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Biodiversität nicht nur begrüßen, sondern auch honorieren
Blühstreifen in Obstanlagen sind ein viel beachteter Weg, aber kein Allheilmittel für Biodiversität. Dr. Jürgen Esser vom Büro für Freilandökologie berichtete über seine Untersuchungen an Blühstreifen in Apfelanlagen. Das Fruchthandel Magazin sprach mit dem Experten.
Marlis Heinz
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Zu denen, die 2009 das jetzt abgeschlossene Projekt „Biodiversität konkret – Artenvielfalt im Apfelanbau fördern“ ins Rollen brachten, gehören die Bayer CropScience Deutschland GmbH, der Obstbaubetrieb Ebenheit, die EO Dresdener Obst und die Veos. Ab 2012 verflocht sich vieles davon mit dem noch weiterlaufenden Projekt Pro Planet von Rewe Group und Nabu. Hinzu kam das durchs Bundesamt für Naturschutz geförderte Projekt „Ökologische Vielfalt in Obstanlagen“ im Rahmen von „leben.natur.vielfalt“. Wo waren Sie involviert?
Dr. Jürgen Esser: Auch wenn in den drei Projekten teilweise unterschiedliche Aspekte beleuchtet wurden, die Fragestellungen ähnelten sich: Was hilft, die Biodiversität in Obstanlagen zu erhöhen und auf diesem Wege die Bestäubungsleistung zu verbessern und dabei mit weniger Pflanzenschutzmitteln auszukommen? Ich habe während der gesamten Laufzeit das von Bayer CropScience initiierte Projekt wissenschaftlich betreut.
Was also haben Sie getan?
Alles begann mit einem eher kurzen Blick auf einen angelegten Blühstreifen und dem ziemlich schnell erbrachten Beweis, dass der Einsatz von Blühstreifen zu einem deutlichen Anstieg der Biodiversität führt. Zuerst wurden die Tiere nur mit eher klassischen Methoden gefangen und gezählt. In der gegenwärtigen finalen dritten Phase kam sogar die neue Methode des DNA-Metabarcoding zum Einsatz, was völlig neue Insektengruppen in die Bestimmung einbezieht.
Sie haben von 2017 bis 2019 auch Nisthilfen für Insekten erprobt. Ist dazu nicht längst alles bekannt?
Keinesfalls, denn wir hatten unter anderem ein verblüffendes Ergebnis: Die mit Abstand meisten Arten bevorzugen nicht etwa die populären Insektenhotels, sondern Erdhügel und Steilwände. Neben den Nisthilfen wurden auch alle weiteren Habitate der Apfelanlagen untersucht, so dass wir insgesamt 243 Arten Wildbienen, Wespen und spezifischer Gegenspieler nachweisen konnten.
Was bewegt ihren Forschungsbereich heutzutage in Sachen Obst- und Gemüseanbau?
Vor allem das Thema Nützlinge, das in der Vergangenheit
Dr. Jürgen Esser vom Büro für Freilandökologie
Der Einsatz von Blühstreifen führt zu einem deutlichen Anstieg der Biodiversität führt.
Fotos: Heinz
sehr vernachlässigt wurde. Nützlinge können zwar den herkömmlichen Pflanzenschutz nicht vollständig ersetzen, aber ihr Potenzial, den Einsatz chemischer Mittel deutlich zu reduzieren, wird meines Erachtens immer noch unterschätzt. Durch den Einsatz des DNA-Barcodings ist es nun erstmals möglich, auch die parasitischen Wespen, in Deutschland handelt es sich immerhin um mehr als 7.000 Arten, in die Untersuchung einzubeziehen und so das Nützlingspotenzial im Detail zu erschließen.
Was glauben Sie, welche Informationen über all diese Bemühungen zur Biodiversität in Obstanlagen kommen überhaupt beim Verbraucher an? Schließlich soll er dafür auch bezahlen. Und wie könnte der Lebensmitteleinzelhandel am erforderlichen Wissenstransfer mitwirken?
Leider fließen insgesamt immer noch zu wenige Informationen. Dabei bietet die Digitalisierung – Stichwort QR Code auf den Verpackungen – eigentlich gute Möglichkeiten. Die Biodiversitätskrise ist genauso groß und gravierend wie die Klimakrise. Diesbezüglich muss noch viel mehr Aufklärungsarbeit geleistet werden. Was letztlich auch zur Akzeptanz höherer Preise führen sollte. Oder, aus meiner Sicht viel erstrebenswerter, zur Akzeptanz von Früchten, die etwas weniger makellos sind, dafür aber deutlich umweltschonender produziert wurden.