populärkultur bestimmte Weltbilder und Machtverhältnisse vermitteln. Beide Künstlerinnen sind Preisträgerinnen des Förderstipendiums. ›› Bis 5.2.2022, Platz der Republik, Di-Sa 11–19 Uhr, kunststiftungdzbank.de, 3G

Synnika

Anfang der 90er Jahre entstand ein Netzwerk um die Labels Force Inc., Mille Plateaux, Position Chrome, Communism Records, das sich auf die Fahnen schrieb „neue NichtMusik zu konstruieren“ – inspiriert von technologischen Bedingungen. Die Installation NONPLUSULTRABLACK im Synnika Space möchte ein Fenster in die Geschichte und Gegenwart dieses Versuchs öffnen. Die beteiligten Künstler:innen sind: Achim Szepanski, DMSTFCTN, Frédéric Neyrat, John-Robin Bold & Andy Cowling, Lain Iwakura, Realism Working Group, Simona Zamboli und Thomas Köner. ›› Bis 15.1.2022, Niddastr. 2, Fr 15-19 Uhr u.n.V., synnika.space

© Lena Prehal

›› Bis 30.1.2022, Museum für Moderne Kunst, Di/ Do-So 10-18+Mi 10-20 Uhr, mmk.art

KUNSTBOX

Weltkulturen Labor

quenzen für Schwarze Deutsche beinhaltete. Die Schau geht auf Spurensuche deutscher Geschichte aus einer bisher kaum erwähnten Schwarzen Perspektive und zeigt einmal mehr, dass die Gegenart nicht ohne die Vergangenheit gedacht und verstanden werden kann. Sohra Nadjibi

frizz-frankfurt.de

Mit der Frage „Wie können wir kenianische Kulturgüter, die sich im Besitz von Institutionen im Globalen Norden befinden, für die heutige kenianische Gesellschaft zugänglich machen?“ setzt sich die Schau „Invisible Inventories. Zur Kritik kenianischer Sammlungen in westlichen Museen“ auseinander. Kenianische Perspektiven und Stimmen stehen im Fokus. Kenianische Künstlerkollektive gestalten während der Laufzeit einen Raum der Ausstellung um, inszenieren die Objekte und stellen so die museale Präsentation selbst zur Diskussion. Bis zum 5.12. steigt die Intervention des Künstlerkollektivs „The Nest“. ›› Bis 9.1.2022, Schaumainkai 37, Di-So 11-18/ Mi 11-20 Uhr, weltkulturenmuseum.de

Dezember 2021

© Peter Wolff

Crip Time

© Axel Schneider

›› FRIZZ KUNST

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