FROH! 0: Weihnachten (Gesamt)

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FROH!

Magazin für DIE SCHÖNEN TAGE DES JAHRES

Weihnachten


Editorial Es gibt ein schönes Experiment, das uns auf die Beliebigkeit der Sprache aufmerksam macht: Man nimmt ein vertrautes Wort und sagt es sich etwa zwanzigmal laut vor. Wenn man sich danach fragt, was eigentlich der Sinn des Gesagten ist, kommt man unweigerlich ins Schwimmen und kann meist nicht mal mehr dafür garantieren, dass das Wort so und nicht anders hieß. Mit Weihnachten ist es ähnlich: Wir haben uns die schönen Dinge, die man mit diesem Fest verbindet, viele hunderte Male gesagt, ohne etwas bestimmtes damit zu meinen: Von der „frohen Weihnacht“, von der „stillen, heiligen Nacht“, ist damit nicht mehr als eine klingende Worthülse übrig geblieben, die je nach Bedarf und Situation mit beliebigen und meist unbedeutenden Inhalten gefüllt wird. Das ist kein Grund zur Sorge sondern eine wunderbare Gelegenheit, Weihnachten neu zu entdecken! Denn wo Bedeutungen über die Jahre ausbleichen, entstehen neue Spielräume und Raum zum Experimentieren. Das FROH! Magazin nimmt dieses Spiel mit den Bedeutungen auf und experimentiert mit den Adjektiven, die man vor das Wort ‚Weihnachten‘ setzen kann. Die beitragenden Autorinnen und Autoren bzw. Künstlerinnen und Künstler haben eine Vielzahl an Fragmenten zusammengetragen, aus denen sich in verschiedener Hinsicht ein ganz neues Bild von einem alten Fest ergibt. Oder auch ein altes Bild, das wir Stück für Stück wieder entdecken. Der Soziologe Heinz Bude etwa, der die Weihnachtsgeschichte in unserer Gesellschaft ganz anders besetzen würde – mit einer erschöpften, alleinerziehenden Maria in der Hauptrolle (S. 36). Oder der Theologe Norbert Roth, der in der südfranzösischen Provence einen Ort zum Rückzug gesucht hat und dabei völlig unerwartet und mitten im Hochsommer seine persönliche ‘Stille Nacht’ erlebt hat (S. 80). Die Zeichnungen von Katharina Niklas erzählen uns kleine Weihnachtsgeschichten, die nicht von Weihnachten handeln sondern einfach von Begegnungen (S. 34). Anette Szendera betrachtet die Feiertage hingegen aus der Retrospektive, indem sie Weihnachtsbäume fotografiert, die im Januar vor Hauswänden und Containern auf ihre Entsorgung warten (S. 62). Es gibt viele Perspektiven auf Weihnachten, die jeweils ein anderes Bild dieses Festes zeichnen und sich oft schwer nebeneinander denken lassen: Viele Menschen, die eigene Zukunftsängste, Geldnöte, Lebenspläne und Hoffnungen mitbringen, die zusammen feiern oder alleine – oder gar nicht. Aber Weihnachten lässt auch den umgekehrten Blick zu: Es wirft ein neues Licht auf uns und die Menschen um uns herum. In diesem Licht lassen sich Dinge entdecken, die man sonst übersehen würde, Menschen erscheinen vertraut, die sonst Fremde sind, Kleinigkeiten werden mit einem Mal bedeutsam. Das ist der Zauber der Weihnachtsgeschichte (S. 70), in der in der Wildnis ein Ort der Zwischenmenschlichkeit aufbricht, an dem Hirten mit Königen feiern und ein schutzloses Neugeborenes zur größten Liebeserklärung Gottes an uns Menschen wird. Das ist das „Glück des Anfangs“ (Klaus Berger, S. 76), das wir immer wieder empfinden, wenn wir uns beschenken, uns überraschen und mit unseren Kindern die Nächte zählen, die man noch schlafen muss, bis es soweit ist. Wir wünschen Euch frohe Weihnachten, die Redaktion FROH! PS: Den wundervollen Weihnachtsmoment unseres Umschlags haben Uwe Jeltsch und Florian v. Wissel zwischen anderen Kostbarkeiten auf Flohmärkten und Wohnungsauflösungen ausgegraben. Das Dia ist Teil ihrer äußerst sehenswerten Sammlung ‚Gelungenes Leben‘. Vielen Dank fürs Finden und Teilen! gelungenesleben.de


Editorial Es gibt ein schönes Experiment, das uns auf die Beliebigkeit der Sprache aufmerksam macht: Man nimmt ein vertrautes Wort und sagt es sich etwa zwanzigmal laut vor. Wenn man sich danach fragt, was eigentlich der Sinn des Gesagten ist, kommt man unweigerlich ins Schwimmen und kann meist nicht mal mehr dafür garantieren, dass das Wort so und nicht anders hieß. Mit Weihnachten ist es ähnlich: Wir haben uns die schönen Dinge, die man mit diesem Fest verbindet, viele hunderte Male gesagt, ohne etwas bestimmtes damit zu meinen: Von der „frohen Weihnacht“, von der „stillen, heiligen Nacht“, ist damit nicht mehr als eine klingende Worthülse übrig geblieben, die je nach Bedarf und Situation mit beliebigen und meist unbedeutenden Inhalten gefüllt wird. Das ist kein Grund zur Sorge sondern eine wunderbare Gelegenheit, Weihnachten neu zu entdecken! Denn wo Bedeutungen über die Jahre ausbleichen, entstehen neue Spielräume und Raum zum Experimentieren. Das FROH! Magazin nimmt dieses Spiel mit den Bedeutungen auf und experimentiert mit den Adjektiven, die man vor das Wort ‚Weihnachten‘ setzen kann. Die beitragenden Autorinnen und Autoren bzw. Künstlerinnen und Künstler haben eine Vielzahl an Fragmenten zusammengetragen, aus denen sich in verschiedener Hinsicht ein ganz neues Bild von einem alten Fest ergibt. Oder auch ein altes Bild, das wir Stück für Stück wieder entdecken. Der Soziologe Heinz Bude etwa, der die Weihnachtsgeschichte in unserer Gesellschaft ganz anders besetzen würde – mit einer erschöpften, alleinerziehenden Maria in der Hauptrolle (S. 36). Oder der Theologe Norbert Roth, der in der südfranzösischen Provence einen Ort zum Rückzug gesucht hat und dabei völlig unerwartet und mitten im Hochsommer seine persönliche ‘Stille Nacht’ erlebt hat (S. 80). Die Zeichnungen von Katharina Niklas erzählen uns kleine Weihnachtsgeschichten, die nicht von Weihnachten handeln sondern einfach von Begegnungen (S. 34). Anette Szendera betrachtet die Feiertage hingegen aus der Retrospektive, indem sie Weihnachtsbäume fotografiert, die im Januar vor Hauswänden und Containern auf ihre Entsorgung warten (S. 62). Es gibt viele Perspektiven auf Weihnachten, die jeweils ein anderes Bild dieses Festes zeichnen und sich oft schwer nebeneinander denken lassen: Viele Menschen, die eigene Zukunftsängste, Geldnöte, Lebenspläne und Hoffnungen mitbringen, die zusammen feiern oder alleine – oder gar nicht. Aber Weihnachten lässt auch den umgekehrten Blick zu: Es wirft ein neues Licht auf uns und die Menschen um uns herum. In diesem Licht lassen sich Dinge entdecken, die man sonst übersehen würde, Menschen erscheinen vertraut, die sonst Fremde sind, Kleinigkeiten werden mit einem Mal bedeutsam. Das ist der Zauber der Weihnachtsgeschichte (S. 70), in der in der Wildnis ein Ort der Zwischenmenschlichkeit aufbricht, an dem Hirten mit Königen feiern und ein schutzloses Neugeborenes zur größten Liebeserklärung Gottes an uns Menschen wird. Das ist das „Glück des Anfangs“ (Klaus Berger, S. 76), das wir immer wieder empfinden, wenn wir uns beschenken, uns überraschen und mit unseren Kindern die Nächte zählen, die man noch schlafen muss, bis es soweit ist. Wir wünschen Euch frohe Weihnachten, die Redaktion FROH! PS: Den wundervollen Weihnachtsmoment unseres Umschlags haben Uwe Jeltsch und Florian v. Wissel zwischen anderen Kostbarkeiten auf Flohmärkten und Wohnungsauflösungen ausgegraben. Das Dia ist Teil ihrer äußerst sehenswerten Sammlung ‚Gelungenes Leben‘. Vielen Dank fürs Finden und Teilen! gelungenesleben.de


INHALT 3 EDITORIAL 6 IMPRESSUM 29

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SCHÖN

GUT

GEMEINSAM

8 Verschenken nicht vergessen! Acht schöne Produkte

30 Einen Bienenstock verschenken? Einmal Schenken, zweimal Freude machen.

40 DAMALS Eine Retrospektive in Bildern

10 FÜNF STERNE Ein Weihnachtsmenü 13 Backstube Die besten Plätzchenrezepte (von den Müttern der Redaktion) 14 Auf der anderen Seite der Erde ist jetzt Sommer Eine Modestrecke für die beste Jahreszeit 24 WEIHNACHTS-STADT-LAND-FLUSS Unterhaltung für die ganze Familie 26 SCHALL UND RAUCH Frohes Basteln

30 SpendeN Infografik zum Spendenaufkommen in Deutschland 31 GOOD DIAMONDS Ein persönlicher Geschenktipp von Michaelis Pantelouris 32 ZART-BITTER Die andere Seite unseres weihnachtlichen Schokoladen-Konsums

44 An Fäden Eine weihnachtliche Kurzgeschichte 48 Mit wem feier ich Weihnachten? Ein Artwork von Thomas Böhl 52 Drückt Eure Familie! Ein Interview mit dem Beatsteaks Sänger Arnim Teutoburg-Weiß über Weihnachten

34 Weihnachtsgeschichten Weihnachten kann jeden Tag sein … 36 Wir können hier auf niemanden verzichten Ein Interview mit dem Soziologen Heinz Bude über Weihnachten und soziale Exklusion

Anzahl der Suchergebnisse bei google zum Stichwort Weihnachten: 23.700.000.


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TYPISCH

HEILIG

STILL

54 Welcher Weihnachtstyp bist du?! Der ultimative Selbsttest

70 Lukas 2,1-21 Die Weihnachtsgeschichte

81 STILLE MACHT Norbert Roth über die Lautstärke von Stille

57 WeiSSe WEihnacht? Was uns Kwanzaa über kulturelle Vereinnahmung erzählt 58 2 Grad kälter? Die Temperaturverteilung in Europa am Heiligabend der letzten Jahre 60 L’habit ne fait pas le moine Eine Collage 62 Oh … Eine Fotostrecke über Tannebäume, die ihre besten Zeiten hinter sich haben 67 Meine TOP FIVE Weihnachtssongs Was drei Kenner an Weihnachten gerne hören 68 Nr. 1 Und was wir an Weihnachten wirklich gehört haben

72 Suchen und Finden Auf der Suche nach etwas, das alle Erwartungen übertrifft. 76 Glück des Anfangs Der Theologe Klaus Berger über Innehalten und Neu-Beginnen

84 Camis Imbiss Eine kurze Geschichte der Überforderung 86 Was hörst Du?


FROH! c/o motoki-Kollektiv e.V. Stammstr. 32–34, 50823 Köln www.frohmagazin.de redaktion@frohmagazin.de Herausgeber Michael Schmidt Chefredaktion Dr. Sebastian Pranz Redaktion Carmen Hess, Damaris Heymann, Klaus Neuburg, Michael Schmidt Contributing Editor Dirk Brall Artdirektion Klaus Neuburg, Michael Schmidt Lektorat Christiane Schmidt

Autoren dieser Ausgabe Ben Argandoña, Dr. Michael Basseler, Prof. Dr. Klaus Berger, Dirk Brall, Henning Deppen, Michael Dietz, Vera Heine, Tommy Millhome, Kai Müller, Michaelis Pantelouris, Hans-Hermann Pompe, Norbert Roth, Simone Rüth, Maren Seitzinger, Benjamin Weigel Fotografen, Künstler, Illustratoren Thomas Böhl, Peter Bongard, Jörg Böttiger, Raoul Brunsbach, Hendrik Brückner, Johannes Ellmer, Hanni Lindner, Jon Hoekstra, Christian Kunz, Franca Neuburg, Katharina Niklas, Lena Schmidt, Anette Szendera, Tommé, Sebastian Weiß Herzlicher Dank Christina Altounis, Tobias v. Boehn, Judith Böttiger, Prof. Dr. Heinz Bude, Willi Dück, Inga Felter, Christiane Flämig, Waldemar Geisler, Dankmar Himmen, Julia Klemenz, Stefan Korff, Alex Knaake, Annedore Krämer, Anneke Krämer, Miriam Jäger, Uwe Jeltsch, Thomas Josek, Uli Marienfeld, Alexandra Müller, Sabine Lydia Müller, Franca Neuburg, Hedi Neuburg, Stephen Petrat, Mark Reichmann, Julia Ritz, Thilo Römer, Christian Roth, Burkhard Rosenbaum, Reiner Rothaug, Dorle Schmidt, Marianne Schmidt, Rosel Schmidt, Judit Schieber, Gesa Seemann, Arnim Teutoburg‑Weiß, Sandra Troegel, Stefanie Uhl, Niels Vandereyken, Florian v. Wissel, Marius Zimmermann Besonderer Dank Besonders dankbar sind wir dem Verein ­Andere Zeiten e.V. aus Hamburg, ohne dessen Förderung dieses Projekt nicht möglich gewesen wäre. anderezeiten.de Danke an mateno für alle Inspiration, Beratung und die guten Kontakte. mateno.org Vielen Dank auch an J­ osekdesign für Arbeitszeit und Arbeitsräume. josekdesign.de Und an Jung Produktion für technische Unterstützung. jungpro.de

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Typographie Adobe Garamond Pro, House Industries Chalet Druck Druckerei Rosenbaum, Nettersheim-Zingsheim druckerei-rosenbaum.com Umwelt Gedruckt auf Naturpapier, das unter Verwendung von PEFC-zertifiziertem Zellstoff aus nachhaltiger Forstwirtschaft hergestellt wurde. Die Druckfarben basieren auf Rapsöl. Diese Publikation wurde über firstclimate.com mit der Unterstützung eines Klimaschutzprojektes klimaneutral gestellt. Bezug Das Magazin wird in einer Auflage von 2.000 Exemplaren gedruckt und kann so lange der Vorrat reicht gegen eine Spende über die Website bestellt werden. frohmagazin.de Kontext Dieses Froh! Magazin erscheint Dezember 2008 im Rahmen von Frohe Weihnachten!, einer Event-Reihe in einem Ladenlokal des motoki-Kollektivs in Köln. Das motoki-Kollektiv ist eine Gruppe von jungen Menschen, die durch gemeinsame Träume, Werte und Projekte miteinander verbunden sind und mit kulturellen und sozialen Aktionen das Leben in Köln bereichern wollen. Auslöser und Motor für dieses Engagement ist in erster Linie der christliche Glaube. motoki-kollektiv.de


SCHÖNE WEIHNACHTEN Seid doch mal ehrlich! Und seht von dem Stress ab, den der ganze Geschenkerummel, das lange Stehen in Warteschlangen mit sich bringt: Weihnachten ist Euer absolutes Lieblingsfest und spätestens seit der frühen Kindheit seid Ihr hoffnungslos verloren, sobald die ersten Lebkuchen in den Regalen zu finden sind. Das freut uns, dann liegen wir ja genau richtig mit den Dingen, die wir auf den folgenden Seiten für Euch zusammengestellt haben.

schön

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Verschenken nicht vergessen! Acht schöne Produkte, bei denen man in der Gefahr steht, sie für sich selbst behalten zu wollen.

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Magic Stapler Heften ohne Heftklammern? Das geht mit dem Magic Stapler. Das System ist clever und es werden wirklich keine Klammern benötigt. Der Magic Stapler schneidet einen feinen Schlitz und stanzt eine Lasche ins Papier, die durch diesen Schlitz gezogen wird – alles in einem Schritt. Klingt gut, sieht gut aus und kostet gerade mal 3 Euro. memo.de

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Give It Bag Dass ein Sack Reis sehr wohl wichtig ist – umgefallen oder nicht –, wissen wir. Dass der Sack selbst wichtig ist – selbstverständlich nachdem er die Nahrungsmittel an ihren Bestimmungsort gebracht hat –, zeigen uns die Give It Bags. 
Die Taschen werden aus eben jenen Transportsäcken recycelt, sind durchnummeriert und sehen dazu noch sehr schick aus. Doch damit nicht genug: 50% des Gewinnes investiert Give It Bag in selbst organisierte Charity Aktivitäten. Unter der individuellen Taschen-Nummer kann man als Taschenbesitzer also seine eigene gute Tat einstellen, die auf der Homepage dokumentiert wird. Eine Give It Bag kannst du ab 29 Euro erwerben. give-it-bag.com

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Capt’n Hook leuchte
 Flexibel zu bleiben, ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Was hier und heute noch funktioniert, kann morgen bereits über den Haufen geworfen werden. 
Um beweglich zu bleiben, haben wir daher unsere kleinen Tricks: Einen davon stellt die von Roomsafari in einer Berliner Behindertenwerkstatt angefertigte Lampe dar, die sich einfach überall – stehend oder hängend – nützlich macht. Die Lampe gibt es für ca. 45 Euro bei Roomsafari. 
 roomsafari.de


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Wooden Radio Wenn ein ganzes Dorf in die Herstellung eines so schönen Produktes wie dem Wooden Radio involviert ist, dann muss das Ergebnis schon etwas Besonderes sein. 
Der Designer Singgih Kartono stellt in einem kleinen Dorf auf Java das Wooden Radio her. Die Bäume für das Holz werden von der ortsansässigen HighSchool angepflanzt und der Betrieb bietet 30 Auszubildenden Arbeit. 
Das Wooden Radio hat in kürzester Zeit eine Menge Designpreise abgeräumt, klingt bestimmt fantastisch und ist in seinem Minimalismus kaum zu überbieten. Das edle Teil kostet 180 EUR und kann sowohl mit einem Netzstecker, als auch unterwegs mit Akkus betrieben werden. wooden-radio.com

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Sun Jar Wäre es nicht wundervoll, wenn wir das Sonnenlicht einfangen könnten, um es dann, wenn die Sonne ihren Tagesdienst geleistet hat, wieder einzusetzen?
 Bitte! Mit dem Sun Jar ist das möglich – zugegeben mit kleinen Umwegen. Aber das Licht bleibt im Glas, dank Solarenergie. Für 38 Euro könnt ihr ein Stück Sonne schenken. details-produkte.de

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Sticky hang gang Monster Hey, wer steht nicht auf kleine, krude Monster? Die Sticky Hang Gang kommt zu acht, auf bunten Scheiben, und macht jeden Schabernack mit. Gleich, ob man sie als Anhänger, als Mobile, oder gar als verrückten Christbaumschmuck mit in die Feierlichkeiten einbezieht. Monster “Made in Germany”, erhältlich für ca. 20 Euro. fair-kaeuflich.de

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Köln Jakarta Teelichthalter Teelichthalter sind einer der Klassiker unter den kleinen Geschenken. Diese hier sind aber etwas Besonderes, denn Köln Jakarta stellt sie aus Blechfehldrucken her. Ein Material, das sonst wohl in der Tonne gelandet wäre und hier sprichwörtlich im neuen Licht überzeugt. Kaufbar ab 8 Euro. koeln-jakarta.de

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Leucht - tüte Ein Gedicht, eine Zeichnung, ein getrocknetes Blatt, was auch immer schön und dekorativ ist, aufschreiben, malen oder kleben, dann an die Tüte hängen und schon hat sich die Leucht-Tüte in eine ganz individuelle Lampe verwandelt. Für 28 Euro bei Glore-Living zu haben. glore-living.de

Der Stromverbrauch deutscher Haushalte liegt an Weihnachten 53% über dem Normalverbrauch.

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FÜNF STERNE Ein Weihnachtsmenü

Von Henning Deppen Illustrationen: Franca Neuburg


Selleriecreme Rosa gebratene mit geräucherter Entenbrust mit Forelle und Zimt- Wirsing-Pfifflingcroutons Praline und Schupfnudeln an Portweinjus 1 gr. Zwiebel 1 Sellerie 2 gr. Kartoffeln 3 EL Gemüsebrühe 0,1 l Sahne 2 Scheiben Toast

1 Msp. Zimt 200g geräucherte Forelle Sonnenblumenöl 2–3 EL Butter Salz

In einem Topf 1 l Wasser mit 3 EL Gemüsebrühe aufkochen. Zwiebel, Sellerie und Kartoffeln (in grobe Würfel geschnitten) sowie Sahne hinzugeben. Bei mittlerer Hitze 30 min köcheln lassen, danach pürieren und mit Salz abschmecken. Öl in einer Pfanne erhitzen. Das Brot entrinden und in Würfel schneiden, gleichzeitig mit der Butter in die Pfanne geben und gold-braun anbraten. Mit Salz und Zimt würzen. Nach ca. 30 sec auf einem Küchenpapier abtropfen lassen. Selleriecreme auf Suppenteller verteilen. Forelle in dünne Streifen schneiden und mit den Croutons hinzugeben. Sofort servieren.

2 Barbarie-Entenbrüste je 4 Zweige Rosmarin und Thymian 6 Blätter Salbei 1 gr. Knoblauchzehe 1 EL Honig (flüssig) 1 Wirsing 2 gr. Zwiebeln 300 g Pfifferlinge 0,4 l Sahne 0,1 l Weißwein (trocken) Muskat etwas Mondamin*

500 g mehlig kochende Kartoffeln 60 g Weizengrieß 40 g Mehl 1 Eigelb etwas Kartoffelstärke 0,2 l Portwein 0,4 l Geflügelfond 2–3 EL Bratenfond (Pulver) Sonnenblumenöl Butter Salz und Pfeffer

Die Hautschicht der Entenbrüste vorsichtig mit einem scharfen Messer über Kreuz einschneiden, so dass 1×1 cm große Quadrate entstehen. Mit Salz einreiben und in einer Pfanne mit stark erhitztem Öl anbraten, anfangen mit der Hautseite,

ca. 3 min je Seite. Beim Wenden der Brüste die Hälfte von Rosmarin und Thymian hinzufügen und die Hautseite pfeffern. Anschließend Salbei und Knoblauch (grob gehackt) dazugeben und Honig auf der Hautseite der Entenbrüste verteilen. In einer Auflaufform alles bei 160°C im Backofen ca. 8 min weiter garen (Hautseite der Brüste nach oben). Den Strunk des Wirsings keilförmig herausschneiden. Mit den Fingern 8 Blätter abtrennen und in kochendem Salzwasser blanchieren (bissfest kochen). Sofort in Eiswasser abschrecken und auf einem Küchenpapier abtropfen lassen. Den restlichen Wirsing vierteln und in schmale Streifen schneiden. Eine Zwiebel in feine Würfel schneiden, Pfifferlinge putzen und halbieren und in einem Topf mit Öl anschwitzen. Mit Weißwein ablöschen und einreduzieren (einkochen), bis kein Wein mehr im Topf ist. Pfifferlinge mit Butter in einer Pfanne anbraten und mit der Sahne zum Wirsing hinzugeben. Mit Salz, Pfeffer und Muskat abschmecken und bei mittlerer Hitze ca. 15 min köcheln lassen. Mit Mondamin* abbinden, so dass eine dicke Masse entsteht. Je ein Blatt Wirsing in eine Kelle hineinlegen, mit der Masse befüllen, zuklappen und leicht andrücken. Dann mit der flachen Seite auf ein mit Backpapier ausgelegtes

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Blech setzen. Bei 120°C im Ofen ca. 10 min erwärmen. Die Kartoffeln mit Schale garen, abgießen und im Ofen bei 150°C 10 min ausdämpfen lassen. Kartoffeln pellen und durch eine Presse drücken. Grieß, Mehl, Eigelb, Salz und Muskat untermengen, 20 min ruhen lassen. Hände und Arbeitsfläche mit etwas Kartoffelstärke bestäuben und den Teig kurz durchkneten. Dann kleine Röllchen formen, die am Ende spitz zulaufen, und in kochendes Salzwasser geben. Hitze sofort auf die Hälfte reduzieren und herausholen, wenn sie an der Oberfläche schwimmen. In einem Sieb abtropfen lassen und anschließend in einer Pfanne mit Öl und Butter gold-braun anbraten. Eine Zwiebel (grob gewürfelt) in einem Topf mit Öl anbraten. Mit Portwein und Geflügelfond ablöschen und die Hitze auf die Hälfte reduzieren. Bratenfond dazugeben und bei mittlerer Hitze 20 min köcheln lassen, ggf. mit Mondamin* abbinden. Ca. 10 min vor dem Servieren je zwei Blätter Rosmarin und Thymian hinzufügen, ziehen lassen und anschließend durch ein feines Sieb passieren. Die Entenbrust leicht schräg in 0,5 cm dicke Scheiben schneiden. Je Teller 2 Pralinen, die Hälfte der Entenbrust, Schupfnudeln und Portweinjus anrichten.

Johannisbeeren- Champagner Sorbet 200 g Johannisbeeren 1 Flasche Champagner

2 EL Zucker

Die Johannisbeeren mit dem Zucker und ⅓ des Champagner in ein hohes Plastikgefäß geben, dann mit einem Pürierstab gut durchmixen. Auf Gläser verteilen und mit dem restlichen Champagner auffüllen. * Tipp: Statt Mondamin: 1 kg Butter bei mittlerer Hitze im Topf aufkochen, durch ein Sieb mit Küchenpapier schütten, mit 1 kg gesiebtem Mehl verrühren und erkalten lassen. Diese Masse in heiße Flüssigkeiten einrühren.

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Gebratene Lachsfilets mit Ruccola-Kartoffeln an Kürbis-RosinenChutney

4 Lachsfilets (je 180 g) Zitrone 400 g Kürbisfleisch 2 gr. Zwiebeln 0,2 l O-Saft 0,1 l Weißwein (trocken) 2 EL Rosinen 1 EL Gemüsebrühe

100 g Ruccola 500 g Drillings­kartoffeln 2 Knoblauchzehen 5 Wacholderbeeren 3 Loorbeerblätter Sonnenblumenöl Butter Salz und Pfeffer

Lachsfilets mit kaltem Wasser abwaschen und auf Küchenpapier trocknen. Mit etwas Salz würzen und in eine kalte Pfanne mit Öl auf die Hautseite legen, dann erst die Pfanne auf den heißen Herd stellen. Sobald das Fett heiß ist, Butter hinzufügen und die Filets von beiden Seiten ca. 2 min anbraten. Zum Schluss mit Pfeffer würzen und mit Zitronensaft beträufeln. Auf einem Blech im Ofen bei 180°C ca. 4 min erhitzen. Kürbisfleisch in 1×1 cm große Würfel schneiden und mit einer Zwiebel (fein gewürfelt) in einem Topf mit Öl anschwitzen. Mit Weißwein ablöschen und reduzieren lassen. O-Saft, Rosinen und Gemüsebrühe hinzugeben und bei mittlerer Hitze ca. 30 min köcheln lassen. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Das Chutney sollte eine breiige Konsistenz haben. Kartoffeln halbieren, in einem Topf mit kaltem Wasser, Loorbeerblättern, Wacholderbeeren (angedrückt), Salz, Pfeffer, einer Zwiebel und Knoblauch (grob geschnitten) ca. 20 min bissfest garen. Kartoffeln abgießen, abspülen, in einer Pfanne mit Öl und Butter anbraten und mit Salz und Pfeffer würzen. Den Ruccola entstiehlen, waschen und 1 min vor dem Servieren mit in die Pfanne geben und unterheben. Ruccola-Kartoffeln mittig auf einen Teller geben, Lachsfilets schräg anlegen und mit dem Kürbis-Rosinen-Chutney nappieren.

Pralinenparfait in PistazienKrokant-Blättern an Cassissabayon 150 g Zucker 4 Eigelb 50 g Nougat 50 g Halbbitter­ kuvertüre 3 cl weißen Creme de Cacao 1 EL Rum

180 g Sahne 70 g Butter 25 g Glukose 30 g gehackte Pistazien 30 g Mehl 80 ml schwarzen Johannisbeersaft 2 cl Cassislikör

40 g Zucker und 65ml Wasser zu Sirup einkochen. 2 Eigelbe in einer Küchenmaschine leicht schaumig schlagen, Sirup nach und nach hinzugeben. Nougat und Kuvertüre im Wasserbad schmelzen und lauwarm in die Eigelbmasse einrühren. Mit Creme de Cacao und Rum abschmecken. Sahne steif schlagen (nicht zu fest) und einen Teil der Sahne schnell einrühren, den anderen vorsichtig unterheben. Die Masse 3–4 h einfrieren. Butter verflüssigen, 80 g Zucker und Glukose einrühren bis die Masse bindet. Pistazien und Mehl mischen, untermengen und ca. 1 h kühl stellen. Backofen auf 220°C vorheizen, walnussgroße Kugeln aus der Masse stechen und auf einem mit Backpapier ausgelegten Blech platt drücken. Goldbraun backen, abkühlen lassen und mit einem Spachtel herunterheben. Johannisbeersaft, 30 g Zucker und 2 Eigelbe in einem Wasserbad cremig schlagen, mit Cassislikör abschmecken. 1cm dicke Dreiecke aus dem Parfait schneiden, je 3 Stück auf einen Teller legen, mit den Krokantblättern abdecken und mit der Cassissabayon nappieren. Ich hoffe Sie haben Spaß beim ausprobieren dieser Rezepte und lassen es sich und Ihren Lieben gut schmecken. Eine gesegnete Weihnachtszeit wünscht Ihnen Ihr Henning Deppen.


Backstube

Die besten Plätzchenrezepte (von den Müttern der Redaktion) Illustration: Franca Neuburg

Baseler Herzen Für den Teig: 15 g Butter 2 Eiweiß 250 g Zucker 1 Päckchen Vanillezucker 2 gehäufte TL Kakao 2 gestrichene TL Zimt ½ TL gemahlene Gewürznelken ½ Röhrchen Rum-Aroma

250 g nicht abgezogene, gemahlene Mandeln ½ TL Backpulver ½ TL Weizenmehl zum Bestäuben

ca. 10 cm lange Stränge abschneiden, zu kleinen Hörnchen formen und auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech legen. Bei 190° ca. 10–15 min hellgelb backen. Noch heiß in der Puderzucker-Vanillezuckermischung wälzen.

Zum Verzieren: 200 g Puderzucker 3 EL Zitronensaft

Hausfreunde

Butter zum Schmelzen bringen und abkühlen lassen. Eiweiß steif schlagen. Zucker und Vanillezucker nach und nach auf höchster Stufe unterrühren. Kakao, Gewürze, Aroma und abgekühlte Butter vorsichtig unterrühren. Mandeln und Backpulver mischen und unter die Eiweißmasse rühren, so dass ein fester Teig entsteht. Den Teig etwa 1 cm dick auf der leicht mit Weizenmehl bestäubten Arbeitsfläche ausrollen. Herzen ausstechen und auf das Backblech legen. Bei 160–180° etwa 10 min backen. Puderzucker sieben und mit dem Zitronensaft zu einem dickflüssigen Guss verrühren. Die noch heißen Herzen damit bestreichen.

Für den Teig: 175 g Mehl 75 g Stärkepuder 65 g Zucker 2 EL Vanillezucker 1 Ei 165 g Butter (irische Butter eignet sich dafür am besten) etwas Aprikosenkonfitüre zum Bestreichen

Zum Füllen: 200 g Rohmarzipan 150 g Puderzucker Zum Verzieren: 125 g SchokoladenGlasur 125 g Walnusshälften

Mehl und Stärkepuder auf die Tischplatte sieben, Zucker und Vanillezucker zufügen. Eine Vertiefung in die Zutaten drücken, das Ei hineingeben und die Butter als Flöckchen an den Rand setzen. Zuerst mit dem

Messer durcharbeiten, dann zusammenkneten. Den Teig in Folie gepackt ca. eine Stunde in den Kühlschrank stellen. Dann auf einer leicht bemehlten Tischplatte ca. 3 mm dick ausrollen. Runde Plätzchen mit etwa 4 cm Durchmesser ausstechen und auf ein gebuttertes Backblech legen. Im vorgeheizten Ofen bei 180° auf mittlerer Schiene goldgelb backen. Rohmarzipan mit gesiebtem Puderzucker durchkneten, 3 bis 4 mm dick ausrollen und in der gleichen Größe wie die Teigplätzchen ausstechen. Die ausgekühlten Plätzchen dünn mit glattgerührter Konfitüre bestreichen (je nach Geschmack vermengt mit Aprikosengeist), Marzipanplättchen darauf setzen, in dickflüssige Schokoladen-Glasur tauchen und eine Walnusshälfte aufsetzen.

Witwenküsse 3 Eiweiß 200 g Zucker 1 Päckchen Vanillezucker

125 g geriebene Schokolade 200 g abgezogene, gehackte Mandeln

Vanillekipferl Für den Teig: 500 g Mehl 2 Msp Backpulver 250 g Zucker 2 Päckchen Vanillezucker 6 Eigelb 400 g Margarine

250 g abgezogene, geriebene Mandeln Zum Wälzen: 40 g Puderzucker 2 Päckchen Vanillezucker

Alle Zutaten zu einem glatten Teig verkneten und mindestens eine Stunde kühl stellen. Daumendicke Rollen formen, jeweils

Eiweiß mit Zucker und Vanillezucker zu steifem Schnee schlagen. Die geriebene Schokolade und die gehackten Mandeln vorsichtig unter den Eischnee heben und vermischen. Dann sehr kleine Häufchen (haselnussgroß) auf ein mit Backpapier belegtes Blech geben. Die Häufchen dürfen nicht zu dicht liegen, da das Gebäck zu Talern auseinander läuft. Bei 130–150° ca. 20–25 min backen.

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„ Mit Weihnachten verbinde ich den Geruch von Zimt.“ Judit trägt Goldstück Black Tee von armedangels.


Auf der anderen Seite der Erde ist jetzt Sommer

Farbfotos: Peter Bongard Schwarzweissfotos: Sebastian Pranz Für die meisten Menschen in unseren Breitengraden gehören Kälte und Schnee – zumindest in der Theorie – genauso zur Weihnachtszeit wie Zimt und Glühwein. Dabei müssten wir es eigentlich besser wissen: Während wir uns über zu wenig oder zu viel Schnee beklagen, haben die Bewohner der Südhalbkugel ganz andere Sorgen. Sie verwenden an diesem Feiertag Spezial-WeihnachtsbaumKerzen, die bei 35 Grad im Schatten nicht vom Baum tropfen. Weihnachten ist eben überall anders. Wieso also nicht eine Fotostrecke über T-Shirts, die sich an Heiligabend sicher besser für ordentlich geheizte Wohnzimmer eignen, als für kühle Kirchen und Christmetten. Erst recht, wenn die T-Shirts in sonnigen Ländern ökologisch produziert wurden und sogar fair gehandelt nach Deutschland kommen. Da wird einem selbst an einem kalten Wintertag warm ums Herz … www.laissezfair.de www.fairliebt.com www.armedangels.de

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Willi trägt Zugvögel von fairliebt.

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schön


„ Ich freue mich auf Weihnachten, weil die Stimmung total gemütlich ist.“ Alex trägt Kicker von LaissezFair


„ Ich freue mich auf Weihnachten, weil ich so viele Mandarinen essen kann wie ich will.“ Jani trägt Seilspringerin von LaissezFair


Alex trägt Fallen Angel von armedangels.

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Jani trägt Fallen Angel von armedangels.

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„ Schöne Weihnachten bedeutet für mich, dass viele Menschen da sind, die man liebt.“ Miriam trägt Illusive von armedangels.


„ Schöne Weihnachten bedeutet für mich, meine Familie zu treffen und zur Ruhe zu kommen.“ Willi trägt Studio73 von armedangels.


Aufgenommen in Köln. Auch wenn es schön gewesen wäre, mal in den Süden zu fliegen …

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Konzept & Illustration: Jon Hoekstra


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Wortgeschenke Konzept & Illustration: Thomas Bรถhl

Es gibt kleine Geschenke, in denen mehr ist, als in vielen Groร en. Vielleicht ist dies eins davon. Geschenk ausschneiden, an den Laschen verkleben und die Verschlusslasche in den Schlitz im Deckel stecken. Bei Bedarf weitere Wort-Geschenke hineinschreiben.

Konzept & Illustration: Christian Kunz und Lena Schmidt

Und verschenken.

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Ich wünsche Dir ein schönes Weihnachtsfest. Dass Du die Dinge, die wichtig sind, genießen kannst. Ich wünsche Dir Frieden.

Ich wünsche Dir kleine Geschenke, in denen mehr ist als in vielen Großen.

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Wenn ihr das Magazin nicht zerschneiden wollt, kรถnnt ihr die Motive auch unter www.frohmagazin.de/downloads herunterladen.


GUTE WEIHNACHTEN Weihnachten ist untrennbar mit der Frage nach sozialer Gerechtigkeit verbunden. Die Weihnachtsgeschichte bringt dieses Thema auf den Punkt, indem sie mit einer Familie beginnt, die in eine soziale Notlage geraten ist: Maria und Josef finden keinen Platz in der Herberge und irgendwie auch keinen Platz in der Gesellschaft. Aber gleichzeitig formuliert sich auf dem Feld an der Krippe auch die Idee einer neuen Gesellschaftsordnung, in der die Letzten die Ersten sein sollen und die Hirten als erste von der Geburt des neuen Königs erfahren. Dies ist vielleicht die schönste Pointe der Weihnachtsgeschichte, dass sie die bestehenden Verhältnisse umdreht und dem (damaligen) Leser so ein Gefühl für die Außergewöhnlichkeit der Dinge vermittelt, von denen sie erzählt. Auch heute ist Weihnachten ein Fest, an dem die sozialen Unterschiede unserer Gesellschaft besonders deutlich zu spüren sind. Und dabei trifft es immer noch diejenigen am härtesten, für die kein Platz in der Herberge ist: die erschöpften, alleinerziehenden Mütter, die sich Sorgen machen, ob sie die Geschenke für ihre Kinder bezahlen können; die einsamen Männer mit Hartz IV, die jeglichen Mut verloren haben, sich Menschen anzuvertrauen mit ihren Geschichten. Findet Weihnachten vielleicht vor unseren Türen statt, ohne dass wir es merken? gut 29


Einen Bienenstock verschenken? Text: Maren Seitzinger Ausgefallen ist dieses Geschenk auf jeden Fall. Und ein Trinkbrunnen oder Rehamaßnahmen für Kindersoldaten lagen wahrscheinlich auch noch selten unterm Tannenbaum. Aber warum eigentlich nicht? Zum Fest der Liebe schenkt man lieben Menschen schöne Sachen. Darf man auch! Dabei fließt aber oft viel Geld in Verlegenheitsgeschenke. Was kriegt der Opa, der sich aus materiellen Dingen längst nichts mehr macht? Und was die Mutter? Bekommt sie aus Mangel an Ideen dieses Jahr wieder eine CD von Rondo Veneziano mit einer Schachtel Pralinen in die Hände gedrückt? Wie wäre es, dieses Jahr noch andere Menschen am Luxus des Schenkens teilhaben zu lassen? Und zur Pralinenschachtel Geschenkgutscheine der besonderen Art zu überreichen? Faires Gutscheinpaket Bei Swissaid kannst du Gutscheinpakete kaufen und verschenken. Der Beschenkte kann dann zwischen verschiedenen Hilfspaketen seiner Preisklasse entscheiden, in die das gespendete Geld fließt, zum Beispiel:

Benachteiligten Kindern Zugang zu Bildung ermöglichen (13 €). Hefte und Kugelschreiber für Albanien spenden (32 €). Die Wiedereingliederung eines Kindersoldaten in Kolumbien ermöglichen (65 €). Zwei Trinkwasserbrunnen in Darfur instand setzen (ca. 325 €). www.sinnvollegeschenke.org Kleine Wunder Such dir im Wunder-Katalog der ChristoffelBlindenmission etwas aus, womit du für Menschen ein „Wunder“ vollbringen möchtest. Mit einer Tube Tetracyclin-Salbe kannst du eine ganze Familie von der Augenkrankheit Trachom heilen, die sonst zur Erblindung führt (5 €). Ein gehbehindertes Kind kannst du mit Gehstützen versorgen (7 €). Einer Person mit grauem Star kannst du eine Augen-OP schenken (30 €). www.cbm.de Schenken und Helfen Wer bei der Aktion „Schenken & Helfen“ von Shelter Now mitmacht, kann zu Weih-

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nachten Geschenk-Urkunden aus Afghanistan überreichen. Diese erhältst du zum Beispiel beim Kauf einer warmen Mahlzeit für eine Familie (50 Cent). von zehn Obstbäumen, die afghanische Flüchtlinge bei ihrer Rückkehr in die Heimat zur Existenzgründung erhalten (15 €). eines Bienenstocks, den eine Familie in Afghanistan zur Existenzgründung erhält (60 €). www.shelter.de Besondere Geschenke Besondere Geschenke kannst du bei Teartrade käuflich erwerben. Gib den Namen deines Opas oder deiner Schwester an und er oder sie erhält zu Weihnachten statt einem Geschenk eine Dankeskarte für zum Beispiel: Schulmaterial für Kinder in Nigeria (ca. 32 €). ein Werkzeugset für die Berufsausbildung eines jungen Mannes an der Elfenbeinküste (ca. 55 €). www.teartrade.ch

Laut einer Studie des Deutschen Spendenrats sind 35,5% aller Deutschen der Meinung, dass sie sich keine Spenden mehr leisten können. Dabei ist die Spendenbereitschaft an Weihnachten immer noch am Größten: das Spendenvolumen liegt im Dezember etwa 200 Mio. Euro über dem Durchschnitt des Restjahres. Der Hauptteil an Spenden ist übrigens für die humanitäre Hilfe bestimmt (77,9%).

2006 Quelle: Bundespressekonferenz zur Bilanz des Helfens, Deutscher Spendenrat e.V., 11.09.2008. 30 gut

Grafik: Raoul Brunsbach / Josekdesign


GOOD DIAMONDS Ein Geschenktipp von Michalis Pantelouris Illustration: Johannes Ellmer Ich habe einmal, als ich noch ein junger Freunde auf Facebook – ist offensichtlich Michalis Pantelouris ist freier Journalist, und wahrscheinlich irgendwie wilderer unsere reflexartige Antwort auf die Tat- u.a. für utopia.de, dem Internetportal Journalist war, kurz vor Weihnachten sache, dass wir unser Leben nicht beherr- für strategischen Konsum bei der Sternwarte des Vatikan angerufen schen können. Wir bräuchten Mut gegen und gefragt, ob denn eigentlich jemand die Angst und müssen uns doch mit der 1 www.io-e-te.com Ein Teil des darauf achtet, ob nicht im Osten ein neu- Hoffnung begnügen. Oder? Gewinns geht an Terre des Hommes. Ich glaube, die Antwort ist eine ganz er Stern aufgeht, der möglicherweise die Ankunft eines Messias ankündigt. Im- kleine, einfache, alltägliche: Wir brauchen merhin haben ja die Weisen so von der ja nur das, was wir glauben, auch in das zu übersetzen, was wir tun. Geburt des Christus erfahren. Ein Beispiel, stellvertretend für viele, Die Anfrage wurde nicht beantwortet. Bei der EU, der NATO und der und an dieser Stelle ausgesucht, weil es irBundesregierung hat man mir deutlich gendwie auch als Tipp für ein Weihnachtsgesagt: „Äääähm, nein!“ Und bei der Ka- geschenk funktioniert: Die Schmuckdesitholischen Akademie meinte ein lachender gnerin Daniela Kuehling hat vor ein paar Mitarbeiter, allein die Frage grenze arg an Jahren in Hamburg eine Firma gegründet, Blasphemie. Mit anderen Worten: Es guckt die Ringe für Verliebte verkauft – von ihr keiner. Und irgendwie ist das komisch: Wir designte, schöne und luxuriöse Ringe aus gründen weite Teile unserer Gesellschaft Silber, Gold und Edelsteinen. Der Name auf ein Wunder. Aber wir glauben nicht, der Firma ist Io E Te*, was auf Italienisch dass dieses Wunder noch einmal passieren „Ich und du“ bedeutet. Sehr romantisch. kann. Eine Zeit lang habe ich mich darü- Weil die internationalen Handelswege für ber ernsthaft geärgert, weil ich es arrogant Gold und Edelsteine aber oft zu den graufand. Und dann habe ich mich damit ange- enhaftesten Verbrechen beitragen (wir erfreundet. Denn was nützt uns das Warten innern uns an „Blood Diamond“) hat sie auf Godot? Wenn wir Wunder wollen (und Wert darauf gelegt, dass ihr Gold, Silber wir wollen sie ja nicht nur, wir brauchen sie und die Edelsteine fair gehandelt, recycelt, immer wieder), dann müssen wir uns wohl ohne Kinderarbeit und unter wenig umoder übel selbst drum kümmern, dass sie weltschädlichen Bedingungen abgebaut werden. Das war relativ kompliziert, und passieren. Und das ist eine gute Sache. Und das Wunder, das wir jetzt brau- ihre Firma war die erste in Deutschland, chen, ist ein großes. Wir haben einen Hau- die echten Luxusschmuck nur aus ethisch fen Probleme produziert, den Klimawandel, korrektem Material herstellt. Und damit ist soziale Ungerechtigkeit, Finanz- und Ener- es immer noch Luxusschmuck, was man giekrisen, mit einer einzigen Fehlleistung: ja für eine ohnehin überflüssige Gattung übermäßigem Konsum. Er ist die Wurzel halten kann, und es ist sogar ein bisschen der Katastrophen, die wir uns kaum ausma- teurer als normaler Luxusschmuck, weil len können, die aber ständig auf unserem die Rohstoffe teurer sind, aber darum geht Planeten ablaufen. Und es nützt nichts da- es ja am Ende nicht. Was ich mag, ist die rauf zu warten, dass sich das ändert. Denn Idee: Wenn man heute Ringe macht, dann das Sammeln von Dingen, der Versuch, ir- macht man sie ordentlich – fair und sauber. gendwie Vollständigkeit zu erlangen durch Irgendwie ist das klar, aber machen muss das Hinzufügen von immer mehr – seien es man es eben doch selbst. Man kann nicht Güter oder Beziehungen, Status oder ver- warten, bis jemand anders es tut – oder bis meintliche Sicherheit, Armbanduhren oder im Osten ein Stern aufgeht.

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The children forced to work on cocoa plantations are counting the days too. Cocoa picked by trafficked children on plantations in the Ivory Coast is used to make the chocolate many of us eat at Christmas. These children endure lives of forced labour and often brutal violence. Make sure you buy Fairtrade chocolate this festive season. If you’d like to make a donation to help us end child trafficking in the cocoa industry, visit: www.stopthetraffik.org/donate

Auch die Kinder, die gezwungen sind auf Kakaoplantagen zu arbeiten, zählen die Tage. Kinder, die Menschenhändlern zum Opfer gefallen sind, werden auf Plantagen in der Elfenbeinküste dazu gezwungen, Kakao zu pflücken, der zur Herstellung der Schokolade benutzt wird, die viele von uns an Weihnachten essen. Diese Kinder werden oft brutal misshandelt. Trag du dazu bei, dass dieser menschenverachtende Missbrauch aufhört, indem du dieses Jahr zu Weihnachten Fairtrade-Schokolade kaufst.

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zart-bitter Text: Benjamin Weigel Bild: Anzeige von „Stop the Traffik“

Adventskalender, Nikoläuse, Pralinen … Wie jedes Jahr erwarten uns auch nun wieder Berge von Schokolade, ohne die Weihnachten kaum vorstellbar wäre. Unvorstellbar sind aber auch die Bedingungen, unter denen der Kakao für unsere Schokolade gewonnen wird.

Anbau Anbau und Verarbeitung von Kakao ähneln denen von Kaffee, Tee oder Bananen. Bis heute werden die Früchte in Höhen von 2 bis 6 Meter ohne technische Hilfsmittel mit der Machete direkt vom Stamm geschlagen. Die Kakaobohnen werden mit gesundheitsschädigenden Pestiziden behandelt, mit denen auch die Arbeiterinnen und Arbeiter in Kontakt kommen. Reizungen der Haut und Atemwege, Fehlbildungen und Krebserkrankungen sind die häufigsten Krankheiten, mit denen die Menschen zu kämpfen haben. Die Natur hat unter diesen Bedingungen natürlich auch zu leiden.

Menschen Die Beschäftigten arbeiten zu Hungerlöhnen und können von Sozialleistungen nur träumen. Häufig werden Kinder für die Arbeit eingesetzt. In ihrem Bericht zur Kinderarbeit mit dem Titel „Kleine Hände – Krummer Rücken – 132 Millionen Kinderarbeiter schuften in der Landwirtschaft“ vom Juni 2007 schreibt UNICEF zum Thema Kakaoanbau: „Nach neuen Untersuchungen sind allein in Kamerun, Elfenbeinküste, Ghana und Nigeria rund 145.000 Kinder auf 1.500 Kakaoplantagen damit beschäftigt, mit Macheten die Felder frei zu schlagen. Weitere

153.000 Kinder werden eingesetzt, um Unkraut- und Insektengifte zu sprühen. Vielfach dauern ihre Arbeitstage 10 bis 12 Stunden. Um die Kinder zu disziplinieren, werden sie häufig geschlagen oder erhalten nichts zu essen.“ 1 Die Ursache für diese Missstände liegt zum einen am Gewinnstreben der großen Konzerne wie z.B. Nestlé, Mars oder Ferero, die dem gesamten Wirtschaftszweig ihre Bedingungen diktieren können. Zum anderen liegt sie auch an der Tradition, dass viele Kinder auf den Plantagen das Handwerk ihrer Eltern einfach übernehmen. Dabei fehlt vor allem das Bewusstsein für die gesundheitlichen Risiken, denen die Kinder ausgesetzt sind, und für die Notwendigkeit einer Schulbildung.

Menschenhandel Nahezu die Hälfte aller Exportschokolade weltweit wird aus Kakaopflanzen der westafrikanischen Elfenbeinküste hergestellt. Laut Schätzung der Internationalen Arbeitsorganisation arbeiten auf den Kakaoplantagen der Elfenbeinküste rund 12.000 versklavte Kinder. Diese Kinder werden aus den umliegenden Ländern Mali, Burkina Faso und Kongo entweder entführt oder ihren Eltern für wenig Geld abgekauft. Dann werden sie auf den Farmen gefangengehalten und zur Arbeit gezwungen. Für diese Arbeit erhalten viele von ihnen niemals einen Lohn. Einige der Kinder sind unter elf Jahre.2 Gegen das globale Problem des Menschenhandels setzt sich zum Beispiel “Stop the Traffik” ein, eine weltweite Koalition aus Organisationen, Gruppen und Einzelpersonen, deren Ziel es ist, die Öffentlichkeit zu informieren und so die verantwortlichen Produzenten zu Taten zu bewegen.

Nach Steve Chalke, dem Vorsitzenden von „Stop the Traffik“, gibt es heute auf der Welt mehr Sklaven als in den letzten 450 Jahren insgesamt. Der Handel mit Menschen ist die weltweit am schnellsten wachsende Kriminalitätsform.3

Wir Wir können ein Teil des weltweiten Protestes gegen die Versklavung von Menschen, speziell von Kindern, werden und uns für faire Arbeitsbedingungen einsetzen. Zum Beispiel, indem wir strategisch konsumieren und darauf achten, dass sich in unserem Einkaufswagen Produkte befinden, die einen fairen Handel zertifizieren und fördern. Warum also nicht den Berg an Schokolade dieses Jahr ein wenig reduzieren und dafür diejenigen Produzenten unterstützen, die uns eine menschenwürdige Ernte und Herstellung ihrer Produkte versichern können? 4

1

vgl. http://www.unicef.de/4648.html, vom 23.10.2008

2

vgl. http://news.bbc.co.uk/2/hi/africa/ 1272522. stm, vom 15.11.2008

3

vgl. http://www.stopthetraffik.org/news/press/ press280207.aspx, vom 15.11.2008

4

weiterführende Produktinformationen finden sich auf folgenden Seiten:

http://www.maxhavelaar.ch/ http://www.gepa.de/ http://www.transfair.org/ http://www.rapunzel.com/

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Weihnachtsgeschichten

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Wir können hier auf niemanden verzichten Der Soziologe Heinz Bude über Weihnachten und soziale Exklusion. Interview: Simone Rüth Illustration: Tommé Herr Bude, der Deutsche gibt durchschnittlich 250 Euro für Weihnachtsgeschenke aus, andere Menschen wissen nicht einmal, wie sie sich ein Zugticket leisten können, um an den Festtagen Verwandte zu besuchen. Ist Weihnachten eine Zeit, in der die soziale Ungerechtigkeit in Deutschland besonders deutlich wird? Natürlich, aber es ist auch gleichzeitig eine Zeit, in der das Problem der sozialen Gerechtigkeit auf eine merkwürdig eng geführte Weise zum Thema wird. Es ist nämlich dann so – und das ist auch das Thema der ganzen öffentlichen Verlautbarungen –, dass man immer nach Einkommensunterschieden schaut. Es ist soziologisch und für den allgemeinen Verstand sofort klar, dass die Position eines Menschen innerhalb der Gesellschaft sich nicht allein von seiner Einkommenslage her bestimmt.

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Wodurch wird sie stattdessen bestimmt? Insbesondere wenn wir über soziale Gerechtigkeit reden, ist die soziale Teilhabe der Bezugspunkt, um den es geht. Soziale Teilhabe ist ein mehrdimensionales aber gleichzeitig auf die wirklichen Lebensverhältnisse der Menschen zugehenderes Konzept als allein auf die Einkommensdisparität zu schauen. Was nicht heißt, dass Einkommen nicht eine ganz zentrale Kategorie der sozialen Teilhabe ist und gerade an Weihnachten auftaucht. Worin zeigt sich die Einkommensdisparität an Weihnachten besonders? Sie zeigt sich darin, wer sich was leisten kann. Weihnachten ist immer auch eine Zeit, die eine hohe Belastung für die Schamökonomie von Menschen und Familien darstellt. Die Schamreaktion


Die Frage, wie die Einsamkeitslinien durch unsere Gesellschaft laufen, ist ein großes Weihnachtsthema im Bereich der sozialen Gerechtigkeit. zu Weihnachten ist besonders groß, wenn Eltern sich deutlich machen müssen, dass sie ihren Kindern bestimmte Dinge einfach nicht schenken können, wo hingegen die Klassenkameraden der Kinder noch ganz andere Sachen geschenkt bekommen. Wo mangelt es im immateriellen Bereich an sozialer Teilhabe? Eines der großen Themen von Weihnachten und ein ganz großes Thema sozialer Teilhabe ist die Einsamkeit. Sie ist ein großes Problem. Der etwas vornehmere Begriff dafür heißt heute Netzwerkarmut, was bedeutet, dass es Menschen gibt, die das Gefühl haben, wenn es ihnen schlecht geht, dass sie eigentlich niemanden in ihrer nahen Bezugswelt haben, auf den sie verlässlich zurückgreifen können. Inwieweit hängt das mit den Einkommens­verhältnissen zusammen? Wenn man einen Menschen fragt: Hast du jemanden, auf den du dich verlassen kannst, wenn es dir schlecht geht, dann gibt es Menschen, denen es materiell nicht so gut geht, die aber ganz klar sagen: Natürlich habe ich jemanden. Und es gibt Menschen, denen es zum Teil materiell besser geht, die sagen: Oh, da weiß ich gar nicht genau, wen ich angeben kann. Und wenn jemand in einer materiell schwierigen Lage ist und gleichzeitig auch noch weiß, dass er in der sozialen Nahwelt nicht auf Menschen zurückgreifen kann, dann sieht es schlecht aus. Die Frage, wie die Einsamkeitslinien durch unsere Gesellschaft laufen und was das für die Art des Dazugehörigkeitsgefühls der Menschen bedeutet, ist ein großes Weihnachtsthema im Bereich der sozialen Gerechtigkeit. Beim Stichwort Dazugehörigkeit spricht die Soziologie heute von sozialer Exklusion, also davon, dass manche Menschen von der Gesellschaft komplett ausgeschlossen sind. Worin besteht der Unterschied zur sozialen Teilhabe? Der Exklusionsbegriff weist auf neue Problemlagen hin, auf die wir uns in unserer Gesellschaft einstellen müssen. Er thematisiert beispielsweise Benachteiligungen extremerer Art, die aus bestimmten Bedingungen entstehen. Eine Bedingung könnte sein, dass man in einem Gebiet wohnt, das als sozialer Brennpunkt angesehen wird. Das ist zum Beispiel etwas, was im Generationenfortgang sehr wichtig ist, ob die Kinder von Menschen, die als einkommensarm angesehen werden, zusätzlich auch noch, weil die Schulen in diesem Gebiet schlecht sind, in eine Situation der Bildungsarmut geraten. Und, weil sie in einem Milieu aufwachsen, in dem es nicht

klar ist, wie man sich einigermaßen vernünftig ernährt, auch noch in die dritte Art von Armut – die Ernährungsarmut – rutschen. Da kumulieren unterschiedliche Dimensionen von Benachteiligungen, die dann dazu führen können, dass die Menschen ins soziale Aus geraten. Welche Rolle spielt der Staat beim Problem der sozialen Exklusion? Eine weitere ganz wesentliche Bedingung für Benachteiligungen extremer Art ist die Veränderung des Wohlfahrtsstaates. Ein aktivierender Wohlfahrsstaat, der sagt: Du musst nicht auf die Arbeit warten, sondern du musst auch bereit sein, zur Arbeit hinzugehen. Und: Wir gewährleisten dir ein Grundeinkommen, aber wir gewährleisten dir nicht mehr ein Einkommen, das dem Status gemäß ist, den du zuletzt hattest. Dieser aktivierende Wohlfahrtsstaat produziert notwendigerweise eine Gruppe von Menschen, die sich aus welchen Gründen auch immer nicht aktivieren lassen. Damit haben wir wieder eine Gruppe, zu der man sagen könnte, sie ist ein Exklusionsproblem neuer Art. Was bedeutet das für die Sozialpolitik in Deutschland? Diese beiden Dinge machen es für Deutschland nötig, eine andere Begrifflichkeit für die Definition der sozialen Frage zu erproben als nur die eingespielten Begriffe von Armut – womit meistens Einkommensarmut gemeint ist – oder Arbeitslosigkeit. Das sind die beiden Skandalisierungsbegriffe, die wir in Deutschland haben. Was könnte der Staat gegen soziale Exklusion tun? Ich kann dazu nur ein paar Desillusionierungen sagen: Der Weg, den wir in Deutschland einschlagen ist immer wieder der, zu sagen, wir erhöhen ein bisschen die Transfereinkommen, also ziehen die Hartz-IV-Sätze hoch. Das ist die erste Rezeptur. Und die zweite lautet Bildung, Bildung, Bildung zur Lösung des Exklusionsproblems. Aber ich glaube, dass beide nicht nur zu kurz greifen, sondern im Grunde die Illusion einer Lösbarkeit dieses Problems darstellen, ohne sich wirklich zu fragen, woher kommen die Probleme eigentlich. Denn es gibt Menschen, die heute glauben, dass es auf sie nicht mehr ankommt, dass sie überflüssig sind. Zu denken, man könne dieses Problem durch die Erhöhung der Hartz-IVSätze oder durch die Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems lösen, das ist wohl jedem einleuchtend, dass das nicht so richtig hinhaut.

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Weihnachten hat ja im Grunde zwei Botschaften. Die eine Botschaft ist die, dass sich jeder wieder aufrichten kann. Die andere Botschaft sagt: Keiner ist überflüssig, es gibt keinen, auf den wir verzichten können. Eine sehr bekannte Geschichte sozialer Exklusion ist die Weihnachtsgeschichte. Maria und Josef als die Ausgeschlossenen von den Komfortzonen in der Stadt. Wenn wir die Weihnachtsgeschichte auf unsere heutige Zeit übertragen würden, wie würden Sie diese Geschichte neu erzählen? Ich würde sie als die Geschichte der erschöpften Alleinerziehenden erzählen. Sie hatte lange Zeit das Gefühl, virtuos ihre Existenz zu managen, mit zwei Kindern zwanzig Jahre lang durchzukommen und im Vollbesitz ihrer Kräfte zu sein. Doch plötzlich, mit dem pubertierenden Alter der Tochter bemerkt sie: Ich bin eigentlich nur noch eine erschöpfte Alleinerziehende. Diese erschöpfte Alleinerziehende, wenn man sie in eine Mariaposition hineinbringen würde, ist eine Weihnachtsgeschichte, die einer bestimmten Gruppe sehr schön neu erzählt werden könnte. Das ist insofern aber auch eine ganz hinterlistige Variante, weil der Josef dabei eine Rolle spielt. Inwiefern? Es ist die Idee, dass sie das Alleinerziehen gar nicht mehr schafft und stattdessen jemanden hat, dem sie sagen kann: Ich kann nicht mehr – ohne dass dieser sagt: Du bist ja selber schuld. Das wäre auch eine schöne Weihnachtsgeschichte, in der ein Josef auftaucht, der eine andere Perspektive darstellt, ohne der armen Alleinerziehenden ein schlechtes Gewissen zu machen. In der Weihnachtsgeschichte treffen Maria und Josef bei ihrer Suche nach einer Unterkunft auf wenig Hilfsbereitschaft von ihren Mitmenschen. Wie sieht es damit heute aus? In der Bereitschaft zu sozialem Engagement – das sieht man an der Tafelbewegung, die extrem erfolgreich ist – haben wir durchaus etwas, wo wir sagen können, in diesem Bereich sind wir sehr engagiert. Ich würde sagen, dass man auch mal in einer honorierenden Weise sehen sollte, dass es das gibt. Das ist etwas Neues in Deutschland, dass die Zivilgesellschaft eigentätig geworden ist und sich etwas ausdenkt, und nicht mehr sagt: da soll der Wohlfahrtsstaat, da sollen andere für sorgen. Auf der anderen Seite besteht immer wieder die Gefahr, dass man Wohlfahrtsstaatlichkeit durch Charity ersetzt und das eine gegen das andere ausspielt. Liegt es an Weihnachten und den vielen Spendenaktionen, dass die Menschen gerade in dieser Zeit offener für die Nöte anderer zu sein scheinen?

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Die Spendenbereitschaft der Deutschen ist in Europa bemerkenswert. Wir sind offenbar auch immer noch ein Land, in dem es ein tiefes Gefühl für soziale Gerechtigkeit gibt, das auch immer einen Adressaten sucht. Die Frage ist, wie kann sich soziale Gerechtigkeit nicht nur als situative Ausdrucksform zeigen, sondern auch als nachhaltige und belastbare Ausdrucksform für die Zukunft? Denn das ist sicher, dass wir in der Zukunft in eine Gesellschaft hineingehen werden, die ungleicher sein wird, als die Gesellschaft es heute ist. In der Weihnachtsgeschichte feiern später Könige mit Hirten zusammen also die Hochgestellten mit den Niedrigen. Gibt es heute noch Orte, in denen die Starken mit den Schwachen, die Armen mit den Reichen barrierefrei miteinander sein können? Naja klar, die Kirche. Wie könnten wir denn ein Weihnachtsfest feiern, dass möglichst viele Menschen einschließt? Weihnachten hat ja im Grunde zwei Botschaften. Die eine Botschaft ist die, dass sich jeder wieder aufrichten kann. Als eine Art von Anstrengung, die der Staat oder die Allgemeinheit von den Menschen verlangen kann. Die andere Botschaft von Weihnachten hängt genau mit der Frage zusammen, wer ist eigentlich mit dabei, Weihnachten zu feiern. Diese Botschaft sagt: Keiner ist überflüssig, es gibt keinen, auf den wir – wer auch immer dieses wir ist – verzichten können. Und diese Botschaft vermittelt dann auch, ein so verstandenes Weihnachtsfest kann nicht nur ein Weihnachtsfest von deutschen Christen sein oder von Leuten, die sich als integriert in die Wohnbevölkerung ansehen. Das wäre eine sehr schöne Botschaft, die das Weihnachtsfest heute vermitteln könnte. Das finde ich auch. Ich glaube auch, dass viele Menschen gerade in Ostdeutschland, die in den Städten leben, die zum Teil als abgeschrieben gelten, so eine Botschaft ganz gerne hätten, zu hören: Wir können hier auf niemanden verzichten, wir können uns das auch gar nicht leisten auf jemanden zu verzichten.

Heinz Bude ist Inhaber des Lehrstuhls für Makrosoziologie in Kassel. Sein Buch „Die Ausgeschlossenen. Das Ende vom Traum einer gerechten Gesellschaft“ ist kürzlich bei Hanser erschienen.


GEMEINSAME WEIHNACHTEN Das erste Weihnachten ist eine Kontaktbörse, die die gesellschaftlichen Gegebenheiten auf den Kopf stellt und in einer aberwitzigen Aneinanderreihung von Zufällen eine Festgemeinschaft zusammenwürfelt, die sich sonst sicherlich kaum gefunden hätte. Die besondere Aura dieser Gemeinschaft hat sich heute weitgehend aufgelöst: Die Chance, gesellschaftliche Schranken zu überwinden ist selbst zu einer ‚sozialen Zumutung‘ geworden. Genau wie es damals der Fall war, besuchen und beschenken wir uns und sagen uns gute Wünsche. Wir machen das gerne, aber natürlich haben wir längst gemerkt, dass es bei Weihnachten nicht mehr um Freiwilligkeit geht. Und der Wunsch, es anders zu machen, schmilzt bald unter den erwartungsvollen Blicken der familiären Mitwelt dahin. Was wir brauchen, sind Weihnachts-Revolutionäre, die bereit sind, uns zu enttäuschen und vor den Kopf zu stoßen. Und die uns so die Freude an Weihnachten zurückgeben …

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Damals Fotos: Privat „Schickt uns die Weihnachtsbilder Eurer Kindheit“, hatten wir per E-Mail und auf unserer Website gebeten. Das Resultat gibt erstaunliche Einblicke in unsere kollektive Weihnachts-Erinnerung, mitsamt Nicki-Pullis, Carrera-Rennbahnen und Flötenvorträgen.

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An Fäden Von Dirk Brall Illustrationen von Joerg Boettiger

Die rote Lampe erlischt, ich nehme die Kopfhörer ab, Musik erklingt aus den Boxen, die Glastür öffnet sich. „Ich gehe dann jetzt“, sagt Tom. „Danke, dass du übernimmst. Ich habe das Telefon durchgestellt.“ „Ist okay“, sage ich. „Frohe Weihnachten.“ „War eine gute Sendung.“ „Die letzten Minuten wird nicht mehr viel kommen. Ich habe gute Songs ausgewählt, falls keiner mehr anruft. Kannst ruhig gehen, ich schaffe das schon.“ „Und du willst anschließend nicht zu uns kommen? Laura würde sich freuen.“ „Ist alles okay, ich werde spazieren gehen oder Fernsehen schauen, irgendwas. Mir wird schon was einfallen.“ „Also gut, Robert“, sagt er. „Frohe Weihnachten.“ Er dreht sich um, verlässt den Senderaum und schließt die Tür. Er winkt und nimmt seine Jacke. Ich nicke ihm zu, ziehe den Kopfhörer auf und drücke den On-Air-Knopf. Die Lampe leuchtet auf. Ich fahre während des Liedes den Regler mit der Musik herunter und setze mich aufrecht. „Und das hier ist Wünsch dir was mit Robert auf Rhein Radio mit ihrem Musikwunsch am Heiligen Abend. Rufen sie mich an, und ich erfülle ihnen jeden Wunsch. Fast jeden! Sie kennen die Nummer.“ Mit der Hand zeige ich auf ein Gegenüber, das gar nicht vor mir sitzt. Als das Lied wieder schneller wird, fahre ich den Regler hoch. Ich hole zwei, dreimal tief Luft. Die Sendung hat seine üblichen Anrufer. Schlager werden gewünscht, Oldies, dann zwei Hits aus den Charts und ein Weihnachtslied. Ich weiß, was ich meinen Hörern antun kann und was ich zu lassen habe.

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Das Lied ist fast vorbei, als das Telefon aufblinkt. Ohne den Anrufer vorher zu sprechen, nehme ich ihn in die Sendung. „Hier ist Wünsch dir was mit Robert, frohe Weihnachten, was haben sie für einen Wunsch? Wir sind direkt live drauf.“ „Hallo Robert, hier ist Gerd.“ „Frohe Weihnachten, Gerd, was kann ich für dich tun? Welches Lied wünschst du dir?“ „Ich mag deine Sendung.“ „Du hörst sie öfter?“ „Ich habe immer ein kleines Radio dabei.“ „Wobei, was machst du? Erzählst du ein bisschen? „Ich lasse meine Kleine dazu tanzen.“ Ich kratze mir übers Kinn. Kenne ich den? Ist es der, der sich sonst Musik für die Helden von drüben und deren Schutzengel wünscht? „Du rufst manchmal an, oder?“ „Ja, aber ich habe noch nie mit dir gesprochen. Sonst ist immer deine Vorzimmerdame dran.“ „Du meinst Tom?“ „Ja, genau, der hat mich noch nie durchgestellt.“ „Heute ist Weihnachten. Da habe ich ihn früher nach Hause geschickt.“ „Damit du allein sein kannst, was.“ „Damit er feiern kann.“ Ich setze mich auf die Kante meines Stuhls. „Also, Gerd, was machst du?“ „Habe ich doch schon gesagt, ich lasse gegen Geld meine Kleine tanzen. Du legst ein paar Euros ein und los geht’s. Sie kann den wildesten Samba.“ „Und welches Lied wünscht du dir heute?“ „Mann, ich wollte dich schon immer mal sprechen. Ist das ein Glück heute.“ „Gerd, wir sind live drauf. Gibt es noch einen Wunsch?“ „Meine Kleine und ich wünschen uns den ganzen Chor. So wie damals, auf dem Feld bei den Hirten. Den ganzen Aufmarsch. Einen ganzen Gospelchor voll.“ „Wie soll ich das verstehen?“ „Du weißt genau, was ich meine.“ „Gerd, ich würde gerne.“ „Du hast mich nach meinem Wunsch gefragt, Robert. Darf ich dich daran noch mal erinnern.“ „Ja, nach einem Wunsch, den ich im CD-Regal oder im Computer habe.“ „Das habe ich mir gedacht. Genau das habe ich gewusst.“ Ich schaue auf und sehe durchs Fenster. Es wird dunkel. Die Strahler vom Dom leuchten auf. Wenn ich ans Fenster gehen würde, sähe ich die Familien herbeiströmen. Von meinem Studio überblicke ich den Domplatz. „Gerd, das alles liegt lange zurück. Wer weiß, vielleicht hätten heute die Hirten auch ein Radio dabei.“ „Er kommt aber nicht.“ „Wer kommt nicht?“ „Weshalb heute alle unterwegs sind.“ „Wie meinst du?“ „Er kommt nicht, und deshalb singt auch kein Chor. Ich war heute in der Kathedrale, er ist nur aus Holz, und die Musik von dir kommt nur vom Band.“ „Damit du ihn dir vorstellen kannst.“ „Ja, ja, ich weiß, ich habe es schon oft genug versucht.“ „Also pass auf, Gerd, sag mir noch ein Lied, und ich spiele es dir.“ „Dann pass du mal auf, der du keine Ahnung hast.“ Ich lege meinen Finger auf den Regler und suche mit der anderen Hand nach einer CD. „Was machst du heute an Weihnachten?“, fragt er. „Ich, keine Ahnung, habe ich noch nicht drüber nachgedacht.“

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„Du bist alleine? Da haben wir ja was gemeinsam.“ Ich finde eine Weihnachts-CD und lege sie ein. „Ich war im Knast“, sagt er dann. „Ja, da staunst du. Wahrscheinlich lange bevor du geboren wurdest. Damals stand noch die Mauer und man kam für Dinge in den Bau, für die du auf deiner Seite geehrt worden wärst. Fünfzehn Jahre habe ich gesessen, die meiste Zeit alleine, ohne Fenster. Als dann die Mauer fiel, kam ich kurz vor Weihnachten raus. Und keiner wusste mehr, warum ich gesessen hatte. Die Mauern waren weg, und ich schaute mich um und fand nichts, wohin ich sollte.“ „Warum hast du gesessen?“ „Es war kein kalter Krieg, der Krieg war ziemlich heiß, verstehst du?“ „Ein wenig.“ „Ich bin dann nach Berlin. In meine alte Heimat. Und als ich die geschmückten Bäume sah und die Lieder hörte, erinnerte mich das an meine Kindheit. An eine, die viele Jahre zurück lag oder die es nie gegeben hatte.“ Ich nehme den Finger vom Regler und lehne mich zurück. „Ich wollte dabei sein. Aber es hat nicht mehr geklappt. Ich passte nicht dazu.“ „Wozu?“ „Ich lernte eine Frau kennen. Die arbeitete den ganzen Tag. Sie kam aus Litauen. Sie hat mich nach drei Tagen vor die Tür gesetzt. Dann war da eine, die hatte einen Sportwagen, einen roten. Mann, die stand auf mich. Die war aus einer blauen Familie, wenn du weißt, was ich meine. Aber die war nicht mehr ganz richtig im Kopf, deshalb wollte die auch keiner. Immer wieder musste die in die Anstalt. Das war mir zu viel.“ „Und dann, was ist dann passiert?“ „Jedes Weihnachten habe ich gedacht, ich muss es doch mal hören. Den ganzen Chor und dann das Kind finden.“ „Wie bist du hierher gekommen?“ Ich höre die Glocken läuten. Sowohl vor meinem Studio als auch etwas verspätet in der Leitung. Er muss in der Telefonzelle auf dem Domplatz stehen. „Mit dem Zirkus. Eines Tages habe ich dort angefangen zu arbeiten. Ställe ausmisten, Requisiten waschen, kleine Reparaturarbeiten. Und die Kleine hatte es mir irgendwie angetan. Ich konnte mich nicht satt sehen an ihr.“ „Und dann?“ „Ich zog einige Zeit mit dem Zirkus umher, bis ich nicht mehr wollte. Und dann habe ich die Kleine gefragt, ob wir bleiben sollen, nur sie und ich. Sie nickte. Ihr Besitzer hätte es nie erlaubt, aber den haben wir auch nicht gefragt. Wir sind in der Nacht einfach weg. Sie und ich. Erst eine Zeit untergetaucht, dann sind wir mehr und mehr aufgetreten.“ Ich stütze meine Hände auf dem Tisch ab und lächele. Ich kenne ihn. Fast jeden Tag komme ich an ihm vorbei. Er steht auf den Treppen zum Dom, neben sich ein Radio und in den Händen eine Marionette, eine Sambatänzerin an Fäden. Er ist nicht sonderlich gut, es ist immer der gleiche Hüftschwung, aber die Leute bleiben stehen und schauen der Puppe zu, wie sie sich dreht, bis ihre Beine einknicken und die Fäden verknotet sind. „Ich höre nichts mehr von dir“, sagt er. „Das passiert den meisten, denen ich was erzähle. Bist du noch da?“ „Ich bin noch da“, sagte ich. „Ich weiß, wer du bist.“ „Nein, weißt du nicht, du kennst meine Kleine, aber hast du mich schon mal gesehen? Was?“ „Wie meinst du?“ „Mein Gesicht. Meine Augen. Mich. Man kennt mich nur mit der Kleinen, genauso wie man nur deine Stimme kennt und nicht dich. Jeder meint zu wissen, wer du bist. Aber das ist nicht so. So wie sie auch nur meine Kleine kennen.“

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„Kann sein“, sage ich. „Irgendwann lässt sie mich fallen und haut ab, das weiß ich genau. Genau wie deine Stimme dich irgendwann verlassen wird.“ „Aber vielleicht brauchen sie uns.“ „Glaubst du?“ Ich blicke vom Sendepult auf und sehe mich in der dunklen Scheibe spiegeln. Ich denke daran, dass ich manchmal minutenlang stumm vor dem Spiegel stehe und mich dann meinen Namen sagen höre. Ich denke daran, dass mein Redakteur genau solche Sendungen nicht mag. Ich denke daran, dass dies meine letzte Sendung sein könnte. Ich dachte daran, dass ich gerne Sambatanzen würde. Die Uhr vor mir zeigt, dass gleich die Nachrichten kommen. „Ich weiß es nicht“, sage ich. „Und wir sind am Ende unserer Sendung, Gerd, tut mir leid. Gibt es noch einen Wunsch?“ „Warte“, sage er, „ich frage die Kleine.“ „Du kannst noch jemanden grüßen.“ „Dann ist meine Zeit um, oder? „Ja“, sage ich. „Ich grüße alle Helden von drüben und deren Schutzengel, und“, sagt er leise, „und dich und die Kleine natürlich.“ Eine Pause, dann das Freizeichen. Ich hole Luft und setze mich an die Stuhlkante. Die Uhr zeigt noch wenige Minuten. „Und das war Wünsch dir was mit Robert auf Rhein Radio am Heilig Abend. Ich wünsche ihnen frohe Weihnachten.“ Ich schiebe den Regler für die Musik hoch, das Lied startet, und ich stelle mein Mikrophon aus. Ich stehe auf, schiebe den Stuhl beiseite und gehe ans Fenster. Familien drängen in den Dom, es regnet. Die Telefonzelle ist nicht mehr besetzt. Ich hebe das linke Bein auf und ab, dann das rechte und mache eine Drehung. Meine Beine zittern, ich halte mich am Fensterrahmen fest. Als die letzte Strophe gespielt wird, setze ich mich ans Sendepult und schalte auf Selbstfahrermodus. Die Beiträge sind vorher alle in den Computer geladen worden. Die Musik klingt aus, und die Nachrichten springen an. Ich nehme meinen Mantel, schalte das Licht aus, schließe die Türe ab und verlasse das Studio. Vor dem Dom höre ich die Orgel und dann das einsetzende Singen. Ein paar laut lachende Jungen laufen mir entgegen. Sie streichen ihre nassen Haare zurück. Einer macht kleine Schnittbewegungen mit seinem Messer, der andere bricht zwei Stöcke auseinander. „Willst du mit mir tanzen, Baby?“ ruft der mit dem Messer mir zu und schwingt seine Hüfte. Ich gehe weiter über den Platz, vorbei an den Jungs, den Treppen zum Hauptbahnhof entgegen. Auf den Stufen bleibe ich stehen. Er sitzt nicht da. Ich laufe ein Stück zurück und dann wieder vor, entlang des Doms, wo der Domplatz nur von einer Straßenschlucht von Gleis 1 getrennt ist. Nahe einer Mauer, angelehnt an einen Baum, finde ich ihn, zusammengesunken, mit geschlossenen Augen. Seine Brust bewegt sich unter der Lederjacke. Ein kleines Radio liegt neben ihm, und die Sprecherin bedauert, dass es die nächsten Tage nur regnen und nicht schneien wird. Ich höre einen Zug aus dem Bahnhof fahren. Dann sehe ich, dass er etwas in den Armen hält, eine Holzpuppe mit Baströckchen, deren Fäden lose hinab hängen.

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Artwork (auch vorherige Seite): Thomas Bรถhl


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Drückt Eure Familie!

Beatsteaks Sänger Arnim Teutoburg-Weiß über Weihnachten Interview: Markus Meske Illustration: Tommé Was ist das Erste, das Dir in den Sinn kommt, wenn Du an Weihnachten denkst? Da denke ich natürlich an meine Familie, an alle zusammen essen, zusammen sein, quatschen. Weil meine Familie nicht in Berlin ist, ist das eigentlich immer ein großes Treffen und super Wiedersehen. Das findet immer unter dem Mantel Weihnachten statt. Das ist wichtig, Weihnachten ist wichtig. Ist eine schöne Sache. Hast Du eine besondere Weihnachtserinnerung aus der Zeit, als Du noch klein warst? Ja, auf jeden! Eine Menge! Ich habe immer nach den Geschenken schon vorher gesucht, ich Vollidiot. Meist habe ich sie auch gefunden, da war natürlich die Überraschung im Arsch. Aber ich habe eine ganz starke Erinnerung daran, dass mein Opa mir damals meinen großen Wunsch erfüllt hat: So eine Oldschool-Autorennbahn. Ich bin ja im Osten groß geworden und es war ein riesen Ding, das überhaupt möglich zu machen. Als ich 10 Jahre alt war, hat er mir das an Weihnachten möglich gemacht. Da gab es Geschenke und er hat gesagt: ‚Komm doch mal mit rüber in das andere Zimmer.‘ Ich habe eine Schwester und plötzlich war ich da bevorteilt – Arnim darf jetzt noch ins andere Zimmer. Und dann stand da diese Autorennbahn. Das war das schönste Weihnachtsgeschenk, was ich gekriegt habe.

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Weihnachten kann in der Familie ja auch schon mal in Stress ausarten, gerade weil alle meinen, sie müssten besonders nett miteinander umgehen. Hast Du das schon einmal erlebt? Nö. Das wird dann wahrscheinlich dieses Jahr passieren … (lacht). Gott sei Dank noch nicht!

Was ist für die der nervigste Weihnachtssong im Radio? Es ist nicht ‚Last Christmas‘. Wenn man selber Musik macht, ist das ein durchaus sehr raffinierter Popsong und da ich Popmusik mag, finde ich das nicht schlecht. Es geht einem natürlich im Laufe der Zeit auf den Sack, aber ich finde immer wieder erstaunlich, wie klug der gemacht ist. Gibt es denn ein Weihnachtslied, das Du richtig magst? Die Ramones hatten ja auch eins mit Merry Christmas (I Don’t Want To Fight Tonight) … Es gibt einen schönen Christmas Song von Tom Petty (‚Christmas All Over Again‘ – Die Red.). Den fand ich damals total geil. Da erzählt er, was er sich so wünscht und als Erstes kommt gleich eine neue Gitarre. Der Text ist der Hammer. Gibt es ein traditionelles Weihnachtslied, das Du komplett singen kannst? Da schwächel ich. Ich bin ja sowieso nicht so der text­sichere Typ und dafür auch ein bisschen bekannt. Und bei Weihnachten ist das erst recht so.

Bedeuten Dir die Ursprünge von Weihnachten und der religiöse Aspekt etwas? Nee. Da tauch ich auch nicht mit ein. Da laufen ja immer die ganzen Filme und so. Da schlafe ich immer ein und verdaue.

Willst Du noch ein paar Weihnachtsgrüße loswerden? Als Abgesandter der Band Beatsteaks wünsche ich allen ein schönes Weihnachtsfest, dass es Euch gut geht und dass wir uns bald wieder sehen. Haut rein! Bleibt gesund! Drückt Eure Familie und hört ihr zu!


TYPISCHE WEIHNACHTEN Weihnachten 1.0 ist ohne Schnee und Lametta ausgekommen. Halten wir uns doch mal den kulturellen Spiegel vor: was macht den Dezember für uns eigentlich so weihnachtlich? Warum öffnet sich unser Herz beim Geruch von Zimt und Nelken? Und warum reagieren wir eigentlich so empfindlich, wenn uns der ganze Weihnachtskitsch im Vergleich mit anderen Kulturen mit einem Mal äußerst relativ vorkommt?


Welcher Weihnachtstyp Bin ich eigentlich?

Vielleicht glaubst du, diese Frage bereits für dich beantwortet zu haben. Die folgenden Zeilen jedoch könnten dir tiefenpsychologisch fundierte Gewissheit verschaffen und dir langersehnte Erklärungen für die Verhaltensmuster geben, die sich seit deiner frühesten Kindheit in deine Persönlichkeit eingegraben und ihre Kreise gezogen haben … Worauf wartest du noch?! Text: Carmen Hess Illustration: Hanni Lindner

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Hand aufs Herz: Wie schmückst du eigentlich deinen Weihnachtsbaum?

1) Die Basis ist die pinkfarbene Glittergirlande. Dann noch ein wenig stahlblaues Lametta, einige Nikoläuse, viele bunt blinkende Kerzen und andere entzückende Kleinigkeiten - und fertig ist der perfekte Weihnachtsbaum! (B) 2) Unterschiedlich. Eigentlich habe ich erstmal jedes Jahr einen Tobsuchtsanfall, weil ich die Deko nicht finde. Dann hänge ich einfach alles auf, was ich finde. Und drei bis fünf mal wieder ab, bis es schön aussieht. Das muss es ja schließlich! (D) 3) Gar nicht. Raus aus dem Karton, die fünf kleinen weißen Kugeln an die KunstnadelZweige hängen, ab in die Steckdose – fertig. Schnell, schlicht und unkompliziert . (A) 4) Zuerst einmal benötige ich eine etwa drei Meter hohe Tanne. Dann zahlreiche Kerzen aus Bienenwachs. Abschließend bestäube ich hingebungsvoll mehrere Stunden lang jeden Wipfel mit Kunstschnee. (C)

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Was hat der schönste Adventskalender enthalten, der dich jemals durch die Adventszeit begleitet hat? 1) Jeden Tag ein neues, anrührendes Bild von einem kleinen Engel mit blond gelocktem Haar. Mein Lieblingsengelchen war das mit der Harfe! (C) 2) Schokolade. Schokolade ist Nervennahrung. Nervennahrung ist lebensnotwendig. Immerhin ist Advent! (D) 3) Lego Technik. (A) 4) Da kann ich mich nicht entscheiden. In den meisten Jahren hatte ich schließlich fünf oder sechs verschiedene. Advent ist schließlich nur einmal im Jahr … (B)

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Wie lange hast du an den Weihnachtsmann geglaubt?

1) Weihnachtsmann?! Bitte?! In was für einer Welt lebst du denn … ?! (A) 2) Tief in meinem Herzen werde ich immer wissen, dass es ihn gibt. Irgendwo auf der Welt. Egal, was alle anderen sagen. (C) 3) Also bitte … Immerhin erklimmt er in voller Lebensgröße von Oktober bis März die Außenfassade meines Hauses! (B) 4) Als ich mit neun Jahren mein erstes Taschengeld bekommen habe, musste ich schmerzlich erfahren, dass der Weihnachtsmann die Geschenke weder finanziert, noch besorgt. Damit hat der Weihnachtsstress angefangen. (D)


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Eines schönen Dezember– abends kommst du nach Hause. Dein/e Freund(in) erwartet dich bereits und eröffnet dir freudestrahlend, dass er/sie spontan noch einen Last-Minute-Kurzurlaub über die Weihnachtstage für euch buchen konnte. Und zwar auf einer Almhütte im Allgäu. Was sagst du dazu? 1) „Ich bin so glücklich. Davon habe ich schon immer geträumt!“ (C) 2) „Boooooooooooring! Ich hätte da an etwas Großes, Buntes gedacht … New York vielleicht?!“ (B) 3) „Dem Himmel sei Dank! Vielleicht gibt es in der Hütte ja auch eine Sauna?! Einen kleinen Wellnessurlaub habe ich an Weihnachten bitter nötig …“ (D) 4) „Warum möchtest du denn verreisen, Schatz? Nur wegen Weihnachten?!“ (A)

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Wir schreiben den 23. Dezember. Wie verbringst du den Tag?

1) Relativ entspannt. Die Einkäufe sind getätigt, die Geschenke organisiert. Deshalb trage ich in Ruhe die Zu- und Absagen meiner Gäste für den zweiten Weihnachtstag in eine Excel-Tabelle ein. (A) 2) Außer Atem, panisch und mit Blutdruckwerten, angesichts derer meinem Hausarzt ein erstickter Schrei entweichen würde. Also wie jedes Jahr. Natürlich muss ich noch die letzten Geschenke besorgen und das Festtagsessen planen. Und die Wohnung putzen. Und Karten schreiben. Meine Großeltern anrufen. Und Plätzchen backen. Vielleicht auch noch einen Christstollen. Und … (D)

3) Zu Hause. Liebevoll setze ich den Strohstern auf die Spitze des Tannenbaums und drapiere eine Girlande über die Wipfel. Bei dem Gedanken an die glänzenden Augen meiner Lieben wird mir jetzt schon warm ums Herz. (C)

4) Natürlich ist das sehr schade. Aber was soll man tun? Ich werde einfach den ganzen Abend lang Weihnachtsgalas im Fernsehen anschauen, ein Lichternetz im Büro aufhängen und Dominosteine an die ganze Belegschaft verteilen. (B)

4) Im Kaufhaus. An Weihnachten kann man nie genug Girlanden, Nikoläuse und Glühwein im Haus haben. Sicher gibt es auch noch viele Schnäppchen. Ich kann es kaum erwarten, mich in das Getümmel zu stürzen! Vielleicht finde ich auch heute endlich den blinkenden, leuchtend grünen Elektrostern, den ich mir seit Monaten wünsche! Heiliger Abend, ich komme! (B)

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Du hast einen Nebenjob beim Fernsehen. Weil du noch neu im Team bist, eröffnet dir dein Chef, dass du dieses Jahr am Heiligabend bis Mitternacht arbeiten musst – irgendjemand muss ja schließlich dafür sorgen, dass das Programm läuft. Wie reagierst du? 1) Mein Magen krampft sich zusammen. Meine Augen füllen sich mit Tränen und ein Schauder läuft mir über den Rücken. Weihnachten – alleine und isoliert in einem kalten, fast menschenleeren Büro? Ich beschließe, den ganzen Abend lang via Konferenzschaltung mit meinen Eltern, meiner Schwester und meinen drei besten Freunden zu telefonieren. (C) 2) Erfreut. Ist doch prima! Immerhin gibt es an Weihnachten hundert Prozent Gehaltszuschlag und ich hatte ohnehin keine Lust auf die ganze Gefühlsduselei … (A) 3) Im ersten Moment bin ich schon traurig. Ich hatte mich auf einen gemütlichen Abend im Familienkreis gefreut... Aber andererseits habe ich, wenn das Programm einmal läuft, vielleicht noch Zeit, um Weihnachtskarten zu schreiben … (D)

Welches ist dein LieblingsWeihnachtslied?

1) „White Christmas“. Ein wunderschönes Lied. Da schließe ich die Augen und beginne zu träumen … (C) 2) „Morgen, Kinder, wird’s was geben“, weil mich das immer daran erinnert, dass ich nur noch einen Tag Zeit habe, um alle Weihnachts-To-Dos zu erledigen. (D) 3) Ich kann mich kaum entscheiden. Ich mag die Weihnachts-CD von André Rieu sehr! Früher war aber James Last mein Favorit … (B) 4) „Rudolph, the red-nosed reindeer“. Das ist lustig. Und nicht so übermäßig sentimental. (A)

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Komplettiere die folgende Aussage. Weihnachten ist …

1) … das Fest der Liebe. Und Weihnachten kann im Grunde jeden Tag sein. (C) 2) … das Fest der Geschenke. (B) 3) … arbeitnehmerfreundlich. (A) 4) … eine gute Gelegenheit, im Kreis der Familie ein wenig zur Ruhe zu kommen. Vorher muss ich nur noch schnell nach der Gans sehen. Und Tina und Horst anrufen und fragen, wann sie ankommen. Und irgendwas habe ich noch vergessen … (D) Auflösung? Umblättern! typisch 55


Wir schreiten nun zur Auswertung: Zähle bitte zusammen, wieviele Fragen du jeweils mit A, B, C oder D beantwortet hast. Die Variante, die du am häufigsten gewählt hast, verrät dir, welcher Weihnachtstyp du wirklich bist …

A

Rational-puristisch Mal ehrlich – im Grunde genommen konntest du Weihnachten noch nie besonders viel abgewinnen. Eigentlich fragst du dich immer: Was ist da los?! Zu viel Kitsch, zu viel Sentimentalität für deinen Geschmack. Nun mag dieser Kurs dem einen oder anderen deiner Mitmenschen ein wenig zu kompromisslos erscheinen. Vielleicht solltest du dich dieses Jahr bei den Feierlichkeiten mit deinen Meinungsäußerungen ein wenig zurückhalten … Denk nur an den Eklat beim Familienfest letztes Jahr, als deine vierjährige Nichte Emma nicht aufhören konnte zu schluchzen, nachdem du ihr geduldig erklärt hattest, dass das Christkind eine große, alberne Lüge ist …

B

Kitschig-konsumfreudig Dein Wohnzimmer sieht aus wie der Partykeller des Weihnachtsmanns. Um es auf den Punkt zu bringen: Du liebst Weihnachten. Genauer gesagt die amerikanische Version von Weihnachten. Ein großes, grellbuntes, lautes Fest mit vielen Geschenken, vielen Süßigkeiten, Lichtern, Sternen, roten Nikolausmützen, die du am liebsten die ganze Adventszeit lang trägst. Doch Obacht - Gefahren lauern! Es könnte zu optischen Irritationen kommen, wenn du wochenlang in die zwölf blinkenden Sterne schaust, die deine Fenster schmücken. Zudem musst du meist im gesamten ersten Quartal des neuen Jahres darben, um den desaströsen Zustand deines Kontos wieder in den Griff zu bekommen …

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C

Romantisch-verklärt Für dich ist die Weihnachtszeit die schönste Zeit im Jahr. Du schwebst wie auf Wolken, weil dich die viele schöne Musik, der Klang der Glocken, der Duft der Plätzchen, der Kerzenschein und die erwartungsvoll glänzenden Augen der Kinder mit einem Gefühl von grenzenlos großem Glück und behaglicher Zufriedenheit erfüllen. Das ist schön. Nicht jeder Mensch teilt jedoch diese dir eigene adventliche Zufriedenheit; versuche also, dieses Jahr nicht wieder jede Konversation mit deinen Freunden mit einem kleinen Weihnachtsliedchen zu eröffnen. Manchmal solltest auch du den harten Tatsachen dieser Welt, dieser Stadt in die Augen sehen, denn auch dieses Jahr wird es keine weißen Weihnachten geben, und wenn du trotzdem mit deinem Schlitten den Berg am Mediapark hinunterfährst, wirst du dir erneut den Fuß verstauchen.

D

Gestresst-perfektionistisch Eigentlich magst du Weihnachten. Wären da nicht diese vielen Dinge, die du erledigen musst, um ein perfektes Fest erleben zu können. Und wärst du nicht so vielbeschäftigt, Weihnachten hin oder her. Darum treibt dir die Vision der Weihnachtseinkäufe in den Warenhäusern der Innenstadt am 23. Dezember nach 18 Uhr schon jetzt die Schweißperlen auf die Stirn und verursacht schwere klaustrophobische Schübe. Wir raten: Halte inne, besinne dich darauf, was an Weihnachten wirklich bedeutsam für dich ist und entspanne dich. Dazu eignen sich besonders gut die Weihnachtsfolgen der „Simpsons“ oder die moralisch wertvolle und für die Ästhetik des Hörspiels überaus richtungsweisende Kassette „Freddy der Esel feiert Weihnachten“.


WeiSSe WEihnacht? Kwanzaa vs. Weihnachten Text: Dr. Michael Basseler Foto: MATTEL GmbH (KWANZAA Barbie) In Amerika ist bekanntlich alles anders. Dort schicken sich die Menschen zu Weihnachten schon seit Jahrzehnten Season‘s Greetings. Das klingt in dem multikulturellen Land der unbegrenzten Möglichkeiten politisch korrekter als Merry Christmas und umfasst neben Weihnachten eben auch die Feste der anderen Religionen und Kulturen des Landes. Eines dieser Feste ist Kwanzaa. Es hat, wie der Name (Kwanzaa = Suahili für ‚Erste Früchte‘) vermuten lässt, afrikanische Wurzeln, wenn auch nur über Umwege. Kwanzaa ist die (noch nicht allzu alte) ‚Erfindung einer Tradition‘: Maulana Karenga, ein als Ronald McKinley Everett geborener afroamerikanischer Bürgerrechtsaktivist, wollte mit dem Fest afrikanische Werte aufleben lassen und den African Americans auch eine Alternative zum von den Weißen vereinnahmten Weihnachten schaffen. Im Zuge der Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre begannen viele Afroamerikaner nicht nur über ihre Geschichte, sondern auch über ihre Religion neu nachzudenken. Die meisten African Americans waren bis dahin Christen gewesen und die Kirche war - und ist es mit Abstrichen noch heute - die wichtigste gesellschaftliche Institution der black community. Allerdings wurde die christliche Religion zunehmend kritisch beurteilt: Für Malcolm X etwa war es vor allem die Religion der Weißen, die diese zur Legitimation der Sklaverei instrumentalisiert und den Schwarzen aufgenötigt hatten. Für viele Afroamerikaner war somit auch Weihnachten in Frage gestellt: Warum sollte man sich an einem Fest beteiligen, bei dem vor allem die Werte des ‚weißen‘ Amerika gefeiert wurden? Der Wohlstand des Landes, letztlich auch ein Resultat der Ausbeutung der Sklaven, hatte zudem aus Christmas ein Fest des Konsums

gemacht, wodurch die wirtschaftlich deutlich unterprivilegierten African Americans nur weiter ausgegrenzt wurden. Kwanzaa, das jedes Jahr zwischen dem 26. Dezember und Neujahr gefeiert wird, ist kein religiöses Fest. Aber es ist eine Art Gegenentwurf zur ‚weißen Weihnacht‘, bei dem weder Religion noch Konsum, sondern die kulturelle Tradition der Afroamerikaner im Vordergrund steht. Zu den Feierlichkeiten des Festes gehört neben (vorzugsweise selbst gemachten) Geschenken, die die kulturelle Herkunft ausdrücken sollen, auch ein besonderes Ritual: An jedem der sieben Abende sitzen die Familienmitglieder zusammen und zünden eine Kerze an einem Leuchter an. Jede der sieben Kerzen steht für ein bestimmtes Prinzip, über dessen Bedeutung für das eigenen Leben dann diskutiert wird. Die sieben Prinzipien (Nguzo Saba) stellen vor allem die Gemeinschaft in den Mittelpunkt. Zu ihnen gehörten Einheit (umoja), gemeinsames Arbeiten und gegenseitige Verantwortung (ujamaa), eine Bestimmung (nia), Kreativität (kuumba) und Glaube (iman). Heute wird Kwanzaa laut Schätzungen von über 15 Millionen Afroamerikanern und weiteren gut fünf Millionen Menschen afrikanischer Herkunft weltweit gefeiert – nicht unbedingt statt sondern oft neben Weihnachten. Es verdeutlicht, dass Weihnachten Menschen ausschließen kann, zum Beispiel, weil sie nicht die richtige Hautfarbe, Geschichte oder gesellschaftliche Stellung haben. Umgekehrt wurde Kwanzaa wiederum von Christen als Angriff auf

Weihnachten gewertet. Dies hat auch darin seinen Grund, dass Kwanzaa im Rahmen der nationalistisch gefärbten Black Power bzw. Black Pride Bewegung entstand und somit die Kluft zwischen schwarz und weiß nicht unbedingt kleiner machte. Zudem weckte das Fest mit seinen Symbolen die alte, tief sitzende Angst vor den ‚heidnischen Bräuchen‘ der Schwarzen. Dennoch haben Kwanzaa und seine Entstehungsgeschichte auch viel mit dem ursprünglichen Sinn von Weihnachten gemeinsam: Auch dort gibt es eine geschlossene Gesellschaft, in der Maria und Josef keinen Platz haben. Auch für die beiden begann Weihnachten also vor allem mit sozialer Ausgrenzung. Und ohne Kreativität, Zusammenhalt und Glaube wären auch sie angesichts ihrer Situation wohl verzweifelt. Vielleicht auch wegen dieser Gemeinsamkeiten feiern heute viele afroamerikanische Familien Weihnachten auf ihre Art, indem sie selbstbewusst beide Traditionen zusammenführen. Gut möglich also, dass Kwanzaa somit irgendwann wieder ebenso schnell aus der Kultur verschwindet, wie es aufgetaucht ist. Und passend zudem, dass ausgerechnet am 24. Dezember 2008 die Stimmen der Wahlmänner dem Senat vorliegen müssen, die die Wahl des ersten schwarzen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika besiegeln. Michael Basseler ist Literatur- und Kulturwissenschaftler. Er promovierte 2007 mit einer Arbeit zu kultureller Erinnerung im afroamerikanischen Roman der Gegenwart.

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2 Grad kälter? Temperaturen in Europa am 24. Dezember: 1979–2007 1979

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Quelle: www.wetterzentrale.de


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Durchschnittliche Temperatur, die an Weihnachen auf den Weihnachtsinseln herrscht: 22째

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Collage: Sebastian WeiĂ&#x;



Oh‌ Fotos: Annette Szendera

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„Meine TOP-five  weihnachtssongs“

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Tommy Millhome Ben Argandoña

Michael Dietz

Redakteur und Moderator beim domradio

Musiker und Schlagzeuger der Band P:LOT

Moderator bei 1Live in Köln

Fairytale Of New York The Pogues (1987) Nicht allen geht es so gut wie den meisten hier in Westeuropa. Hier erfahren wir, wie zwei obdachlose irische Immigranten Weihachten in New York erlebt haben. Übrigens hat Sänger Shane MacGowan am 25. Dezember Geburtstag.

Last Christmas Wham! Dieser Track läuft gefühlt schon ab Mitte September bis Neujahr auf Heavy Rotation aller Hörfunk- und TV-Stationen … oh Mann. Naja, George Michaels Rentensong denke ich dann immer – alle Jahre wieder.

Santa Baby Eartha Kitt Weihnachten hat ja nicht viel mit sexy zu tun, aber dieser Song ist es tatsächlich! Klingt nach Frau Monroe, ist aber Frau Kitt, hätte ich in den 60igern gerne mal getroffen!

Weihnachtsnaach BAP mit Nina Hagen und der Kelly Family als Backgroundchor (1996) Die werden vielleicht nie wieder gemeinsam auf einer CD landen! Auch die deutsche Adaption von meinem Platz 1 ist ein liebevoller Song, der diesmal in Hamburg-Altona spielt.

Jingle Bells Wegen seines Titels und dem darin vorkommenden Musikinstrument, den Glöckchen – seit jeher, wenn jemand in der modernen Musikzeitrechnung ein X-Mas-Song aufnehmen möchte, kam dieses Instrument bzw. Geschingel zum Einsatz, siehe „Last Christmas“.

Driving home for Christmas – Chris Rea Da ich seit 1998 immer am 24. Dezember morgens nach Hause in die Pfalz fahre und dabei SWR 1 höre, weiß ich immer: der Song kommt und irgendwie kommt da bei mir immer große Vorfreude auf meine verrückte Familie auf.

Still war die Nacht Marlene Dietrich (1966) Durch die momentane Retro-Welle klingt die unvergessene Marlene, als hätte sie das gestern abend gesungen und nicht schon in meinem Geburtsjahr.

Little Drummer Boy Meine erste TV-Erfahrung mit 12… und Nana Mouskouri. Natürlich in einer Weihnachtssendung – als little drummer boy.

Last Christmas Wham Eigentlich schrecklich, aber nach ein paar Glühwein der perfekte Weihnachtsmarkt-Song.

Do They Know It’s Christmas – Band Aid (1984) Bob Geldof, David Bowie, Boy George und Bono, Phil Collins am Schlagzeug… das war 1984 ganz großes Tennis für mich! Auch noch so häufige Radioeinsätze konnten mir das Ding noch nicht mies machen!

Stille Nacht, Heilige Nacht Früheste Kindheitserrinerung: Das war immer der letzte Song der Weihnachtsmesse in der Kirche – danach ging’s „endlich“ zur Bescherung!

Oh Tannenbaum Nat King Cole Anhören, der Meister singt dieses Teil auf deutsch und wenn er singt: „wenn es sneid“ bekomme ich Tränen der Freude!

What A Wonderful World Eva Cassidy & Katie Melua Letztes Jahr war es die WeihnachtsNummer-1 in England. Wette um einen Christstollen, dass der Song es in diesem Jahr in Deutschland schafft!

Let it be Beatles Familientradition am Weihnachtsabend mal live selbstgespielt, mal auf guter alter LP.

Remmidemmi Deichkind 25.Dezember, am 1.Weihnachtsfeiertag geh ich immer mit den Jungs raus, seit ich 16 bin! Wow, also seit 16 Jahren!

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Nr. 1

1968 Heintje: Heidschi Bumbeidschi (9 Wochen)

1981 Gottlieb Wendehals: Polonäse Blankenese (9 Wochen)

1994 Rednex: Cotton Eye Joe (10 Wochen)

1969 Roy Black: Dein schönstes Geschenk (8 Wochen)

1982 Culture Club: Do You Really Want To Hurt Me (7 Wochen)

1995 Michael Jackson: Earth Song (6 Wochen)

Deutsche Weihnachtshits Quelle: Wikipedia

1957 Caterina Valente: Wo meine Sonne scheint (5 Wochen) 1958 Billy Vaughn: La Paloma (10 Wochen) 1959 Rocco Granata / Will Brandes: Marina (3 Monate) 1960 Lale Andersen: Ein Schiff wird kommen (13 Wochen) 1961 Gerhard Wendland: Tanze mit mir in den Morgen (4 Wochen) 1962 Freddy Quinn: Junge, komm bald wieder (13 Wochen)

1970 Miguel Rios: A Song Of Joy (17 Wochen)

1983 Paul Young: Come Back And Stay (7 Wochen)

1996 Sarah Brightman & Andrea Bocelli: Time to Say Goodbye (13 Wochen)

1971 Pop Tops: Mamy Blue (10 Wochen)

1984 Duran Duran: The Wild Boys (4 Wochen)

1997 Run DMC vs. Jason Nevins: It‘s Like That (6 Wochen)

1972 Wums Gesang: Ich wünsch‘ mir ‚ne kleine Miezekatze (9 Wochen)

1985 Elton John: Nikita (4 Wochen)

1998 Cher: Believe (4 Wochen)

1986 Bangles: Walk Like An Egyptian (4 Wochen)

1999 Stefan Raab: Maschen-Draht-Zaun (8 Wochen)

1987 Rick Astley: Whenever You Need Somebody (5 Wochen)

2000 Christian: Es ist geil, ein Arschloch zu sein (9 Wochen)

1988 Bobby McFerrin: Don‘t Worry, Be Happy (10 Wochen)

2001 Bro‘Sis: I Believe (6 Wochen)

1973 Lobo: I‘d Love You To Want Me (13 Wochen) 1974 Carl Douglas: Kung Fu Fighting (7 Wochen) 1975 Penny McLean: Lady Bump (8 Wochen)

1963 Cliff Richard: Rote Lippen soll man küssen (9 Wochen) 1964 Johnny Rivers: Memphis Tennessee (10 Wochen)

1976 ABBA: Money, Money, Money (5 Wochen) 1977 Santa Esmeralda feat. Leroy Gomez: Don’t Let Me Be Misunderstood (8 Wochen)

1965 The Rolling Stones: Get Off Of My Cloud (2 Wochen)

1978 Village People: YMCA (11 Wochen)

1966 Kinks: Dandy (5 Wochen)

1979 Thom Pace: Maybe (9 Wochen)

1967 Bee Gees: Massachusetts (6 Wochen)

1980 ABBA: Super Trouper (5 Wochen)

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1989 Phil Collins: Another Day In Paradise (10 Wochen) 1990 Enigma: Sadeness - Part 1 (11 Wochen) 1991 Salt‘N‘Pepa: Let‘s Talk About Sex (10 Wochen) 1992 Captain Hollywood Project: More And More (4 Wochen) 1993 Meat Loaf: I Would Do Anything For Love (But I Won‘t Do That) (9 Wochen)

2002 Las Kanzler / Die Gerd Show: Der Steuersong (7 Wochen) 2003 The Black Eyed Peas: Shut Up (6 Wochen) 2004 Nu Pagadi: Sweetest Poison (1 Wochen) 2005 Madonna: Hung Up (9 Wochen) 2006 Monrose: Shame (2 Wochen) 2007 Timbaland presents OneRepublic: Apologize (9 Wochen)

Anzahl der weltweit verkauften Singles von Bing Crosbys ‚White Christmas‘: 35.000.000.


HEILIGE WEIHNACHTEN Weihnachten ist mehr, als wir uns vorstellen können! Geborgene Gemeinsamkeit, kindliche Vorfreude, klirrende Kälte und warmer Glühwein – das alles wird überrascht von etwas, das zu groß ist, als dass wir es mit unserer Erfahrung und unseren Sinnen fassen können. Gleichzeitig ist die Heiligkeit von Weihnachten klein und unscheinbar wie das Kind in der Krippe. Wir haben keinen rationalen Modus, in dem wir uns diesem kleinen Neugeboren nähern können. Und deshalb stehen wir einfach da, mit großen Augen, und staunen.

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70 heilig Die Weihnachtsgeschichte aus Lukas 2,1–21: Aufgeschlagen in der ev. Friedenskirche KÜln-Ehrenfeld.


Foto aufgenommen am Altar der ev. friedenskirche Kรถln-ehrenfeld:

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Suchen. Und Finden.

Text: Pfr. Hans-Hermann Pompe Illustration (aus Fräuleinwünsche): Franca Neuburg Die Zeit um das Jahr Null war eine Zeit voller Bewegung: es gab politische Veränderungen und religiöse Angebote, es kam zu wirtschaftlichen Umwälzungen, in denen wenige reich und viele arm wurden. Dichter und Denker träumten von einem goldenen Zeitalter. Aber wer kann es herbeiführen? Ein Halbgott wie Herkules? Der ausmistet und unter den Bösen aufräumt? Oder vielleicht der nächste römische Kaiser? Im Jahr 66 n. Chr. kommt der Priesterkönig Tiridates aus Armenien nach Rom, um dem Kaiser – ausgerechnet dem mordlustigen Nero – zu huldigen. Seine Begründung: Die Sterne hatten ihm den erwarteten Weltenkönig im Westen gewiesen. Sehnsucht hat damals wie heute erstaunliche Bewegungen zustande gebracht.

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Anderes war genauso wie heute: Mit einem Regierungswechsel flackerte Hoffnung auf – um schnell wieder abzusterben. Die neue Regierung hat auch keine Wunderwaffen, sie verstrickt sich bald in Skandale, sie bedient ihre Interessen-Gruppen. Das Sehnen und Suchen geht dann wieder los: Wer verspricht einen Ausweg aus Katastrophen und Niedergang, wer packt an, was der ganzen Welt unter den Nägeln brennt? Das erste Weihnachten findet statt in einer weltweiten Suchbewegung – unter Menschen im Dunkeln, die endlich Licht sehen wollen. Und Weihnachten erzählt vom Finden. Von Engeln, die den Messias besingen. Von jungen Eltern, die Gottes Kind aufnehmen. Von Hirten und anderen finsteren Gestalten, die im Alltag ihren Sonntag entdecken. Von weisen Suchenden, Magiern, die mit ihren Geschenken vom Beschenkten überboten werden. Können wir uns einfädeln in die Suchbewegung dieser Menschen? Was brauchen wir, damit wir suchen und finden? Wie kann Weihnachten unsere Sehnsucht beantworten?

Die Bibel zensiert das – zumindest an dieser Stelle – nicht, weil sie diese Sehnsüchte sehr ernst nimmt. Weil sie uns nie für eine Suche nach etwas Sinnvollem verurteilt. Sie verstärkt unsere Fragen sogar noch, sie vertieft unsere Sehnsüchte. Wenn wir uns nicht mit dem Bestehenden zufrieden geben wollen, ist die Bibel unsere Verbündete: Ohne Fragen, ohne Suchen kommen wir nicht an die Krippe. Ohne gute Fragen bleiben wir nur da stecken, wo wir sowieso sind. Winston Churchill hat England durch den 2. Weltkrieg gesteuert. Er hatte alles an Auszeichnungen und Ruhm erhalten, was sein Land überhaupt zu vergeben hatte. Kennen Sie seine letzten Worte?: „Es ist alles so langweilig“. – Wenn Sie keine gute Frage haben, erstickt irgendwann alles in Langeweile. Weihnachten bietet Ihnen die beste aller Frage: Wo ist der neugeborene König der Juden? Der bekannte amerikanische Richter Oliver Wendell Holmes konnte einmal im Zug seine Fahrkarte nicht finden. Der Schaffner sah geduldig zu, wie der Achtundachtzigjährige alle seine Taschen durchsuchte – ohne Erfolg. Natürlich hatte er den Richter erkannt und beruhigte ihn: „Herr Holmes, machen Sie sich keine Sorgen: Sie werden Ihr Ticket wahrscheinlich erst dann finden, wenn Sie schon ausgestiegen sind. Wir vertrauen Ihnen; Sie können es uns später zusenden.“ Da sah der Richter den Schaffner verständnislos an und sagte: „Mein lieber Herr, die Frage ist nicht: ‚Wo ist mein Ticket?‘ Die Frage ist: ‚Wohin geht die Reise?‘“ Was wir fragen, bestimmt unseren Weg. Wer nicht nach dem Kind in der Krippe fragt, wird es nicht finden. Ein Zeichen: „Wir haben seinen Stern gesehen“ Manche denken: Einen Stern hätten wir auch gern. Dann kämen wir genauso an wie diese Magier. Aber dieses Zeichen war überhaupt nicht eindeutig. Was damit genau gemeint ist, bleibt bis heute umstritten. Die wahrscheinlichste Deutung geht von einer besonderen Sternkombination von Jupiter und Saturn aus, dem Königsstern und dem Stern der Juden im Jahre 7 v. Chr, die ca. alle 250 Jahre auftritt. Dann wäre der Geburtstag Jesu der 2. April, 7 v. Chr. Das ist aber nur eine Möglichkeit – und die sticht sich schon zwei Evangelien weiter mit der Zeitangabe des Lukas.

Das erste Weihnachten findet statt in einer weltweiten Suchbewegung unter Menschen im Dunkeln, die endlich Licht sehen wollen. Die Bibel erzählt von den drei Magiern so: Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Bethlehem in Judäa geboren worden war, kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem und fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen. (Matthäusevangelium Kap. 2 Vers 2). Im Suchen und Finden dieser drei Weisen finden sich drei Elemente: eine Frage, ein Zeichen und ein Ziel. Eine Frage: „Wo ist der neugeborene König der Juden?“ Die Sache mit den Sternen ist eine uralte Sehnsucht der Menschen. Könnte es sein, dass ihre Konstellationen etwas über unsere Zukunft sagen? Diese Männer kommen aus der Gegend um Babylon, aus einer uralten Kultur. Wieviele es waren, erfahren wir gar nicht. Sie wirken wie Könige, sind aber eher eine Mischung aus Priestern und Wissenschaftlern. Und sie sind wohlhabend. Damals hat man noch nicht zwischen Astrologie, der Deutung der Sterne und Astronomie, der Beobachtung der Sterne, unterschieden. Es war eine Vorstufe unserer Wissenschaft, bei der überprüfbare Beobachtung und Aberglauben noch untrennbar ineinander lagen. Trotz aller Beweise gegen Astrologie gibt es bis heute viele Menschen, die astrologischen Scharlatanen blind vertrauen. Wo die Sehnsucht nach einem Blick in die Zukunft oder nach einer klaren Aussage über meinen Lebensweg regiert, werden alle Vorsicht und aller Menschenverstand klein.

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Zeichen haben nur eine begrenzte Aussagekraft, sie bleiben immer im Bereich des Mehrdeutigen. Ein Kind springt unerwartet auf die Straße, die Mutter kann es gerade noch vor dem Auto wieder zurückreißen. Die einen sagen: Gott sei Dank. Die anderen: Schwein gehabt. Zeichen bleiben mehrdeutig: Sie können Hilfe zum Glauben sein, müssen aber nicht. Wann Jesus geboren wurde, wissen wir nicht exakt. Dass Jesus um die Zeitenwende geboren ist, ist unstrittig und wird auch von keinem ernsthaften Historiker angezweifelt. Aber wenn es tatsächlich der Zeitpunkt dieser Jupiter-SaturnKonstellation war, dann hat die überwiegende Mehrheit der Menschen dieses Phänomen schlicht übersehen: Es war kein Wink mit dem Zaunpfahl. Für diese forschenden Magier allerdings war Sternbeobachtung Alltagsgeschäft: Ihr Stern, ihr Zeichen, war für sie so alltäglich, wie es für uns alltäglich ist, ein Buch zu lesen oder den Haushalt zu machen. Vielleicht sollten wir also keine außeralltäglichen Zeichen erwarten, sondern alltägliche. Wundern wir uns also nicht, wenn Zeichen

Gott begleiten darf. Ich lerne mindestens so viel von ihm wie er von mir. Er singt nicht gerne. Zu seinen ersten zaghaften Vorstößen Richtung Gott gehörten kleine zweifelnde Gebete; er war bereit, einfach so zu tun, als ob Gott existiere und an ihm Interesse hätte, um auszuprobieren, was dann passiert. Ich vermute, Gott hat große Freude an diesem Experiment - jedenfalls betet mein Freund inzwischen nicht mehr nur auf Probe. Die persischen Wissenschaftler haben an der Krippe nicht gesungen – vermutlich klänge ein Männerchor aus drei Wissenschaftlern auch nicht sehr schön. Sie haben gebetet, sind auf die Knie gefallen, wie man das damals vor einem großen König machte, und haben in diesem Kind Gott geehrt. Sie haben königliche Geschenke überreicht: Weihrauch, Myrrhe, Gold. Das Beste, das Wertvollste, was sie bieten konnten: teure Importware, nur für außergewöhnliche Menschen gedacht. Der mittelalterliche Kirchenlehrer Thomas von Aquin hat das nüchtern kommentiert: Das Gold brachten sie, weil die Eltern arm waren. Den Weihrauch gegen den Gestank im Stall. Und Myrrhe für die Gesundheit des Kindes. Also ein Sparbuch, einen Luftverbesserer und eine medizinische Grundversorgung. Was ist in unserem Leben das Wertvollste? Geld? Zeit? Zuwendung? Es muss nicht Gold sein – obwohl Gott sich freut, wenn wir unseren Reichtum mit den Ärmsten teilen. Anbetung entzündet in mir eine neue Sehnsucht: Wie kann ich Gott meine Dankbarkeit ausdrücken? Er ist das Beste wert, was ich ihm zurückgeben kann. Der Dichter Arnim Juhre hat das in einem Weihnachtslied so ausgedrückt:

Unsere Sterne heute leuchten auch nicht weniger hell als damals: sie sind weder übernatürlich noch eindeutig.

mehrdeutig bleiben, Nachfragen brauchen. Bringen wir stattdessen die kleinen Hinweise und Haltepunkte im Alltag mit unseren Fragen und Sehnsüchten zusammen. Mit unserer unerledigten Schuld oder Aus der Armut eines Stalles drang ein gutes warmes Licht / unseren liegengebliebenen Verletzungen. Mit Beziehungskrisen oder und wir sehn, wie in der Stille eine neue Zeit anbricht. unerwarteter Freundschaft. Und nehmen wir kleine Zeichen wahr: Könige aus fernen Reichen bringen ihre Schätze her / Ein plötzlicher Gedanke. Eine Bewahrung vor einem Unfall. und am Ziel der Reise finden sie ganz unvergleichlich mehr. Und vielleicht sollten wir zulassen, dass Gottes Antwort anders Jesus Christus, hier geboren, Menschensohn und Gotteskind / ist, als wir erwarten. Weihnachten wirkt wie ein Augenöffner. Unsere und die Hirten sagen’s weiter: dieser ist uns wohlgesinnt. Sterne heute leuchten auch nicht weniger hell als damals: sie sind weder übernatürlich noch eindeutig. Erst Gottes Kind in der Krippe Aus welcher Suchbewegung wir auch immer zur Krippe komübertrifft unsere Erwartungen. Wer wie König Tiridates königliche Macht sucht, findet Gottes Wehrlosigkeit. Wer wie die Astrologiefans men – was wir dort finden, wird alle unsere Erwartungen übertreffen: Sicherheit über die Zukunft erwartet, findet Gott als Begleiter an sei- Dieses Kind ist Gottes Suche nach uns. Wer sich von ihm finden ner Seite. Wer Erfüllung all seiner Wünsche erwartet, dem wird viel- lässt, ist am Ziel. leicht das Fragen und Suchen geschenkt. Und von mir selbst weiß ich, dass es dauern kann, bis ich darin das größere Geschenk erkenne. Hans-Hermann Pompe leitet als Pfarrer das Amt für Gemeindeentwicklung Ein Ziel: „wir sind gekommen um ihn anzubeten“. und missionarische Dienste der evangelischen Kirche im Rheinland. Was verstehen Sie unter Anbetung? Ganz viel singen? Gut, wenn Sie gerne singen – und wenn die Lieder auch Ihrem Geschmack entsprechen. Gut für die anderen, wenn Sie sogar schön singen können. Aber was ist, wenn Sie nicht gerne singen? Anbetung meint eigentlich die Ausrichtung meines Lebens auf Gott. Ich habe einen Freund, den ich auf seiner geistlichen Reise zu

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GLÜCK DES ANFANGS Text: Prof. Dr. Klaus Berger Illustration: Tommé

„Ich steh’ an deiner Krippe hier…“, ein Ohrwurm unter den Weihnachtsliedern. Kein Wunder, die Melodie ist ja auch von Johann Sebastian Bach. Wer an der Krippe steht, kann und darf und soll alles andere vergessen, was er über Religion weiß, über Gott, über Zweifel und Glaubenskriege. Denn die zarten und zärtlichen Weihnachtslieder schlagen alles das in den Wind. So viel Anfang wie zu Weihnachten ist nie sonst. Ein Kind auf Stroh, ein Licht in der Dunkelheit. Uralte Verheißungen von der wunderbaren Geburt eines göttlichen Kindes, nicht nur bei den Juden, auch bei den Römern, die, wenn überhaupt, dann nur hier zutreffen. Warum ist es eigentlich so, dass man über Weihnachten am besten in Liedern singt? Vielleicht weil sie nicht laut und rechthaberisch sind, nicht mit Bomben, Krisen und Zusammenbrüchen drohen, sondern oft eher an Wiegenlieder erinnern. Aber erwiesenermaßen sind diese leisen Lieder wie nichts anderes der Angst in dunkler Nacht gewachsen. Sollte Gott etwa so sein? Sollte er gar nicht im Lärm, an der Wall Street, beim Eifelturm zu finden sein, sondern ganz anders als wir vermuteten in und mit diesem Kind zu uns gekommen sein? Verletzlich also, hungrig und auf Wärme angewiesen. Und bei alledem, wie die alten Bekenntnisse sagen, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott. In den alten Liedern heißt es immer wieder: Dein eigen will ich sein, du sollst deine Krippe in meinem Herzen haben. Wenn es Gott gibt, konnte er nicht rührender, liebevoller, anrührender zu uns kommen. Ja überhaupt: Er kommt zu uns, und dann dürfen wir zu ihm kommen. „Puppvisite“ heißt das auf Ostfriesisch, wenn das Neugeborene angeschaut werden darf, wenn alle eingeladen sind, das Püppchen zu besichtigen. Wir sind eingeladen, und so heißt es dann im Lied: Ich sehe dich mit Freuden an und kann mich nicht satt sehen und weil ich nun nichts weiter kann bleib ich anbetend stehen. O daß mein Sinn ein Abgrund wär und meine Seel ein weites Meer, daß ich dich möchte fassen. Mich erinnert der Satz zunächst an den gelehrten Kirchenlehrer Augustinus, der einen Jungen trifft, welcher mit einer Muschelschale das Meer ausschöpfen möchte: Gott ist unfassbar, noch unfassbarer als das Meer. Doch was soll dann Weihnachten, welchen Sinn hat das Kind?

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Es gibt den Satz: „Sage mir, für wie unfassbar du Gott hältst, und ich sage dir, wie egal er dir ist.“ Ein nur unfassbarer Gott ist zu weit weg. Wird uns leicht egal. Deshalb ist Gott Mensch geworden, zeigt er uns in Jesus Christus sein Angesicht: weil er wohl weiß, dass er so und nur so uns nicht egal sein kann. Ein Neugeborenes ist niemandem egal, schon weil wir neugierig sind, schon weil wir uns über das Kindchen-Schema, den Charme des Säuglings freuen möchten. Und ein schreiendes hungriges Kind, hat einmal der jüdische Philosoph Hans Jonas bemerkt, kann niemand überhören, dessen Herz nicht aus Stein ist. Und daher setzt Jonas dieses als Anfang der Humanität. Gott ist Mensch geworden, damit in uns Menschlichkeit erwacht und wir so zu Gott finden. Angesichts des Krippenlichtes ist das Aufklärungslicht der modernen Wissenschaft wie flächendeckendes Neonlicht, kalt und gerecht. Im Unterschied zur Aufklärung ist das Krippenlicht nicht gleichmäßig über alles ausgebreitet. Den Ursprung dieses Lichtes kann man nicht so leicht vergessen, so aber geht es uns mit dem Licht der Aufklärung. Sondern das Licht des Stalls, in dem Jesus geboren wurde, ist an einer Stelle konzentriert. Dort ist das Heilige, dort das Kind in der Krippe. Und der angemessene Gestus ist nicht die Analyse, sondern die Anbetung: Also Versunkensein in die Gegenwart des einzigen Lichts, voll Scheu, in Ehrfurcht vor dem Heiligen. „Ich lasse mich hineinziehen und bannen von der hellen Wirklichkeit des Einzigen.“ So heißt es in einer Liedstrophe aus dem Stundengebet der letzten Woche der Adventszeit: Du Aufgang, Glanz des ewigen Lichtes und Sonne der Gerechtigkeit. Komm und erleuchte die sitzen in Finsternis und in Todesschatten. Ein Wort aus dem zitierten Lied „Ich steh’ an deiner Krippe hier“ ist bei mir hängen geblieben: „bleib ich anbetend stehen“. Alle Weihnachtslieder sagen es: Die Eltern, die Hirten, die Magier, selbst Ochs und Esel haben das Kind angebetet. Das heißt auf Deutsch: Sie haben hingeschaut und das Knie gebeugt und dann ganz lange hingeschaut, zugleich bei sich selbst. Weihnachten ist Anbetung. Anbetung heißt das Knie beugen. Vor Zeiten, als man das Knie noch beugen konnte und nicht, vergleichbar den Elchen bei Cäsar, die keine Kniegelenke haben und deshalb nachts schräg an die Bäume gelehnt sind, in der Kirche unbeugsam stehen blieb oder lieber überhaupt saß, wie im Rest der Woche, beugte man das Knie, bis es den Boden berührte, besonders bei dem Satz „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (Joh 1,14). Wir beugen das Knie vor dem Geheimnis der Menschwerdung. Dass der große, unbegreifliche und unfassbare Gott seinen Sohn, Gott von Gott, Licht vom Licht, wahren Gott vom wahren Gott, Mensch werden ließ, bedeutet den rührendsten, umfassendsten Liebeserweis Gottes. Die Kniebeuge vollzieht den Weg nach, den das Erbarmen Gottes genommen hat: von oben nach unten. Verstanden hat man das Geheimnis auch damals nicht. Aber die Kniebeuge ließ erkennen, dass der Schwerpunkt des Geheimnisses Gottes in seiner Liebe zu uns Menschen, in seiner Menschlichkeit lag. Warum sollte man nicht niedrig werden vor dem Gott, der sich so mit menschlicher Niedrigkeit eingelassen hatte? Der große Gott wurde einer von uns Menschen, um uns alle sein ewiges göttliches Leben zukommen zu lassen.

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Sollte Gott so sein: verletzlich, menschlich, voll Licht, der Anfang schlechthin? Irgendwie passt das zusammen: Der Glaube an den Schöpfer und Gottes Selbstdarstellung als neugeborenes Kind namens Jesus, Mariens Sohn. Gott führt sich daher bei uns nicht durch eine ellenlange Predigt ein, nicht durch rhetorischen Donner. Gottes Wort ist ein Neugeborener. Der Inhalt dieser Predigt: Gott ist quicklebendiges Wort, ein munteres, schreiendes, liebebedürftiges Kind. Und er ist der Anfang, er ist immer wieder der Anfang. Auch am Ende aller Wege, auch am Ende der Welt ist er der Anfang. Immer wieder, wie der Aufgang der Sonne. Er ist der Anfang, dem der Zauber der Morgenfrühe und des Segens innewohnt. Auch die Auferstehung wird nichts sein als neuer Anfang. Und zum Stichwort Kindchenschema: Gott sandte seinen Sohn, der den Schoß einer jungen Frau nicht verachtete (so in der Urfassung des Tedeum, des „Großer Gott, wir loben dich“ ) weil er selbst wohl wusste, dass wir ihn so am leichtesten lieb gewinnen können. Wie sehr muss sich dieser Gott nach uns gesehnt haben. Was macht man, wenn man anbetet? Man sagt: Lass mich zu dir gehören, du warmes, wahres Licht. Aber typisch für Neugeborene ist, dass sie kräftige, kurze Schreie ausstoßen, weil sie eben Hunger haben oder Bauchweh. So hilft uns der oben schon erwähnte Augustinus noch einmal besser, Weihnachten zu verstehen, der sagt: Du hast gerufen, geschrieen und so meine Taubheit durchbrochen Du hast geleuchtet als Fackel und Glut und so meine Blindheit verscheucht. Du hast mich als lebendige Lebensflamme angeweht, und ich begann, Luft zu holen und zu atmen vor dir Ich habe ein wenig gekostet, und jetzt habe ich Hunger und Durst Du hast mich angerührt, und ich bin entbrannt in Sehnsucht nach deinem Frieden. Klaus Berger ist Professor für Neutestamentliche Theologie an der Universität Heidelberg und einer der bekanntesten deutschen Bibelwissenschaftler.

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STILLE WEIHNACHTEN

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STILLE MACHT

Text: Norbert Roth Foto: Hendrik Brückner Bloß nicht bewegen! Versteinert blieb ich stehen, als ich aus der Dusche gestiegen war. Wie ein Lauscher an der Wand vermied ich jede Bewegung. Denn ich wollte nicht durch das Knacksen der nach langer Reise mürben Gelenke, durch das Tapsen der baren Füße auf kühlem Steinfußboden und durch das Streichen des Handtuchs auf nasser Haut jenes Geräusch übertönen, das ich meinte gerade vernommen zu haben. Da! Da war es wieder. Wohl ein Steinkauz, ein Uhu, eine Eule – irgendein Nachtvogel rief sein Geheimzeichen in die pechschwarze Dunkelheit. Der kurze Laut war das einzige Geräusch, das ich neben dem Rauschen des eigenen Blutes ausmachen konnte. Sonst nichts! Selbst das fallende Wasser beim Duschen kam mir vor wie das Rauschen der Niagarafälle. Als wollte ich den fernen Vogel nicht stören, drehte ich den Wasserhahn noch ein zweites Mal zu, fester zu als sonst, trocknete mich ab und zog mir im Flüsterton die Kleider über den Körper.

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Diese Stille! Lebt hier noch was? Was fang ich mit mir an?

Mein Innenleben sprang zwischen Ruhe und Panik hin und „Wo sind wir hier nur?“ nuschelte ich hinter vorgehaltener Hand ein wenig später einem der Mitreisenden zu. Mir war es, als her. Diese Stille! Lebt hier noch was? Was fang ich mit mir an? stemme sich das schwache Licht im Bad mit aller Kraft gegen die Keine Chance auf Zerstreuung. Zumindest der Uhu da draußen hereinbrechende Dunkelheit der kommenden Nacht. Kein Flug- ließ mich wissen, dass ich noch lebe. Diese flüsternden Tage in Südfrankreich sehne ich mir oft herzeug zog brummend am Himmel entlang. Kein Zug eilte aus der Ferne rauschend dem Bahnhof zu und kein Auto bog zuckelnd in bei. Vor allem der Rummel unserer Weihnachtsmärkte macht mir die nächste Seitenstraße ab. Da war nichts. Einfach nur Stille. Wo wieder neu bewusst, dass die Sehnsucht nach Wesentlichem das waren wir nur? Selbst dieser Gedanke schien mir zu laut, um ihn Leben eines Menschen einnimmt. Deswegen umkreisen wir scheu schielend die Klöster und die stillen Menschen, weil wir vermuten, überhaupt zu denken. Noch vor zwei Stunden schaukelten wird im Kleinbus durch dass dort noch ein Rest des Eigentlichen übrig ist. Weihnachtsdie Täler der südfranzösischen Provence. Laute Musik, ausgelassene märkte flüstern nicht, sie brüllen. „Stille Nacht“ mit 94 Dezibel, Gespräche und lebendiger Straßenlärm. Unmerklich verlangsamte „Kling Glöckchen-Klingelingelingeling“ in Endlosschleife bis einem sich alles um uns. Auch wir wurden langsamer und stiller. Wir bo- schwindlig wird, „Leise rieselt der Schnee“ im Spätsommerwinter gen in die Berge ab, das Ziel klar und zugleich völlig vage vor dem des klimawandelbeheizten Europas. Nicht zuletzt der schwülstig inneren Auge. Schlaufe um Schlaufe schraubte und schnaufte sich besungene Tannenbaum, der nicht mehr nadelt, weil es nichts zu der tapfere Turbodiesel den Hang hinauf. Von oben ein atembe- Nadeln gibt. Dieses unsinnliche Ambiente brüllt genau jenes hinraubender Blick. Nur der Himmel und die Felsen. Vor uns der aus, was tief drin steckt. So, wie Weihnachtsmärkte aussehen, so Abgrund. Unten, ganz unten im Tal, wohin es die Sonne nur etwa leben viele Menschen ihr Weihnachten. Die Zeit um Weihnachten und die ersten langsamen Tage im vier Monate im Jahr schafft, lag das Ziel unserer Fahrt. Wie ein getarnter Falter, zart, zurückgezogen und nur mit zusammenge- Neuen Jahr stellen manchen Menschen vor große Fragezeichen. kniffenen Augen wirklich auszumachen lag das Kloster Sénanque Weihnachten hinterfragt meist, ob die eigene, bisweilen idealisierte zu unseren Füßen. Auf die Entfernung schien es noch schüchterner, Vorstellung vom Leben mit der gelebten Wirklichkeit bisher übereinstimmt. Silvester und Neujahr werfen die Frage auf, wie’s wohl als ich es bereits von Bildern kannte. Bezaubernd. Als die Mönche unseren Besuch bei ihrem Abendgebet be- werden wird – das Kommende. So eigen diese Fragen auch sein merkt hatten, waren wir auch schon aufgenommen. Wir hätten mögen, so sehr hängen sie aneinander. Denn die ängstliche Beihre Gastfreundschaft beleidigt, wären wir nicht mindestens eine klommenheit vor dem, was auf einen zukommt speist sich meist Nacht geblieben. Ihre unwiderstehliche Herzlichkeit, die etwas aus dem, was hinter einem liegt. Aber: Wie auch immer man das scheu daher kommt, und sich in aufrichtigen Augen ausdrückt, Gestern bewertet, das Morgen ist dem Zwang vergangener Tage beeindruckte mich. Ich bin gerne eingezogen. Nun, nach Gebet, nicht unterworfen. Das schenkt Weihnachten … Für gewöhnlich erlaubt man sich selbst diese kurze AtempauAbendessen und der lang ersehnten Dusche ließ mich die Eule so se nicht. Echte Stille wird vermieden. Das sollte ich ernsthaft zu langsam erahnen, wo wir tatsächlich angekommen waren. Wie laut Stille sein kann, habe ich wohl dort im Kloster das spüren bekommen, als mir in der Provence kein Weg blieb, außer erste Mal in meinem Leben wirklich gehört. Klar es gibt Orte, da der in die Stille. Die Umgebung des Klosters in Frankreich provoist es leise. Die eigene Wohnung hat ruhige Lage und der Motor zierte regelrecht meinen Widerstand. Ich begann zu lesen. Doch des neuen Wagens einen ruhigen Gang. Aber diese Art von Stille, die fremden Gedanken auf den Seiten hatten die Wucht der Gedie alles so umfing, dass sogar ein Käuzchen im Fortissimo ruft, war räuschkulisse einer Großraumdiskothek. Es war kaum auszuhalten. mir neu. Ich ging zu Bett. Kein Fernsehgerät, kein mp3-Player und Ich fummelte am Handy rum, las alte SMS, ging das Kontaktverkein Rechner griffbereit, der mir hätte helfen können, der Stille zu zeichnis durch. Um alles in der Welt diese Einsamkeit überwinden. entgehen, vom Handy gar nicht zu reden. Ob ich Empfang hätte Doch zwecklos. Also löschte ich das Licht dieser stillen Nacht, um zu schlafen. haben können, versuchte ich erst gar nicht herauszubekommen.

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Das karge Zimmer roch etwas muffig, die Scheiben waren in den Ecken leicht beschlagen

Nun begann etwas, was ich nur aus meiner Großstadtwohnung kannte, wenn ich mich gehetzt von den Terminen und Aufgaben für wenige Stunden der Nacht ins Bett legte: das Spiel namens Schlaflosigkeit. Dieses Spiel läuft bei mir folgendermaßen ab: man legt sich in seinem Bett nieder und hört zu, wie eine halbe Stunde nach der anderen stiller wird und die Stadt im Schlaf versinkt. Dann zählt man die Viertelstunden nach dem Schlag der Kirchturmuhr und bleibt wach – Stunde um Stunde. Aber hier wurde meine Schlaflosigkeit zu einer Art Gebet. Ich lag einfach da, untätig, hilflos allein, im Dunkeln und ließ mich von der unerforschlichen Tyrannei der Zeit erdrücken. Die Matratze wurde zum Altar und ich gab mir keine Mühe mehr zu verstehen, in welchem Sinne ich ein Opfer der eigenen Umstände, Hektiken und Hilflosigkeiten geworden war. So lag ich da, im Tal mit der Eule. Schlaflos, hellwach und wehrlos. Draußen in der weiten Welt lief das Leben genauso weiter wie immer. Draußen, wo es Nacht ist, ist vielleicht ein Mensch, der plötzlich begreift, dass etwas, was er getan hat, furchtbar ist. Völlig unterwartet befällt ihn Trauer und er entdeckt, dass er beten kann … Also auch der Schlaf vermochte es nicht, mich der Stille und der Einsamkeit zu entreißen. So schonungslos auf mich selbst und auf meine eigenen Abgründe geworfen zu sein, beunruhigte mich. Hätte ich gekonnt, ich wäre aufgestanden um zu joggen. Laufen wollte ich, erkannte aber sofort den Wunsch nach Ausweg und Flucht. Ich wagte es also nicht, zumal ich gar nicht wusste, ob ich aus dem Kloster überhaupt raus und wenn ja, jemals wieder rein kommen würde. Die Einsamkeit und die Stille zwangen mich, mir selbst zuzuhören… Wirklich mal hinhören, was ich denn eigentlich wirklich will. Nicht nur das zu hören, was andere von mir wollen – sondern mich. Und dann wurden mir plötzlich Dinge wichtig, die so nebensächlich erscheinen, wenn man so lebt, wie ich halt so lebe. Aber genau das wollte ich jetzt. Die Geborgenheit aufrichtiger Freundschaften, die sich verlieren, weil man dem Freund nicht zuhört, sondern nur von den eigenen Erfolgen erzählt. Die Nähe der eigenen Familie, die aus dem Auge rutscht, weil man meint, das Elternhaus überboten zu haben. Und die Entspanntheit fauler Stunden, die man sich selbst verbietet, weil einem beigebracht wurde, dass das Leben kurz und die Möglichkeiten unendlich sind. Hier schien das nun umgekehrt. Die vielen Möglichkeiten griffen nun viel zu kurz und ein Hauch von Unendlichkeit durchzog für einen Augenblick mein Leben.

Ich weiß nicht, wie lange ich da so lag. Die Turmuhr verstummte irgendwann. Das karge Zimmer roch etwas muffig, die Scheiben waren in den Ecken leicht beschlagen. Die Schlichtheit dieser Umgebung, der fehlende Schlaf, die Einsamkeit. Mir schien, als hätte Gott nun zwar Raum, mich aber völlig vergessen. Wo war er nur jetzt. Bei den Mönchen? Bestimmt. Diese hageren Männer lebten hier seit Jahren ein gottgefälliges Leben. Sie beteten, bestellten ihre Felder und boten ihre Waren zum Verkauf an. Sonst nichts. Und das immer am selben Ort. Gott hatte sie nicht vergessen – davon war ich sehr schnell überzeugt. Aber hatte er mich vergessen? So gottgefällig und einfach lebe ich nicht. Oder ist es umgekehrt? Hatte ich vielleicht Gott vergessen? Die Stille hier warf mich schonungslos auf ihn, weil alle Ablenkung endlich einmal schweigen musste. Nein, Gott vergisst nicht. Aber ich hatte vergessen, wie man betet, wo er zu finden ist und wie gut er ist. So lag ich nun da, schlaflos, einsam und gottvergessen. Langsam zog es mir die Augen zu. In dem Zustand zwischen Wachsein und Einschlafen fallen einem ja oft merkwürdige Dinge ein. Erinnerungen, Gerüche, Menschen oder Lieder. Ein solches kam in mir hoch. „Stille Nacht“ summte es in meinem Kopf. Ja, wirklich! Gut, es stimmte ja, still war es, Nacht auch. Aber es war nicht Weihnachten. Es war Spätsommer. Auch ein Weihnachtsbild kam hoch. Meine drei Geschwister, meine Eltern und ich vor der kitschigen Krippe mit Siebzigerjahre-Figuren und den Worten aus dem Mund von Papa: „Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging…“. Wenige Stunden vorher hatte ich stolz im Gottesdienst beim Krippenspiel den Josef gegeben. Schlaflos in Bethlehem, einsam in einem fremden Landstrich und gott- wie menschenvergessen in einem Stall. So hab ich die Szene in Erinnerung. Armer Josef, arme Maria – armer Jesus. Weißgott, die Stille wird der kleinen Familie das bange Herz zerbrüllt haben. Die Stille, nachdem Maria ihre Geburtsschmerzen in die schwarze Nacht hinaus geschrieen hatte. Die Stille Nacht ist der Ort, wo Gott ist. Das schenkt Weihnachten. Seine stille Macht erweist sich in einem Kind. Gott teilt sich mit, er zeigt sich, er sucht die Nähe von Menschen. Das war mein letzter Gedanke, danach bin ich eingeschlafen. Norbert Roth ist Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Er gehört außerdem zu den Jesus Freaks, deren Seelsorgearbeit er deutschlandweit leitet.

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Camis Imbiss

Eine kurze Geschichte der Ăœberforderung Text: Vera Heine Foto: Codswollop (photocase)

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Es war im Oktober. Das Repräsentantenhaus hatte gerade das 700 Mrd. Dollar schwere Paket zur Rettung taumelnder Banken abgelehnt, in der Berliner Morgenpost war ein Bild abgelichtet, auf dem Merkel und Sarkozy gegenseitig mit dem Finger auf sich zeigten. Cami räumte soeben seinen Laden auf. Sein Laden hieß Assel und bestand aus einer Theke, zwei Nierentischen und einer herausgebrochenen Reihe Kinosessel aus dem Filmpalast, der wenige Monate zuvor geschlossen hatte. Camis Assel war demnach ein kleiner Laden mit Platz für 5 sitzende und 3 stehende Personen, Cami selbst war vierunddreißig, fast Vater, er hörte Funk, den ganzen Tag, er pfiff alle Lieder mit, er bewegte seine Hüfte, wenn Prince lief, er hatte eine Brille, die noch nie modern gewesen war und genug Haare, um an Grenzkontrollen aufzufallen. In dem Bücherregal über Camis Gewürzbox standen der Schimmelreiter von Theodor Storm, ein Duden von 1996 und etwas ohne Umschlag, in dem Krieg war. An diesem Mittag um 13:40 Uhr betrat Richy aus der Hypovereinsbank gegenüber Camis Laden, bestellte einen hellen Bagel mit Kochschinken und ordnete sein Hemd, ein Getränkelieferant schob zwei Kästen Mineralwasser in den Eingangsbereich und sagte leise Scheiße, wegen etwas, das in seinen Gedanken vor sich ging. Cami unterschrieb den Lieferschein, schmierte Butter auf den Bagel der Hypovereinsbank und dachte an Nina. Aus der Musikanlage klang jetzt Camis Lieblingssong, den konnte er auch mitsingen und das ging so: I look in your eyes, What are these strange emotions? It’s almost midnight. My love is coming down. Unter anderen Umständen wäre dies einer jener nicht makellosen, aber gerade deshalb sehr guten Tage gewesen, mit denen Cami sein vierunddreißigstes Lebensjahr anreicherte. Tage, die ihn die Beweglichkeit seiner Gelenke und Gedanken spüren ließen, seine vierunddreißig geliebten, dann und wann gehassten und meist gar nicht bemerkten Jahre, eingebettet in getroffene und unterlassene Entscheidungen. Es waren Entscheidungen gewesen, die es ihm, trotz ihrer Mangelhaftigkeit, erlaubten, eine Beziehung zu haben, eine Selbstständigkeit und offensichtlich sogar ein Kind, was ein Wort war, das ihm immer noch fremd auf der Zunge lag und von dem er sich nur schwer vorstellen konnte, dass es einen Körper und Bedürfnisse haben sollte, obwohl es nicht mehr lange dauern konnte, bis die Inkarnation dieses Wortes mit Macht über ihn hereinbrechen sollte. Und dabei spürte er ein wenig Angst. Wilhelm betrat den Laden, er trug seinen langen Mantel, er sah müde aus und nuschelte, er beugte sich über den Tresen und tätschelte Camis Schulter. Cami, der zärtlich war zu liegen gelassenen Handschuhen, Avocados und Nina, ließ die Zärtlichkeit fremder Menschen nur ungern über sich ergehen, sagte aber nichts, weil Wilhelm neunundsiebzig war und allein und manchmal da saß und schwieg, was Cami sehr beruhigte. Richy zahlte seinen Bagel, der Getränkelieferant verabschiedete sich und Wilhelm hörte zu tätscheln auf. Cami war zufrieden. Eine halbe Stunde lang geschah nichts. Er wischte die Tische ab und füllte Seife in den Seifenspender der Toilette. Nina rief an, sie sagte: „Ich glaube es geht los“, und „ich fahr jetzt mal lieber ins Krankenhaus“, Cami ließ den Seifenspender fallen und rannte gegen die geschlossene Toilettentür. Er fiel zu Boden und war weg. Ein paar Minuten war er weg. Als er erwachte, sah er das Waschbecken von unten und dass es geputzt werden musste, er stand auf, seine Stirn pulsierte bläulich, er schickte Wilhelm nach Hause, schloss den Laden ab und ging.

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Hier wird dein geĂźbtes Auge vergeblich nach weiteren Worten suchen, denn die Frage an dieser Stelle ist: jetzt, in diesem moment, was hĂśrst du?


Hier wird dein geĂźbtes Auge vergeblich nach weiteren Worten suchen, denn die Frage an dieser Stelle ist: jetzt, in diesem moment, was hĂśrst du?


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