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standsvorsitzender der ÖKOWORLD AG

Bewährtes und Erfrischendes

Für zarte besaitete Gemüter war das zu Ende gehende Kapitalmarktjahr nichts. Nein, 2020 wird seinen Platz in der Geschichte finden. Eine wahre Bergachterbahn. Und das lange nicht wirklich präsente Thema der Volatilität stand im Fokus. Im Frühjahr, aber auch im Spätherbst um den knappen Ausgang der US-Präsidentschaftswahl. Lagen Sie mit Ihren Empfehlungen für die Kunden richtig?

Zum Jahresanfang war die Welt scheinbar noch in Ordnung. Zwar gab es vereinzelt kritische Stimmen, die mitunter schwerere Zeiten an den Kapitalmärkten vorhersagten. Doch die grundsätzliche Stimmung unter den Börsianern war ok. Am günstigen Umfeld für kapitalmarktnahe Finanzprodukte hatte sich wenig geändert. Nach zwei Monaten war diese Glückseligkeit aber schon vorbei. Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie änderten sich die Vorzeichen.

Im Laufe weniger Handelstage sackten die Kurse dramatisch ein. In der Spitze knickte der DAX um 35 % ein. Doch, oh Wunder, die Kurse haben bis zum September ihren Einbruch mehr als wettgemacht. Teilweise kletterten sie auf neue Höchststände. Doch mit der „zweiten Welle“ und der erhöhten Unsicherheit im Markt gaben die Kurse wieder nach, so dass wir zum 05.11. um die 12.500 Zähler im DAX sehen. Wenn Sie bedenken, dass wir im Frühjahr pure Tristesse hatten und alles gen Süden tendierte, ist diese Entwicklung durchaus beachtlich. Doch welche Investmentlösungen und -produkte waren sehr nachgefragt? Mit welchen Empfehlungen lagen Sie richtig?

Das Neugeschäft der offenen Publikumsfonds vollzog, laut Branchenverband BVI, im 1. Halbjahr einen Vorzeichenwechsel. Nach Abflüssen im Zeitraum Januar bis März von netto 11,4 Mrd. Euro erzielten die Fonds im 2. Quartal Zuflüsse von knapp 16 Mrd. Euro. Die Absatzliste im 2. Quartal führen Aktienfonds mit 9,8 Mrd. Euro und Mischfonds mit 5,8 Mrd. Euro an. Im 1. Quartal hatten beide Fondskategorien erhebliche Mittelabflüsse. Rentenfonds verzeichneten unter dem Strich im 1. Halbjahr moderate Zuflüsse, Geldmarktfonds Abflüsse. Werfen Sie nun einen Blick auf einzelne Regionen und/oder Sektoren, so fällt Folgendes auf. Die beiden Großmächte USA und China führen die

Rangliste der Best-Performer in 2020 an. Der Leitindex Dow Jones nähert sich allmählich den 30.000 Zählern an, wenngleich das laufende Jahr durchschnittlich verlief. Das natürlich auch vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie, die auch in den USA massiv grassierte. Davon abgesehen sind die großen US-Techkonzerne zweifelsfrei die klaren Gewinner der Aktienmarktrally. Apple, Microsoft, Amazon, Alphabet und Facebook befinden sich auf der Erfolgspur. Das war allerdings auch schon im vergangenen Jahr der Fall. Viele US-amerikanische Unternehmen sind Profiteure struktureller Trends und nachhaltig erfolgreich. Ablesbar auch am S&P 500-Index. Auch der „Feind“ im Osten, China, ist durchaus bei den Outperformern zu finden. Ein gigantisches Land, eine riesige Volkswirtschaft, die trotz ihrer teilweisen Öffnung in Richtung der freien Marktwirtschaft immer noch unübersichtlich, intransparent wirkt. Zwar hatte die globale Pandemie sehr wahrscheinlich hier ihren Ursprung, aber die Wachstumsraten liegen auch jetzt noch höher als in den etablierten Wirtschaftsräumen. Die Wirtschaft schrumpft nicht, sie wächst nur langsamer. Und das Land kam wohl verhältnismäßig gut durch die Pandemie.

Indizes mit Schwerpunkt auf europäische Aktien kamen im globalen Kontext eher durchschnittlich bis unterdurchschnittlich durch das Jahr. So waren britischen Aktien eindeutig auf der Verkaufsliste, auch die Südeuropäer hatten arg zu kämpfen, was sich an den Börsen niederschlug. Deutschland behauptete sich im europäischen Vergleich (Large Caps hatten gegenüber den Mid/Small-Caps die Nase vorn); das gilt auch für die nordischen Märkte. Der schwelende Handelskonflikt zwischen den USA und China, weitere geopolitische Unruhen und ganz prominent die Auswirkungen der Corona-Krise sorgten hingegen größtenteils dafür, dass von einem Investment in Schwellenländer abgesehen wurde. Positiv ist auch weiterhin die Entwicklung von Immobilien-Aktien. Diese Branche bleibt großer Profiteur der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und des Niedrigzinsniveaus. Nicht grundlos sind Immobilien-Werte in den einzelnen Indizes aufgestiegen. Das schlägt sich auch in der BVI-Investmentstatistik nieder. Die Zuflüsse in offene Immobilienfonds bleiben hoch. Branchenbezogen bleiben Finanztitel differenziert zu betrachten. Zum Hintergrund: Insbesondere der deutsche Bankensektor weist im Vergleich zu anderen Staaten eine geringere Profitabilität auf. Die starke Ausprägung der Drei-Säulen-Struktur mit privaten Geschäftsbanken, öffentlich-rechtlichen Anbietern und Genossenschaftsbanken unterliegt einem tiefgreifenden Wandelungsprozess und ist in einem Konsolidierungspfad. Die deutschen Finanzinstitute stehen vor gewaltigen Herausforderungen. Demgegenüber weisen französische und US-amerikanische Banken gute Berichtszahlen auf. Gemischte Fondslösungen, oftmals Lieblinge der Berater und ihrer Kunden, haben als Maß der Dinge etwas Kratzer bekommen. Um eine attraktive Rendite zu erwirtschaften, ist dabei Diversifikation über verschiedene Anlageklassen (Private Equity etc.) und Anlagestile vonnöten. Im März mussten einige erkennen, dass auch mehrere Anlageklassen gleichzeitig gen Süden tendieren. Insofern ist Multi Asset kein Freifahrtschein für stetige Erträge.

Überlagert wurden diese regionalen Schwerpunkte von Megatrends wie der „Nachhaltigkeit“. ESG ist in allen Anlageklassen nicht mehr wegzudenken. Ob bei Aktien, Anleihen oder Immobilien, nachhaltiges Investieren hat auf die Überholspur eingebogen. Das wird auch 2021 so bleiben. Ein Revival erlebte auch das gelbe Edelmetall. Das zeigt auch eine Marktanalyse des Branchenverbandes World Gold Council. Demnach ist die Gold-Nachfrage, trotz leichter Schwäche im 2. Halbjahr, weiterhin vergleichsweise stark. Der Goldpreis notiert Anfang November bei circa 1.900 US-Dollar je Feinunze. Auftrieb erhielt er Marktkennern zufolge von der Abwertung des Dollars, die das Edelmetall für Investoren außerhalb der Vereinigten Staaten attraktiver macht. (ah)

Fazit

2020 forderte uns mehr denn je zuvor ab. Dem volatilen, leicht negativen Gesamttrend trotzten insbesondere US-Tech-Aktien und Immobilienfonds. Nachhaltigkeits-Investments waren ebenfalls sehr gefragt. Einen schweren Stand hatten insbesondere die Emerging Markets.

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