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Zukunfts-Projekt: Digitale Potenziale erproben und nutzen

Mitarbeiter des IMMS Institut für Mikroelektronik- und Mechatronik-Systeme installieren den Prototyp eines MikroklimaMessnetzes im Lehr- und Versuchszentrum Gartenbau Erfurt.

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Foto: IMMS

Digitale Potenziale erproben und nutzen

Zukunfts-Projekt ► Die Pflanze mit digitaler Technik nach ihren Befindlichkeiten zu „befragen“ ist das eine. Darauf zu reagieren das andere. Die Ackerbauern pflegen diesen „Dialog“ schon erfolgreich. In den Sonderkulturen besteht Nachholbedarf. Das vom BMEL mit 2,8 Mio Euro geförderte Forschungsprojekt „Express – Experimentierfeld zur datengetriebenen Vernetzung und Digitalisierung in der Landwirtschaft“ will hier einiges voranbringen.

Marlis Heinz

Um die Digitalisierung in der Landwirtschaft zu fördern und digitale Techniken auf deren Praxistauglichkeit hin zu testen, hatte das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) für die Jahre 2019 bis 2022 Mittel in Höhe von über 50 Mio Euro eingeplant. Diese Gelder teilen sich insgesamt 14 Standorte in ganz Deutschland. Eines der Projekte ist „Express – Experimentierfeld zur datengetriebenen Vernetzung und Digitalisierung in der Landwirtschaft“. Ihm steht ein Fördervolumen 2,8 Mio Euro zur Verfügung. Es findet vorrangig in Sachsen statt, vereint aber Partner aus ganz Mitteldeutschland. Schwerpunkte sind unter anderem skalenübergreifendes Wasserstress-Monitoring, die Überwachung abiotischer Schlüsselparameter, Foodtracing via Blockchain und Datenintegration.

Was ist wirklich neu?

Auf den ersten Blick geht es in diesem Projekt um wenig Unbekanntes oder gar Verblüffendes. Sensorik, Blockchain, Virtual Reality, Feldroboter, autonomen Fahren – all diese Technologien sind längst den Kinderschuhen entwachsen und schon im Einsatz. Was also will „Express“? Dazu Hannes Mollenhauer, Geophysiker im UFZ Department Monitoring- und Erkundungstechnologien: „Uns geht es nicht darum, Grundlagenforschung für neue Messtechnologien und -geräte zu betreiben. Unser Ziel ist es vielmehr, die vorhandenen technischen Möglichkeiten zu modifizieren, einzusetzen und die ermittelten Daten so zu verknüpfen, dass sie jedem entlang der Wertschöpfungskette einen Nutzen bringen. Also vom Erzeuger bis zum Verbraucher. Das wir uns hierbei auf die Sonderkulturen und auf kleine bis mittelgroße Betriebe fokussieren, hängt damit zusammen, dass dort die neuen Technologien im Vergleich zum Ackerbau noch weniger genutzt werden. Damit bewegen wir uns auf einem ganz eigenen Forschungsareal. Wir haben auch noch nicht die allein von Robotern bewirtschaftete Obstanlage zum Ziel. Es geht uns darum, dem Erzeuger die technisch basierten Entscheidungshilfen zu generieren, welche ihm Informationen für die Probleme oder Fragestellungen im Betrieb liefert. Es bleibt aber seine Entscheidung, wie er auf die beispielsweise mit drohnengestützter Wärmebildkamera, 3D-Scanner oder mit Wetterstationen gewonnenen Daten reagiert, mit automatischer Ansteuerung entsprechender moderner Technik oder aus Erfahrung eigene Vorgaben macht, wie er also beispielsweise bewässert oder ausdünnt.“

Was nützt es dem Handel?

Befragt nach dem Nutzen am anderen Ende der Wertschöpfungskette, bei Handel und Verbraucher, nennt Mol-

Foto: Volkmar Heinz

Die Anlagen der Obstland Dürrweitzschen AG sind einer der Schauplätze des Projektes Express.

lenhauer unter anderem den Einsatz von QR-Codes für die Übermittlung von Informationen über die Erzeugung eines Produktes. Entscheidend sei hier, dass die Glieder der Kette die Informationen nicht nacheinander, sondern miteinander nutzen. „Warum soll nicht schon an der Obstanlage ein QR-Code verraten, wo im LEH und ab wann man die hier reifenden Früchte kaufen kann? Und andersherum haben wir die Rückverfolgbarkeit, die dem Konsumenten nicht nur Daten, sondern auch Geschichten bereitstellen kann.“ Aber all das entstehe nicht automatisch, sobald die entsprechende Technik am Markt ist. Das Interesse an digitalen Technologien der Erzeuger von Sonderkulturen sei im Allgemeinen groß, so Mollenhauer, insbesondere weil in den zunehmenden Dürreperioden die Bewässerung nach hydrologischen Modellen mit altbewährten Annahmen nicht mehr funktioniert. „Aber wir müssen uns auch die Frage stellen lassen, wann sich die entsprechenden Investitionen rechnen.“

Wie geht es weiter?

Anderthalb Jahre läuft das Projekt „Express“ noch, ehe es – so die Hoffnung der Forschungsgruppe – durch Folgeprojekte fortgesetzt werden könnte. Was gibt es bis Herbst 2022 noch zu tun und welches sollten Themen solcher Folgeprojekte sein? Dazu Mollenhauer: „Wir möchten bis zum Projektende die vorgestellten Technologien auf Herz und Nieren geprüft und bei unseren Praxispartnern in der Weise etabliert haben, dass diese ihnen einen wirklichen Mehrwert liefern. Zudem möchten wir, wenn die Hygienebestimmungen es erlauben, unsere Arbeiten vor Ort mit einem

entsprechenden mobilen Messestand begleiten, damit auch andere Erzeuger der Region Einblicke in das Projekt bekommen bzw. an diesem auch teilhaben können. Für die Zukunft sehen wir daher neue Projekte im Bereich der digitalen Wertschöpfungskette als auch in der Regionalisierung von Technologien. Das könnte neue Möglichkeiten in Bezug auf Erntevorhersage, Warenlogistik und Nachhaltigkeit von Produkten liefern.“ 

Warum soll nicht schon an der Obstanlage ein QR-Code verraten, wo im LEH und ab wann man die hier reifenden Früchte kaufen kann?“

Hannes Mollenhauer

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FORSCHUNGSPROJEKT

Viele Blickwinkel

Das Forschungsprojekt „Express“ vereint die Wissenschaftler aus verschiedenen Einrichtungen. Dazu gehören das Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Leipzig sowie das Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung GmbH (UFZ) Leipzig, das Fraunhofer-Zentrums für Internationales Management und Wissensökonomie (IMW) Leipzig und außerdem das IMMS Institut für Mikroelektronik und Mechatronik-Systeme gemeinnützige GmbH Ilmenau. Zu den Praxispartner zählen die Apfelerzeuger von Sachsenobst (Bestandteil der Obstland Dürrweitzschen AG), das Weingut Schloss Proschwitz und außerdem die Steinobstexperten der Lehr- und Versuchsanstalt Gartenbau (LVG) in Erfurt.

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