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Die Transportkrise ist noch lange nicht vorbei

Die weltweite Krise in der Frachtschifffahrt mit einer drastischen Verknappung von Transportkapazitäten und explodierenden Transportkosten wird nach Einschätzung vieler Experten auch im kommenden Jahr noch anhalten. Das hat sich in den vergangenen Monaten auch erheblich auf den Containerverkehr im Bereich temperatursensibler Produkte wie Obst und Gemüse ausgewirkt. Trotz der Bemühungen von Logistikanbietern, die globalen Lieferketten wieder zu normalisieren, wird erwartet, dass die Unterbrechungen auch im nächsten Jahr anhalten werden. Die Frachtraten für Frischwaren auf den Weltmeeren werden 2022 voraussichtlich weiter ansteigen. Zu diesem Schluss kamen jetzt Analysten von RaboResearch und Drewry Maritime Research.

Michael Schotten

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Die Slots für Containerschiffe beleiben angesichts des geringen Angebots und der anhaltenden Unterbrechung der Lieferketten knapp.

Foto: Hapag-Lloyd

Derzeit warten Tausende von Mega-Containerschiffen vor den Küsten Nordamerikas, Europas und Asiens auf einen Liegeplatz, was weltweit zu Engpässen in der Lieferkette führt. Laut einer aktuellen Studie von RaboResearch haben Kapazitätsengpässe aufgrund der Streichung von Fahrten in den Jahren 2020 und 2021 zu einem Teufelskreis geführt, der die weltweite Verteilung der Container aus dem Gleichgewicht gebracht hat. „Es gibt keine einfache Lösung für dieses Problem, und die Störungen werden wahrscheinlich auch im nächsten Jahr anhalten“, prognostizieren die Analysten Xinnan Li und Matteo Iagatti. Eine Reihe von Ereignissen wie die Blockade des Suezkanals, die Schließung von Häfen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und banalere Ursachen wie Stromausfälle in China haben die Ungleichgewichte auf dem Containermarkt verschärft. „Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Kapazitätsbeschränkung schnell beseitigt wird. Solange dies nicht geschehen ist, werden die Bemühungen der Industrie, den Rückstau an Containern abzubauen, den Handel mit Rohstoffen und Halbfertigwaren wieder in Gang zu bringen und die steigende Nachfrage des Einzelhandels zu befriedigen, behindert“, betonen die Autoren der Studie. Die gerade in der Vorweihnachtszeit starke weltweite Nachfrage des Einzelhandels und die Ungleichgewichte in der Containerverteilung würden die Seeschifffahrt weiterhin unter Druck setzen. „Auch wenn der Spielraum für einen Preisanstieg begrenzt ist, gehen wir davon aus, dass der Markt in den nächsten sechs bis zwölf Monaten weiterhin mit hohen Preisen und geringer Zuverlässigkeit konfrontiert sein wird.“

Widerstandsfähigkeit der Lebensmittel- und Agrarlieferketten

Lichtblicke gibt es aber auch in der Untersuchung der Rabobank-Experten zu vermelden. Die internationalen Lebensmittel- und Agrarversorgungsketten haben sich – so Xinnan Li und Matteo Iagatti – bei der Bewältigung der Störungen in den Jahren 2020 und 2021 als sehr widerstandsfähig erwiesen. „Der Sektor hat sich von mehreren Schließungen erholt und es geschafft, mit dem wachsenden Volumen des Welthandels Schritt zu halten. Die Erholung wird jedoch durch Ungleichgewichte im Kühltransportsektor gefährdet.“ In den kommenden Jahren würden zwar noch größere Schiffe in Dienst gestellt werden. Aber das seien langfristige Lösungen. Die größte Gefahr für Störungen in naher Zukunft gehe von mehreren Quellen aus: dem globalen Problem der Containerverteilung, regionalen Ungleichgewichten im Kühltransportsektor, aber auch einem weltweiten Mangel an Lkw-Fahrern und qualifizierten Arbeitskräften in der Lebensmittelversorgungskette. Exportprobleme werden für Süd- und Mittelamerika vorausgesagt. Was die Kühlcontainer betrifft, so wird erwartet, dass die Gesamtkapazität weiterhin stetig um 4 % wächst, aber auch, dass die regionalen Ungleichgewichte nach den Unterbrechungen in den Jahren 2020 und 2021 zu höheren Preisen führen werden, sobald die süd- und mittelamerikanische Exportsaison beginnt.

Weiterer Anstieg der Frachtraten erwartet

Gegenwärtig schließen die Lieferanten der Südlichen Hemisphäre die Verhandlungen für ihre saisonalen Frischwarenausfuhren ab, ebenso wie die multinationalen Bananenunternehmen und Einzelhändler für ihre Ladungen in alle Welt. War man bisher davon ausgegangen, dass sich die anhaltenden Störungen in der Lieferkette bis Mitte 2022 von selbst beheben würden, so rechnet Drewry Maritime Research in London nun damit, dass diese Situation bis zum nächsten Jahr andauern wird und sich die Belastung des Systems bis 2023 nicht verringern wird. Die Analysten gehen in ihrer aktuellen Untersuchung von einem weiteren Preisanstieg aus. Laut dem ‚Reefer Shipping Forecaster‘ werden sich die Frachtraten für Kühlcontainer bis einschließlich 2022 erhöhen, da sich der Kühlcontainerverkehr nach einer Stagnation im Jahr 2020 erholt zeigt und die Slots für Containerschiffe angesichts des knappen Angebots und der anhaltenden Unterbrechung der Lieferkette knapp bleiben. Der ‚Global Reefer Container Freight Index‘, ein gewichteter Durchschnitt der Raten auf den 15 wichtigsten Hochseerouten für Kühlschiffe, stieg im Jahresverlauf bis zum dritten Quartal 2021 um 48 %, und bis zum Ende des vierten Quartals wird erwartet, dass diese Zuwächse bis zu 55 % erreichen werden. Profitieren konnten von der angespannten Situation im globalen Seefrachtverkehr in jedem Falle die Betreiber von konventionellen Kühlschiffen. Perspektivisch werden den Experten von Drewry zufolge vor allem die Verlader von Ladungen mit geringerem Wert, wie Bananen, Zwiebeln, Citrusfrüchten oder Tiefkühlgemüse, mit viel höheren Transportkosten konfrontiert, nachdem sie jahrelang von relativ niedrigen Frachtraten profitiert hatten, die ihnen bei der Erschließung weit entfernter Märkte halfen. „Sie müssen nun hart arbeiten, um sicherzustellen, dass diese höheren Kosten an Einzelhändler und Endverbraucher weitergegeben werden.

Foto: Hapag-Lloyd

Immer noch gibt es bei der Containerverfügbarkeit Ungleichgewichte im Weltmarkt.

Foto: Maersk Container Industry

Es wird erwartet, dass die Produktion von Kühlcontainern 2021 auf einem Rekordhoch liegen wird.

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