Fruchthandel Magazin 21/22 2024

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NACHHALTIGKEIT

Deutscher Obstbau an der Grenze des Machbaren

Biodiversität und Wohlstand in akuter Gefahr

Heidelbeeranbau zeigt sich besonders innovativ

FRUITNET MEDIA INTERNATIONAL 7. Juni 2024
Ausgabe
2024
|
22/23 -
Finanziert mit Fördermitteln der Europäischen Union
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FLANDRIA:

N. 22-23 I 2024

06

NACHHALTIGKEIT

06 Joerg Hilbers, Bundesfachgruppe Obstbau: An der Grenze des Machbaren

10 Biodiversität und Wohlstand durch Klimawandel in akuter Gefahr

12 Laura Lafuente, Bundesfachgruppe Gemüsebau: Gefährliche Gemengelage

14 Hans-Jörg Friedrich, Pfalzmarkt: „Wir sollten uns bewusst für mehr heimische Saisonerzeugnisse entscheiden“

17 DKHV: Recherche belegt guten CO2-Fußabdruck für Frischkartoffeln

18 Apfelblüte als Indikator für Klimaveränderungen

19 Westfalia Fruit: Zerstörungsfreie Prüftechnologie –Beschichtung auf Kokosnussölbasis für längeres Shelf life

19 ELO nach ZNU-Standard Nachhaltiger Wirtschaften zertifiziert

20 QS Qualität und Sicherheit GmbH: Praxisnah und messbar

23 Özdemir bekräftigt 30-Prozent-Ziel

23 Agrarfinanztagung: „Nachhaltiges Investieren lohnt sich“

24 Felix Koschnick, Obstbauversuchsanstalt Jork: „Der innovative Charakter im Heidelbeeranbau ist schon jetzt groß“

28 IDM: Wasser sparen marsch!

30 VOG: Langfristig denken und handeln

32 Melinda: Von hohem Einsatz und tiefen Minen

34 Regionales Multitalent: Das nachhaltige Potenzial der Möhre

36 Multivac Marking & Inspection: Innovative Lösung für das Verschließen von Schalen

37 Duale Systeme mit größter bundesweiter Aktion für richtige Abfalltrennung

38 Erfolgsfaktoren für Verpackungshersteller –Nachhaltigkeit als Chance und Herausforderung

40 Frutmac: Weiterentwicklung mit Sparpotenzial

41 Deutscher Verpackungspreis 2024: Einreichungsphase verlängert

42 Rosinen aus Südafrika: Neue Akademie lehrt ganzheitlichen Ansatz der Wertschöpfungskette

44 Bodensee-Stiftung: „Wenn die Wirkung stimmt, muss es nicht schön aussehen“

46 SCHLUSSPUNKT

46 Urbane Landwirtschaft für Klimanutzen sorgfältig planen RUBRIKEN

27 Verbraucherpreise

46 Themenvorschau / Impressum

INHALT FHHGGG
07. JUNI 2024
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FRUCHTHANDEL | 3 22-23 I 2024
Titelfoto: alperdostal – AdobeStock

Nachhaltigkeit nicht zum Nulltarif

Nachhaltiger leben, nachhaltiger wirtschaften, nachhaltiger konsumieren – dies alles ist vor dem Hintergrund des sich immer schneller vollziehenden globalen Klimawandels alternativlos. Laut der Weltwetterorganisation WMO lag die Durchschnittstemperatur im Zeitraum von 2011 bis 2020 weltweit um 1,1 °C über den Werten des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Was sich zunächst wenig anhören mag, hat enorme Auswirkungen auf alle Lebenszusammenhänge. Die beschleunigte Eisschmelze und der Anstieg des Meeresspiegels können, nein, werden aus Sicht von Experten das Leben von Abermillionen Menschen von Grund auf verändern. Nicht nur von jenen, die gezwungen sind, ihren Lebensraum zu verlassen, sondern auch von denen, die sie aufnehmen müssen. Selbst wenn wir die Emission von Treibhausgasen drastisch reduzieren und die Eisschmelze an den Polen dadurch verlangsamen, werden die Meeresspiegel noch über Jahrhunderte ansteigen. Nicht nur die Menschen sind träge, das Klimasystem ist es auch. Aber wir alle wissen längst, dass wir nicht diese 50 oder 100 Jahre warten müssen, um die Konsequenzen zu

spüren. Zu spüren bekommen es auch schon die Obstbauern, vor allem die Apfelerzeuger, die nicht nur häufiger als früher mit Hitzesommern und Trockenheit bzw. mit Starkregen und Hagel, sondern auch mit einer verfrühten Apfelblüte zu kämpfen haben. Auch in Nordrhein-Westfalen, wo sich wie in weiten Teilen Deutschlands eine Verschiebung vom Mai in den April zeigt. Gemäß den LANUV-Klimadaten für NRW lag der Beginn der Apfelblüte hier im 30-jährigen Mittel der Jahre 1991 bis 2020 um elf Tage früher als im Mittel der Jahre 1951 bis 1980. Die zuverlässig auf den Klimawandel zurückführbare frühe Blüte birgt hohe wirtschaftliche Risiken. Allein die Aprilfröste haben kürzlich laut Vereinigte Hagel in Deutschland bei Obst und Reben Schäden von 500 Mio Euro verursacht, vor allem der Osten des Landes war stark betroffen. Das wärmere Klima hat auch dazu geführt, dass mehr Schaderreger auftreten. Ausbleibende Zulassungen und die Reduzierung von Wirkstoffen im Pflanzenschutz erschweren die Situation für die Obstbetriebe zusätzlich und machen zunehmende Resistenzen fast unvermeidlich. Und wir wissen ja noch gar nicht, was der Sommer

bringt und was bei anderen Kulturen möglicherweise geschieht. Der Obstbau leidet selbst massiv am Klimawandel, aber ebenso an einem politischen Umfeld, das lieber wählerwirksame Nachhaltigkeitsparolen ausgibt, als sich sachlich mit der Situation zu beschäftigen. Was die Politik wohl immer noch nicht wahrhaben will: der Anbau von Obst in Deutschland ist zum einen an vielen Orten und bei vielen Produkten gefährdet, was nebenbei bemerkt auch für den Gemüsebereich gilt, wo ebenfalls eine Wirkstofflücke klafft und zusätzlich die Stoffstrombilanz Kopfschmerzen bereitet. Und zum anderen ist der Integrierte Anbau von Obst und Gemüse schon immer sehr viel nachhaltiger gewesen, als dies häufig dargestellt wird. Dies alles mündet in der Forderung: Nachhaltigkeit muss definitiv sein, aber sie muss auch praktikabel sein. Und in Richtung LEH und Konsumenten sei gesagt: sie kann es nicht ohne einen entsprechenden Preis geben, will sie nicht als Heuchelei enttarnt werden. Nachhaltigkeit gibt es eben nicht zum Nulltarif.

FH 6 | FRUCHTHANDEL VORWORT 22-23 I 2024
Michael Schotten, Chefredakteur Fruchthandel Magazin Foto: Vertex SpaceAdobeStock
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An der Grenze des Machbaren

Obstbau | Deutschland ► Der deutsche Obstbau ist mit vielen Herausforderungen konfrontiert. Während der Anbau von Obst in Deutschland mit hohen Lohn- und Produktionskosten zu kämpfen hat, erhöht sich auch der internationale Konkurrenzdruck von Jahr zu Jahr. Kostenintensive Umwelt- und Sozialstandards und eine bundesdeutsche Politik, die den Handlungsspielraum im Bereich Pflanzenschutz immer stärker einzuengen scheint, verschärfen die Situation. Was muss getan werden, damit die deutsche Produktion den hohen Nachhaltigkeitsanforderungen an ihre Produkte auch zukünftig entsprechen kann und trotzdem zukunftsfähig bleibt? Darüber sprach ich mit Joerg Hilbers, Geschäftsführer der Fachgruppe Obstbau im Bundesausschuss Obst und Gemüse. Michael Schotten

Joerg Hilbers, Geschäftsführer der Fachgruppe

Obstbau im Bundesausschuss Obst und Gemüse

Herr Hilbers, worin bestehen für den deutschen Obstbau derzeit die größten Herausforderungen im Zusammenhang mit den politischen Rahmenbedingungen, die in Brüssel und Berlin abgesteckt werden?

Joerg Hilbers: Um das richtig einschätzen zu können, möchte ich zunächst eine kurze Bemerkung vorausschicken. Die deutschen Obsterzeuger befinden sich in einer Situation, in der sie und ihre europäischen Kollegen in ständig überversorgten Märkten agieren müssen. Die meisten Obstprodukte stehen eigentlich permanent unter einem hohen Wettbewerbsdruck. Was in Deutschland besonders herausfordernd ist, ist die Tatsache, dass wir mit ausgesprochen kostenintensiven Umwelt- und Sozialstandards konfrontiert sind. Dies resultiert im internationalen Vergleich in Wett-

bewerbsnachteilen. Warum aber ist die Situation für die Betriebe so prekär? Die Antwort ist komplex. Wir müssen zunächst konstatieren, dass im Obstbau immer noch sehr viel Handarbeit von Saisonarbeitskräften erforderlich ist. Das macht es einfach schwierig, mit den rasant gestiegenen Lohnkosten zurechtzukommen, als Stichwort sei nur der Mindestlohn gesagt. Als zweite große Herausforderung für den deutschen Obstbau möchte ich den Bereich Pflanzenschutz nennen. Speziell vor diesem Hintergrund werden auch die anstehenden Europawahlen sicherlich große Bedeutung haben.

Sie spielen hier auch auf den ‚European Green Deal‘ an, der in weiten Teilen der Obst- und Gemüsebranche sehr kritisch gesehen wird, oder? Ja, wobei ich jedoch betonen möchte, dass wir die Ziele des ‚Green Deals‘ vom Grundsatz her mittragen, solange sie auch praktikabel sind. In diesem Zusammenhang müssen wir immer wieder darauf hinweisen, dass ein integrierter Obstbau einfach auf chemisch-synthetischen Pflanzenschutz zwingend angewiesen ist. Selbst wenn man einen Anteil von 30 % Bio-Produktion erreichen würde, wie dies geplant ist, würde dies also immer noch für den weitaus größten Teil des Obstbaus in Deutschland und in Europa der Fall sein. Um wirtschaftlich arbeiten zu können und dem Konkurrenzdruck aus dem Ausland Stand halten zu können,

benötigen die Betriebe ganz einfach gute Erträge bei möglichst geringen Kosten und gleichzeitig bester Qualität. Um das zu erreichen, können wir auf den chemischen Pflanzenschutz nicht verzichten. Leider finden wir aber weder in Brüssel noch in Berlin ausreichend Gehör für diese Position, was sich auch im aktuellen ‚Zukunftsprogramm Pflanzenschutz‘ der Bundesregierung widerspiegelt.

Liegt das aus Ihrer Sicht an mangelnder Fachkompetenz oder ein Stück weit auch schlicht an Ignoranz?

Auch ideologisch ambitionierte und argumentierende Politiker, die den chemisch-synthetischen Pflanzenschutz massiv reduzieren wollen, haben nach meiner Einschätzung durchaus erkannt, dass die Risiken des Pflanzenschutzes in der Vergangenheit erstens dramatisch überbewertet worden sind und dieser, zweitens, einfach auch notwendig ist. Doch vor dem Hintergrund der gesamtgesellschaftlichen Wahrnehmung und Diskussion des Themas, das sie selbst auf die Agenda gesetzt haben, befinden sie sich nun gewissermaßen in der Sackgasse und argumentieren nach wie vor nicht faktenbezogen, sondern, der Eindruck drängt sich mir zumindest auf, vor allem wählergetrieben.

Was sind denn wesentliche Fakten, die die Politik und die Öffentlichkeit nicht genügend wahrnehmen?

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Foto: ZVG

Ein wesentliches Element des Integrierten Pflanzenschutzes (IP) im Obstbau ist es seit jeher, die Anwendung von chemischen Pflanzenschutzmitteln (PSM) auf das ‚notwendige Maß‘ zu beschränken. Um dieses Ziel zu erreichen, beschränken die Obsterzeuger die Pflanzenschutzmaßnahmen auf Teilflächen, reduzieren die Aufwandmengen, soweit das unter Berücksichtigung der Resistenzvorbeugung möglich ist, und setzen gemäß den Zielen des Integrierten Pflanzenschutzes Alternativen zum chemischen Pflanzenschutz ein. Mit Einführung des Integrierten Pflanzenschutzes in den 1990er Jahren wurden im Obstbau sukzessive Alternativen zum chemischen Pflanzenschutz entwickelt, die von der Praxis umgesetzt werden. Ein gelungenes Beispiel ist die Regulierung des Apfelwicklers, die auf Verwirrung in Kombination mit dem Einsatz von Granuloseviren fußt. Nur im Bedarfsfall bei erhöhtem Befallsdruck werden weitere insektizide Maßnahmen umgesetzt. So konnte die Anwendung in den Hauptanbaugebieten um ca. 50 % im Vergleich zu den Vorjahren reduziert werden. Aber auch sonst halten die Obsterzeuger die im ‚Nationalen Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln‘ propagierten Ziele ein.

Sehen Sie denn weiteres Reduktionspotenzial?

Bleiben wir bei der aufgrund der hohen Zahl an Schaderregern besonders behandlungsintensiven Obstkultur, dem Apfel. Innerhalb des Demonstrationsvorhabens ‚Integrierter Pflanzenschutz im Apfelanbau‘, lag der Anteil der Anwendungen chemischer Pflanzenschutzmittel, die vom notwendigen Maß abweichen, in den Demonstrationsbetrieben bei lediglich 0,7 % bis 1,6 % und damit deutlich unter den im Aktionsplan geforderten 5 %. Auch die mit 4 bis 5 geringe Zahl der Insektizidbehandlungen ist ein Zeichen für den hohen Standard im Integrierten Pflanzenschutz. Es zeigt aber auch, dass weitere

Reduktionen beim Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel kaum mehr möglich sind. Lediglich bei der Anwendung von Fungiziden sieht die Fachgruppe Obstbau durch verbesserte Prognosemodelle noch ein geringes Reduktionspotenzial, wobei allerdings der jährliche Witterungsverlauf einen entscheidenden Einfluss auf die Behandlungsintensität hat.

Das ‚Zukunftsprogramm Pflanzenschutz‘ gefährdet also aus Ihrer Sicht die Zukunft des Obstbaus mehr, als dass es ihn schützt?

Das sieht die Fachgruppe Obst definitiv so, vor allem hinsichtlich der angestrebten pauschalen Reduktion des chemischen Pflanzenschutzes. Aufgrund der bereits jetzt nicht ausreichenden Verfügbarkeit wirksamer Pflanzenschutzmittel und neuer aufkommender Schaderreger sowie veränderter klimatischer Bedingungen mit den extremen Wetterereignissen bedeutet eine weitere Reduktion eine existenzielle Gefährdung des deutschen Obstbaus.

Welche weiteren Faktoren kommen in diesem Zusammenhang zum Tragen?

Der Klimawandel führt zu einem zunehmenden Auftreten neuer invasiver und wärmeliebender Schaderreger. Zudem haben die immer wärmer werdenden Sommer einen positiven Einfluss auf die Populati-

onsentwicklung bereits etablierter Schadinsekten. Dadurch ergeben sich mehr Generationen pro Jahr und dadurch längere Befallsgefahren. Die Verfügbarkeit wirksamer chemischer Pflanzenschutzmittel wird ergo zukünftig vor dem Hintergrund zunehmenden Drucks von Schaderregern immer wichtiger. Die Zulassung vor allem chemischer insektizider Wirkstoffe auf EU-Ebene ist stark rückläufig, alte Wirkstoffe werden nicht wieder zugelassen. Dieser Verlust ist insbesondere im Obstbau nicht mehr zu kompensieren und schlichtweg abzulehnen. Hinzu kommen noch die steigenden Anforderungen des Lebensmitteleinzelhandels hinsichtlich Qualität. Und konsequenter Einhaltung der vom Handel selbst vorgegebenen niedrigeren Rückstandshöchstgehalte und Beschränkungen bei der Anzahl gefundener Rückstände im Erntegut zwingen die Obsterzeuger aufgrund der Rückstandsvermeidung zu inundativen Behandlungen vor der Blüte. Durch die reduzierte Anzahl von Wirkstoffen steigt zudem die Resistenzproblematik. Dies alles führt unweigerlich zu einer höheren Behandlungsintensität. Und schließlich: Durch die angestrebte Reduktion des chemischen Pflanzenschutzes und die immer mehr eingeschränkte Wirkstoffverfügbarkeit gerade im Obstbau wird zunehmend ein Selektionsdruck bei den Schaderregern erzeugt, wodurch Resistenzen gefördert wer-

Deutsche Erzeuger sind u.a. mit kostenintensiven Umwelt- und Sozialstandards konfrontiert.

FH FRUCHTHANDEL | 7 22-23 I 2024

den. Ein Wechsel der Wirkstoffe zur Resistenzvermeidung ist nur bei ausreichender Auswahl von Mitteln möglich. Die zunehmend eingeschränkte Wirkstoffpalette verhindert erforderliche Wirkstoffwechsel, so dass davon auszugehen ist, dass aufgrund abnehmender Wirkung der noch verbleibenden Mittel die Behandlungshäufigkeit zwangsläufig und unvermeidbar zunehmen wird.

Inwiefern erfordern neben dem beschriebenen Wirkstoffmangel die immer unberechenbareren Klimaverhältnisse und Wetterextreme eine Umstellung auf klimaangepasste(re) Sorten?

Bei der Entwicklung neuer, widerstandsfähiger Sorten liegt aus meiner Sicht das eigentliche Reduktionspotenzial im deutschen Obstbau. Dazu bedarf es dann aber auch einer Züchtungsmethodik, die die Möglichkeiten moderner Züchtungstechniken – sprich, grüne Gentechnik – nutzen kann, um diese resilienteren Produkte dann in einem überschaubaren Zeitraum auf den Markt bringen zu können.

Welche Möglichkeiten gibt es noch, sich vor dem Klimawandel und seinen Folgen zu schützen?

Die Zunahme an Hagel- und Spätfrostereignissen sowie anderen Wetterextremen in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten ist offensichtlich und erfordert von uns angemessene Reaktionen und Maßnahmen. Wir benötigen einen verbesserten Frostschutz durch Frostschutzberegnung, was aber sehr wasserintensiv ist und dementsprechend auch große Speicherbecken erfordert. Hier dürfen wir uns nicht auf dem Status quo ausruhen. Beim Hagelschutz haben wir auch Fortschritte gemacht, aber es müssen weitere Hagelschutzsysteme gebaut werden. Bei einer Dauerkultur wie dem Apfel gestaltet sich die Einrichtung von Schutzvorrichtungen eher schwierig, weil die Maßnahmen aufwendig und sehr kostenintensiv sind und zudem sehr lange dauern. Im Be-

Die Zunahme an Hagel- und Spätfrostereignissen sowie anderen Wetterextremen erfordert angemessene Reaktionen und Maßnahmen.

reich Beerenobst vollzieht sich der Wandel in Deutschland momentan etwas dynamischer, vor allem bei Erdbeeren. Hier kann man sehr gut beobachten, dass die Freilandfläche in Deutschland immer weiter zurückgeht und der geschützte Anbau erheblich an Bedeutung gewonnen hat. Allein seit Einführung des Mindestlohnes haben wir rund 5.000 ha Anbaufläche für Freiland-Erdbeeren bei uns verloren. Doch noch einmal zurück zu den Schutzmaßnahmen. Es sind nicht nur neue Produkte und Anbauverfahren, die das Fortbestehen unserer deutschen Produktion absichern. Auch schutzbietende Versicherungslösungen – Stichwort Mehrgefahrenversicherung – sind von größter Wichtigkeit und müssen in einem funktionierendem Risikomanagement unbedingt enthalten sein. Diesbezüglich müssen wir konstatieren, dass alle Mitbewerbsländer um uns herum Fördergelder in Höhe von 50 % bis 65 % der Gesamtsumme dieser Mehrgefahren- oder Hagelversicherungen erhalten. Bis auf einige Bundesländer wie Baden-Württemberg, Bayern oder Nordrhein-Westfalen gibt es das bei uns leider nicht.

Woran liegt das denn aus Ihrer Sicht?

Zum einen spielt hier nach meinem Dafürhalten der fehlende Wille der vergangenen und der aktuellen Bundesregierung, ein funktionierendes Bund-Länder-Konzept auf die Beine zu stellen, eine wesentliche Rolle. Ein solches Konzept wäre jedoch mehr als notwendig. Aber auch in den einzelnen Bundesländern mit ihren unterschiedlichen politischen Konstellationen ist man sehr uneinheitlich aufgestellt. Dennoch haben wir auf Bundesebene derzeit eine recht gute Gesprächsebene mit den relevanten Agrarpolitikern gefunden, wo diese Themen regelmäßig auf den Tisch kommen. Allerdings ist es durch die umfassenden Einsparpläne der Bundesregierung für den deutschen Obstbau noch einmal ein Stück schwieriger geworden, mit seinen Anliegen auch bis zu den entscheidenden Ebenen durchzudringen, für Verständnis zu werben und konkrete Ergebnisse zu erzielen. Dies wird uns als Fachgruppe Obstbau jedoch nicht im Geringsten daran hindern, auch weiterhin für die Interessen des deutschen Obstbaus zu kämpfen und einzustehen. 

FH 8 | FRUCHTHANDEL 22-23 I 2024 NACHHALTIGKEIT
Foto: Werner –AdobeStock

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Der optimale Partner für Produkte von höchster Qualität

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FH FRUCHTHANDEL | 9 22-23 I 2024 ADVERTORIAL
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Biodiversität und Wohlstand durch Klimawandel in akuter Gefahr

Hintergrund ► Im Zuge des globalen Klimawandels nimmt die Häufigkeit und Stärke von extremen Wetterereignissen wie Hitzewellen, Dürren, Flächenbränden, Stürmen und Überschwemmungen sowohl in der Südlichen als auch in der Nördlichen Hemisphäre seit Jahren kontinuierlich zu. Nach Angaben der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) waren die vergangenen acht Jahre die wärmsten seit dem Beginn von Wetteraufzeichnungen. Laut dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat sich die Zahl der wetterbedingten Katastrophen in den letzten 50 Jahren verfünffacht. Dies hat drastische unmittelbare und mittelbare Folgen für Mensch und Umwelt, auch in Form extremer Einkommensverluste, wie das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) kürzlich verdeutlichte.

Weltweit drohen demnach ab dem Jahr 2050 Einkommensverluste in Höhe von 19 %, die Rede ist von einem wirtschaftlichen Schaden in Höhe von 38 Billionen US-Dollar, bilanziert die in der Fachzeitschrift ‚Nature‘ veröffentlichte Studie. Aus Sicht der Wissenschaftler besonders signifikant ist die Tatsache, dass diese Summe sechsmal höher ist als die Vermeidungskosten, um die globale Erwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen. Der Arbeit der Forscherinnen und Forscher des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) lagen empirische Daten aus über 1.600 Regionen der vergangenen 40 Jahre zu Grunde. PIK-Forscher und Erstautor der Studie Maximilian Kotz fasst die Ergebnisse zusammen: „Für die meisten Regionen, darunter Nordamerika und Europa, werden hohe Einkommensverluste prognostiziert, wobei Südasien und Afrika am stärksten betroffen sind: Diese Verluste werden durch unterschiedlichste

wirtschaftsrelevante Wirkungen des Klimawandels verursacht, wie zum Beispiel Folgen für landwirtschaftliche Erträge, Arbeitsproduktivität oder Infrastruktur“, so Kotz. Die Schäden resultierten in erster Linie „aus dem Temperaturanstieg, aber auch aus Veränderungen bei den Niederschlägen und der Temperaturvariabilität. Die Berücksichtigung anderer Wetterextreme wie Stürme oder Waldbrände könnte sie noch weiter erhöhen“, sagt Maximilian Kotz weiter. Aber auch in den reichen Ländern und Regionen dieser Welt würden die Auswirkungen massiv sein, so auch in der Europäischen Union und in den USA. „Unsere Studie zeigt, dass der Klimawandel innerhalb der nächsten 25 Jahre in fast allen Ländern der Welt massive wirtschaftliche Schäden verursachen wird, auch in Ländern wie Deutschland, Frankreich und den Vereinigten Staaten“, sagt PIK-Forscherin Leonie Wenz, die die Studie leitete. Die Schäden innerhalb der nächsten Jahre sei-

en eine Folge unserer bisherigen Emissionen. „Wenn wir zumindest einige davon vermeiden wollen, brauchen wir mehr Anpassungsmaßnahmen. Zusätzlich müssen wir unsere CO2-Emissionen drastisch und sofort reduzieren – andernfalls werden die wirtschaftlichen Verluste in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts noch höher sein und bis Ende des Jahrhunderts im globalen Durchschnitt bis zu 60 % betragen“, so die Forscherin. Es würde uns viel weniger kosten, das Klima zu schützen, als dies nicht zu tun – „und zwar selbst dann, wenn man nur rein wirtschaftliche Auswirkungen berücksichtigt und weitere Folgen wie die Verluste von Menschenleben oder der biologischen Vielfalt außen vor lässt.“

Biologische Vielfalt in Gefahr

Insbesondere die biologische Vielfalt befindet sich durch den Klimawandel in akuter Gefahr, verdeut-

FH 10 | FRUCHTHANDEL 22-23 I 2024 NACHHALTIGKEIT
Foto: ipopbaAdobeStock

licht eine weitere PIK-Modellstudie, an der das Deutsche Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) federführend mitgewirkt hat und deren Ergebnisse kürzlich in der Zeitschrift ‚Science‘ veröffentlicht wurden. Es handelt sich den beiden Instituten zufolge um den ersten Modellvergleich von Projektionen der biologischen Vielfalt und der Ökosystemleistungen. Das internationale Forschungsteam verwendete eine Reihe von Landnutzungs- und Klimawandelrekonstruktionen von 1900 bis 2015 sowie drei Zukunftsszenarien von 2015 bis 2050. Für letztere bewerteten die Forschenden drei häufig verwendete Szenarien – von einer nachhaltigen Entwicklung bis hin zu einem Szenario mit hohen Emissionen. Den Ergebnissen zufolge wird der Klimawandel die biologische Vielfalt und die Ökosystemleistungen zusätzlich belasten. In allen Szenarien führen die Auswirkungen des Landnutzungswandels und des Klimawandels kombiniert zu einem Verlust der biologischen Vielfalt in allen Weltregionen. „Die derzeitigen politischen Maßnahmen reichen nicht aus, um die internationalen Ziele für die biologische Vielfalt zu erreichen“, sagt Alexander Popp, PIK-Forscher, Professor für nachhaltige Landnutzung und Klimaschutz an der Universität Kassel sowie Mitautor der Studie. „Es sind viel stärkere Anstrengungen nötig, um den vom Menschen verursachten Verlust der Biodiversität, eines der größten Probleme der Welt, einzudämmen.“

Umstellung auf eine gesündere Ernährung

Doch wir alle können auch auf andere Weise etwas dazu beitragen, den Klimawandel zu begrenzen und die Folgen desselben abzumildern. So könnte den Forschenden des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung zufolge eine globale Ernährungswende hin zu einem gesünderen, nachhaltigeren Speiseplan ein entscheidender Hebel sein, um die globale Erwärmung auf

1,5 °C zu begrenzen. Dies zeigt eine Studie, die in dem Fachmedium ‚Science Advances‘ veröffentlicht wurde. Die auf diese Weise ermöglichte Reduktion von Treibhausgasemissionen könnte demnach das verfügbare Kohlenstoffbudget an anderer Stelle entlasten und das 1,5-°C Ziel mit weniger CO2-Entnahme und moderateren CO2-Reduktionen im Energiesystem erreichen. Auch Preise für TreibhausgasEmissionen, Energie und Lebensmittel würden sich verringern, heißt es seitens des Institutes. „Unsere Berechnungen zeigen, dass eine nachhaltigere, flexitarische Ernährung die Erreichbarkeit der Klimaziele des Pariser Abkommens auf verschiedene Weise erhöht“, sagt PIK-Forscher Florian Humpenöder, einer der beiden Leitautoren der Studie. „Eine Ernährungsumstellung hätte eine Verringerung der Treibhausgasemissionen zur Folge, insbesondere von Methan aus der Tierhaltung für die Fleisch- und Milchproduktion. Diese Reduktion würde es ermöglichen, das globale CO2-Budget für das 1,5-°C-Ziel von aktuell 500 Gigatonnen um 125 Gigatonnen zu erweitern“, fügt er hinzu. Die Bepreisung von Treibhausgasemissionen im Energieund Landsystem sei ein zentrales politisches Instrument, um die Erwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine nachhaltigere Ernährung im Vergleich zu fortgesetzten Ernährungsmustern die Umweltauswirkungen der Nahrungsmittelproduktion, etwa durch Abholzung und

Stickstoffeinträge, reduziert. Eine solche Ernährung verringert zudem die Treibhausgasemissionen aus dem Agrarsystem so stark, dass sie die 1,5-°C-kompatiblen Treibhausgaspreise für die gesamte Volkswirtschaft im Jahr 2050 um 43 % senkt“, erklärt Ko-Leitautor Alexander Popp, Leiter der Arbeitsgruppe Landnutzungs-Management am PIK. Allerdings seien, so betonen die Forschenden, noch erhebliche Herausforderungen zu bewältigen. So sei die Entscheidungskompetenz in Sachen Ernährung und Landwirtschaft momentan in verschiedenen Institutionen und Ministerien verortet, was die Umsetzung einer kohärenten Politik zur Förderung gesunder Ernährung behindere. Zudem seien eine sozial gerechte Gestaltung und Ausgleichsregelungen von zentraler Bedeutung für einen gerechten Übergang zu gesunder Ernährung. PIK-Direktor Johan Rockström ist dennoch zuversichtlich für die Zukunft. „Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Einsatz für eine Agrar- und Ernährungswende einen erheblichen Unterschied machen könnte, wenn wir in den nächsten zehn bis 15 Jahren die 1,5-°C-Grenze nicht überschreiten wollen.“ Dies erfordere jedoch weltweit gemeinsam koordinierte Anstrengungen, um den Übergang zu einer nachhaltigen, gesunden Ernährung zu unterstützen. 

Ist eine globale Ernährungswende hin zu einem gesünderen, nachhaltigeren Speiseplan ein entscheidender Hebel, um die globale Erwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen?

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Auch im Gemüsebereich sind die Möglichkeiten eines effektiven Pflanzenschutzes eingeschränkt und die Wirkstofflücke wird immer größer.

Gefährliche Gemengelage

Deutschland | Gemüsebau ► Der deutsche Gemüsebau hat mit ähnlich vielen Herausforderungen zu kämpfen wie der Obstbau, auch wenn die Probleme dann doch teils ganz anders gelagert sind. Insbesondere die Themen Stoffstrombilanz, Energieeffizienzgesetz und die immer größer werdende Wirkstofflücke beim Pflanzenschutz bereiten der Branche gehörige Sorgen. Ich sprach darüber mit Laura Lafuente, Geschäftsführerin Bundesfachgruppe Gemüsebau im Zentralverband Gartenbau e.V.

Michael Schotten

Frau Lafuente, worin bestehen für den deutschen Gemüsebau (Freiland und geschützt) derzeit die größten Herausforderungen? Driften ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit immer weiter auseinander?

Laura Lafuente: Für den Gemüsebau ist die Stoffstrombilanz-Verordnung aktuell eine große politische Herausforderung, die im Zusammenhang der ökologischen Nachhaltigkeit heraus entstanden ist und nun massiv mit der ökonomischen Realität der Betriebe kollidiert. 2017 wurde die Bilanz in der Landwirtschaft als zusätzliches Rechtsinstrument eingeführt, um die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung zu erfüllen und den Stickstoffüberschuss in Deutschland bis 2030 auf 70 kg N/ha landwirtschaftliche Nutzfläche (LF) zu reduzieren. Mit der Ankündigung eines Wirkungsmonitorings und der verschärften Düngeverordnung beendete 2020 das BMEL das Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen unzureichender Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie. Daher sieht sich das BMEL in der Pflicht, die Stoffstrombilanz auf den Gemüsebau auszuweiten. Nur ist aus unserer Sicht die Stoffstrombilanz kein geeignetes Instrument für den sehr vielfältigen Gemüsebau.

Warum ist das so?

Die Dokumentation der Nährstoffausfuhren durch unterschiedliche Erzeugnisse über mehrere

Vermarktungswege gestaltet sich als sehr komplex. Die betroffenen Betriebe produzieren oft 40 bis 50 verschiedene Kulturen im wöchentlichen, satzweisen Anbau und vermarkten diese in unterschiedlichsten Gebinden über Hofläden, Marktstände oder Abo-Kisten, die Großhandlungen des traditionellen Lebensmitteleinzelhandels (LEH), Einrichtungen der Außer-Haus-Verpflegung oder größere regionale Einzelhändler. Im Gemüsebau erzeugt allein ein wöchentlicher Anbausatz einer Gemüseart je nach Abernte mehrere Lieferscheine, insbesondere bei selbst- und direktvermarktenden Betrieben, die an verschiedene Abnehmer liefern. Zusätzlich kommt es zu Ungenauigkeiten bei der Umrechnung von Bund- und Stückware, beispielweise bei Radieschen oder Frühlingszwiebeln, in Kilogramm, die die Ergebnisse der Stoffstrombilanz beeinflussen. Im Laufe der Saison ist die Spannweite der Gewichte sehr hoch. Daher ist die Aussagefähigkeit einer Stoffstrombilanz im Gemüsebau äußerst gering. Der massive bürokratische Aufwand steht in keinem Verhältnis zum Ergebnis. Noch hoffen wir als Interessensvertretung, eine Ausnahme für den Gemüseanbau zu erwirken oder einen Kompromiss mit dem Fachreferat auszuhandeln, um über eine Einschränkung des Geltungsbereichs möglichst viele Betriebe vor der Bilanz zu bewahren.

Wie sieht es denn im Bereich des

Pflanzenschutzes aus?

Beim Pflanzenschutz hat sich ein weiteres massives Problem aufgetan. Durch die risikobasierte Bewertung auf EU-Ebene ist die Lage bei der Verfügbarkeit von Wirkstoffen und Pflanzenschutzmitteln seit Jahren schwierig und wird seitens der EU immer weiter verschärft. Seit 2014 sind beispielsweise 119 PSM-Wirkstoffe auf EU-Ebene ersatzlos ausgelaufen. Gleichzeitig hängen die Wiederzulassungen von wichtigen Wirkstoffen auf unbestimmte Zeit fest. Eine Neuzulassung für einen Wirkstoff dauert im Durchschnitt auf EU-Ebene elf Jahre. Daraus kann man schnell

Aus Sicht von Laura Lafuente, Geschäftsführerin Bundesfachgruppe Gemüsebau, kollidiert die ökologische Nachhaltigkeit massiv mit der ökonomischen Realität der Betriebe.

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Foto: ZVG Foto: Stefan Körber –AdobeStock

schließen, dass wir sehr bald ernsthaft gefährdete Anwendungsgebiete haben werden, denn bereits heute hangelt sich der Gemüsebau mit Notfallgenehmigungen und einzelbetrieblichen Zulassungen von Saison zu Saison. Das baldige Ende von Spirotetramat (Movento), einem der letzten vollsystemischen Insektiziden gegen Blattläuse, wird bei allen Sonderkulturen aktuell mit Sorge betrachtet. Aufgrund der begrenzten Auswahl an Mitteln wird die heimische Produktion bestimmter Kulturen praktisch unmöglich gemacht, wie das Beispiel des Pferdebohnenkäfers bei Dicken Bohnen gerade zeigt. Es schmerzt, wenn importierte Ware aus dem Ausland hier vermarktet wird, bei der man befürchten muss, dass sie unter schlechteren Umwelt- und Sozialstandards und mittels für uns nicht nutzbarer Pflanzenschutzmittel erzeugt worden ist. Das Zulassungssystem von Pflanzenschutzmitteln muss dringend auf EU-Ebene aktualisiert werden.

Und wie sieht es im Gewächshausbereich aus?

Für den Unterglasgemüsebau sehen wir wiederum das Energieeffizienzgesetz (EnEfG) mit aufwendigen Energieaudits und Zertifizierungen als große Herausforderungen in der Gemengelage zwischen Klimaschutz, Transformation und Wirtschaftlichkeit der Betriebe. Das Gesetz in seiner jetzigen Form ist für viele kleine und mittelständische Betriebe, zu welchen nahezu alle Gartenbaubetriebe in Deutschland gehören, gefährdend, in einigen Fällen sogar existenzbedrohend und erzeugt teure Bürokratie und hohe Kosten. Trotz unserer Einwände und der Folgen für den heimischen Anbau, hält das zuständige Ministerium an den Kriterien und niedrigen Schwellenwerten fest. Hintergrund seien die Ziele des EnEfG und der Energieeffizienzrichtlinie (EED) sowie des Klimaschutzgesetzes (KSG), welche eine deutliche Reduzierung der Energieverbräuche erforderlich machen.

Welche Produktbereiche sind von diesen ‚grünen Zielen‘ besonders stark betroffen?

Eigentlich trifft es alle. Den Freilandanbau durch die Einschränkungen bei Düngung und Pflanzenschutzanwendung sowie Wassernutzung. Den Unterglasanbau durch die CO2-Bepreisung und das Energieeffizienzgesetz (EnEfG). Und das Torfverbot betrifft die Jungpflanzenproduktion sowie die Champignons.

Häufiger wechselnde und immer unberechenbarere Klimaverhältnisse und -extreme (warmes Frühjahr, Frostschäden, Hitze, Wassermangel, Starkregen & Hagel) erfordern eigentlich eine Umstellung auf klimaangepasste(re) Sorten und Anbaumethoden. Wie ist der deutsche Gemüsebau diesbezüglich aufgestellt?

Dieses Frühjahr startete nass und mild. Dann hohe Temperaturen gefolgt von einem immensen Temperatursturz. So manche Anbauer waren davon betroffen. Im Vergleich zum Obstbau sind wir im Gemüsebau flexibler, z.B. was Mulchfolien und Vliese angeht. Im Notfall können wir neu pflanzen, was im Obstbau nicht möglich ist. Die Sortenauswahl der großen Hersteller ist breit gefächert. Ich denke, wir sind gut aufgestellt, wünschen uns aber trotzdem mehr Möglichkeiten, was die Züchtungstechniken angeht. Hier darf Deutschland nicht ins Hintertreffen geraten, während man global schon viel weiter ist.

Wie sieht es hinsichtlich des zunehmenden Schädlingsdrucks und der ‚Einwanderung‘ neuer Schadinsekten aus? Wie kann

dieses Problem noch eingedämmt werden, wenn immer weniger PSM zur Verfügung stehen?

Das ist ein großes Problem, wenn ich an die Grüne Reiswanze oder die Marmorierte Baumwanze denke, wo wir keine Nützlinge einsetzen dürfen und keine wirksamen Mittel zur Verfügung stehen. Aus meiner Sicht sind wir hier in Deutschland, aber auch auf europäischer Ebene schlecht aufgestellt, was die Bekämpfung von eingewanderten Schadinsekten angeht. Quarantäneverordnung und Pflanzenpass etc, das ist alles geregelt, aber schnell wirksame Pflanzenschutzmittel auf den Weg bringen, das geht nicht mehr. Wie oben erwähnt, dauert eine Neuzulassung für einen Wirkstoff im Durchschnitt auf EU-Ebene elf Jahre.

Die Verfügbarkeit wirksamer Pflanzenschutzmittel, insbesondere der Insektizide, nimmt national und auf europäischer Ebene seit Inkrafttreten der Pflanzenschutzmittelverordnung (EG) 1107/2009 kontinuierlich ab. Einzelne Schaderreger sind nicht mehr ausreichend zu bekämpfen, da haben wir im Gemüsebau eine ganze Liste. Für einen gezielten und nützlingsschonenden Pflanzenschutz sind neue Zulassungen erforderlich. Insbesondere auch, um Resistenzen bei den verbliebenen Wirkstoffen vorzubeugen. Aber all das haben wir der Politik zigmal mitgeteilt. Wir brauchen ganz schnell eine Verbesserung und Beschleunigung der Zulassungsverfahren, aber wenn die 1107 novelliert wird, sprechen wahrscheinlich auch NGO´s und Umweltverbände mit. Das könnte auch heikel werden. 

Für den Unterglasgemüsebau bedeutet das Energieeffizienzgesetz eine große Herausforderung.

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Foto:Singkham –AdobeStock
„Wir sollten uns bewusst für mehr heimische

Saisonerzeugnisse entscheiden“

Pfalzmarkt eG ► Ob Klimawandel, inflationsbedingte Preissteigerungen oder die ungleichen Verhältnisse in einem europäischen Markt mit offenen Grenzen – der Obst- und Gemüseanbau muss hierzulande eine Menge schultern und soll ‚ganz nebenbei‘ für frische und gesunde Produkte, möglichst nachhaltig produziert, sorgen. Wie das aktuell funktioniert und worauf es aber auch zukünftig besonders ankommen wird, darüber hat das Fruchthandel Magazin mit Pfalzmarkt-Vorstand Hans-Jörg Friedrich gesprochen.

Im vergangenen Sommer ist Ihnen Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir im wahrsten Sinne des Wortes auf’s Dach gestiegen, als er den Pfalzmarkt besucht und dabei auch die neue Photovoltaik-Anlage des Vermarktungszentrums in Mutterstadt besichtigt hat. Er zeigte sich beeindruckt und unterstrich, dass die Anlage ein richtiger Schritt in die Zukunft sei. Inwieweit kann man vor allem auch von einem nötigen Schritt in eine nachhaltigere Zukunft beim Pfalzmarkt sprechen, was zeichnet die Anlage aus?

Hans-Jörg Friedrich: Die von Ihnen angesprochene PV-Anlage ist ein wichtiger Meilenstein. Diese ist Teil einer umfassenden Nachhaltigkeitsstrategie, die Pfalzmarkt für Obst und Gemüse eG – u.a in den Bereichen Obst- und Gemüseanbau, Frischelogistik, Artenschutz und bei der regenerativen Energiegewinnung – bereits seit Jahrzehnten zielgerichtet verfolgt. Die neue PV-Anlage hat eine Fläche von 23.000 m2 und ergänzt bestehende PV-Anlagen auf den Bestandsbauten. Die neue PV-Anlage befindet sich auf einem der europaweit größten und modernsten Vermarktungszentren für frisches Obst und Gemüse hier bei uns in Mutterstadt. Die Lagerfläche der neuen „Drehscheibe für Frischelogistik“ umfasst 30.000 m2, wovon 20.000 m2 gekühlt sind. Mit einer Leistung von 3,2 Megawatt in der Spitze zählt die Aufdach-Photovoltaik-Anlage zu den größten in der

PfalzmarktVorstand

Hans-Jörg Friedrich

Pfalz. Die Anlage ist so ausgelegt, dass sie die neue Halle 4 tagsüber komplett mit Sonnenstrom versorgen kann. Überschüssiger Strom wird über eine Verbindungsleitung in das Netz unserer bestehenden, „alten“ Hallenbereiche eingespeist. Damit ist gewährleistet, dass 100 % des produzierten Stromes besonders nachhaltig für den Eigenverbrauch verwendet werden.

Nachhaltigkeit gibt’s keineswegs zum Nulltarif. Die Kosten für die Photovoltaik-Anlage liegen bei 2,5 Mio Euro. Wie lassen sich derartige Projekte überhaupt stemmen?

Bei Pfalzmarkt eG ist uns wichtig, dass wir die Energiewende möglichst ohne weitere, unnötige Versiegelung von Nutzflächen für den O+G-Anbau umsetzen. Im Zuge der Pfalzmarkt-Erweiterung haben wir

die PV-Anlage von Beginn an geplant und in einer zweiten Ausbaustufe realisiert. Die Statik der neu errichteten Halle 4 war bereits für eine erhöhte Dachlast ausgelegt. Als EU-geförderte Erzeugerorganisation hatte Pfalzmarkt eG die Möglichkeit, sich 50 % der Investitionskosten von Brüssel bezuschussen zu lassen. Da der Strompreis seit dem Beginn des Ukraine-Krieg vor fast 2,5 Jahren deutlich gestiegen ist, amortisiert sich diese Anlage innerhalb von drei Jahren. Vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit hat der Pfalzmarkt ab 2025 einen Vertrag über Ökostrom geschlossen, so dass wir dann komplett CO2-neutral versorgt sind.

Um möglichst nachhaltig und energieeffizient zu arbeiten, betreibt Pfalzmarkt zudem eine Ammoniak-Kälte-Anlage, die seit

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Fotos: Pfalzmarkt eG

Ende 2023 am Netz ist. Welche Vorteile bietet diese Anlage? Ammoniak ist ein natürliches Kältemittel, welches in Verbindung mit Wasser zu Salpetersäure werden würde. Als Kältemittel ist Ammoniak hoch effizient und daher auch energiesparend. Es belastet nicht die Ozonschicht und ist daher sehr nachhaltig.

Weltweit werden die Erzeuger aufgrund des Klimawandels vor enorme Herausforderungen gestellt. Hinsichtlich des Mangels an Wasser reicht ein Blick nach Südeuropa aus, um sich die Problematik vor Augen zu führen. Die Bedingungen in der Pfalz, nicht zuletzt durch die Nähe zum Rhein, sind geradezu ideal. Wie beruhigt können Sie bzw. die Pfalzmarkt-Erzeuger in dieser Hinsicht tatsächlich in die Zukunft sehen?

Im Gemüsegarten Pfalz sind wir uns der Verantwortung für die Versorgungssicherheit bewusst. Die Pfalz gilt als das größte Freilandanbaugebiet für Frischgemüse in Deutschland. Frisches Obst und Gemüse wird bei uns vor Ort in der Regel von März bis Ende Oktober angebaut. Eine entscheidende Grundlage hierfür ist die Möglichkeit zur bedarfsgerechten Beregnung von 13.000 ha. Aktuell verbessert sich durch das wechselhafte Klima – u.a. mit vielen Niederschlägen über die Wintermonate – auch der Grundwasserstand in unserer

Region. Das kommt den Anbauflächen zugute, die nicht an den Beregnungsverband angeschlossen sind. Die kurz- bis mittelfristige Wasserversorgung in der Pfalz stellt kein Problem dar. Langfristiger betrachtet, gibt es erste Planungen, den Beregnungsverband zu erweitern.

Welche Vorteile könnten sich daraus für den LEH und letztlich die Verbraucherinnen und Verbraucher ergeben?

Um den Verbraucher gesichert mit Obst und Gemüse versorgen zu können, legt der LEH seinen Fokus auf gefüllte Regale im Outlet. Der Fokus liegt auf der Warenverfügbarkeit am PoS. Gerade während der zahlreichen Hitzesommer in den vergangenen fünf Jahren hat

Pfalzmarkt eG unter Beweis gestellt, dass die Pfalz lieferfähig bleibt, wenn in anderen heimischen und europäischen Obst- und Gemüseanbaugebieten wortwörtlich nichts mehr geht. Dass unsere 90 aktiven Pfalzmarkt-Erzeuger im engen Zusammenspiel mit den Mitarbeitern auf unseren Vermarktungsplatzformen – vor allem auch dank des europaweit einmaligen Beregnungsverbands – insbesondere auch bei extrem hohen Temperaturen verlässlich liefern, wird vom LEH und den Verbrauchern mittlerweile viel bewusster und nachhaltiger wahrgenommen und geschätzt.

Worauf wird es ankommen, um auch langfristig die Wasserversorgung für die Pfalzmarkt-

Blick auf das Vermarktungszentrum in Mutterstadt – die Aufdach-Photovoltaik-Anlage zählt zu den größten in der Pfalz.

Frischer. Schneller. Regionaler.

Das macht uns so schnell keiner nach!

Deutschlands schnellstes Obst und Gemüse kommt aus der Pfalz. Rund 230.000 Tonnen Kohlrabi, Feldsalat, Erdbeeren und Co. vertreibt der Pfalzmarkt europaweit pro Jahr. Und das in allerbester Qualität. www.pfalzmarkt.de

Erntefrisch aus der Pfalz

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Von Wasserknappheit keine Spur – die Anbauflächen der Pfalzmarkt-Erzeuger profitieren von einer bedarfsgerechten Beregnung.

Erzeuger gewährleisten zu können?

Wir setzen bereits heute auf einen ressourcenschonenden Umgang beim Thema Wasser. Solange der Rhein Wasser führt, hat auch die Pfalz – als der Gemüsegarten Deutschlands – ausreichend Wasser. Trocknet der Rhein aus, müssen wir uns zuvor ganz andere Sorgen machen.

Seit 2021 untersucht Pfalzmarkt im Rahmen eines Pilotprojekts die Erzeugung von Salat in einem geschützten hydroponischen System. Zum Einsatz kommt dabei ein sog. NFT-Rinnensystem. Was sind die Besonderheiten dabei und welche wichtigen Erkenntnisse konnten Sie bislang gewinnen?

Seit 2021 pflanzt Pfalzmarkt eG versuchsweise Salat im Hydroponik-Anbau. Der Grund für den Bau des 0,48 ha großen Folienhaus in Hochdorf-Assenheim mit NFT-Rinnensystem (Nährstoff-Film-Technik) war und ist es, praktische Erfahrungen für die Mitgliedsbetriebe im Hydroponik-Versuchsanbau zu sammeln. Dieses hydroponische Anbausystem im Folientunnel mit gesteuerter Bewässerungsanlage ist mit einem extrem hohen Technisierungsaufwand verbunden und liefert wertvolle Erkenntnisse. Im praktischen Versuchsanbau werden wichtige Parameter, wie bspw. die Kosten für Pflanzenschutz- und Düngemittel, Wassereinsatz, Energieverbrauch, Gewinn, Erträge, Erntequoten, Qualitätsstabilität sowie Arbeit erfasst und ausgewertet. All diese Daten stellt Pfalzmarkt eG schließlich den Mitgliedsbetrieben und Erzeugern zur Verfügung. Die

Datenerhebung ist auf drei Jahre angelegt. Eine erste Zwischenauswertung des Pilotprojekts läuft. Eine Fortsetzung um ein weiteres Jahr ist bei Interesse und Rentabilität seitens der Erzeugerbetriebe nicht auszuschließen. 2025 soll die finale Projektauswertung vorliegen.

Das Verfahren der Hydroponik könnte u.a. auch beim Anbau von Spinat, unterschiedlichen Kohlsorten oder auch Bohnen angewendet werden. Gibt es Planungen, das bereits begonnene Projekt auch auf andere Kulturen auszuweiten?

Es werden vorwiegend Salate angebaut, darüber hinaus u.a. auch Schnittlauch, Basilikum, glatte und krause Petersilie kultiviert. Voraussichtlich werden Ballensalate das Hauptprodukt bleiben, wir testen aber jedes Jahr wieder neue Produkte.

Damit die Obst- und Gemüseproduktion möglichst nachhaltig sein kann, liegt die Verantwortung doch eigentlich bei allen Akteuren der Lieferkette – nicht zuletzt auch beim Konsumenten. Welche Rolle kommt dabei vor allem saisonalen und regionalen Produkten zu? Was wünschen Sie sich diesbezüglich von Cem Özdemir, der Politik und auch von den Verbraucherinnen und Verbrauchern?

Pfalzmarkt eG geht die kommenden Herausforderungen aktiv an. Unsere Genossenschaft setzt verstärkt auf eine neue junge Erzeuger- und Erzeugerinnen-Generation und investiert nachhaltig in den Anbau. Der Appell an Politik, Handel und Verbraucher lautet deswegen:

Wir sollten weltweite Abhängigkeiten reduzieren und uns bewusst für mehr heimische Saisonerzeugnisse entscheiden. Wenn der Handel heimische Obst- und Gemüse-Spezialitäten stets sofort dann anbietet, sobald diese bei uns im Gemüsegarten Deutschlands erntebereit sind, könnten wir gemeinsam und sehr einfach mehr Nachhaltigkeit erzielen und unsere Zukunft gesünder und lebenswerter gestalten. Seit 2022 stehen unsere Erzeuger – insbesondere bei arbeitsaufwendigen Gemüsekulturen wie Salaten, Radieschen oder Lauchzwiebeln – vor allem auch unter einem politisch bedingten Kostendruck. Neben der gesetzlich verordneten Anhebung des Mindestlohns durch die Bundesregierung – von 9,82 Euro am 1. Januar 2022 auf 12,41 Euro seit Anfang 2024 – führen auch kriegsund inflationsbedingte Preissteigerungen für Energie, Maschinenteile und Dünger zu bis zu 50 % höheren Kosten im Anbau. Anstatt – gerade auch im Hinblick auf die von der Politik beschworene Versorgungssicherheit – besonders gesundes, weil nah und nachhaltig vor Ort in Deutschland angebautes Obst und Gemüse zu fördern, geschieht politisch derzeit genau das Gegenteil. Damit wir uns nicht missverstehen: Wer in Deutschland lebt, soll vom Mindestlohn profitieren. Saisonarbeitskräfte, die wenige Woche bei uns sind, haben diese Kosten jedoch nicht. Hier hoffen wir auf Ausnahmen. Mehr Angebot aus dem Inland führt zu mehr Wettbewerb. Dass der heimische Obst- und Gemüseanbau einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit und auskömmlichen Preisen beiträgt, indem bspw. Abhängigkeiten von

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ausländischen Lieferanten reduziert werden, liegt auf der Hand. Uns als Gesellschaft muss klar sein: Ist der mittelständisch geprägte heimische Obst- und Gemüseanbau erst einmal verschwunden, kommt er auch nicht mehr wieder. Und damit ist Deutschland komplett abhängig vom Ausland in Bezug auf die Lebensmittelversorgung. Das mag sich – nach den Erfahrungen beim Thema Gas und Energie infolge des russischen Überfalls auf die Ukraine – keiner ernsthaft ausmalen. Saisonale und regionale Produkte aus Deutschland müssen besser in den Fokus gerückt werden. Nur, wenn der Verbraucher mit der Nase drauf gestoßen wird, dass er mit dem Kauf deutscher Produkte die Lieferkette kurz hält und damit CO2 einspart, kann die deutsche Landwirtschaft das für sich nutzen. Eine Möglichkeit ist das neue Herkunftszeichen „Gutes aus deutscher Landwirtschaft“, das zusammen mit dem LEH erarbeitet wurde. Das darf nicht nur ein Papiertiger bleiben, sondern muss auch vom BMEL intensiv mit beworben werden. Da Frische ganz entscheidend von der Nähe des Erzeugers zu den Handelspartnern und Verbrauchern bestimmt wird, ist das Thema Her-

kunft ein immens wichtiger Aspekt für die Kaufentscheidung bei frischem Obst und Gemüse. Vor diesem Hintergrund betrachtet, ist der grundsätzliche Ansatz für das neue, freiwillige Herkunftszeichen „Gutes aus deutscher Landwirtschaft“ – aus Sicht von Pfalzmarkt eG – sehr gut und begrüßenswert. Unsere Erfahrungen zeigen, dass unsere Partner im LEH und mit ihnen die bundesweiten Konsumenten und Verbraucher auch immer stärker auf die Themen Nachhaltigkeit und eine schnellstmögliche Frischelogistik schauen. Diese bei-

den ebenfalls zentralen Aspekte für die Kaufentscheidung deckt das neue Logo – als reines Herkunftszeichen – jedoch nicht ab. Bereits jetzt gibt es am PoS eine Vielzahl an gesetzlich vorgeschriebenen Herkunftsbezeichnungen und zusätzlichen freiwilligen Logos, wie bspw. besondere Hinweise auf die Region. Im aktuellen Fall sind wir sehr gespannt. Die Praxis wird zeigen, ob und inwieweit das zusätzliche Herkunftszeichen von den Verbrauchern als kaufentscheidende Orientierungshilfe angenommen und akzeptiert wird. 

Mit Hilfe des Projekts „Pfalzmarkt schafft Ar tenvielfalt“ sollen verschiedene und teils auch stark gefährdete Arten von u.a. Wildbienen, Wespen oder auch Nachtfaltern geschützt werden.

DKHV

Recherche belegt guten CO2-Fußabdruck für Frischkartoffeln

Das Thema Nachhaltigkeit ist auch in der Kartoffelwirtschaft sehr präsent. Die Union der Deutschen Kartoffelwirtschaft e.V. (UNIKA) und der Deutsche Kartoffelhandelsverband e.V. (DKHV) haben daher eine Literaturrecherche zum CO 2-Fußabdruck in der Kartoffelproduktion und Verarbeitung in Auftrag gegeben. Die Studie wurde um das Team von Prof. Dr. Elke Pawelzik und Dr. Marcel Naumann von der GeorgAugust-Universität Göttingen erarbeitet. „Für uns ist eine Einordnung wichtig, d.h. in welchen Bereichen sind wir im Hinblick auf den CO2-Ausstoß schon gut aufgestellt. Die Literaturrecherche soll aber auch Potenziale zu Einsparungen aufzeigen“, erklärt UNIKA/DKHV-Geschäftsführer Dr. Sebastean Schwarz zu den Beweggründen der Arbeit. Es wurde eine Vielzahl an Veröffentlichungen ausgewertet. In die Bewertung flossen überwiegend Studienergebnisse ein, die nach dem systemischen Ansatz der Lebenszyklusanalyse (LCA) durchgeführt wurden und die Systemgrenze Cradle-to-Gate aufwiesen. Dr. Naumann beschreibt die Herausforderungen der Studie aufgrund unterschiedlicher Forschungsansätze: „Die Vielfalt der Veröffentlichungen erschwerte den Vergleich, doch unsere Auswertungen zeigen, dass der Anbau von Frischkartoffeln im Vergleich zu den untersuchten Getreidearten etwa 50 % weniger Treibhausgasemissionen verursacht. Dies gilt auch für den Vergleich von Frischkartoffeln mit verarbeiteten Kartoffelprodukten, da jeder weitere Verarbeitungsschritt sich auf die CO2-Bilanz auswirkt.” Die Literaturrecherche identifizierte auch potenzielle Maßnahmen zur weiteren Reduzierung des CO2-Ausstoßes während des Kartoffelanbaus, wie bspw. einen gezielten und reduzierten Einsatz von Stickstoffdüngern. Dennoch betonen die Wissenschaftler, dass der CO2-Fußabdruck von vielen Variablen abhängt, darunter den Anbaubedingungen, und daher keine einheitliche Handlungsstrategie zur Emissionsminderung abgeleitet werden kann. Diese Forschungsarbeit trage dazu bei, das Verständnis für die komplexen Zusammenhänge zwischen Kartoffelproduktion und Umweltauswirkungen zu vertiefen.

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Apfelblüte als Indikator für Klimaveränderungen

Deutschland | Nordrhein-Westfalen ► Bereits Mitte April standen die meisten Baumobstanlagen Deutschlands in Vollblüte, denn durch die schon früh im Jahr steigenden Temperaturen hat sich die sogenannte Phänologie verändert. Darauf verwies kürzlich die Vereinigte Hagel. Auch in Nordrhein-Westfalen beginnt die Apfelblüte inzwischen im April statt im Mai.

Der Kulturapfel ist auch in Nordrhein-Westfalen eine wirtschaftlich sehr bedeutende Obstart. „Allein das Rheinland ist bundesweit die viertgrößte Apfel-Anbauregion. Insgesamt 4,7 Mio Apfelbäume wachsen in Nordrhein-Westfalen auf knapp 2.000 ha“, informiert das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen. In der gemäßigten Zone würden sich veränderte Temperatur- und Niederschlagsmuster am stärksten auf die phänologischen Frühlingsphasen auswirken. Eine Verschiebung der Apfelblüte als Beginn des phänologischen Vollfrühlings eigne sich daher als Indikator für Klimaveränderungen in Nordrhein-Westfalen besonders.

Erhöhte Gefahr von Nachtfrösten

Weil die Daten zur Phänologie meist weit zurückreichen, werden an ihnen nach Angaben des Ministeriums auch langfristige Klimaveränderungen sichtbar. Diese Daten werden vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) zu einem Umweltindikator „Apfelblüte“ zusammengefasst und bewertet. „In den Jahrzehnten vor 1990 lag dabei der Beginn der Apfelblüte hierzulande erst im Mai. Aufgrund des Klimawandels und des damit verbundenen globalen Temperaturanstiegs ist der durchschnittliche Beginn der Apfelblüte auch in Nordrhein-Westfalen inzwischen um gut zwei Wochen nach vorne gerückt. Das erhöht die Gefahr von Nachtfrösten in der Blüte“, heißt es.

Den Daten zufolge setzte die Blüte im Jahr 2022 am 106. Tag, dem 16. April, ein und erfolgte damit etwas früher als im Mittel der aktuellen Klimanormalperiode 1991 bis 2020, wo der Blühbeginn am 113. Tag im Jahr (23.04.) auftrat. 2021 begann die Blüte am 117. Tag, dem 27. April.

Beginn der Blüte variiert stark

Durch den starken Einfluss der Witterung variiert der Beginn der Apfelblüte in NRW von Jahr zu Jahr deutlich. Mit dem 97. Tag, dem 7. April, sticht das Jahr 2014 durch einen besonders frühen Blühbeginn heraus. Dies war eine Folge der vorausgegangenen milden Winter- und warmen Frühjahrsmonate. In der zweiten Hälfte der Zeitreihe begann der Vollfrühling auch in Jahren mit unterdurchschnittlichen Frühjahrs-

temperaturen wie 1996, 2010 und 2013 noch vor dem 4. Mai (124. Tag im Jahr), dem Mittel des Zeitraums von 1951 bis 1980. Im Vergleich der Mittelwerte klimatologisch wichtiger 30-Jahreszeiträume zeigt sich eine Verschiebung vom Mai in den April: Das 30-jährige Mittel von 1991 bis 2020 liegt elf Tage früher als das Mittel der Jahre 1951 bis 1980 und unterstreicht so den fallenden Trend.

Oliver Krischer, Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen, sagte: „Die Klimakrise wird gravierende Folgen für Mensch, Umwelt und Infrastruktur haben. Diese sind schon jetzt an vielen Stellen für jeden von uns sichtbar. Wir brauchen daher einen ambitionierten Klimaschutz und eine ambitionierte Vorsorgepolitik. Dies setzen wir mit der Klimaanpassungsstrategie für Nordrhein-Westfalen um.“ 

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Foto: olhastock –AdobeStock

Zerstörungsfreie Prüftechnologie –Beschichtung auf Kokosnussölbasis für längeres Shelf life

WESTFALIA FRUIT „Als führendes Avocado-Unternehmen überprüft Westfalia Fruit kontinuierlich die aktuellen Praktiken und Abläufe, um nachhaltigere Optionen zu ermitteln. Unser Innovation Focus Team, das sich aus Vertretern aller unserer weltweiten Betriebe zusammensetzt, arbeitet gemeinsam daran, neue Möglichkeiten und Projekte zu identifizieren, um unseren CO2-Fußabdruck weiter zu reduzieren“, sagt Johnathan Sutton, Group Chief Sustainability Officer. „Abfall ist ein wichtiger Bestandteil unseres Nachhaltigkeitsprogramms, und wir arbeiten daran, Abfall in unserer gesamten integrierten Lieferkette zu reduzieren. Nach umfangreichen Tests führen wir jetzt eine zerstörungsfreie Prüftechnologie ein, die es nur bei Westfalia gibt. Die Technologie vermeidet das Aufschneiden von Avocados, um die Qualität der Frucht zu messen, was aufgrund der globalen Reichweite von Westfalia zu einer erheblichen Abfallreduzierung führt.“ Die Technologie verwendet zwei Kameras, die mehrere Bilder von jeder einzelnen Frucht aufnehmen, während sie die Verpackungslinie durchläuft. Die beiden Kameras erfassen und speichern sowohl interne als auch externe Metriken wie Größe, Durchmesser, Trockenmasse, Druck und Defekte. „Im Laufe der Zeit werden uns die aus den Bildern gesammelten Daten helfen, die Metriken von Früchten aus verschiedenen Beschaffungsgebieten zu verschiedenen Zeiten des Jahres vorherzusagen, was uns in die Lage versetzen wird, die Früchte proaktiv zu verwalten, um die Qualität zu erhalten.“ Eine weitere interessante Entwicklung sei eine Beschichtung auf Kokosnussölbasis, die bisher die Haltbarkeit um durchschnittlich drei Tage verlängert hat. „Unsere bisherigen Versuche deuten darauf hin, dass der Druck auf die vorgereiften Früchte erhalten bleibt, wenn die Beschichtung aufgetragen wird.“

ELO nach ZNU-Standard Nachhaltiger Wirtschaften zertifiziert

Westfalia Fruit arbeitet konsequent daran, nachhaltige Optionen im Avocado-Anbau zu ermitteln.

AUDIT Die Erzeugergroßmarkt Langförden-Oldenburg eG (ELO) hat sein erstes Zertifizierungsaudit nach dem ZNU-Standard Nachhaltiger Wirtschaften erfolgreich bestanden. Die Zertifizierung ist dem Unternehmen nach ein wichtiger Meilenstein, da es sich für eine nachhaltigere und zukunftsfähige Produktion von O+G aus deutschem Anbau einsetzt. Jens Wiele, Vorstandsvorsitzender der ELO, erklärt: „Wir sind der Auffassung, dass wir auch als Erzeugergenossenschaft innerhalb der Kategorie O+G noch deutlichere Zeichen mit Hinblick auf Nachhaltigkeit setzen können. Starke Hebel bieten sich uns in den Bereichen Lagerung und Logistik, schließen aber ebenso verantwortungsvolles Handeln im Umgang mit unseren Mitarbeitenden und Stakeholdern ein.“ Den Nutzen einer übergreifenden Nachhaltigkeitsstrategie begründet Wieles Vorstandskollege Jan-Bernd Krümpelbeck so: „Wir haben das Ziel, die Kategorie O+G auf eine zukunftsfähige Basis zu stellen. Die Zertifizierung durch das Zentrum für Nachhaltige Unternehmensführung (ZNU) schafft grundlegende Kriterien für Ziele in den Bereichen Umwelt, Soziales und Ökonomie, die auch für unsere Partner wichtig sind, um sich nachhaltiger ausrichten zu können.“ Wichtigstes Umwelt-Ziel der ELO sei es, den eigenen ökologischen Fußabdruck auf Grundlage einer umfassenden Klimaschutzstrategie zu verringern und so einen Beitrag zur nachhaltigen Transformation in der Gesellschaft zu leisten. Derzeit entwickelt die ELO daher eine Klimaschutzstrategie für Scope 1 und 2 im Einklang mit dem 1,5-°C-Ziel auf Basis der Science Based Targets initiative (SBTi). Darüber hinaus wurde bereits festgelegt, dass die Restmüll- und Reklamationsquoten gesenkt werden sollen. Im Bereich Soziales stehen die Rolle als zuverlässiger Arbeitgeber mit attraktiven Benefits für seine Mitarbeitenden und die Unterstützung lokaler Initiativen zur Förderung der Region im Fokus. Für die Sicherheit und Güte der Produkte nutzt die ELO ein strenges Qualitätsmanagement, das ständig weiterentwickelt wird.

Jens Wiele (l.) und Jan-Bernd Krümpelbeck

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Foto: Westfalia Fruit Foto: ELO

Praxisnah und messbar

QS Qualität und Sicherheit GmbH ► Seit Anfang dieses Jahres können sich die QS-Systempartner der Obst-, Gemüse- und Kartoffelbranche auch ihr Nachhaltigkeitsengagement über die Qualität und Sicherheit GmbH zertifizieren lassen. Das neue Nachhaltigkeitsmodul ‚Freiwillige Inspektion Nachhaltigkeit‘ (FIN) startet zunächst mit dem Handlungsfeld Biodiversität für Erzeugerbetriebe und einem Nachhaltigkeits-Managementsystem für den Groß- und Lebensmitteleinzelhandel. Beidem geht ein Nachhaltigkeitscheck voraus, der einen objektiven Überblick darüber liefern soll, wie Betriebe und Unternehmen diesbezüglich aufgestellt sind. Mit QS-Geschäftsführer Dr. Alexander Hinrichs und mit Wilfried Kamphausen, verantwortlich für die Systemkette Obst, Gemüse und Kartoffeln, sprach ich darüber, wie die Startphase verlaufen ist und welche Zukunftspläne es gibt.

Herr Dr. Hinrichs, sein 20-jähriges Bestehen konnte das QS-System schon im Herbst 2021, kurz nachdem Sie die Geschäftsführung übernommen haben, feiern. In diesem Jahr hat nun auch die Systemkette Obst, Gemüse und Kartoffeln Grund sich zu freuen. Wie sehr hat sich die Branche, wie sehr hat sich QS in dieser Zeit eigentlich verändert?

Dr. Alexander Hinrichs: In den vergangenen 20 Jahren hat die Branche viele grundlegende Veränderungen erlebt, die wir zum Teil im QS-System nah begleitet haben. Ein Zeitraum, in dem wir mit dem und für den Markt viele Lösungen gesucht und gefunden haben. Es ist, wie ich finde, auch eine echte Erfolgsgeschichte geworden. Wir haben über all die Jahre gemeinsam mit Fachleuten aus der Praxis und Wissenschaft identifiziert, wo es Handlungsnotwendigkeiten gab und haben dann Lösungsmöglichkeiten erarbeitet. In der Rückschau kommt da einiges zusammen, angefangen bei den Prüfpunkten und Checklisten für den Bereich Obst, Gemüse und Kartoffeln und für die nachgelagerten Stufen, über das QS-Rückstandsmonitoring, das seinerzeit ein Riesenthema war, bis hin zu den intensiven Diskussionen über Rückverfolgbarkeit und Kommunikation zu den Kunden, um nur einige wenige Punkte zu nennen. Das Themenspektrum wurde immer weiter, auch weil die Ansprü-

Blühstreifen sind integraler Bestandteil des Nachhaltigkeits-Managements beim Landgard-Betrieb Straeten im niederrheinischen Straelen.

che an die Branche immer umfassender wurden.

Damit spielen Sie sicherlich auch auf den Themenbereich Nachhaltigkeit an, oder?

Dr. A. Hinrichs: Richtig, er gehört zu jenen Bereichen, dessen Dringlichkeit sich über die Jahre immer stärker herauskristallisiert hat. Abgesehen von der bloßen Notwendigkeit, verantwortungsvoll mit natürlichen Ressourcen und mit der Ressource Natur umzugehen, die jedem unmittelbar einleuchtet, haben insbesondere die gesellschaftlichen Veränderungen und politischen Rahmenbedingungen dazu geführt, dass sich die Branche –

gemeinsam mit QS – verstärkt mit Fragen des nachhaltigen Anbaus von Obst, Gemüse und Kartoffeln auseinandersetzen muss. Unbestritten ist, dass sich die Märkte einerseits verändern, weil sich die Anforderungen der Konsumenten an die Produkte und ihre Herstellung grundlegend geändert haben. Es hängt aber auch zusammen mit den Vorgaben, die der Gesetzgeber macht und deren Umsetzung QS in seinen Anforderungen berücksichtigt. Wir verstehen unsere Aufgabe dann auch so, für die Branche praktikable Lösungen auszuarbeiten. Fraglos sind dies Aufgaben, die uns alle, den Groß- und Lebensmitteleinzelhandel inbegriffen, be-

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Fotos: Qualität und Sicherheit GmbH

Aus Sicht von Wilfried Kamphausen, der bei QS die Systemkette Obst, Gemüse und Kartoffeln verantwortet, ist vorausschauendes Denken wichtiger denn je.

reits vor große Herausforderungen gestellt haben und auch weiterhin stellen werden. Wir wissen, dass das, was zu leisten ist, zum Teil sehr viel für die Systempartner ist. Umso mehr ist uns daran gelegen, den damit verbundenen Aufwand bei den QS-Anforderungen so gering und die Umsetzung so praxisnah und praktikabel wie nur irgend möglich zu gestalten. Für die Erzeuger, den Großhandel und den LEH gleichermaßen.

Hat sich das Selbstverständnis von QS im Laufe der Zeit nicht dennoch verändert? Ist man von der Dienstleistungsrolle nicht doch stärker in eine gestaltende Rolle übergegangen?

Dr. A. Hinrichs: Teils, teils, würde ich sagen. In erster Linie ist es so, dass unsere inhaltliche Ausrichtung, unser Themenspektrum, stets in den Fachgremien diskutiert und beschlossen wird. Und diese Gremien sind bekanntlich besetzt aus Branchenvertretern. D.h, es wird im QS-System vom Grundsatz her nichts gemacht, was nicht auch den tatsächlichen Bedürfnissen der Branche entspricht. Andererseits hat sich aber auch QS weiterentwi-

ckelt und dazu gehört eben auch, dass es einen strukturierten Austausch mit Expertenrunde, wissenschaftlichen Beiräten oder unserem Kuratorium gibt, wo dann auch andere, weiterführende Themen zur Sprache kommen. Dort werden zwar nicht die großen strategischen Leitlinien beschlossen, aber wir nehmen natürlich Impulse auf oder leiten Fragestellungen aus unseren Erkenntnissen ab. So kommt es schon vor, dass sich auch aus unserer eigenen Arbeit heraus mitunter neue Ansätze ergeben, die wir für die Branche für wichtig erachten. Bevor es jedoch zur Umsetzung kommt, spielen wir diese Inhalte ohne Ausnahme in unsere Gremien zurück, wo wir die Themen mit Branchenvertretern ausführlich diskutieren und abwägen.

Wilfried Kamphausen: Proaktives Handeln oder zumindest Nachdenken über mögliche Zukunftsthemen ist in gewisser Weise unumgänglich und notwendig. Und man sollte es sogar von uns erwarten können. Es wäre ausgesprochen fahrlässig, passiv zu bleiben und so lange zu warten, bis branchenrelevante Themen quasi ‚rot angelaufen‘ sind und die Reaktion darauf nur noch spät und nicht mehr so erfolgen kann, wie man es sich wünschen würde und wie es der Sachlage angemessen ist. Um rechtzeitig für Lösungen sorgen zu können, müssen wir bei QS vorausschauend denken.

Dr. A. Hinrichs: Nehmen Sie das Beispiel Nachhaltigkeit. Es ist doch nicht so, dass wir uns alle über viele Jahre in einem Dornröschenschlaf befunden hätten und nun schlagartig geweckt worden wären. Die ganze Branche beschäftigt sich schon seit geraumer Zeit intensiv mit dem Thema. Das gehört doch für jeden anständig wirtschaftenden Unternehmer dazu. Unternehmen und Betriebe haben vielfach schon Nachhaltigkeitsmaßnahmen in ihre Prozesse integriert, als diese Aktivitäten noch gar nicht in dem Maße diesem Begriff zugeordnet und kommuniziert wurden, wie

Für QS-Geschäftsführer Dr. Alexander Hinrichs ist es entscheidend, den mit den QS-Anforderungen verbundenen Aufwand so gering und die Umsetzung so praxisnah und praktikabel wie möglich zu gestalten.

dies heute der Fall ist. Nun haben wir seitens QS die Möglichkeit, dies alles zu standardisieren und kenntlich zu machen und nach außen zu transportieren.

Sie spielen damit auf das QSModul ‚Freiwillige Inspektion Nachhaltigkeit‘ (FIN) an, das Anfang des Jahres an den Start gegangen ist. Wie war die Resonanz der QS-Systempartner auf das Angebot bislang?

Dr. A. Hinrichs: Wir sind mit dem bisherigen Ergebnis zufrieden und auch mit der Tatsache, dass die Erzeugerorganisationen und Betriebe das neue Modul und das Thema Nachhaltigkeit insgesamt als wichtige strategische Aufgabe betrachten und die Aktivitäten nun kontinuierlich hochfahren. Die ersten Betriebe habe sich Anfang des Jahres unmittelbar nach Start des Angebotes angemeldet. Das ist eine positive Resonanz aus dem Markt, die uns darin bestärkt, in dieser Richtung weiterzuarbeiten.

W. Kamphausen: Stand heute (Mitte Mai, Anm. d. Red.) sind bereits 140 Betriebe auditiert, rund

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Bis Ende dieses Jahres will QS der Branche das FIN-Modul ‚Wasser‘ vorstellen.

100 weitere sind registriert. Interessant ist, vor allem das Potenzial z.B. bei den Erzeugerorganisationen, die ihre Betriebe im Jahresverlauf und im kommenden Jahr noch anmelden werden. Vor allem die großen Erzeugerbetriebe gehen diesbezüglich aber schon jetzt mit gutem Beispiel voran. Die vier, fünf größten Gemüseanbieter sind z.B. ‚an Bord‘, auch ein beträchtlicher Anteil der deutschen Spargelfläche ist schon im neuen FIN-Modul registriert worden. Wichtig ist aber auch, festzustellen: Es kommt jetzt nicht so sehr darauf an, permanent zu schauen, wie viele Betriebe und Unternehmen schon auditiert oder registriert sind. Das machen wir selbstverständlich auch. Doch für die deutsche Produktion ist es vor allem wichtig zu wissen, dass sie nicht sieben oder acht Standards bzw. Zertifizierungen benötigt, um ihr Nachhaltigkeitsengagement unter Beweis stellen zu können, sondern mit FIN die eine Lösung hat, die ein hohes Maß an Praktikabilität besitzt und im Markt weithin anerkannt wird. Dass dies so ist, haben wir schon in vielen Gesprächen feststellen können.

Dennoch – viele Obst- und Gemüsebetriebe sehen sich kostenmäßig und vom administrativen Aufwand her, den sie zu leisten haben, schon längst an der Belastungsgrenze. Können Sie es verstehen, dass manche einen neuen Standard da auch ein wenig kritisch sehen?

Dr. A. Hinrichs: Das kann ich sehr gut verstehen, denn es sind voll-

kommen berechtigte, weil existenzielle Sorgen, die die Unternehmen da umtreiben. Man sieht sich in der Tat immer höheren Anforderungen seitens der Kunden gegenüber, dann kommt der Gesetzgeber und will dieses und jenes neu regeln und dann habe ich ja auch noch die zunehmenden Forderungen auf Länder- und kommunaler Ebene, die zu erfüllen sind. Und dann taucht auch noch QS auf und führt einen neuen Nachhaltigkeits-Standard ein? Aber es ist eben so, dass der Markt und Gesetzgeber Forderungen stellen und wir wollen dabei helfen, praxisgerechte und nachweisbare Lösungen anzubieten. Dieser Gedanke findet sich auch bei unserem FIN-Modul überall wieder.

W. Kamphausen: Es gibt da eine Diskussion, die vor allem international und mit Blick auf die globalen Lieferketten geführt wird. Bei der Düsseldorfer Runde des Fruchthandel Magazins wurde dies auch schon einmal thematisiert, am Beispiel von Bananen. Dort wurde gesagt, dass es bei den Standards teilweise zu erheblichen inhaltlichen Überschneidungen kommt. Dass dies für Unmut bei den dortigen Erzeugern sorgt, ist verständlich. Doch diese Situation ist mit der in Deutschland nicht zu vergleichen, da wir mit QS einen Standard etabliert haben, der schon immer besonders auf Praxisnähe und Vereinheitlichung und damit auch auf die Vermeidung von Überflüssigem ausgerichtet war und ist.

Schauen wir zum Schluss ein wenig in die Zukunft. Zunächst liegt der Fokus von FIN erklärtermaßen auf der Biodiversität. Inwiefern soll und kann das Konzept später thematisch ausgeweitet werden?

Dr. A. Hinrichs: Seit einigen Jahren bilden wir bekanntlich die Dimension der sozialen Nachhaltigkeit in unserem QS-Modul FIAS (Freiwillige Inspektion Arbeits- und Sozialbedingungen) ab, das mit knapp 5.000 Betrieben eine hohe Durchdringung hat und im Markt etabliert ist. Der Themenbereich Biodiversität wird innerhalb des neuen Nachhaltigkeitsmoduls FIN nur den Anfang machen, denn angesichts der Vielfältigkeit des Nachhaltigkeitsthemas und der Dringlichkeit, zu praktikablen Lösungen zu kommen, sind weitere Inhalte vorstellbar. Denken Sie nur an die komplexe CO2-Thematik, die schnell umsetzbare Lösungen erfordert. Auch wenn CO2 nur eines von mehreren klimawirksamen Gasen ist, erscheint es mir notwendig hier als Branche auskunftsfähig zu werden. Zunächst steht jedoch ein anderes Thema an. Wir arbeiten derzeit mit Hochdruck an einem FIN-Modul ‚Wasser‘, weil wir hier gemeinsam mit den Wirtschaftsbeteiligten einen besonders großen Handlungsbedarf identifiziert haben, um möglichst rasch gut umsetzbare Lösungen für die Erzeugerbetriebe zu erhalten. Bis Ende des Jahres, das ist unser erklärtes Ziel, wollen wir der Branche ein konkretes Angebot zum Thema Wasser unterbreiten. 

FH NACHHALTIGKEIT 22 | FRUCHTHANDEL 22-23 I 2024

Özdemir bekräftigt 30-Prozent-Ziel

ÖKOLANDBAU Bundeslandwirtschaftsminister

Cem Özdemir hat das Ziel bekräftigt, den Anteil der ökologisch bewirtschafteten Flächen in Deutschland bis 2030 auf 30 % auszudehnen. „Mit unserer Bio-Strategie wollen wir dafür entlang der gesamten Wertschöpfungskette – also auf den Betriebsmittelmärkten, bei Erzeugung, Verarbeitung und Handel bis hin zur Ernährung – geeignete Rahmenbedingungen schaffen und Hürden beseitigen“, sagte Özdemir bei einer Stippvisite auf dem Hof von BÖLW-Vorstandsmitglied Hubert Heigl am 30. Mai im Landkreis Regensburg. Dazu zählt für den Minister auch, „dass wir alle landwirtschaftlichen Betriebe von einem Zuviel an Bürokratie entlasten“. Nur so ließen sich eine wettbewerbsstarke Landwirtschaft sowie Klima, Biodiversität und Ernährungssicherung gleichermaßen zusammenbringen.

Der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Flächen in Deutschland soll bis 2030 auf 30 % ausgedehnt werden.

Dass Umweltleistungen der Bio-Höfe bei der Gesetzgebung und der Förderung besser anerkannt werden, ist dabei für Heigl Voraussetzung für ein Flächenwachstum im Ökolandbau. Zudem müssten unsinnige doppelte Auflagen gestrichen werden, um Bürokratie abzubauen. „Die EU-Agrarpolitik muss denen Sicherheit geben, die den notwendigen Umbau der Landwirtschaft anpacken“, so das Mitglied der Zukunftskommission Landwirtschaft. Der Geschäftsführende BÖLW-Vorstand Peter Röhrig verwies anlässlich des Hofbesuchs von Özdemir auf die Notwendigkeit von mehr Bio-Forschung, um den ökologischen Umbau der gesamten Landwirtschaft voranzutreiben. Nur so könne die große Innovationskraft genutzt werden, die in Bio stecke. „Solange weniger als 2 % der Agrarforschungsmittel in die Bio-Forschung gehen, bleibt dieses wichtige Potenzial ungenutzt“, warnte Röhrig. Es sei deshalb dringend an der Zeit, dass Minister Özdemir und die Bundesregierung hier neue Prioritäten setzten: „Wir brauchen eine deutliche Stärkung der Öko-Züchtung, um z.B. Ackerbausysteme nachhaltiger machen zu können.“ Damit sei auch der konventionellen Landwirtschaft deutlich mehr geholfen als mit „den falschen Versprechungen der neuen Gentechnik, die nur ein paar Agrarkonzernen nutzt und die von den Verbrauchern zu Recht abgelehnt wird“. AgE

AGRARFINANZTAGUNG

„Nachhaltiges Investieren lohnt sich“

Investitionen in nachhaltiges Wirtschaften lohnen sich. Gleichzeitig sind die zunehmenden Anforderungen der Banken an das Management der Risiken aus den Bereichen Umwelt (Environment), Soziales (Social) oder Unternehmensführung (Governance) – die ESG-Risiken – durch die Kreditnehmer, also die Betriebe, stemmbar. Dies war der Tenor der Agrarfinanztagung 2024 des Deutschen Bauernverbandes (DBV) und der Landwirtschaftlichen Rentenbank Anfang April in Berlin. Zwar sind nur große Betriebe der Agrarwirtschaft direkt zu einer entsprechenden Berichterstattung nach der neuen EU-Nachhaltigkeitsrichtlinie (CSRD) verpflichtet. Allerdings können die Anforderungen die Betriebe auch über die Wertschöpfungskette betreffen. In seiner Keynote verwies der Bereichsleiter Fördergeschäft der Rentenbank, Dr. Christian Bock, auf das von dem Kreditinstitut entwickelte Fachkonzept zur Einordnung von Treibhausgasemissionen landwirtschaftlicher Kreditnehmer. Kernstück des Konzepts sei ein Fragebogen, mit dem ESG-Risiken erfasst und reduziert werden können. Dieser solle den Hausbanken Unterstützung bieten und sei zugleich für die Betriebe leicht anzuwenden. Auch wenn Nachhaltigkeitsdaten stärker in den Fokus der Banken rückten, sei die ökonomische Tragfähigkeit nach wie vor ausschlaggebend für eine Finanzierung, betonte Bock. Dass Investitionen in Nachhaltigkeit auch unter dem Gesichtspunkt wirtschaftlicher Resilienz sinnvoll sind, unterstrichen u.a. die Podiumsteilnehmer Lex Rutten von der Rabobank und Dr. Birte Lassen vom Thünen-Institut. Die Vorstandssprecherin der Rentenbank, Nikola Steinbock, machte deutlich, dass die Rentenbank die Branche dort unterstützen wolle, wo ein nachhaltiger Umbau wirtschaftlich sinnvoll sei. AgE

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Foto: m_k_AdobeStock Foto: blackdiamond67AdobeStock

„Der innovative Charakter im Heidelbeeranbau ist schon jetzt groß“

Produktion ► Um den Anbau von Heidelbeeren möglichst nachhaltig zu gestalten, soll der Einsatz von Torf weiter reduziert werden. Wie nachhaltig die Branche tatsächlich unterwegs ist, welche Herausforderungen sich für Erzeuger hierzulande aufgrund riesiger Importmengen ergeben und worauf Verbraucherinnen und Verbraucher achten sollten, darüber hat das Fruchthandel Magazin mit Felix Koschnick gesprochen. Er ist Leiter Sachgebiet Beerenobst bei der Obstbauversuchsanstalt Jork, Landwirtschaftskammer Niedersachsen.

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Felix Koschnick ist Leiter Sachgebiet

Beerenobst bei der Obstbauversuchsanstalt

Jork, Landwirtschaftskammer

Niedersachsen.

Herr Koschnick, die Heidelbeere hat sich hierzulande von der Saison- zur Marktfrucht entwickelt und wird das ganze Jahr über genossen. Worauf führen Sie diese Popularität zurück?

Felix Koschnick: Generell steht Beerenobst beim Endverbraucher im Fokus, weil es einfach lecker und angesagt ist. Vor allem im europäischen Ausland oder auch in Übersee werden die positiven Effekte auf die Gesundheit – eben auch durch die Heidelbeere – regelmäßig aufgegriffen. Aufgrund der vielen Antioxidantien dienen Heidelbeeren auch als Radikalfänger in der Ernährung und können die Risiken für bestimmte Krankheiten minimieren. Während Anbauer in Deutschland damit allerdings nicht offen werben dürfen, werden diese Themen nicht zuletzt über die sozialen Medien zu uns transportiert.

Heidelbeeren sind nicht nur gesund und lecker, sondern können bspw. auch in Sachen Nachhaltigkeit punkten, wenn es um den Anbau in Deutschland geht. Die Reduzierung von Torf spielt dabei eine nicht unwesentliche Rolle. Viele Forschungsprodukte in der EU zielen darauf ab, in gartenbaulichen Kulturen 25 % bis 50 % Torf zu ersetzen. Schaut man sich die Standardsubstrate an, die im Bereich von Beerenobst zum Einsatz kommen, liegt man in der Regel schon weit über den 25 % Torfersatz. Das sind Substrate, die für den Profianbau entwickelt wurden und eine ganze Reihe an Voraussetzungen erfüllen müssen. Dennoch darf man nicht vergessen, dass Torf nach wie vor eine wichtige, absichernde Komponente ist. Torf verfügt über hervorragende Puffereigenschaften und hat ein sehr gutes Wasserhaltevermögen. Dadurch können bspw. die Gefahren von Versalzungen durch Dünger oder massives Austrocknen deutlich reduziert werden. Das Unternehmen Legro z.B. produziert ein Standardsubstrat, das weltweit im Heidelbeeranbau eingesetzt wird. Dieses besteht je zu einem Drittel aus Torf, Kokosmaterial und Perlit. Der Torfersatz liegt hier bei einer Moorbeetpflanze bereits bei 66,6 %. Dieser Standard im Beerenobst ist ein immenser Schritt nach vorne und geht übrigens weit über viele Forderungen hinaus.

Wie nachhaltig sind Heidelbeer-Kulturen grundsätzlich? Bei Heidelbeeren haben wir es mit

Dauerkulturen zu tun, die Standzeiten von mindestens 15 bis 25 Jahren erfüllen müssen, um rentabel zu sein. Es gibt allerdings etliche Anlagen, die auf natürlichen Standorten stehen und bis zu 80 Jahre alt sind. Das sind Flächen, die als Ackerstandorte ausgewiesen sind. Wenn wir jetzt im Vergleich dazu Landwirtschaft betrachten bei einem fortwährenden Bodenumbruch, dann haben wir es bei der Heidelbeere, die einmal gepflanzt in ihrer Pflanzreihe steht und dort vom Boden her eigentlich nicht mehr bearbeitet werden kann, mit einer Kultur zu tun, die für sich selbst schon mal aufgrund ihrer Laufzeit weniger CO2 freisetzt als intensive Ackerkulturen und somit eine Art „CO2-Speicher“ darstellt –gerade auch auf den Moorstandorten. Rein wissenschaftlich betrachtet ist das ein wichtiger Faktor und unterstreicht die positiven Effekte dieser Kultur.

Was den Anbau betrifft, sind Heidelbeeren nicht besonders wählerisch. Das müsste der Branche doch auch hinsichtlich der Nachhaltigkeit zugutekommen? Das stimmt. Die Heidelbeere ist schon allein aufgrund der Flächen mit natürlichen Standorten, in denen sie wächst, und aufgrund ihrer Eigenschaften bei uns im Anbau eine sehr nachhaltige Frucht. Die Heidelbeere ist eine äußerst genügsame Pflanze. Die Heidelbeere mit Massivdünger pushen zu wollen, resultiert nur in einer schlechten Qualität, Krankheiten und zu wei-

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Versuchsstation Langförden/Felix Koschnick

chen Früchten. Wenn wir vom Einsatz von Düngern sprechen, dann gilt bei Heidelbeeren die Devise: Weniger ist mehr.

Mit welchen Entwicklungen beschäftigt sich die Branche darüber hinaus, um noch besser für die Zukunft gerüstet zu sein?

Normalerweise benötigt man bei einer Bodenverbesserung zwischen 1.500 m3 bis 2.500 m3 Torf als Zuschlagsstoff für den Boden, um diesen aufzubereiten und heidelbeerfähig zu machen, weil wir die organische Substanz einarbeiten. Zudem könnte der Boden vor der Bepflanzung, sollte der pH-Wert nicht passen, auch abgeschwefelt werden. Mit neueren Anbausystemen, bspw. mit einer Substratrinne z.B. der Thees Dammtec GmbH oder anderer Dienstleister, ist eine Torfreduktion von über 60 % gegenüber dem aktuellen Standard möglich. Je nach Pflanzabstand haben wir einen Substratbedarf von 60 bis 80 Liter. Und das auf eine Standzeit gerechnet von 25 Jahren. Damit haben wir ein Anbausystem, das gleichermaßen nachhaltig und zukunftsträchtig ist. Und wenn man sieht, wie wenig Torf im Vergleich zu früher eingesetzt wird, ist deutlich zu erkennen, dass der innovative Charakter schon jetzt groß ist.

Was muss sich aus Ihrer Sicht

darüber hinaus verändern?

Wichtig wäre eine Anpassung der Preise – zudem auch das Bewusstsein und die Bereitschaft seitens der Verbraucherinnen und Verbraucher, für ökologisch wertvolle Produkte auch mehr auszugegeben. Kurze Transportwege, weniger Verbrauch von Süßwasserressourcen, ein innovativer Anbau in einem Rechtsgefüge, das die härtesten Pflanzenschutzmittelvorgaben hat, die es aktuell weltweit gibt. Das zusammen generiert ein absolut sicheres und, auch im Vergleich zu anderen Ländern, nachhaltigeres Produkt. Und dennoch stellen wir fest, dass der Anbau bei uns zurückgeht, weil er für die Erzeuger schlichtweg nicht mehr auskömmlich ist.

Werden die Anbauflächen deshalb in Zukunft zurückgehen? Nicht unbedingt. Gesunde Betriebe werden auch weiter wachsen. Wir haben auch teilweise einen kleinstrukturierten Anbau und viele Lieferanten mit nicht ausreichender Marktkenntnis. Da ist es schwierig, sich schnell genug auf Veränderungen des Marktes anpassen zu können. Wir werden einerseits Betriebe verlieren, auf der anderen Seite werden dadurch aber auch andere Betriebe wachsen. Ich gehe nicht davon aus, dass sich unsere Erntemengen an Heidelbeeren massiv

Wie neue Heidelbeersorten performen, dazu liefert der Anbau auf der Versuchsstation Langförden wichtige Erkenntnisse –u.a. in Bezug auf Krankheitsbefall und extreme Wetterereignisse.

reduzieren werden. Das sehen wir bspw. auch bei Erdbeeren, wo die Anbaufläche im Raum Langförden zwar kleiner geworden ist, die Performance der Anbauer und damit die Erträge pro Flächeneinheit jedoch größer geworden sind.

Wenn Sie sich die Entwicklung der Lohnkosten ansehen – was könnte da auf die Branche zukommen?

Große, feste, gut aussehende und wohlschmeckende Heidelbeeren – danach fragt der LEH.

Wir haben einen globalen Markt. Das ist grundsätzlich gut. Aber selbst im europäischen Markt sehen wir große Probleme, denn der Mindestlohn richtet sich ja immer nach dem Bruttosozialprodukt. Es geht also um die Frage, was sich die Bevölkerung in einem jeweiligen Land überhaupt noch leisten kann. Daraufhin gibt es eine Anpassung, allerdings mit dem Unterschied, dass die Produkte dann zu einem geringeren Mindestlohn produziert werden. Das sorgt für einen erheblichen Druck auf die Märkte in Europa. Das könnte langfristig dazu führen, dass bestimmte Kulturen

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Foto: Versuchsstation Langförden/Felix Koschnick Foto: Anne Koschnick

Die Sicherung von qualitativ hochwertigem, gesunden Heidelbeervermehrungsgut steht im Fokus des „HeiNO“Projekts.

irgendwann nur noch in Ländern angebaut werden, in denen die Löhne günstiger sind. Im Obstbau bzw. im Sonderkulturenanbau beträgt der Lohnkostenanteil mittlerweile schon bis zu 70%.

Beim Blick auf die deutsche Heidelbeer-Landkarte fällt auf, dass sich die Produktion im Norden von der im Süden doch deutlich unterscheidet.

80 % der deutschen Heidelbeeren werden im Bereich der Norddeutschen Tiefebene erzeugt. Ein großer Teil liegt mit 2200 ha in Niedersachsen, der andere mit rund 425 ha im Raum Neubrandenburg/ Berlin. In Süddeutschland sieht das anders aus. Die Anbaufläche in Bayern liegt bei 220 ha. Und in Baden-Württemberg mit 85 ha Anbaufläche spreche ich von den dortigen Betrieben auch gerne (positiv gemeint) von den Gemischtwarenhändlern des Obstbaus. Da werden zum Beispiel neben Äpfeln auch Trauben, Himbeeren oder eben auch Heidelbeeren für Genossenschaften aber auch die Direktvermarktung produziert. Rein auf den Heidelbeeranbau spezialisierte Betriebe gibt es im Gegensatz

zum Norden im Süden nur wenige.

Inwieweit könnten extreme Wetterereignisse den Anbau beeinflussen?

Die Anzahl der Frostnächte in der Zeit der Blüte hat gegenüber früher zugenommen. Das ist ein Risiko, das wir gerade auch in Deutschland und Polen sehen. Die Gefahr ist real, dass beide Länder aufgrund von besonderen Wetterereignissen bis zu 50 % ihres Ertrages in extremen Jahren verlieren könnten. Bereits zwei, drei extreme Frostnächte

könnten da schon ausreichen. Ein weiteres Thema ist auch immer in den Kulturen die Wasserverfügbarkeit. Wir merken vereinzelt schon, dass durch Beschränkungen der Wasserrechte teilweise nicht mehr so bewässert werden kann, wie eigentlich bewässert werden müsste, um die Kulturen auf trockenen Standorten ausreichend mit Wasser zu versorgen. Extremwetterereignisse und deren Folgen beschäftigen uns natürlich nicht nur hier in Deutschland, sondern fordern den Anbau weltweit heraus.

Welche besonderen Veränderungen gibt es im Bereich der Vermarktung? Und welche Herausforderungen ergeben sich daraus für die Produzenten?

Das Thema der Clubsorten, das wir ja bereits in anderen Bereichen sehen, spielt auch bei Heidelbeeren eine immer größere Rolle. Es gibt dabei verschiedene Konzepte: Driscoll‘s, einer der führenden Beerenproduzenten weltweit, hat z.B. ein eigenes Züchtungsprogramm und hebt sich dadurch von anderen Produzenten ab – nicht zuletzt auch aufgrund der Genetik, die dort zur Verfügung steht. Dann gibt es aber auch Konzepte mit klaren Strukturen und strategischem Aufpflanzen, die gemeinsam von Baumschulen, Produzenten und Händlern umgesetzt werden. Eine große Herausforderung ist, generell für die Primärproduzenten noch

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Foto: Versuchsstation Langförden/Felix Koschnick
in Deutschland
Importware.
Rund 80 % des Heidelbeerkonsums
ist seit 2019
Foto: Anne Koschnick

freie Sorten zu bekommen, die gegenüber den Clubprogrammen noch konkurrenzfähig sind und somit auch weiterhin einen unabhängigen Anbau weiter gewährleisten. Eine weitere Herausforderung hat mit der Importware zu tun, die derzeit rund 80 % unseres Heidelbeer-Konsums ausmacht. 60 % bis 75 % davon sind Southern Highbush. Hier haben wir es mit Heidelbeeren zu tun, die einen geringen Kältestundenbedarf haben und in südlichen Klimaten erzeugt werden. Unsere traditionellen Sorten können da nur schwer mithalten. Southern-Highbush Beeren sind oft größer und fester „crispy“ als unsere nördlichen Sorten, die oft etwas kleiner und saftiger „juicy“ sind. Für uns muss es also darum gehen, mindestens ein gleichwertiges, wenn nicht sogar ein besseres Produkt zu erzeugen, um tatsächlich auch ein festes Standbein gegenüber den Importen zu haben.

Wie sieht es mit neuen Sorten aus?

Wir haben viele neue Sorten, die wir bei uns auf der Versuchsstation Langförden erst im dritten oder vierten Jahr in der Ernte bzw. in der Testung haben. Gesicherte Erkenntnisse zu den Sorten und ihren Eigenschaften haben wir meist frühestens nach fünf Jahren, wenn bspw. Aussagen dazu gemacht werden können, wie einzelne Sorten bei extremen Wetterereignissen und Krankheitsbefall performen. Grundsätzlich ist es wichtig und herausfordernd für den Anbau in Deutschland, gesundes Pflanzmaterial zu bekommen. Hierzu gibt es derzeit mit „HeiNO“ (Heidelbeeren No Off-Types) ein Projekt, dessen Ziel die Sicherung von qualitativ hochwertigem, gesunden Heidelbeervermehrungsgut ist. Denn wenn Pflanzen ausgeliefert werden, aber nicht den Eigenschaften der Pflanze selbst entsprechen und somit auch nicht die erhofften Erträge bringen, ist das ein großes Problem für die Anbauer. In der Vergangenheit sind dadurch schon Schäden in Millionenhöhe entstan-

den. Nicht zuletzt deshalb gibt es eine Pflanz-Hemmnis seitens der Produzenten. Mit „HeiNO“ wollen wir dieser Entwicklung entgegenwirken.

Was erwarten Sie von den Produzenten? Und was von den Konsumentinnen und Konsumenten?

Von den Heidelbeerproduzenten wünsche ich mir, dass sie sich einer modernen Produktion anpassen. Eine Schnellkühlung ist ein Standard. Früchte, die geerntet sind, sollten so schnell wie möglich gekühlt werden, um letztendlich den Verbraucherinnen und Verbrauchern ein tolles Produkt bieten zu können. Der Fokus muss auf die Qualität gerichtet werden. Denn am Ende wird uns nur Qualität retten. Eine spürbare Käuferpräferenz für das deutsche Produkt, so wie wir es bspw. auch zeitweise bei Erdbeeren sehen, würde ich mir verstärkt auch für den Bereich der Heidelbeeren wünschen. 

Foto: Anne

Die Heidelbeere ist eine genügsame Pflanze, der Einsatz von Massivdünger kontraproduktiv.

Durchschnittliche Verbraucherpreise in Deutschland (in Euro) in der 22. KW

Anmerkungen: Mittelwerte für die einzelnen Geschäftstypen und für Deutschland insgesamt: mit Umsatzanteilen gewichtet. Wo vs. VjWo in %: Prozentuale Veränderung des vorläufigen Wochenmittelwertes gegenüber der Vorjahreswoche.

Quelle: Verbraucherpreisspiegel der AMI auf Basis des GfK-Haushaltspanels. © AMI. Alle Rechte vorbehalten. Abdruck, Auswertung und Weitergabe nur mit schriftlicher Genehmigung.

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Artikel Ø Einheit Ø Wo Ø VwoØ VjWoØ Wo vs. VjWo OBST Äpfel 1 kg 2,262,262,11 7,1 Erdbeeren, inländische Ware1 kg 5,335,795,94 -10,2 Tafeltrauben, helle Sorten1 kg 3,633,364,16 -12,8 Süßkirschen 1 kg 7,639,46 8,98-15,0 Nektarinen 1 kg 2,613,152,66 -2,0 Pfirsiche 1 kg2,98 3,173,59 -17,0 Aprikosen 1 kg 3,423,593,45 -0,8 Bananen 1 kg1,30 1,261,36
GEMÜSE Eissalat Stück1,031,040,9310,9 Salatgurken Stück0,830,740,48
Strauchtomaten
Mini-Strauchtomaten 1 kg 3,714,964,43 -16,3 Paprika 1 kg 3,73 4,074,06-8,2 Möhren, ohne Laub 1 kg 1,611,632,24 -28,0
Zwiebeln 1 kg1,801,85
Koschnick
-4,0
72,5
1 kg1,80 1,532,22 -18,9
Radieschen, rot, mit LaubBund0,650,650,68-3,5
2,25 -20,3

Wasser sparen marsch!

Südtirol ► Die Sommer werden heißer, die Wasserversorgung mitunter knapper. Inwieweit sich die Landwirtschaft in Südtirol mit dem Gleichgewicht bei der Versorgung mit der kostbaren Ressource auseinandersetzt, hat Georg Kössler, Obmann des Südtiroler Apfelkonsortiums, dem Fruchthandel Magazin berichtet.

Der Apfelanbau hat in Südtirol eine mehr als 100-jährige Tradition. Da die Erde, auf der die Bäuerinnen und Bauern ihre Äpfel anbauen, auch den nächsten Generationen im selben vitalen Zustand erhalten bleiben soll, hat es sich „sustainapple“ zum Ziel gesetzt, den Apfelanbau in Südtirol nachhaltiger und innovativer zu gestalten. „Die hochqualitative Südtiroler Apfelwirtschaft lebt von gesunden Böden, sauberem Wasser, reiner Luft und hoher Artenvielfalt“, erklärt Kössler. Im Rahmen der Initiative hat sich „sustainapple“ bis zum Jahr 2030 einige Ziele gesetzt. Dazu gehört auch, Vorreiter beim Thema Wasserverbrauch und -management zu sein. Bis 2030 soll der Wasserverbrauch so optimiert werden, dass er genau dem Bedarf für optimales Pflanzenwachstum entspricht. Denn eins ist klar: Die Sommer werden immer heißer und trockener, und ein bewusster Umgang mit der wertvollen Ressource Wasser wird für alle wichtiger – in der Industrie genauso wie in der Landwirtschaft oder in Privathaushalten.

Forschung statt Schema F

Das sich verändernde Klima und die damit einhergehenden Wetterbedingungen beeinflussen natürlich auch den Wasserbedarf der Apfelbäume bedeutend, genauso wie der jeweilige Entwicklungsstand der Pflanzen Auswirkungen auf das benötigte Wasser hat – und die Beschaffenheit des Bodens. Da kommt die „bedarfsgerechte Bewässerung“ ins Spiel, erklärt Kössler. „Das bedeutet, dass unsere Apfelbauern und -bäuerinnen nur dann noch bewässern, wenn es notwendig ist – und dann stets so wassersparend und inno-

Tropfen für Tropfen sinnvoll genutzt – das ist das Ziel der Südtiroler Initiative „sustainapple“.

vativ wie möglich.“ Denn nicht jeder Monat ist gleich, genauso wenig jeder Sommer – in der Landwirtschaft gibt es nun einmal kein „Schema F“. Bei der Initiative „sustainapple“ habe man sich in den vergangenen Jahren intensiv damit auseinandergesetzt, wie die Obstwirtschaft eine bedarfsgerechte Bewässerung erreichen kann. Dabei sei man zu verschiedenen Optionen gelangt, mit denen das Einsparen von Wasser unterstützt werden könne, so der Obmann weiter. Eine Quelle sei z.B. das Online-Programm des Südtiroler Beratungsrings für Obst- und Weinbau, wo Landwirte detaillierte Informationen über die Bodenfeuchte finden, die ihnen als Orientierungshilfe für die Bewässerung dienen sollen. Ähnliche Daten können die Produzenten auch über Tensiometer gewinnen, hochsensible Messgeräte, mit denen die Bodenfeuchte in den Apfelwiesen gemessen wird, um zu bestimmen, wann der Boden bewässert werden muss – und wann nicht. Denn nicht nur ein Zuwenig an Wasser ist ungesund: auch Überwässerung wirkt sich negativ auf den Boden aus. Auch das in Südtirol ansässi -

ge Versuchszentrum Laimburg hat einen Sensor entwickelt, der zum Wassersparen beitragen soll: Der innovative „FylloClip“ ist flach und wird wie eine Büroklammer auf einem Pflanzenblatt befestigt. Bei aktiver Transpiration des Blatts kondensiert der Wasserdampf, der aus den Blattspaltöffnungen austritt, zu kleinen Tröpfchen. Diese Benetzung wird vom Sensor erkannt und als elektrische Messgröße angegeben. Zugleich wird an der Blattoberfläche die Intensität der Sonneneinstrahlung gemessen, denn bei einer gut mit Wasser versorgten Pflanze transpirieren die Blätter, solange sie Sonnenlicht ausgesetzt sind, während sich die Blattspaltöffnungen bei Wassermangel vorzeitig schließen. FylloClip ermöglicht es, aus beiden Messgrößen einen frühen Rückgang der Transpiration zu erkennen, und sendet einen entsprechenden Hinweis, der am Handy oder am PC eingesehen werden kann. „Bereits jetzt gibt es zahlreiche Möglichkeiten, den Wasserverbrauch in der Apfelwirtschaft zu optimieren, und sie werden laufend weiterentwickelt“, betont Georg Kössler abschließend. 

FH 28 | FRUCHTHANDEL 22-23 I 2024 NACHHALTIGKEIT
Foto: Kottersteger / IDM

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Die ersten Speaker und Themen stehen fest: Frühzeitig anmelden und sparen

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Mitarbeiter – dringend gesucht Fachkräftemangel und Generationswechsel. Woher nehmen und nicht stehlen?

• Felicia Ullrich, Geschäftsführerin, zertifizierte Eignungsdiagnostikerin u-form Testsysteme GmbH & Co. KG

Der Markt Obst & Gemüse Konsum in Deutschland – Zahlen, Trends und Fakten

• Niklas Bergmann, Consumer Panel Services GfK

Der PoS Talk

Experten der gesamten Lieferkette nehmen die Hotspots der Branche ins Visier.

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DÜSSELDORF
23.|24.09.2024
SCAN ME

Langfristig denken und handeln

VOG ► Nachhaltigkeit ist ein weiter Begriff – und tendenziell ein ziemlich abstrakter Begriff noch dazu. Schließlich kann man einige Aspekte der Nachhaltigkeit in Zahlen fassen, andere wiederum weniger gut. Wir haben uns u.a. mit Walter Pardatscher, Direktor des VOG, ausgetauscht, um ein wenig greifbarer zu machen, was der Verband der Südtiroler Obstgenossenschaften unter dem Konzept versteht.

Inga Detleffsen

In den Fahrgassen pflanzen die Landwirte des VOG Einsaaten, um die Diversität im Boden zu unterstützen.

Da wäre zunächst die Kleinstrukturiertheit: Während in Deutschland ein durchschnittlicher Obstanbau zwischen 3 ha und 10 ha Fläche einnimmt, so sind es in Südtirol gerade einmal 2,5 ha. „Die Familienbetriebe sind gelebte Nachhaltigkeit“, sagt Walter Pardatscher. Jeder der über 4.000 Erzeuger bei VOG handele mit dem Gedanken an die nächste Generation. Da liegt es nahe, so zu wirtschaften, wie es die Natur bestmöglich bewahrt. Dazu gehören neben kleinen Einheiten auch große Verteiler: „In Südtirol gibt es ein Netzwerk an Institutionen zur Forschung, Anbauberatung, Qualitätskontrolle oder Sortenberatung. Dieser Austausch macht es uns möglich, Obstbau auf höchstem Niveau zu betreiben“, betont der Direktor. „Wir teilen unsere Ressour -

cen und unser Wissen. Davon profitieren wir alle.“ Dazu gehören vor allem Erkenntnisse im Anbau: „Wir folgen nachhaltigen Prinzipien, bei denen wir bestmöglich Ressourcen schonen, unsere Böden fruchtbar halten und das Gleichgewicht zwischen Nützlingen und Schädlingen fördern“, stellt Kathrin Pirchstaller, Qualitätsleiterin und Nachhaltigkeitsverantwortliche im VOG, fest. „Unser Ansatz basiert auf einem Anbauprinzip, das die Pflanzengesundheit in den Mittelpunkt stellt und den Einsatz von Hilfsmitteln wie Dünger oder Pflanzenschutz auf ein Minimum reduziert.“ Ziel sei, so umweltschonend und wirtschaftlich wie möglich zu produzieren, um sichere, gesunde und hochwertige Lebensmittel zu erhalten, fährt Pirchstaller fort. Dabei berücksichtige man sämtliche Pflege der Apfelwiesen im Laufe eines Jahres, also von Sortenauswahl über Bewässerung und Baumschnitt bis hin zur Sortierung und Verpackung. „Wir legen großen Wert darauf, Ressourcen zu schonen und die Fruchtbarkeit der Böden zu erhalten“, so die Qualitätsleiterin. „Mit regelmäßigen Bodenanalysen überwachen wir die Bodengesundheit. Im Sommer lassen wir z.B. den Grasschnitt als Mulch liegen, das ernährt Mikroorganismen und unterstützt die Humusbildung. Wir düngen gezielt und nachhaltig dann, wenn die Bäume es wirklich brauchen“, erklärt Pirchstaller.

Langfristig denken

Ressourcenschonung zeigt sich auch im Wassermanagement: Inzwischen werde in vier von fünf

Apfelwiesen Tropfbewässerung eingesetzt, und Wasser zum Waschen der Äpfel werde über Filteranlagen wieder aufbereitet. Zum nachhaltigen Anbau gehört nun einmal auch das, was davor und danach geschieht – oder drumherum: In den Fahrgassen pflanzen die Landwirte bei VOG Einsaaten, um die Bodendiversität zu unterstützen; Strukturelemente wie Steinhaufen bieten weiteren Unterschlupf für Insekten und somit auch wieder Nahrung für andere Kleinstlebewesen. „Das Leben in unseren Apfelwiesen ist genauso wichtig wie die Pflege unserer Bäume“, findet Pirchstaller. Sozial und ökologisch nachhaltig –wie sieht es mit der Ökonomie aus? Wer VOG kennt, weiß, dass es den Südtirolern ernst ist mit der Langfristigkeit. Das zeigt sich zum einen im Versprechen, zwölf Monate im Jahr Äpfel zu liefern. „Auf uns ist Verlass, wenn es um die ganzjährige Verfügbarkeit geht“, betont dazu Klaus Hölzl, Verkaufsleiter im VOG. Jährlich werden über 550.000 t Äpfel geerntet, ca. 80 % davon werden als Frischware vermarktet. Damit die Kunden und Konsumenten auch langfristig zugreifen, setzt man auf Vielfalt: „Aktuell haben wir bei VOG über 30 verschiedene Apfelsorten im Angebot. Jede einzelne ist einzigartig im Geschmack und Aussehen“, so Hölzl. Dadurch könne der VOG flexibel auf wandelnde Klimaoder Marktbedingungen reagieren. Zudem halte man auch die Augen offen, wenn es um neue, zukunftsfähige Sorten gehe. „Nur so können wir den Apfelbauern und ihren Familien auch in Zukunft ein einträgliches Auskommen gewährleisten“, so Hölzl abschließend. 

FH 30 | FRUCHTHANDEL 22-23 I 2024 NACHHALTIGKEIT
Foto: VOG | Armin Huber

Home of apples

Unsere Herkunft aus Südtirol, unsere Expertise aus vielen Jahren erfolgreicher Zusammenarbeit und unser Fokus auf Nachhaltigkeit sind die Basis für unsere ganzjährige Produkt- und Markenvielfalt.

vog.it

Von hohem Einsatz und tiefen Minen

Apfelproduktion ► Über 400.000 t Äpfel jährlich und mehr als 330 Mio Euro Umsatz – Tendenz steigend. Um Wachstum auch langfristig sicherstellen zu können, ist nachhaltiges Handeln unerlässlich. Was das Apfelkonsortium Melinda aus dem italienischen Trentino unternimmt, um sicher in die Zukunft zu kommen, und warum man dafür auch in den hohen Bergen tief hinab muss, haben Mitglieder des Konsortiums neben anderen Themen dem Fruchthandel Magazin erklärt.

Inga Detleffsen

Energieeinsparungen, effiziente Ressourcennutzung, regenerative Landwirtschaft sowie Umwelt- und soziale Verantwortung – das sind einige der Themen, die den ersten Nachhaltigkeitsbericht von Melinda prägen, welcher bereits im März diesen Jahres bei einer Pressekonferenz des Konsortiums aus dem Trentino vorgestellt wurde. Der Bericht, gemäß den Standards der Global Reporting Initiative (GRI) verfasst, setzt den im Rahmen des Projekts „Trentino Frutticolo Sostenibile“ begonnenen Weg fort, das vom Verband der Obst und Gemüseproduzenten im Trentino, Apot, gefördert wird. Ziel dabei ist, den Obstanbau Schritt für Schritt nachhaltiger zu gestalten. Das sei allerdings nichts Neues: „Seit Jahren engagiert sich Melinda für soziale und ökologische Verantwortung und entwickelt immer nachhaltigere Lösungen. Nun müssen wir einen Schritt weiter gehen und dies offen zeigen“, betont Luca Zaglio, Generaldirektor von Melinda. „Wir glauben stark an die wichtige Rolle jüngerer Generationen bei der Entwicklung von Nachhaltigkeitsstrategien und -werten“, erklärt Zaglio. In diesem Sinne hat Melinda eine Arbeitsgruppe junger Menschen eingerichtet, die an neuen Nachhaltigkeitsstrategien arbeiten. Die jungen Kolleginnen und Kollegen, darunter Jessica Paternoster (Leiterin Trade Marketing), Jasmine Chini (Forschung & Entwicklung), Loris Marchel (Leiter Qualität beim Verband Apot) und Simone Dalpiaz (Leiter Qualität bei Melinda), haben sich der Untersuchung und Entwick -

In ehemaligen Bergbauminen werden heute auf inzwischen 40.000 m2 Äpfel gelagert.

lung neuer Lösungen verschrieben. Dazu gehören der verantwortungsvolle Einsatz von Agrochemikalien, Energieeffizienz oder auch die Senkung von Emissionen, etwa durch die Ausweitung der unterirdischen Kühlzellen oder die „Apfelseilbahn“.

Einmal Seilbahn, bitte!

Letztere wurde im vergangenen Herbst dem italienischen Landwirtschaftsministerium und daraufhin auf der FRUIT LOGISTICA 2024 einem internationalen Publikum vorgestellt. Mit einer Länge von 1.300 m und 87 zu überwindenden Höhenmetern soll die Seilbahn stündlich 460 stapelbare Behälter mit einer Geschwindigkeit von fünf Metern pro Sekunde transportieren. Die Einweihung ist für kommenden Herbst geplant, berichtet Ernesto Seppi, Präsident des Melinda-Konsortiums. „Sobald sie in Betrieb ist, werden wir damit rund

6.000 Lkw-Fahrten mit insgesamt 12.000 km pro Jahr ersetzen können, was einen sehr großen Beitrag zur Senkung der CO2-Emissionen leistet.“ Nicht nur für die Branche ist das eine Neuheit, auch italienische und internationale Besucher in der Region könnten sich für das System interessieren, was positive Auswirkungen auf den Tourismus haben könnte, überlegte dazu die Regionalrätin für Landwirtschaft der Region Trento, Giulia Zanotelli. „Der Bau der Seilbahn innerhalb der Bergbaumine Rio Maggiore gehört zusammen mit der Eröffnung weiterer unterirdischer Kühllager sowie des Einbaus unseres ‚Apfelaufzugs‘ zu unseren Bemühungen für mehr ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit“, kommentierte dazu Ernesto Seppi. Denn neben der Seilbahn verbindet ein neuer Warenaufzug die Kühllager, die sich seit der Eröffnung von 30.000 m 2 auf 40.000 m 2 aus-

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Fotos: Melinda

gedehnt haben: Um zusätzlichen Platz zu gewinnen, wurde leicht oberhalb der bisher auf 300 m Tiefe gelegenen Lager ein weiteres eröffnet, das durch einen 26 Meter langen Tunnel per „Aufzug“ mit dem Untergeschoss verbunden ist. Dieser transportiert etwa 100 t pro Stunde, berichtet Fabrizio Conforti, der für die Kühllager bei Melinda verantwortlich ist – Ware, die zuvor per Lkw ins obere Lager transportiert werden musste und nun bequem per Aufzug umgelagert werden kann, was weitere Emissionen einspare. Die Arbeit komme der ganzen Branche zugute, betont Seppi. „Mit diesen neuen Möglichkeiten werden unsere Produkte sicherer und leichter zu verwalten, wir können qualitativ hochwertige Nahrungsmittel anbieten, die geringere Auswirkungen auf die Umwelt haben.“ Für die Zukunft überlege man, die Kühllager auch Besuchern zugänglich zu machen, um den Tourismus in der Region und in Italien zu unterstützen.

Wachstum für nachhaltige Ideen

Vernetzt ist man bei Melinda nicht nur wirtschaftlich, sondern auch landwirtschaftlich: Mit verschiedenen Projekten wird an nachhaltigeren Praktiken für gesunde Böden geforscht, etwa gemeinsam mit xFarm Technologies und dss+, und gemeinsam mit APOT unterstützt das Konsortium den Gedanken der Kreislaufwirtschaft, indem Gärreste einer lokalen Biogasanlage zum Düngen der Apfelgärten genutzt werden. Das Konsortium selbst setzt ohnehin auf nachhaltigere Energiequellen: 100 % des Bedarfs werden durch Wasserkraft und Photovoltaik gewonnen, Solarpaneele sind auf Lager- und Verarbeitungsgebäuden installiert. Geplant sei nun, die Energiegewinnung zu verdoppeln, berichtet man uns bei Melinda.

Ebenfalls vergrößert hat sich die Anbaufläche für Bioäpfel: Zwar hat der 2017er-Plan, innerhalb von fünf Jahren auf 500 ha Fläche für den

ökologischen Anbau zu kommen, noch nicht ganz Fuß gefasst, doch mittlerweile sind es 300 ha, aufgeteilt auf fünf Gebiete.

Das Engagement setzt sich auch nach der Ernte fort, wo die Äpfel mit Materialien verpackt werden, die danach vollständig im Biomüll kompostiert werden können – zumindest in Italien, die Recycling-

und Mülltrennungsvorgaben variieren bekanntlich von Land zu Land. Das dadurch sehr ausgewogene Sortiment werde so den Bedürfnissen des Marktes gerecht, heißt es dazu abschließend. 

Über 400.000 t Äpfel werden bei Melinda jährlich produziert.

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Regionales Multitalent: Das nachhaltige Potenzial der Möhre

Möhren ► Als gesundes und kalorienarmes Gemüse bringen Möhren das ganze Jahr über frische Farben in unsere Haushalte. Dass sie auch unter den Top 2 der klimafreundlichsten Arten im Obst- und Gemüsesortiment sind, wissen nur wenige. Judith Dittrich, Marktanalystin von der AMI GmbH und Mitarbeiterin des Informationsportals www.meine-Möhren.de, sprach mit dem Fruchthandel Magazin über die Nachhaltigkeit von Möhren und wie sich der Anbau des Gemüses den Klimawandel sogar zunutze machen kann.

Lena Manteuffel

Laut einer Studie des Instituts für Energie und Umweltforschung Heidelberg (ifeu) führt die Möhre, zusammen mit Weißkohl, die Statistik als das klimafreundlichste Lebensmittel mit Blick auf Faktoren wie u.a. Produktion, Transport, Verpackung und Zubereitung an. Dabei kann die Möhre schon beim Anbau auf dem Feld punkten. Laut Judith Dittrich sei mit der Möhre ein hoher Selbstversorgungsgrad möglich. Denn: 81 % der Möhren, die wir in Deutschland essen, stammen aus deutschem Anbau. Hier spiele vor allem die Fruchtfolge eine zentrale Rolle, so Dittrich weiter. Dabei dürfen Möhren nur alle vier bis sechs Jahre auf demselben Feld angebaut werden. Zwischen den Anbauzyklen werden Kulturen wie Kürbisse, Zucchini und Getreide angebaut, die nicht mit der Möhre verwandt sind. Diese Praxis hilft auf natürliche Weise, spezialisierte Schädlinge und Krankheiten im Boden zu minimieren, da diese in der Fruchtfolgelücke absterben. Ein weiterer Pluspunkt ist der vergleichsweise geringe Nährstoffbedarf. „Während Brokkoli bspw. 310 kg Stickstoff pro Hektar benötigt, sind es bei Möhren nur 125 kg“, betont Dittrich. Durch eine sorgfältige Fruchtfolge bleibt genügend Stickstoff im Boden zurück, den Möhren nutzen können, ohne kaum zusätzliche Düngung zu benötigen.

Konventioneller und ökologischer Möhren-Anbau im Vergleich

Im konventionellen Anbau erfolgt die Unkrautbekämpfung durch eine Kombination aus mechanischen Methoden und dem Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel. Im ökologischen Anbau dagegen verzichtet man vollständig auf chemische Düngemittel und Pflanzenschutzmittel, was die Umwelt zusätzlich schont. Allerdings erfordert dies einen höheren Einsatz von mechanischen Methoden zur Unkrautbekämpfung und erhöht den Arbeitsaufwand. Herausforderungen im ökologischen Anbau sind daher vielfältig. Da weniger Pflanzenschutzmittel und Düngemittel verwendet werden, sind die Pflanzen anfälliger für Krankheiten und Schädlinge. „Die Fruchtfolge ist hier noch wichtiger als im konventionellen Anbau.“ Dennoch: Der ökologische Anbau von

81 % der Möhren, die in Deutschland verzehrt werden, stammen aus heimischem Anbau.

Möhren in Deutschland sei erfolgreich, was sich auch in den Anbauflächen widerspiegele: Der Bio-Anteil liege laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2022 bei 20 %, während er bei Gemüse insgesamt nur 14 % betrage, so die Marktanalystin.

Weiter betont sie, dass die Möhre auch beim Thema Ressourcenmanagement eine klimafreundliche Bilanz zeige: Da Möhren in der Erde wachsen, müssen sie nach der Ernte gründlich gewaschen werden. Moderne Verfahren ermöglichen es, bis zu 98 % des verwendeten Wassers wiederaufzubereiten und erneut zu nutzen.

Auch Verpackungstechnologien haben sich weiterentwickelt. Früher oft in Plastikschalen verkauft, sind heute Plastikbeutel üblich, die weniger Plastik verbrauchen und besser recycelbar sind. Auch unverpackte Möhren sind beliebt: Diese haben zwar keinen Plastikverbrauch, verderben jedoch schneller.

Den Klimawandel zunutze machen

Der Klimawandel bringt für den Möhrenanbau Herausforderungen, aber auch Chancen mit sich. Milder werdende Winter ermöglichen es, die Erntezeit zu verlängern und damit die Lagerzeit in Kühlhäusern zu ver -

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www.meine-Möhren.de
Fotos:

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Innovative Lösung für das Verschließen von Schalen

Multivac Marking & Inspection ► Mit dem Multivac TopCloseTM-Verfahren können Schalen einfach, nachhaltig und attraktiv auf einem Etikettierer mit den dazugehörigen Selbstklebeetiketten verschlossen werden – ganz ohne Verpackungsmaschine, wie der Hersteller von Etikettiersystemen und Foliendirektdruckern mitteilt.

Fotos: Multivac

Ronald Helmel ist Business Development Manager bei Multivac Marking & Inspection.

Wenn Obst und Gemüse nicht unter Schutzatmosphäre oder luftdicht im Vakuum verpackt werde, seien Selbstklebeetiketten die ideale Möglichkeit, um den Schaleninhalt gegen Herausfallen oder Entnahme zu sichern. Die Multivac TopCLOSETM-Etiketten besitzen durch ein spezielles Herstellungsverfahren klebefreie Zonen auf der Innen-

TopCLOSETM-Etiketten besitzen durch ein spezielles Herstellungsverfahren klebefreie Zonen auf der Innenseite. Dadurch sind sie für den direkten Lebensmittelkontakt zugelassen.

seite, wodurch sie für den direkten Lebensmittelkontakt zugelassen sind. Sie können daher mit einer Aufreißlasche und einer Wiederverschlussmöglichkeit ausgestattet werden und eignen sich sowohl für eckige als auch für runde Schalen.

250 Verpackungen pro Minute

Das Multivac TopCLOSETM-Verfahren wird auf dem Transportbandetikettierer L 330 realisiert und ermöglicht es, Etiketten mit variablen Daten zu bedrucken und den Aufdruck zu kontrollieren. Das Etikett verschließt die Schalen automatisch im Durchlauf, nachdem die Schalen manuell zugeführt oder von einem vorgeschalteten Modul übernommen wurden. Die Anpassung des Transportbandetikettierers an verschiedene Schalenformen und -größen ist ganz ohne Werkzeugwechsel schnell und einfach möglich. Auch die Umrüstung auf alternative Produkte und das Einlegen neuer Etiketten bedeuten nur einen minimalen Stillstand, da der Etikettierer dank intuitiv bedien-

barer Positionsanzeigen äußerst komfortabel einstellbar ist. „Der leistungsfähige Transportbandetikettierer L 330 kann gegenüber aufwändigen manuellen Lösungen oder Verpackungsmaschinen Kosten einsparen und verschließt bis zu 250 Packungen pro Minute“, erklärt Ronald Helmel, Business Development Manager bei Multivac Marking & Inspection. „So wird auch die Lebensmittelverschwendung auf ein Minimum reduziert. Zusätzlich sind eine Zero-Downtime-Version für das unterbrechungsfreie Etikettieren verfügbar sowie verschiedene Automatisierungsoptionen wie bspw. Entstapler oder Produktzuund -abführungen.“

Zum TopCLOSETM-Verfahren, das sich u.a. für das Verschließen von Beerenobst in einem Karton-Tray mit einem Folienetikett samt transparentem Sichtfenster eignet, sagt Helmel: „Der Kunststoffanteil der Packung liegt dabei bei unter zehn Prozent. Ausstanzungen im Etikett sorgen für die notwendige Luftzirkulation, um eine optimale Haltbarkeit der Beeren zu gewährleisten.“ 

Der Transportetikettierer L 330 kann an verschiedene Schalenformen und -größen angepasst werden.

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Duale Systeme mit größter bundesweiter Aktion für richtige Abfalltrennung

INITIATIVE „MÜLLTRENNUNG WIRKT“ Vor wenigen Tagen startete unter der Schirmherrschaft von Bundesumweltministerin Steffi Lemke Deutschlands die nach Angaben der Initiatoren bisher größte Partneraktion zur Aufklärung über richtige Abfalltrennung: „Deutschland trennt. Du auch?“. Noch bis zum 16. Juni engagieren sich dabei bundesweit mehr als 200 Kommunen erstmals gemeinsam mit den dualen Systemen und großen Partnern aus dem Lebensmitteleinzelhandel sowie mit Vertretern der Entsorgungswirtschaft für ein Ziel: so viele Menschen wie möglich zu mehr und besserer Mülltrennung zu motivieren. Initiiert und organisiert wird die Aktion von „Mülltrennung wirkt“, einer Initiative der dualen Systeme. Im Mittelpunkt von „Deutschland trennt. Du auch?“ stehen unübersehbare XXL-Verpackungen an öffentlichen Plätzen. Sie sollen die Menschen auf die Aktion aufmerksam machen. Die Aktion „Deutschland trennt. Du auch?“ deckt damit ein Einzugsgebiet von etwa 40 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner ab. Während der Aktionswochen klären Kommunen in ganz Deutschland erstmals gemeinsam mit den dualen Systemen und ihrer Initiative „Mülltrennung wirkt“, ihren Partnern Netto Marken-Discount, Edeka und Netto Deutschland sowie Vertretern der Abfall- und Entsorgungswirtschaft so viele Menschen wie möglich über richtige Mülltrennung auf. „Bisher informieren die an der Wertschöpfungskette für Verpackungsrecycling beteiligten Unternehmen und Institutionen überwiegend jeder für sich. Dabei haben wir ein gemeinsames Ziel: Mehr gesammelte Verpackungen, effizientes Recycling und damit eine noch nachhaltigere Kreislaufwirtschaft für Verpackungen in Deutschland“, sagt Axel Subklew, Sprecher der Initiative.

Alexander Kronimus übernimmt das Ruder

PERSONELLES Der Verband der Kunststofferzeuger, PlasticsEurope Deutschland e.V., teilt mit, dass Ingemar Bühler zum 31. Mai 2024 den Verband auf eigenen Wunsch verlassen hat, um sich neuen beruflichen Aufgaben zu widmen. Seit 1. Januar 2021 war Ingemar Bühler Hauptgeschäftsführer des Verbandes. „In den vergangenen Jahren hat PlasticsEurope Deutschland e.V. seine Präsenz im politischen Diskurs und in den Medien deutlich ausgebaut. Dafür bedanken wir uns bei Ingemar Bühler und wünschen ihm für die Zukunft alles Gute“, so Ralf Düssel, Vorsitzender des Vorstandes von PlasticsEurope Deutschland e.V.. Bis auf Weiteres übernimmt Alexander Kronimus die Verbandsleitung, der seit 2022 den Bereich Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft leitet und 2023 zum Geschäftsführer berufen wurde.

Ludwig

Foto: „Initiative Mülltrennung wirkt“/Maik

XXL-Verpackungen und Trommler-Crews machen bundesweit auf die Aktion der dualen Systeme und ihrer Partner aufmerksam.

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Erfolgsfaktoren für Verpackungshersteller –Nachhaltigkeit als Chance und Herausforderung

Horváth ► Nachhaltigkeit ist der transformatorische Trend in der Verpackungsindustrie. Dabei müssen Verpackungskonzerne die Aspekte Zirkularität, Dekarbonisierung und die Auswirkung ihrer Wertschöpfung und Produkte auf das Ökosystem gleichsam betrachten. Das treibt die Innovationen in der Branche, bedeutet eine stärkere Rolle von Recycling-Einheiten in der Wertschöpfungskette und Investitionen zur CO2-Reduktion, aber auch deutlich erhöhte Berichtspflichten und Regulierungsdichte. Christoph Kopp ist Associate Partner bei der internationalen, unabhängigen Managementberatung Horváth und leitet den Bereich Paper & Packaging. Im folgenden Beitrag erläutert er, was eine Verpackung nachhaltig macht und welche Wege Hersteller von Verpackungen zukünftig gehen sollten, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Nachhaltigkeit in der Verpackungsindustrie ist vor allem nachfrageseitig von Konsumenten und den Brand Ownern und Retailern getrieben. Eine unserer Studien zeigt, dass Nachhaltigkeit für rund drei Viertel der Konsumenten ein wichtiges Entscheidungskriterium beim Kauf von Konsumgütern ist. Kunden erwarten, dass Verpackung dort vermieden wird, wo sie nicht erforderlich ist (Reduce), dass sie wiederverwendet (Re-Use) oder recycelt werden kann oder, falls dies nicht möglich ist, eine Rückgewinnung der Rohstoffe bzw. eine fachgerechte Entsorgung erfolgt. Der regulatorische Druck in Richtung Nachhaltigkeit auf die Verpackungshersteller nimmt durch generelle ESG-Berichtspflichten, allen voran die CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) und EU-Taxonomie, zu. So wurde mit der neuesten delegierten Verordnung auch die Herstellung von Verpackungsmitteln aus Kunststoffen als Wirtschaftsaktivität in die EU-Taxonomie aufgenommen. Es wirken aber auch branchenspezifische Regularien auf die Verpackungsindustrie ein, wie die EU-Verpackungsverordnung (PPWR – Packaging and Packaging Waste Regulation), die Re-Use von Verpackungen forcieren und Recyclingquoten von Verpackungsmüll erhöhen soll und nach der Einigung im Trilog von Kommission, Rat und Parlament kurz vor der Beschlussfassung steht.

Papier- und Kartonverpackungen punkten mit hohen Recyclingquoten, die negativen Auswirkungen auf das Ökosystem sind im Vergleich zu anderen Materialien geringer.

Was macht eine Verpackung nachhaltig?

Das zirkuläre Wirtschaftssystem zielt darauf ab, Materialien durch Wiederverwendung (Re-Use), Reparatur und Recycling zu nutzen. Re-Use: Bspw. ermöglicht das Pfandsystem für Glasflaschen eine mehrmalige Verwendung bestimmter Materialien. Reparatur ist bei einigen industriellen Transportverpackungen wie Paletten oder Großgebinden möglich. Recycling hängt davon ab, ob die Verpackungen prinzipiell recyclingfähig sind und ob es etablierte Recyclingströme gibt. Metall, Glas und PET können gut recycelt werden, während es bei anderen Plastikmaterialien noch Herausforderungen

gibt. Hier wird chemisches Recycling als Zukunftsfeld betrachtet, um verschiedene Plastiksorten zu recyceln. Recycling trägt positiv zur CO2-Bilanz bei, da die Verwendung von recycelten Rohstoffen über die Wertschöpfungskette CO2-ärmer ist als die Verwendung von Primärrohstoffen. Viele große Verpackungskonzerne haben sich bereits im Rahmen der Science Based Target initiative (SBTi) zu verbindlichen CO2-Reduktionszielen verpflichtet. Metall und Glas haben trotz ihrer hohen Recyclingfähigkeit im Vergleich zu Plastik- und Papierverpackungen die schlechteste CO2-Bilanz. Die CO2-Bilanz von Verpackungen muss auch im Kontext mit ihrer Schutzfunktion betrachtet werden, da das verpackte Produkt

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AdobeStock
Foto:

selbst oft wesentlich mehr CO2 emittiert als die Verpackung.

Impact auf das Ökosystem

Papier und Karton zeigen in der Gesamtbetrachtung die geringste negative Auswirkung auf das Ökosystem, da sie aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden und relativ gut abbaubar sind. Der Einfluss auf das Ökosystem entlang der gesamten Wertschöpfungskette hängt aber weniger an einer bestimmten Verpackungsart als vielmehr davon ab, wie gut Waste Management Systeme organisiert sind und inwieweit die Bevölkerung sensibilisiert ist.

Schlussfolgerungen für Verpackungshersteller

Nachhaltigkeit ist Herausforderung und Chance zugleich. Unternehmen müssen ihre Geschäftsmodelle und Leistungen auf Nachhaltigkeit ausrichten, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Wie erfolgreiche Unternehmen Nachhaltigkeit als transformatorisches Programm entlang der gesamten Wertschöpfungskette managen:

• Produktentwicklung

Steigerung der Materialeffizienz und Entwicklung von Verpackungslösungen, die recycelbar sind und damit im Kreislauf bleiben können.

Im Einzelnen bedeutet dies: der Einsatz nachhaltiger Materialien (z.B. recycelte, nachwachsende, kompostierbare oder nach Verwendung wiederverwertbare Rohstoffe), die laufende Steigerung der Materialeffizienz (reduziertes Verpackungsvolumen für dieselbe Anwendung) sowie eine effiziente und ressourcenschonende Produktion.

• Einkauf

Sicherstellung von Nachhaltigkeitsaspekten in der gesamten Liefer-

kette, was durch das Europäische Lieferkettengesetz (CSDDD – Corporate Sustainability Due Diligence Directive) sichergestellt werden soll.

• Rückwärtsintegration

Rückwärtsintegration in das Recyclinggeschäft bzw. Aufbau von Sekundärrohstoff-Ökosystemen: Die „Hand auf den Rohstoff“ zu haben wird für viele Verpackungsunternehmen immer wichtiger. Damit kann es einen strategischen Wettbewerbsvorteil bringen, Sekundärrohstoffe nicht nur zuzukaufen, sondern schon frühzeitiger in die Wertschöpfung einzusteigen.

• Produktion

Reduktion des CO2-Ausstoßes, weiterer Emissionen und von Produktionsausschuss

• Vertrieb

Kunden den Mehrwert nachhaltiger Verpackungslösungen aufzeigen und ein profitables, wettbewerbsfähiges Pricing sicherstellen.

• Steuerung und Reporting Effiziente Abbildung der Regulatorik und Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in die Unternehmenssteuerung. 

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Christoph Kopp leitet bei Horváth den Bereich Paper & Packaging. Foto: AdobeStock
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Weiterentwicklung mit Sparpotenzial

Verpackungen ► Frutmac, ein Anbieter von Frischeprodukt-Verpackungen aus dem Südtiroler Nals bei Bozen, erweitert sein Sortiment stetig. Geschäftsführer Stephan Christoph hat dem Fruchthandel Magazin einen Überblick gegeben und stellt uns – passend zu dieser Ausgabe – auch einige besonders nachhaltige Ideen aus dem aktuellen Portfolio vor.

Zu den Neuzugängen gehört z.B. eine vollständige Lösung für die Top-Seal-Versieglung, die sowohl für Karton- als auch für Kunststoffschalen geeignet sei, berichtet Christoph. Das Unternehmen bietet dabei nicht nur die Siegelmaschinen selbst, sondern auch das dazugehörige Verpackungsmaterial an. Speziell für diese Lösung habe man einen Schalentyp gänzlich neu entwickelt. Ganz neu im ‚Team‘ sei eine achteckige Kartonschale, die dank ihrer Form mit denselben Werkzeugen versiegelt werden könne wie Kunststoffschalen, so der Geschäftsführer weiter. „Die Schale ist in verschiedenen Papierfasern erhältlich, was eine maßgeschneiderte Anpassung an die Wünsche jedes Kunden ermöglicht“, geht er ins Detail. Möglich werde dies durch die Verklebungstechnik mit der Sonderwelle ‚SlimFit‘: So entstehe eine robustere Struktur, was mehr Stabilität und Siegelfähigkeit der Kartonagen bedeute. Diese neu entwickelten Schalen lassen sich daraufhin gemeinsam mit Kunststoffschalen mit derselben Siegelmaschine und demselbem Siegelwerkzeug versiegeln, betont er. Die Außenseite des Kartons sei vollflächig bedruckbar und biete somit jede Menge Raum für visuelle Anpassung, um Markenbotschaften effektiv zu kommunizieren und Produkte im Regal hervorzuheben.

Graspapier als umweltfreundliche Variante

Neben herkömmlichem Karton hat Frutmac auch Schalen aus Graspapier im Angebot. „Die Schalen liegen im Trend: Sie sind zu 100 % biologisch abbaubar, und durch das Beimischen von 40 % Grasfasern zu Zellstoff oder Holzschliff wird im Produktionsprozess deutlich weniger Energie verbraucht als bei der Herstellung herkömmlicher Verpackung aus reinem Zellstoff“, erklärt der Geschäftsführer dazu. Chemie und Wasser werde eingespart, und das eingesetzte Gras stamme aus Ausgleichsflächen aus der Umgebung der Papier-Produktionsstätten. „So wird den Tieren kein Futtergras weggenommen, weite Transportwege entfallen auch.“ Mit Einsatz des Grasfaserrohstoffes könne man die CO2-Emissionen um bis zu 75 % verbessern, so Stephan Christoph.

Weniger Material, mehr Nachhaltigkeit

Bei den Kunststoffschalen setzt Frutmac auf innovative R-PET-Schalen aus recyceltem Material, die selbst

FrutmacGeschäftsführer Stephan Christoph, hier mit einigen neu entwickelten Verpackungen

wiederum vollständig recycelbar seien. „Diese Schalen bieten unbegrenzte Möglichkeiten in Form, Höhe und Personalisierung“, erklärt Stephan Christoph dazu. Exklusiv für den italienischen Markt vertreibe man außerdem technologisch fortschrittliche Siegelmaschinen von Packaging Automation (PA) aus Großbritannien, welche die Versiegelung verschiedener Schalentypen mit demselben Werkzeug möglich machten. Zu den weiterentwickelten Maschinen gehört auch die für Foodtainer geeignete ‚Blitzmatic‘. Die bewährte WRAPTechnik, die sich an das Kaliber der Früchte anpasst, habe man nun optimiert, um eine stabilere Leistung und eine höhere Verpackungsgeschwindigkeit zu erzielen, gibt der Geschäftsführer ein Update. Neu sei außerdem die FLAT-Variante: Dabei werde ein flacher Deckel von oben auf die Schale gesetzt, was ein Befüllen mit Obst und Gemüse in verschiedenen Formen und Größen ermögliche. „Diese Verbesserungen führen zu einer deutlichen Kostenersparnis bei den Materialkosten von bis zu 15 %“, so Stephan Christoph – und weniger Verpackung bedeutet ohnehin mehr Nachhaltigkeit. „Diese Neuerungen zeigen Frutmacs Engagement, innovative und nachhaltige Verpackungslösungen anzubieten, bei denen Effizienz und Umweltverträglichkeit im Vordergrund stehen“, zieht er abschließend ein Fazit. 

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Foto: Frutmac

Die Preise werden am 24. September im Rahmen der Fachpack in Nürnberg verliehen.

Deutscher Verpackungspreis 2024 –Einreichungsphase bis 14. Juni verlängert

DVI Das Deutsche Verpackungsinstitut e.V. (dvi) verlängert die Frist für Einreichungen zum Deutschen Verpackungspreis 2024. Unternehmen, Institutionen und Einzelpersonen aus dem In- und Ausland können ihre Produkte und Prototypen jetzt materialübergreifend bis zum 14. Juni registrieren. Bei der größten europäischen Leistungsschau rund um die Verpackung stehen insgesamt zehn Innovations-Kategorien zur Auswahl. Mit der Fristverlängerung reagiert das dvi nach eigenen Angaben auf zahlreiche Anfragen der vergangenen Tage. „Wir freuen uns über das rege Interesse und wissen um die terminlichen Schwierigkeiten durch die hohe Arbeitslast in den Unternehmen. Dazu kommt, dass wir unser neues Einreichungsportal erst Mitte April öffnen konnten und der Monat Mai mit seinen zahlreichen Feiertagen für zusätzliche Engpässe sorgt. Deshalb kommen wir den Bitten gerne nach und verlängern die Einreichungsphase bis zum 14. Juni 2024“, informiert Oliver Berndt, Bereichsleiter Events und Marketing des dvi. „Mit dem Gewinn des Verpackungspreises dokumentieren Unternehmen ihre herausragende innovative Kraft und gewinnen handfeste Argumente in der Kommunikation mit Kunden, Verbrauchern, Partnern, zukünftigen Mitarbeitern und dem eigenen Team“, betont Berndt mit Blick auf die Vorteile einer Teilnahme. Registrierung und Einreichung erfolgen über ein Onlineformular auf der Homepage des dvi unter verpackung.org. Dort informiert das dvi auch über die zehn Kategorien, ihre jeweils spezifischen Bewertungskriterien und die Zusammensetzung der unabhängigen Fachjury. Über den Verpackungspreis hinaus kann die Jury Innovationen auch mit dem besonders exklusiven Gold-Award auszeichnen. „Der Gold Award würdigt Lösungen, die selbst aus dem erlauchten Kreis der Verpackungspreisträger noch herausragen“, sagt Oliver Berndt. Der dvi-Bereichsleiter weist außerdem darauf hin, dass sich Gewinner eines Deutschen Verpackungspreises automatisch für die Teilnahme am WorldStar-Award der World Packaging Organisation (WPO) qualifizieren.

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Foto: dvi

Neue Akademie lehrt ganzheitlichen Ansatz der Wertschöpfungskette

Südafrika | Rosinen ► Die rückstandsarme Produktion, unterstützt durch eine Reihe von Nachhaltigkeitsinitiativen, macht südafrikanische Rosinen für deutsche Käufer und Verbraucher attraktiver denn je. Südafrikas Status als nahezu rückstandsfreier Rosinenproduzent in Verbindung mit einer Reihe zukunftsweisender ökologischer und sozialer Initiativen spricht für den Status des Landes als weltweit führendes Land in Sachen Nachhaltigkeit, so die Agentur Red.

Das Nachhaltigkeitsbild der Branche sei breit gefächert und decke eine Reihe von Bereichen ab, vom Boden- und Wasserschutz bis hin zu Transformationsinitiativen und der Ausbildung von Nachwuchslandwirten. All dies sei Teil eines übergreifenden Plans, der sicherstellen soll, dass die Branche in den modernsten Techniken geschult wird und auch in Zukunft in Harmonie mit der Natur leben kann. Dies sei besonders wichtig, da die natürliche Umgebung den Landwirten die Grundlage für die Produktion von Rosinen mit sehr geringen Rückständen biete – ein Faktor, der für deutsche Käufer und Verbraucher in einer Zeit, in der die Lebensmittelsicherheit höchste Priorität hat, von entscheidender Bedeutung sei.

In der Hauptanbauregion am Orange River gibt es lange, heiße Tage, die sich hervorragend für die Anreicherung von Zucker und die Produktion von süßen Rosinen eignen. Die niedrige Luftfeuchtigkeit bedeute aber auch, dass es weniger Probleme mit Schädlingen, Krankheiten und Pilzen gibt, was dazu führe, dass die Pflanzen nur minimal besprüht werden müssen und folglich ein extrem rückstandsarmes Produkt entstehe. „Niedrige Rückstände verschaffen uns einen echten Vorteil auf dem Markt, denn ich denke, das sollte das erste Kästchen sein, das die Käufer unter dem Gesichtspunkt der Lebensmittelsicherheit ankreuzen, um sicherzustellen, dass die Verbraucher Zugang zum bestmöglichen Produkt haben“, sagt Ferdie Botha, Geschäftsführer des Branchenverbandes Raisins SA. Darüber hinaus haben die langen Sonnenstunden die Erzeuger in die Lage versetzt, groß angelegte Solarprojekte zu installieren und

In der Hauptanbauregion am Orange River gibt es lange, heiße Tage, die sich bestens für die Anreicherung von Zucker und die Produktion von süßen Rosinen eignen.

so ihren eigenen erneuerbaren Strom in einem Land zu erzeugen, in dem die Energieversorgung nach wie vor unbeständig ist. Unterstützt wird dies durch eine Reihe von Projekten, die auf den Schutz von Wasser und Boden abzielen, wie z.B. die Einführung von Bodenfeuchtemessgeräten, Wetterstationen, Fernüberwachungsgeräten und Schwerkrafttropfleitungen, um sicherzustellen, dass Wasser sparsam verwendet wird und der Boden gesund bleibt.

Vine Academy bildet Erzeuger aus

Die niedrige Luftfeuchtigkeit bedeutet, dass es weniger Probleme mit Schädlingen, Krankheiten und Pilzen gibt, sodass die Pflanzen nur minimal besprüht werden müssen.

Die 700 südafrikanischen Landwirte tauschen regelmäßig bewährte Verfahren in einer Branche aus, die wesentlich stärker konsolidiert ist als die anderer großer Lieferländer, deren Erzeuger in die Zehntausende gehen können. Ein Paradebeispiel dafür sei die kürzlich gegründete Vine Academy in Kakamas im Nordkap, eine akademische Einrichtung, die mit der Ausbildung der nächsten Generation von Rosinenbauern begonnen hat. Die Akademie biete eine Ausbildung an, die die Lernenden auf eine breite Palette von Berufen in der Weinbauindustrie vorbereite. Es gibt Zertifikate und Diplome mit wissenschaftlichem Schwerpunkt, z.B. in den Bereichen Pflanzenbiologie und Agrartechnik, sowie technische Kurse, die alles von Bodenkunde, Bewässerung, Rebschnitt, Schädlings- und Krankheitsbekämpfung bis hin zu Planung, Ökonomie des Weinbaus und Finanzwissen abdecken. Hand in Hand mit der Akademie gehe ein Modellbetrieb, der es den Studenten ermög-

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Fotos: Raisins South Africa

liche, das Gelernte in die Praxis umzusetzen, und der eine Plattform für die Erprobung neuer Sorten, Technologien und Produktionsmethoden biete, die letztlich auch kommerziell genutzt werden könnten. „Einer der Hauptgründe für die Gründung der Weinakademie war es, jungen Menschen, die in die Branche einsteigen wollen, beizubringen, dass man nachhaltig wirtschaften muss“, erklärt Akademiedozent Dr. Andries Daniels, der auch Forschungs- und Entwicklungsleiter bei Raisins SA ist. „Wenn man auf eine Farm geht, braucht man einen ganzheitlichen Ansatz für alles, was dort passiert, und man muss ein Bild der gesamten Wertschöpfungskette haben, von dem, was in den Boden kommt, bis hin zu dem, was der Verbraucher bekommt, wenn er die Rosine isst. Das bedeutet, dass er genau weiß, woher seine Rosine kommt, wie sie produziert wurde, wie die Menschen behandelt wurden und dass die Prozesse fair waren.“

Umgestaltung ist positiv für Demokratie

Viele Rosinenproduzenten nehmen aktiv an der SIZA (Sustainability Initiative of South Africa) teil, einer branchenübergreifenden Plattform, die es Landwirten ermöglichen soll, hohe ethische und ökologische Nachhaltigkeitsstandards zu erfüllen. Das SIZA-Audit, das in Zusammenarbeit mit den internationalen Prüfinstituten GLOBALG.A.P. und Sedex durchgeführt wird, stelle sicher, dass die aus Südafrika exportierten Pflanzen eine Reihe von wichtigen Nachhaltigkeitsverpflichtungen erfüllen. Die Umweltstandards von SIZA konzentrieren sich auf Boden, Wassermanagement, Artenvielfalt und Ökosysteme sowie auf Energie, Materialien und Abfall. Der Sozialstandard decke alles ab, von der Geschäftsethik über Zwangs- und Kinderarbeit, Diskriminierung, Gesundheit und Sicherheit bis hin zu den Arbeitsbedingungen.

Angesichts der sozialen Geschichte Südafrikas wird die Umgestaltung des Landwirtschaftssektors auch als wesentlich für den Fortschritt der Demokratie des Landes selbst angesehen. Für Raisins SA bedeute Transformation die Entwicklung und Umsetzung von Programmen, die aufstrebende schwarze Erzeuger unterstützen und ihnen die Möglichkeit geben, kommerzielle Rosinenproduzenten mit Marktzugangschancen zu werden. Der Branchenverband gibt etwa 20 % seiner satzungsgemäßen Gesamtabgabe für Transformationsmaßnahmen aus, wobei die Hälfte davon in die Unternehmensentwicklung und etwa ein Viertel in

Die Akademie vergibt Zertifikate und Diplome mit wissenschaftlichem Schwerpunkt, z.B. in den Bereichen Pflanzenbiologie und Agrartechnik. Die

die Kompetenzentwicklung fließe. Diese Maßnahmen umfassen eine breite Palette von Bereichen, von der finanziellen Unterstützung und revolvierenden Krediten für Rosinenproduzenten bis hin zur Unterstützung aufstrebender Erzeuger bei der Ernte und dem Rebschnitt, der Entwicklung von Geschäftsplänen und der Bereitstellung von Schulungs- und Unterstützungsdiensten. In den Betrieben wird ein ganzheitlicher Ansatz für die Entwicklung der Weinberge verfolgt, der die Bodenvorbereitung, das Pflanzenmaterial, Düngemittel, Pfähle, Drähte und die Entwässerung umfasse – kurz gesagt, den Landwirten die bestmöglichen Erfolgschancen biete.

Förderung von Frauen

Neben der Umstellungsarbeit hat sich Raisins SA auf die Förderung von Frauen konzentriert, z.B. durch ein Projekt, das aufstrebenden Landwirtinnen Unterstützung beim Bau ihrer eigenen Anlagen zum Trocknen von Rosinen anbietet und sie darin schule, wie sie den Boden für die Anpflanzung von Weinbergen vorbereiten können. Auch die Aufklärung über die neuesten Düngeprogramme und Rebschnitttechniken sei Teil der Arbeit. Alles zusammen ergebe ein beeindruckendes Werk, von dem Südafrika glaubt, dass es sowohl seine moralische Pflicht als verantwortungsbewusster Lieferant erfülle als auch eine gute Ausgangsposition hat, um seinen Anteil auf dem bedenklichen deutschen Markt zu vergrößern. Angesichts der Tatsache, dass die südafrikanische Produktion im Verlauf des Jahres auf fast 100.000 t ansteigen soll – und das zu einer Zeit, in der die türkische Produktion durch extreme Wetterbedingungen stark beeinträchtigt wurde – sei Südafrika mit diesem qualitativ hochwertigen Produkt, das praktisch keine Rückstände aufweist, bestens aufgestellt, um der Lieferant der Wahl zu werden. 

FH FRUCHTHANDEL | 43 22-23 I 2024
südafrikanische Produktion soll 2024 auf fast 100.000 t ansteigen.
Foto: Jaco Wolmarans
„Wenn die Wirkung stimmt, muss es nicht schön aussehen“

Bodensee-Stiftung | Insektenförderung ► Der Obsthof Arnold in Friedrichshafen-Kluftern ist der Demobetrieb im Projekt „Insektenfördernde Regionen“. Die Bodensee-Stiftung berät und begleitet ihn bei der Umsetzung von Maßnahmen für mehr Insektenschutz.

Aprikosen und Pfirsiche blühen seit jeher zeitiger als Apfelbäume. In diesem Jahr sichtete Bettina Arnold auf ihrer Obstanlage in Friedrichshafen-Kluftern allerdings schon Mitte März die ersten Aprikosenblüten, rund drei Wochen früher als üblich. So früh kann sich der Obstanbau nicht auf den Dienst von Honigbienen verlassen. Bei Temperaturen unter 12 °C sind Frühblüher und aktuell viele Obstsorten mehr vor allem auf die Bestäubung durch Wildbienen angewiesen. Sie sind hartgesotten und suchen auch bei einstelligen Celsiusgraden Blüten auf. Doch viele der rund 560 Wildbienenarten in Deutschland kommen immer seltener vor.

Insekten wieder mehr Lebensraum und Nahrung zu bieten ist das Ziel des EU-LIFE-Projekts „Insektenfördernde Regionen“, das von der Bodensee-Stiftung geleitet wird. In sieben Regionen in Deutschland und Norditalien arbeiten Projektpartner daran, Insektenschutz in die Fläche zu bringen. In der Region Bodensee zählt der Obsthof Arnold zu den Demonstrationsbetrieben. Die im Projekt engagierten Landwirtinnen und Landwirte mit Obst-, Wein-, Gemüse- und Getreideanbau werden von Mitarbeitern der Bodensee-Stiftung bei der Entscheidung für individuell für sie geeignete Maßnahmen beraten und bei der Umsetzung begleitet. „Schon als Kind habe ich mich sehr für Insekten interessiert“, erinnert sich Bettina Arnold. Sie vertritt die

Blühstreifen in den Fahrgassen, z.B. mit der Kleinen Braunelle, bieten einen gedeckten Tisch für Insekten außerhalb der Obstblüte.

Haltung, dass auch Obstbauern eine Mitverantwortung für das Wohlergehen der Insekten tragen. Deshalb wollten die Arnolds in ihren Anlagen schon lange mehr für Insekten tun. „Ideen gibt es viele, sie sind aber oft nicht praxisnah“, sagt Bettina Arnold zur Begründung, weshalb sie sich nun im Projekt der Bodensee-Stiftung engagiert.

Vielfätige Maßnahmen –von niederschwellig bis aufwendig

Die Obsterzeuger Bettina und Georg Arnold engagieren sich im Projekt „Insektenfördernde Regionen“ der Bodensee-Stiftung.

Begleitet von Projektmanagerin Annekathrin Vogel setzen die Arnolds sowohl einfache als auch aufwendigere Maßnahmen um. Eine der ersten, die viele auch in ihrem Vorgarten anwenden könnten, war, eine Forsythienhecke auszutauschen. Die Pflanzen sind hier nicht heimisch und deshalb für hiesige Insekten, die im Frühjahr dringend Futter benötigen, völlig wertlos. „Stattdessen haben wir Kornelkirsche, Gemeinen Liguster, Wolligen Schneeball, Rosa multiflora und Haselnuss gepflanzt“, zählt Bettina Arnold auf. Aufwendiger und bereits wirkungsvoll war das Anpflanzen von sogenannten Ankerpflanzen. Auf Empfehlung von Agraringenieurin Annekathrin Vogel laden nun rotblättrige Wildrose (Rosa Glauca), Rosa Pimpinellifolia und Pfaffenhütchen die Insekten, Spinnen und auch Vögel am Ende von Obstbaumreihen zum Essen ein. Der Vorteil: Sie bieten den Insekten auch noch nach der Obstblüte bis in den Herbst Nahrung und ganzjährig Lebensraum. Die Aus-

FH 44 | FRUCHTHANDEL 22-23 I 2024 NACHHALTIGKEIT
Foto: Bodensee-Stiftung Arnold

wahl der Ankerpflanzen ist nicht profan: Die Kornelkirsche bspw. ist gerade bei Steinobst nicht zu empfehlen, da sie die Kirschessigfliege anzieht, warnt die Obstbäuerin. Die invasive Insektenart legt ihre Eier in reifende Früchte. Die Larven zerstören dann die Früchte von innen. Auch hängt die Entscheidung für die passenden Pflanzen vom vorhandenen Platz zwischen den Obstreihen ab. Schließlich sollen die Feldmaschinen weiterhin gut in die Fahrgassen einfahren können, ohne behindert zu werden und ohne die Pflanzen in Mitleidenschaft zu ziehen. „Bei künftigen Neuanlagen werden wir darauf Rücksicht nehmen und die Fahrgassen weiter anlegen“, kündigt Bettina Arnold an. Denn die Wirkung der Ankerpflanzen auf die Insekten hat sie überzeugt. Noch dazu sehen sie schön aus. Der Pflegeaufwand halte sich in Grenzen, „die schneidet

man einfach beim Baumschnitt mit“, sagt die Obstbäuerin pragmatisch.

Ohrenkneifer – bedingt willkommen

Mehr Arbeitszeit als erwartet hätten blühende Fahrstreifen erfordert. „Das Mulchen hat uns ein Problem mit Wühlmäusen beschert“, sagt Bettina Arnold. Obwohl Greifvögel zufassten und auch unter Hagelnetzen erfolgreich Stellung bezogen, haben sich die kleinen Nager stark vermehrt. Die Gegenmaßnahme: In dieser Saison werden die Landwirte alternierend mulchen, das heißt, sie werden zeitversetzt nur jede zweite Fahrgasse entsprechend bearbeiten. So groß die Freude über mehr Insekten ist, sind doch nicht alle Insekten überall willkommen: Teilweise können sie sowohl als Nützlinge wie auch als Schädlinge auftreten. Während zum Beispiel die Unterstützung der Ohrenkneifer-Population in Apfelanlagen erwünscht ist, weil sie natürliche Feinde von Blutläusen sind, sind Ohrenkneifer an Aprikosenbäumen weniger willkommen: Hier schädigen sie angeknabberte Früchte weiter. Also ziehen die Arnolds die Tierchen mittels Ohrenkneiferfallen von Aprikosen- in Apfelanlagen um, damit sie dort gegen Läuse aktiv werden können. Wirkungsvoll

Die Marktgemeinschaft Bodenseeobst eG ist eine der größten EU-anerkannten Erzeugerorganisationen für Obst in Deutschland. Ihre Kernaufgaben sind die Steuerung der Vermarktung und des Anbaus des Obstes ihrer Mitglieder, das als `Obst vom Bodensee´ vermarktet wird. Die Vermarktung selbst hat sie zu privaten Vermarktungsbetrieben ausgelagert. Geleitet wird sie durch den Vorstand.

Im Zuge einer Nachfolgeregelung suchen wir ein neues Mitglied für den

Vorstand mit der Funktion des Geschäftsführers (m/w/d)

Ihre zukünftigen Aufgaben:

o Steuerung der Vermarktung und des Anbaus

o Weiterentwicklung der Strukturen und des Netzwerkes der Obstvermarktung

o Repräsentation der MaBo nach Innen und Außen (europaweit)

o Wirtschaftliche Leitung der Genossenschaft

o Führung der sehr gut ausgebildeten und motivierten Mitarbeiter in Verwaltung, Anbauberatung, QM und Bedarfsartikelgeschäft

Was wir erwarten:

o Akademische Ausbildung mit Abschluss mit Schwerpunkten in den Bereichen Betriebswirtschaft und Gartenbau bzw. Landwirtschaft oder vergleichbares

o Erfahrung und Kompetenz in der Geschäfts- und Personalführung

war auch das Anlegen von zwei mehrjährigen Blühstreifen auf einer Grünfläche, auch wenn sie für Laien wenig beeindruckend wirkten. „Da waren im zweiten Jahr nicht mehr sehr viele bunte Blüten“, berichtet Bettina Arnold. Doch bieten die mehrjährigen Blühstreifen Insekten Überwinterungsmöglichkeiten. Dazu dienen auch Klee und z.B. Wilde Möhre als Nahrungsquellen. Auf manchen Spaziergänger mag eine solche Fläche ungepflegt wirken. Bettina Arnold hat dazu aber keine negativen Rückmeldungen erhalten. „Selbst wenn: Das muss in unsere Köpfe rein, dass es nicht schön aussehen muss, wenn die Wirkung stimmt“, sagt sie mit Nachdruck. Sie würde sich auch in viel mehr Privatgärten und auf Firmengeländen eine naturnahe Gestaltung wünschen, „jeder kurzgeschnittene Rasen ist eine verschenkte Chance.“ 

o Kommunikationsfähigkeit, Durchsetzungsfähigkeit, Verhandlungsgeschick und Verbindlichkeit

o gute Kenntnisse vom Obstmarkt

o PKW-Fahrerlaubnis, sicheren Umgang mit MS-Office, gute Deutschkenntnisse in Wort und Schrift und gute Kenntnisse der englischen Sprache setzen wir voraus

Wir bieten Ihnen:

o einen interessanten und abwechslungsreichen Arbeitsplatz direkt am Bodensee o ein unbefristetes Arbeitsverhältnis o eine leistungsgerechte Vergütung mit Geschäftswagen zur privaten Nutzung

Haben wir Ihr Interesse geweckt, dann senden Sie uns ihre Bewerbungsunterlagen mit Angaben Ihrer Gehaltsvorstellungen sowie des möglichen Eintrittstermins bis zum 5. Juli 2024 an:

Marktgemeinschaft Bodenseeobst eG

Ulrich Hellwege (Vorstand) Albert-Maier-Straße 6 88045 Friedrichshafen bewerbung@mg-bodenseeobst.de Telefon: 07541 5010 0

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Städtischer Gemeinschaftsgarten in New York City. Der Garten bietet neben frischem O+G auch Bildungsund Erholungsmöglichkeiten.

Foto: Nevin Cohen

Urbane Landwirtschaft für Klimanutzen sorgfältig planen

FORSCHUNG Eine internationale Studie unter Leitung der University of Michigan (UM) kommt zu dem Ergebnis, dass der Kohlenstoff-Fußabdruck von O+G, das urban angebaut wird, im Durchschnitt sechsmal größer ist als bei konventionell angebauten Produkten. Einige wenige in der Stadt angebaute Pflanzen konnten jedoch unter bestimmten Bedingungen mit der konventionellen Landwirtschaft gleichziehen oder sie sogar übertreffen. Tomaten, die in der Erde von städtischen Freiflächen angebaut wurden, wiesen eine geringere Kohlenstoffintensität auf als Tomaten, die in konventionellen Gewächshäusern angebaut wurden, während der Emissionsunterschied zwischen konventioneller und städtischer Landwirtschaft bei per Luftfracht angebauten Pflanzen wie Spargel verschwindet. Jason Hawes, Mitautor der Studie und Doktorand an der School for Environment and Sustainability der UM: „Die urbane Landwirtschaft bietet eine Reihe sozialer, ernährungsbezogener und umweltbezogener Vorteile, die sie zu einem attraktiven Element künftiger nachhaltiger Städte machen. Diese Arbeit zeigt Wege auf, wie sichergestellt werden kann, dass die urbane Landwirtschaft sowohl dem Klima als auch den Menschen und Orten zugutekommt. Neben der Lebensmittelproduktion profitieren die städtischen Landwirte auch von der psychischen und physischen Gesundheit, der Umwelterziehung und dem Aufbau von Kapazitäten in der Gemeinschaft. Sie tragen auch zur Verbesserung der Umwelt bei, indem sie Bienen und wild lebenden Tieren in der Stadt ein Zuhause und einen gewissen Schutz vor dem städtischen Wärmeinseleffekt bieten. In einem kürzlich durchgeführten Projekt haben wir uns mit einzelnen Gärtnern, Freiwilligen und Farmmanagern zusammengetan, um diese Vorteile zu erforschen und gleichzeitig den Kohlenstoff-Fußabdruck dieser Praxis zu bewerten.“ Im Durchschnitt emittierten Lebensmittel aus städtischer Landwirtschaft 0,42 kg Kohlendioxidäquivalente pro Portion, sechsmal mehr als die 0,07 kg CO2e pro Portion konventionell angebauter Produkte. „Durch die Bewertung der tatsächlichen Inputs und Outputs in der städtischen Landwirtschaft konnten wir die Auswirkungen auf den Klimawandel jeder Portion zuordnen“, sagte der Mitautor der Studie, Benjamin Goldstein, Assistenzprofessor an der U-M‘s School for Environment and Sustainability. „Dieser Datensatz zeigt, dass die urbane Landwirtschaft höhere Kohlenstoffemissionen pro Portion O+G aufweist als die konventionelle Landwirtschaft – mit einigen Ausnahmen.“

THEMENVORSCHAU

Ausgabe ET AS Themenschwerpunkte

2414.06.202404.06.2024

• Avocados

• Steinobst aus Spanien

• Ananas

• Fresh Convenience

109. Jahrgang (gegründet 1916)

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- Spanien: Agronoticias: Daphne Schmidt (ds), daphne@agronoticias.es

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Marlis Heinz (mhz) I Dr. Henriette Ullmann (hu) I Betina Ernst (be) I Louise Brodie, Lucentlands (lb) I Ralf Petrov (rp)

Jahresabo Inland 280 € | Ausland 335 € | Digital-Abo 230 € (alle Preise inklusive Versandkosten, zuzüglich Mehrwertsteuer)

Erscheinungsweise wöchentlich, ISSN 0429-7830

Druck: D+L Reichenberg GmbH, Bocholt

2521.06.202411.06.2024

• Frischepartner Niederlande

• Sommerfrüchte aus Italien

• Melonen aus Murcia

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Weitere Termine siehe www.fruchthandel.de/magazin/themenplan

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