Galerie Kremers Berlin Erik Nieminen POSSIBLE WORLDS
Schmiedehof 17, 10965 Berlin www.galerie-kremers.com
Metamorphosis I Metamorphosis I
Edition Galerie Kremers Berlin
Erik Nieminen POSSIBLE WORLDS Edition Galerie Kremers Berlin
Metamorphosis I
Mögliche Welten Possible Worlds Gemälde von / Paintings by
Erik Nieminen Edition Galerie Kremers Berlin Übersetzungen von / Translations by Herbert Genzmer
2021
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Above Below, Öl und Sand auf Leinen / Oil and Sand on Linen, 220 x 300 cm, 2018
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Metamorphosen überall Christine Kremers
Metamorphosen sind Verwandlungen der Wirklichkeit und finden immer und überall statt. Metamorphosen dienen aber auch der Beschreibung von Wirklichkeit, sie sind Fachbegriffe einzelner Wissenschaften, Ordnungsbegriffe, die Prozesse strukturieren und ihre Beobachtung allererst ermöglichen. Mit ihrer Fähigkeit, Wirklichkeit zu verwandeln, sind Künstle rinnen und Künstler immer an Prozessen der Metamorphose beteiligt. Diese Eigenschaft macht sie zu Experten auf diesem Feld, was Fiona Ackerman und Erik Nieminen auf je eigene Art in ihren Arbeiten reflektieren. Ihre Gemälde, Zeichnungen und Filme sind nicht nur Metamorphosen, sondern auch durch ihre Arbeit als bildende Künstlerin und Künstler gewonnene Kommentare und Einsichten zum Thema „Metamorphose“. Ihr Werkzeug erlaubt es ihnen, auch dazu Stellung zu beziehen, was in den Wissenschaften damit gemeint ist, sie sind als Künstler immer auch Biologen, Physiker, Erzähler, Politiker, Psychologen und vor allem Philosophen … Katastrophale Metamorphosen In der Zoologie werden die Metamorphosen als katastro phal bezeichnet, in denen die Verwandlung so vollständig ist, dass vom vorherigen Zustand kaum noch etwas übrig ist1. Wären wir nicht Zeugen der Metamorphose, wir würden niemals glauben, dass es sich bei Raupe und Schmetterling um ein und dasselbe Lebewesen handelt. Für Gregor Samsa in Franz Kafkas Erzählung „Die Ver wandlung“2 hatte die Metamorphose alle Eigenschaften einer Katastrophe: 1. Nichts war mehr, wie es vorher gewesen war. Der Prozess war unumkehrbar. 2. Er wusste nicht, wie ihm geschehen war, kannte weder den Auslöser noch den Sinn des Verwandlungsprozesses und damit auch nicht dessen Anfang und Ende.
1. Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Metamorphose_(Zoologie). Es han delt sich um den letzten Verwandlungsschritt zum Erwachsenenzustand (Imago) eines Insekts, in dem die Larve sich fast vollständig selber verdaut. 2. In Franz Kafkas Erzählung verwandelt sich der Protagonist, Gregor Samsa, über Nacht in einen Käfer.
3. Durch die Verwandlung in einen Käfer war der größte Teil seiner vorigen Existenz vernichtet. Auch wenn sie für die Außenwelt sofort sichtbar war, kamen für ihn die Folgen der Katastrophe in ihrer Tragweite erst nach und nach zum Vor schein und führten schließlich zu seiner Vernichtung. Tiefgreifende Verwandlungsprozesse sind ungeachtet ihres Ergebnisses immer gefährlich. Die Raupe ist im Zustand der Verpuppung völlig dem Prozess der Umwandlung hingegeben und kann nicht mit der Umgebung kommunizieren, ist wehr los allen äußeren Gefährdungen ausgeliefert. Doch auch wenn Metamorphosen immer krisenhafte und instabile Zustände implizieren, haben sie nicht naturgemäß negative Folgen für das Wesen, das der Veränderung unter liegt. Hätte die Raupe, besäße sie denn ein Bewusstsein, welches bei ihrer Verwandlung erhalten geblieben wäre, ihre neue Existenz als Schmetterling als Bereicherung empfunden? Für die meisten menschlichen Beobachter jedenfalls ist die finale Schmetterlingsform schöner als der RaupenZwischenzustand. Ob vom ästhetischen oder rein natur wissenschaftlichen Standpunkt aus betrachtet, ob unter dem Gesichtspunkt der Nützlichkeit oder in der interesselosen Betrachtung: Für den Beobachter eines Verwandlungspro zesse ist das Resultat der Verwandlung immer von anderer Bedeutung als für den Verwandelten, und die Einschätzung der Sinnhaftigkeit der Metamorphosen von anderer Natur. Typen von Metamorphosen In der Naturwissenschaft fungiert die Metamorphose als Ordnungsbegriff, der der Beobachtung und Beschreibung natürlicher Phänomene zugrunde liegt. So wird die Metamor phose in der Botanik als im Zuge der Evolution stattfindende kontinuierliche funktionale Anpassung einer Pflanze an neue Umstände oder in der Zoologie als die Entwicklung eines Tieres vom Jugend- zum Erwachsenenstadium beschrieben. Übertragen auf die gesellschaftliche Ordnung des Men schen und sein Verhältnis zur Natur, ist die Metamorphose als Beschreibungskategorie schon deutlich weniger präzise, kann sogar den Charakter einer ideologischen Voreinstel lung haben in Fragen wie: • Sind wir momentan einem gesellschaftlichen Wandel un terworfen, durch den die Demokratie endgültig der Vergan genheit angehört oder handelt es sich um eine momentane Krise und wird sich die Demokratie erholen? 3
• Ist der Klimawandel ein Prozess, der in naher Zukunft zu einem Untergang der Menschheit führen wird oder ist dies eine grobe Übertreibung bzw. lassen sich die negativen Folgen durch technologischen Fortschritt weitge hend abfedern? • Wird die Corona-Pandemie unser gesellschaftliches Mit einander für immer verwandeln oder handelt es sich um eine vorübergehende Krise, nach der alles so weitergeht wie vor her? Genauso gut könnte man fragen, ob es sich bei den genann ten Prozessen um katastrophale Metamorphosen handelt oder eben nicht. In den Erzählungen der Mythologie wiederum, in denen die Geschichten der Entstehung der Welt überliefert sind und die für den Menschen in seiner jeweiligen Kultur eine hohe symbolische Bedeutung haben, markiert die Metamor phose oft den Umschlagpunkt, an dem die Geschichte eine neue Richtung einschlägt. Sie ist Ergebnis eines Kampfes, einer Revolution oder auch von höheren Mächten ausgelös ten (Natur)-katastrophen, Kataklysmen wie Sintflut, Vulkan ausbrüche und Erdbeben. Die Art und Weise, wie sich Natur phänomene in den verschiedenen mythischen Erzählungen zu Göttern und schließlich zum Menschen wandeln, definiert Zugehörigkeit, Sinn und Zweck der menschlichen Existenz. In der Kunstbetrachtung sind wir Zeugen von Metamor phosen und können als Betrachter und Betrachterin staunen über die Verwandlung, die Material, Farbe und andere Medien im Gestaltungsprozess erfahren haben. Im Kunst werk sind wir konfrontiert mit dem Neuem, vorher nie Dage wesenen, auch unabhängig davon, ob es mit jahrhunderte alter Technik produziert wurde. In der jüngsten Kunstgeschichte wurde immer wieder behauptet, dass bestimmte Prozesse zu einem Ende ge kommen sind – so wurde z. B. das Ende der Malerei oder das Ende des Tafelbildes proklamiert. Wie sich herausstellte, waren diese Einschätzungen aber immer falsch und das sogenannte Ende war eher der Anfang neuer Varianten und Wandlungen.
beteiligt, sie stoßen sie an, sie unterliegen ihr und sie be obachten sie, wobei alle drei Handlungen sich gegenseitig beeinflussen, ablösen und überlagern können. Dabei kommt dem Kunstwerk eine besondere Vermittlungsrolle zu, als Katalysator des Prozesses und ebenso als sein Ergebnis. In der kreativen Metamorphose manifestieren sich für den Künstler und die Künstlerin am Beginn getroffene Entschei dungen, die sich als so bedeutend erweisen, dass sie die weitere künstlerische Arbeit lenken. Künstler und Werk sind quasi ineinander verschlungen und erst, wenn beide von einander ablassen, ist das Resultat der Metamorphose ein verwandeltes Kunstwerk und eine verwandelte Künstle rin. Diese sind wiederum Auslöser für Verwandlungen im Betrachtenden. Den prägnantesten Ausdruck für dieses Phänomen findet Rainer Maria Rilke in seinem Gedicht „Archaischer Torso Apollos“, in dem er die Betrachtungsrich tung umdreht. Das Kunstwerk schaut den Betrachter an: „… denn da ist keine Stelle, die dich nicht sieht. Du musst dein Leben ändern.“3 In jedem Schaffensprozess wird die Welt neu erfunden.
Nirgendwo spielen Metamorphosen eine so große Rolle wie in der Kunst.
Aber Künstlerinnen und Künstler sind auch Spezialistinnen und Spezialisten für Metamorphosen. Sie sind immer auch Naturwissenschaftler und Naturwissenschaftlerinnen, die allerdings Querverbindungen und Analogien herstellen, wel che die Gesetze der Wahrnehmung und die Begriffssysteme der Wissenschaften korrumpieren. Sie sind Geschichten erzähler und Geschichtenerzählerinnen, die mit den Erzähl strängen spielen und uns mit irrationalen Analogien konfron tieren. In ihrer Wandlungsbereitschaft und Unangepasstheit sind sie oft auch Identifikationsfiguren und Vorbilder. Wie im Folgenden deutlich wird, zeigen sich alle diese As pekte in den Arbeiten von Fiona Ackerman und Erik Nieminen und beide beschreiben selbst die Veränderungen, die ihnen im Laufe der kreativen Arbeit widerfahren. Für den Künstler und die Künstlerin ist die Metamorphose oft mehr oder weniger katastrophal. Dass beide sich dessen ungeachtet immer noch auf zwei Beinen und ungepanzert bewegen können, ist sehr zu begrüßen.
In der schöpferischen Arbeit sind Künstlerin und Künstler wie auch die Betrachter der Kunst an einer Metamorphose
3. Rainer Maria Rilke: Archaïscher Torso Apollos. In: Sämtliche Werke. Erster Band, Insel Verlag, Frankfurt am Main 1955, S. 557.
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Metamorphoses everywhere Christine Kremers
Metamorphoses are transformations of reality; they happen always and everywhere. In addition, metamorphoses aid as descriptions of reality, They are technical terms of the sciences, defining arguments that structure processes and, first and foremost, enable their proper observation. Artists, as transformers of reality, are constantly involved in the processes of metamorphosis. This quality makes them specialists. Fiona Ackerman and Erik Nieminen, each in their own way, reflect this property in their respective work. Their paintings, drawings, and films are not only transformations, they are comments on and insights into the very subject matter: “Metamorphosis”. Their tools permit them to comment on that which in scientific terminology is called metamorphosis. As artists they, too, subsequently always are biologists, phy sicists, narrators, politicians, psychologists and, most of all, philosophers … Catastrophic Metamorphoses In zoology, those kinds of metamorphosis are called ca tastrophic whose transformation is so total that there is hard ly anything left of the original state.1 Were it not for us as witnesses of this particular metamorphosis, nobody would believe that the caterpillar and the butterfly are one and the same living being. Gregor Samsa’s transformation in Kafka’s story “The Meta morphosis”2 is catastrophic: 1. Nothing was as it had been before. The process was irreversible. 1. Vgl.: https://en.wikipedia.org/wiki/Metamorphosis. In zoological meta morphosis, the last stage before an insect reaches maturity is called “ima go”; the larva consumes itself nearly completely. 2. In Franz Kafka‘s story, Gregor Samsa, the protagonist, is transformed into a bug overnight.
2. He didn’t know what happened, did not know what trig gered it nor did he understand the deeper meaning of his transformation and, by this token, neither of its beginning nor its end. 3. By way of his transformation into a bug everything that made up his former existence was destroyed. Even though the consequences of this catastrophe were apparent to everybody else, he only slowly came to grips with its scope and the fact that it would ultimately lead to his annihilation. No matter what the results, radical processes of transfor mations are always dangerous. In the state of pupation, the caterpillar is completely absorbed by the process of trans formation and incapable of communicating with the envi ronment; it is defenselessly exposed to any kind of external dangers. Even though metamorphoses always imply critical and vo latile conditions, they nevertheless don’t necessarily have negative consequences for the being that undergoes the transition. But would the caterpillar – if it had a conscious ness, which would have stayed intact during the process of the metamorphosis – experience its new existence as a butterfly as an enhancement? For most observers, however, the final form of the butterfly is far more beautiful than the interim state of the caterpillar. Whether from an aesthetic or a purely scientific point of view, in view of its utility or any kind of indifferent observation, for the observer of a metamorphosis the result of the transfor mation is always of a different importance than for the trans formed themselves, and the assessment of the sense of pur pose of the metamorphosis is of a totally different nature. Types of metamorphoses In natural science, metamorphosis serves as a concept of order based on observation and description of natural phenomena. For example in botany, metamorphosis is de scribed as the continuous, functional adaptation of a plant to new conditions in the process of evolution, and in zoology, as the development of an animal from its youth to its adult state. Translated into the social order of human beings and their interrelationship with nature, the description of metamorpho sis is far less precise. It can even have the character of an ideological bias triggering questions such as: • Are we at this point subject to a social change which would make democracy a thing of the past or are we dealing 5
with a crisis through which democracy will reclaim its posi tion again? • Is climatic change a process which will ultimately lead to the extinction of humankind, or is this a gross exaggeration and the negative consequences will be mostly absorbed by technological progress? • Will the COVID-19 crisis change our social interaction forever or are we facing a transitory crisis, which, once over come, will allow all previous conditions return? One could just as well ask whether or not we are facing catastrophic metamorphoses in these aforementioned pro cesses. Mythologies, on the other hand, which narrate the crea tion of the world and have a highly symbolic importance for humans in their respective cultures, often mark a transi tion point when history takes a new direction. These turning points are the result of struggle, of revolution, or are caused by (natural) catastrophes, cataclysms like the Deluge, volca nic eruptions, or earthquakes, and in mythology, are always induced by higher entities. The different ways natural pheno mena change into gods and ultimately into human beings in the various mythological narratives define belonging, signifi cance, and a purpose for human existence. Through viewing works of art, we, as observers, turn into witnesses of metamorphosis and watch in wonder how ma terials, colors, and other media are transformed in the act of artistic creation. In the work of art, we are confronted with something new, something that did not exist before – and this experience is independent of whether it was produced with century-old techniques or not. Recent art history has always claimed that certain pro cesses have come to an end. In this vein, the end of the panel painting or the end of painting itself was repeatedly proclaimed. We have come to understand that these asser tions have always been wrong and the so-called end was nothing but a new beginning of new variations and trans formations.
maintains the particular position of mediation, as catalyzer of the process just as much as its result. Each decision the artist makes at the beginning of the inspired process is a manifestation of creative transforma tion. All prove to be so important that they guide the entire artistic work. Artist and work are intertwined, and only when they separate again is the result of this metamorphosis a transformed artwork - and a transformed artist. And they, in turn, are triggers for the transformation of the spectator. The most concise interpretation for this phenomenon was coined by Rainer Maria Rilke in his poem “Apollo’s Archaic Torso”, where the gaze is inverted and the work of art looks at the spectator: “ … for there is no angle from which it cannot see you. You have to change your life.” 3 Each act of creation is a re-invention of the world. Artists are specialists in metamorphoses; they are, to a certain extent, natural scientists, too, even though they esta blish references and analogies set up to corrupt the laws of perception and the terminological systems of the sciences. Artists are story tellers playing with narrative strands and confronting us with irrational analogies. In their willingness to change and their unconventionality, they are often both role models and paragons, at the same time. As shown in the following pages, all the aforementioned aspects can be found in the works of Fiona Ackerman and Erik Nieminen. Both define the actual transformations they undergo in the course of their creative work. For the artist, metamorphosis often is more or less catastrophic. And the fact that, despite all, these two artists are still mo ving on both their legs and go unarmored, is greatly appre ciated.
In no other field than art does metamorphoses play such an important role. Both artists and spectators of art are implicated in the creative process; they initiate it, depend upon it, observe it, and these three engagements influence, supersede, and overlap one another continuously. It is the artwork itself that 6
3. Rainer Maria Rilke: Archaïscher Torso Apollos. In: Sämtliche Werke. Erster Band, Insel Verlag, Frankfurt am Main 1955, S. 557. (Translation by Sarah Stutt. https://www.theguardian.com/books/booksblog/2010/nov/15/ apollos-archaic-torso-sarah-stutt)
In the Looking Glass, Öl auf Leinwand / Oil on Linen, 160 x 130 cm, 2019
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Notes
Erik Nieminen
Like stepping into an abyss, the global community has recently entered into a period of relative metamorphosis, where old answers provide few solutions and new archi tectures have to be constructed. With the onset of a new framework for living daily life, separated from others due to a pandemic, we question our roles in society – the roles given to us by others or ones that we have crafted for ourselves in order to lend a sense of meaning and urgency to our reality. When these roles are removed or at least sidelined, an im pression of disconnect develops. There are many ways to reverse the feeling of isolation. Sending a message to a friend, talking with family via videoconference, checking on neighbors to make sure everything is ok. At its core, con nection is about empathy, about reaching out to others on a singular one-to-one level. Paintings are empathetic objects which emerge from the isolation of the studio into our world to bridge the gap between our commonplace reality and our thoughts. Though the creatures and people in my paintings may sometimes seem isolated, they are actually a portal for the viewer to enter into their world. They are an appeal to stay connected to a humanist spirit, in this or any time. Our age is an ephemeral one on almost every level. With the passage of time, we come to understand that society can never go back to the way it previously was, though we are al ways looking backwards and forwards in order to situate our selves and understand our current condition. Consequently, it is very much our perception of the world around us and our knowledge of it that informs our idea of what reality truly is. The idea that there’s an objective world totally separate from our understanding, is hard to accept when we consider the limits of our senses. It is an illusion to some extent, reenforced by a photographic vision. The paintings in this show acknowledge the existence of mechanical imagery but also reject it. The works play with the viewer’s assumptions regar ding the verisimilitude of what we see and position themsel ves as post-photographic painting. They borrow from photo graphic vocabulary but the pictorial syntax is liberated from any preconditions. Ultimately it is a much more psychological way of seeing the world. 8
The stoic philosopher Epictetus famously said that “men are disturbed not by things, but by the views which they take of things.” The same can clearly be applied to that which delights us, and to everything in between. How reliable is our view however? Subjectivity clouds our confidence as ideas and visions appear and vanish at regular intervals like reflections on a glass surface. A reflection is an ephemeral response to light, it is without gravity, and painting is also – in its status as something existing on its own terms; something divorced from the reality of our world. A reflection expresses the dualistic nature of contemporary humanity. This dualism links up almost seamlessly with the postmodern idea that we cannot represent reality and that we live in an age of farce and illusions. What is created is a kind of hyper-reality, a rea lity where the real and the imaginary blend into one another. Glass tells us something about visual perception itself. Its transparency, reflection, and refraction give access to an otherwise visually inaccessible reality, while at the same time distorting that reality and forcing us to question our percep tions. Painting takes this state of transience, resolves it into something of permanence, and settles it in the ever-present. And accordingly, we return to our modern era. As the con fidence we once had in our view of the world is turned in side out, we can look to art and to painting as a view into an alternate reality, one that looks back at us. It allows us an escape from the mundane in order to discover new ideas about visual experience and how these ideas might ground our concept of “being” in the present. It is both a mirror and a stage, a setting for the image but also a reflection of each viewer on a fundamentally primal level.
Dream, 90 x 160 cm, 90 x 160 cm, Öl, Sand und Sägemehl auf Leinen / Oil, Sand, and Sawdust on Linen, 2018
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Notizen
Erik Nieminen Es war wie ein Schritt in einen Abgrund, als die Weltgemein schaft unlängst in den Zustand einer Metamorphose eintrat, in dem alte Antworten nur wenige Lösungen bieten und wo neue Verhältnisse geschaffen werden müssen. Getrennt von anderen Menschen hat unser tägliches Leben, ausgelöst durch eine Pandemie, ein neues Gefüge bekommen, und wir müssen unsere Rollen in der Gesellschaft hinterfragen – Rollen, die andere uns zugewiesen haben oder solche, die wir uns selbst schufen, um unserem Leben Bedeutung und ein Gefühl von Intensität zu geben. Wenn diese Rollen weg fallen oder beiseite geschoben werden, entwickelt sich eine Empfindung von Zerrissenheit. Dennoch gibt es viele Mög lichkeiten, das Gefühl von Isolation zu überwinden: Freunden eine Nachricht senden, mit der Familie über das Internet sprechen, sich um Nachbarn kümmern und nachsehen, ob alles gut ist. Im Kern geht es bei all diesen Verbindungen um Empathie, es geht darum, auf jeden einzelnen anderen zuzugehen. Gemälde sind empathische Objekte. Sie entste hen in der Isolation des Ateliers und gelangen von da in die Welt, um die Kluft zwischen unserer alltäglichen Realität und unseren Gedanken und Gefühlen zu überbrücken. Und ob wohl die Kreaturen und Personen in meinen Gemälden bis weilen unzusammenhängend erscheinen mögen, sind sie für den Betrachter tatsächlich ein Tor, eine Einladung, ihre Welt zu betreten. Sie sind ein Apell, in der gegenwärtigen und in jeder anderen Zeit, stets einem humanistischen Geist ver bunden zu bleiben. Unser Zeitalter ist in fast jeder Hinsicht vergänglich. Im Lauf der Zeit haben wir verstanden, dass eine Gesellschaft niemals in einen früheren Zustand zurückversetzt werden kann, obwohl wir gleichzeitig ständig rückwärts und vorwärts blicken, um uns selbst zu positionieren und unseren gegen wärtigen Zustand zu begreifen. Also ist es zum sehr großen Teil unsere Wahrnehmung der uns umgebenden Welt im Zu sammenspiel mit unserem Wissen von der Welt, die unsere Vorstellung davon bestimmen, was die Wirklichkeit wirklich bedeutet. Die Vorstellung, dass unabhängig von unserem Verstand eine objektive, losgelöste Welt existiert, ist – bedenken wir die Beschränktheit unserer Sinne – schwer zu begreifen. In gewissem Maß handelt es sich um eine von unserer foto graphischen Sichtweise bestärkte Illusion. Die Bilder in dieser Ausstellung erkennen zwar die Existenz einer mechani schen Bilderwelt an, lehnen sie jedoch gleichzeitig ab. 10
Die Arbeiten spielen mit den Vorstellungen der Betrachter in Bezug auf die Plausibilität dessen, was wir sehen, und be greifen sich als post-fotographische Gemälde. Sie bedienen sich eines fotographischen Vokabulars, aber ihre bildliche Syntax ist von jeglichen Vorbedingungen befreit. Es ist an sich eine sehr viel psychologischere Sichtweise auf die Welt. Von dem Stoiker Epiktet stammt der berühmte Ausspruch: „Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern die Meinungen, die wir von den Dingen haben.“ Dasselbe kön nen wir von all den Dingen sagen, die uns erfreuen und na türlich von dem gesamten dazwischen liegenden Spektrum. Doch wie solide ist eigentlich unsere Sicht auf die Dinge? Subjektivität verschleiert unser Vertrauen ebenso, wie Vor stellungen und Visionen in regelmäßigen Abständen wie Spiegelungen auf einer Glasfläche auftauchen und wieder verschwinden. Eine Spiegelung ist eine vergängliche Erwi derung auf Licht, sie hat keine Schwerkraft. Ebenso verhält es sich mit einem Gemälde insofern, als es sich um etwas handelt, das aus sich selbst heraus existiert, um etwas, das unabhängig ist von der Wirklichkeit der Welt. Eine Reflek tion ist Ausdruck der dualistischen Beschaffenheit der zeit genössischen Menschheit. Dieser Dualismus verbindet sich fast nahtlos mit der postmodernen Vorstellung von der Un möglichkeit, die Wirklichkeit abzubilden und davon, dass wir in einem Zeitalter leben, das von Farcen und Illusionen be stimmt ist. Bei allem Geschaffenen handelt es sich um eine Art Hyperrealität, in der Wirkliches und Imaginäres miteinan der verschmelzen. Glas gibt uns Auskunft über visuelle Wahr nehmung an sich. Seine Transparenz, seine Reflexion und wie es das Licht bricht, schaffen Zugang zu einer ansonsten visuell unzugänglichen Wirklichkeit. Gleichzeitig jedoch ver zerrt es diese Wirklichkeit und lässt uns auf diese Weise unsere eigene Wahrnehmung hinterfragen. Malerei übernimmt diesen Zustand von Vergänglichkeit, wandelt ihn aber in etwas Be ständiges um und verankert ihn in der Gegenwart. In diesem Sinn kehren wir in unser modernes Zeitalter zu rück. Und so wie das Vertrauen umgekrempelt wurde, das wir einst in unsere Weltsicht hatten, können wir uns jetzt Kunst und Malerei zuwenden, als wäre es ein Blick in eine alternative Realität, eine, die auf uns zurückblickt. Sie bietet uns eine Flucht aus der Alltäglichkeit, um uns neue Vorstel lungen von visuellen Erfahrungen zu eröffnen und davon, wie diese Vorstellungen in der Lage sind, unseren Entwurf vom Erleben der Gegenwart neu zu verankern. Es ist so wohl Spiegel wie Bühne, eine Kulisse für das Bild, aber auch ein Nachdenken jedes einzelnen Betrachters auf einer sehr ursprünglichen Ebene.
Atelier / Studio Montreal 2016
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Primates, 160 x 130 cm, Öl auf Leinen / Oil on Linen, 2016 13
Charcoal study for Primates Kohlestudie für „Primaten”
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Ölstudie für „Primaten” Oil study for Primates
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PROCESS
Erik Nieminen
There’s a fundamental difference in art between those who believe in the autonomy of the art object, its ability to trans cend its own presence in the world and become something unreal and those who put forth that art is mainly a mirror of the world, a way to represent the ideas of the time. There is another perspective, one that considers the con text of an artwork to be fundamentally intertwined with its sociopolitical backdrop but that does not at the outset look to rely on these ideas for the genesis of its inception. An art work has the possibility to expand beyond a purely formal aesthetic, to transcend emotional resonance, to transform itself into a vehicle for communication even though the ideas communicated need not exist antecedently. My basic pre cept in creating a work is that content and subject always follows form. To be sure, there are areas of implicit interest (urban space, artificial greenspaces) that provide vague ideas about our world, familiar spaces without pre-written dialogue. They are subjects to accompany the work into materialization. As an artist I must find my way to these subjects through an intuitive, creative process that is filled with uncertainty at the outset. Bit by bit a destination is arrived at and only then does the painting attain its full status as an artwork – an object built out of a purely aesthetic framework that con tends with real-world ideas that surround it, and provides new possibilities for reflection. It is then a portal into another world, and unreal world. Most of my work activates with drawing. At the beginning I must relinquish as much as possible of what I know about the “look” of the world in order to arrive at a point of rema king it through painting. The early sketches for an artwork are very abstract in nature – mostly geometric-like shapes bum ping into one another without meaning. They may be quite loosely drawn, freely improvised. Eventually an intriguing composition emerges and if it has sufficient visual tension, I will take it further and make some loose, scribbly sketches
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to see if an energy can be extracted out of these fairly static shapes. Meanwhile, at all times I am constantly sorting through my collection of photos and videos that I take myself (it is important that the eventual work emerges out of my own experiences). Most of these photos are useless and they are not taken as “art”, but mainly as documentation … some thing to be used for research going forward. The videos I shoot are combed over frame-by-frame to extract stimulating visual moments or elements. At some point all the drawing begins to remind me of some of the elements from the photos or videos and I will begin to selectively insert them into the emerging composition. A tree may replace a line, an ani mal may replace a triangular shape, etc. Figurative elements thereby work as alibis for ideas about visual space. This is not to suggest that it is a necessity to inject these ele ments, it is purely at the discretion of the drawing. At times the a bstract forms are enough to hold the space and are left to their own devices. Later, a final relatively detailed drawing will emerge, followed by a colour study. These final steps are necessary as I spend anywhere from 2 to 4 months on any larger scale work. It is important to have a clear framework guiding me through the painting, though the painted process is also full of improvisations where the language of painting takes center stage. I don’t think of my work as figurative, realist, or represen tational – I actually consider them more as abstractions that settle into the world. Outside of their aesthetic ideas they have no clear goal at the beginning, but eventually a mea ning emerges. It is not a didactic connotation but one that is reconstituted in the mind of each viewer, based on the paintings opening themselves to us without expectation or prejudice.
PROZESS
Erik Nieminen
In der Kunst gibt es einen grundsätzlichen Unterschied zwischen denjenigen, die an die Eigenständigkeit eines Kunstobjekts glauben, an seine Fähigkeit, die eigene Exis tenz zu transzendieren und damit zu etwas Unwirklichem zu werden und denen, die den Standpunkt vertreten, Kunst wäre nichts anderes als eine Abbildung der Welt, eine weitere Möglichkeit zur Darstellung der Gegenwart. Es gibt jedoch eine dritte Sichtweise, die den Kontext eines Kunstwerks als fundamentale Verflechtung mit seinem jewei ligen soziopolitischen Hintergrund betrachtet, die sich aber nicht von vornherein auf diese Vorstellungen in Bezug auf die Genese seiner Erzeugung verlässt. Ein Kunstwerk ver fügt über die Möglichkeit, jenseits von rein formeller Ästhetik zu existieren, emotionale Strahlkraft zu transzendieren und zu einem Vehikel der Kommunikation zu werden, selbst wenn die kommunizierten Ideen noch gar nicht existieren. Mein eigener künstlerischer Schaffensprozess geht grundsätzlich davon aus, dass Inhalt und Gegenstand immer der Form zu folgen haben. Zwar gibt es bestimmte Gebiete wie urbane Räume oder künstliche Grünbereiche, die ein vages Bild von unserer Welt spiegeln, aber solche Gebiete sind vertraute Räume ohne vorgeschriebene Dialoge. Sie sind Hilfsmittel für die Fertigstellung des Werks. Als Künstler muss ich meinen Weg zu diesen Hilfsmitteln durch einen intuitiven und kreativen Prozess finden, der zu Beginn voller Unwägbarkeiten ist. Schritt für Schritt gelange ich an ein Ziel und erst dadurch erreicht ein Gemälde seinen vollen Status als Kunstwerk. Es ist ein auf rein ästhetischer Grundlage geschaffenes Objekt, das sich im Wettstreit mit den es umgebenden Vorstellungen von der wirklichen Welt behaupten muss und gleichzeitig neue gedankliche Mög lichkeiten eröffnen soll. Es ist somit ein Tor in eine andere, unwirkliche Welt. Meist beginnt meine Arbeit mit Zeichnungen, und zu die sem Zeitpunkt muss ich auf so viel wie möglich darauf ver zichten, was ich selbst über das „Aussehen“ der Welt weiß, um schließlich an den Punkt zu gelangen, dieses Aussehen durch meine Malerei ersetzen zu können. Diese ersten Skiz zen für eine Arbeit sind von Natur aus sehr abstrakt – meist sind es, sagen wir, geometrische Formen, die auf den ersten Blick relativ sinnlos neben einander stehen, es sind meist nur sehr leichte, freie Improvisationen. Auf diese Weise entsteht
irgendwann eine Komposition. Verfügt sie über ausreichend visuelle Spannung, arbeite ich weiter und mache ein paar eher krakelige Skizzen, um zu sehen, ob all diesen ziem lich statischen Formen eine gewisse Energie abzugewinnen ist. In dieser Phase sehe ich immer meine von mir selbst aufgenommene Foto- und Videosammlung durch, denn es ist mir wichtig, dass das fertige Werk aus meinen ureigenen Erfahrungen heraus entsteht. Im Prinzip sind die meisten der Fotos relativ nutzlos, sie wurden auch nicht als „Kunst“, sondern als Dokumentatio nen aufgenommen … als etwas, das zukünftigen Arbeiten dienlich sein soll. Bei meinen Videos sehe ich jede Einstel lung durch, um stimulierende, visuelle Augenblicke oder Ele mente zu finden, die herausgelöst werden können. Irgend wann komme ich dann an den Punkt, wenn ich in meinen Zeichnungen Elemente aus diesen Fotos und Videos wieder erkenne, und dann beginne ich, sie selektiv in die entstehen de Komposition einzubringen. So ersetzt dann zum Beispiel ein Baum eine Linie, eine dreieckige Form wird zu einem Tier und so weiter. In meiner Arbeitsweise funktionieren fi gurative Elemente als Alibis für Vorstellungen über visuellen Raum. Es gibt allerdings keineswegs eine Notwendigkeit, diese Elemente einzusetzen, darüber entscheidet schluss endlich allein die Zeichnung selbst. Bisweilen reichen solche abstrakten Formen aus, den vorhandenen Raum zu füllen und werden sich selbst überlassen. So entsteht langsam eine relativ detaillierte Zeichnung, auf die eine Farbstudie folgt. Diese letzten Schritte sind notwendig, denn ich arbeite zwischen zwei und vier Monaten an allen großflächigen Arbeiten. Mir sind klare Parameter wichtig, die mich dann bis zum fertigen Gemälde führen, obwohl der Malprozess auch voller Improvisationen steckt, dann nämlich, wenn die Sprache der Malerei im Mittelpunkt steht. Ich halte meine Arbeiten weder für figurativ noch realistisch oder repräsentativ – für mich sind es eigentlich Abstraktio nen, die sich in die Welt einpassen. Außerhalb ihrer ästhe tischen Ideen, haben sie zu Beginn keinerlei festgestecktes Ziel, und Bedeutung entfaltet sich nur langsam. Dabei gibt es keinen didaktischen Sinnbezug, sondern einen, der sich im Kopf jedes Betrachters ausgehend von den Bildern einstellt, die sich uns selbst ohne Erwartung oder Vorurteil öffnen. 17
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Ausgewählte Studien für „Das nicht-verlorene Paradies” Selection of studies for Paradise Not Lost 19
Eine kurze Anmerkung über die Natur Moderne Wissenschaften und Technologie, die die Menschheit einst von der Natur zu trennen schienen, weisen wieder auf ein neues Gefühl der Zusammengehörigkeit hin. Der Biologe E. O. Wilson sprach von unserer Biophilie als einem tiefen, angeborenen Verlangen der Verbundenheit mit anderen Lebensformen. Er führt dieses Verlangen auf die etwa zwei Millionen Jahre umfassende Periode zurück, in der die sich entwickelnde Menschheit im Grasland der Savannen lebte und dort in den vielen einzeln stehenden, Schutz bietenden Gehölzgruppen. Es ist bestimmt kein Zu fall, dass diese Umgebung sich nur wenig von den Gärten, Zoos und Biotopen unterscheidet, mit denen sich Menschen heute gern umgeben, wenn sie es selbst bestimmen können. Unser Verlangen nach einem neuen, fantasievollen Ver ständnis der Natur ist nicht nur eine Frage von Nostalgie, es beinhaltet vielmehr die intuitive Erkenntnis, dass wir und die Natur buchstäblich aus demselben Zeug und auf dieselbe Weise gemacht sind. Wenn wir als Art überleben wollen, ist eine kreative Beziehung zur Natur von zentraler Bedeutung. Erik Nieminen
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Paradise Not Lost, 95 x 165 cm, Öl auf Leinen / Oil on Linen, 2020
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A small note on nature. Modern science and technology which once seemed to be separating humanity out from the natural world has also revealed a new sense of connectedness with it. The biolo gist E. O. Wilson has spoken of our biophilia, a deep innate urge to affiliate with other forms of life. He traces this back to the two million or so years which human beings spent evol ving on the savannas grasslands which were punctuated by protective patches of woodland. Perhaps not coincidentally, that was an environment which wasn’t so very different from the gardens, zoos, and biodomes with which modern human beings surround themselves when they have any choice in the matter. Our desire for a new sort of imaginative under standing of nature isn’t just a question of nostalgia, rather it involves an intuitive recognition that quite literally we and it are made of the same stuff and in the same way. A creative relationship to the natural world is crucial if we are to survive as a species. Erik Nieminen
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Abstract Paradise, Öl auf Leinwand / Oil on Linen, 130 x 170 cm, 2017
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Glass: “A man that looks on glass, On it may stay his eye; Or if he pleaseth, through it pass, And then the heav’n espy.” Auszug aus dem Gedicht „The Elixir” von George Herbert Excerpt from “The Elixir” by George Herbert
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Ricochet, 160 x 210 cm, Öl auf Leinen / Oil on Linen, 2013-14
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Studie für / Study for Ricochet
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Ricochet in Bearbeitung im Berliner Studio. Ricochet in progress in the Berlin studio.
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Janus, 160 x 180 cm, Oil on Linen / Öl auf Leinen, 2014
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Small works on paper kleinere Papierarbeiten 2020 30
Metamorphosis I: Erik Nieminen – Mögliche Welten Christine Kremers
Philosophen, die den Begriff der möglichen Welt benutzen, unterscheiden die tatsächliche „Welt“ oder „Wirklichkeit“ von anderen Vorstellungen. Die tatsächliche Welt ist die zutref fende Vorstellung von der Wirklichkeit, von dem, was der Fall ist. Die übrigen Welten werden kontrafaktische mögliche Welten genannt. Wesentlich ist, dass es sich bei den kontrafaktischen mög lichen Welten um Vorstellungen, beispielsweise Ergebnisse von Gedankenspielen handelt. Solange die Gesetze der Logik beachtet werden, macht sie keine Einschränkungen hin sichtlich der Frage, welche „Welten“ gebildet werden dürfen und welche nicht. Die Frage, welche Vorstellungen tatsäch lich möglich sind, ist philosophischer Natur und kommt erst dann zum Tragen, wenn man das Konzept der möglichen Welten auf außerlogische Fragestellungen anwendet. Eine solche Anwendung findet überall da statt, wo schöpfe risch gearbeitet wird. Metamorphosen sind Verwandlungen von Möglichem in Wirkliches und umgekehrt. In schöpfe rischen Metamorphosen sind weder die Stadien noch die Richtung oder das Ergebnis der Verwandlung vorgege ben. Anders als in der Musik oder in der Literatur sind in der Bildenden Kunst sogar die Elemente der „Sprache“, mit der gearbeitet wird, frei und wandlungsfähig – in Erik Nieminens Worten: Das einzig gültige Gesetz lautet, dass
der Inhalt immer der Form folgt. Das „Material“, die Elemente in der Komposition sind durch kontinuierlichen Austausch mit dem Künstler und seiner Umgebung einer ständigen Verwandlung unterworfen. Ausgehend von einer abstrakten Form oder Linie entsteht – vielleicht ausgelöst durch eine Erinnerung – eine Figur, etwas Bedeutungshaftes, vielleicht ein Affe, dieser wird wieder zur abstrakten Form, wenn er seine Rolle im Verwandlungsprozess gewechselt hat. Derartig wieder und wieder gewandelt entsteht das Kunstwerk, wird von e twas Möglichem zu etwas Wirklichem. Wie die Imago, der Erwachsenenzustand am Ende der Metamorphose, ist das Kunstwerk dann vollendet, wenn es gegenüber den vor hergehenden Stadien seiner Existenz unabhängig geworden ist. Auf diese Weise erwachsen geworden, kann es selber wieder fruchtbar werden, in den Raum der Möglichkeiten vordringen und vielleicht sogar im Betrachter eigene Wand lungsprozesse auslösen. In dieser Ausstellung zeigen wir auch Vorstudien zu den großen Ölbildern von Erik Nieminen, so dass der Betrachter verschieden Phasen der Metamorphose anschauen kann. Einen guten Einblick in die Arbeitsweise des Künstlers in Bezug auf die hier gezeigten Bildern gibt das Interview im Folgenden, das wir in Vorbereitung dieser Ausstellung ge führt haben.
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The Other Side, Öl auf Leinwand / Oil on Linen, 140 x 200 cm, 2015
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Erik Nieminen über die Metamorphose – Ein Interview, Oktober 2020
Betrachtest du dich als abstrakten oder figurativen Maler? Meine Arbeit passt weder richtig in die eine noch in die andere Kategorie – früher habe ich oft gesagt, ich bemühe mich in meinen Bildern um einen „no style“, ich wollte nicht festgelegt werden, aber meine Arbeiten können ebenso leicht als Abstraktionen bezeichnet werden wie als figurative Bilder. Mein Stil ist ziemlich neutral, darum kann er auf jede Weise interpretiert werden, es gibt viele Möglichkeiten. Was bedeutet Metamorphose für dich und deinen Zugang zur Kunst? Meist denke ich über Metamorphosen oder Transformatio nen auf mindestens zwei Ebene nach, vielleicht sogar mehr. Zunächst geht es mir um die angewandte Technik für das Bild, an dem Punkt ist mir der Prozess sehr wichtig, von der ersten Skizze bis zum letzten Pinselstrich. Die meisten meiner Arbeiten beginnen mit irgendwie geometrischen, abstrakten Figuren, die gegeneinander stoßen. Gewöhnlich mache ich sie als kleine, gezeichnete Skizzen, manchmal sind es aber auch kleine Studien in Öl auf Papier. Nach und nach beginne ich dann mit diesen ersten formellen Ideen zu spielen, löse sie in weitere lockere Skizzen auf, bis sich für mich eine selb ständige Komposition ergibt. An diesem Punkt arbeite dann manchmal schon auf sehr intuitive Weise damit, einige die ser Formen durch erkennbare Objekte aus unserer realen Welt zu ersetzen – ein Kreis wird zu einem Vogel, ein Baum ersetzt eine irgendwie hingekritzelte Line und so weiter. Es kommt mir vor, als würde uns die Geschichte von der Entstehung eines Bilds etwas über seine Bedeutung sagen. Kannst du uns etwas zu deinem Bild „Ricochet“ sagen und wie es entstanden ist?1 Bei „Ricochet” waren die anfänglichen Skizzen nicht viel 1. Der Begriff Ricochet stammt aus dem Französischen und bezeich net ursprünglich einen Abprallschuss oder Querschläger. Heute bedeutet das Springen eines flachen Steins über eine Wasserfläche, nachdem er im spitzen Winkel geworfen wurde, als rikoschettieren. (Anm. des Übers.) 34
mehr als eine Reihe einfacher Vierecke, die ineinander flos sen und sich voneinander absetzten, darum der Titel. Je nachdem, wie die Komposition sich entwickelt, ersetze ich nicht sehr viele oder manchmal gar keine der Formen durch figurative Elemente und überlasse die weitere Entwicklung allein der Form, solche Arbeiten sind dann fast abstrakt. In meinem Atelier mache ich mit halb transparenten Plastik stücken, Glasscherben oder Ähnlichem Experimente mit Licht. Ich leuchte sie an, lass sie Licht reflektieren und so weiter. Diese plastischen Teile werden dann zu Staffagen für die Arbeit selbst, ich gebrauche sie, um in den Skizzen Form zu schaffen, setze sie aber auch ganz spontan während des tat sächlichen Malprozesses ein. Bisweilen verwende ich einige dieser Formen, Farben, Bilder, die sich aus den Lichtprojek tionen ergeben, um einen zusätzlichen Filter oder eine neue Schicht zu generieren, durch die man die Wirklichkeit des Bildes betrachten kann, was sich wiederum auf die grund sätzliche Idee für das Bild selbst bezieht, aber sie existieren auch als unabhängige oder alternative Wirklichkeiten, selbst wenn wir der Vorstellung Raum geben, dass das Bild nur ein Objekt ist. In einem gewissen Maß, müssen wir alle Zweifel vergessen. Grundsätzlich sagt das nicht mehr, als dass das technische Narrativ des Gemäldes, also seine Geschichte, immer eine Metamorphose von etwas Einfachem oder Simplen hin zu einem komplexen Objekt ist. Ich glaube, es war Delacroix, der das in etwa so formulierte „beginne mit einem Besen und ende mit einer Nadel“. Du verwendest für eins deiner Bilder den Titel Der römische Gott Janus. Normalerweise wird er mit zwei Gesichtern dargestellt. Inwiefern bezieht sich das auf dein Bild „Janus“? Eine Arbeit wie „Janus” erlebt eine buchstäbliche Meta morphose, die sich innerhalb seiner Darstellung vollzieht. Der Ort, der New Yorker U-Bahneingang am Columbus Circle, wird zu einer Allegorie für Identität, für die Vergänglichkeit der Zeit und für den Übergang von einem Bereich in einen anderen – aber auch in einen möglichen, neuen Zustand. Der Titel „Janus“ bezieht sich auf den römischen Gott des Anfangs, der Tore, der Übergänge, der Zeit, der Dualität, der
Gänge und Enden. Die Struktur der Arbeit legt eine Realität über eine andere und vermischt sie. Dann kommt die Farbe hinzu, die einzelnen Elemente sind grün (Erde), blau (Luft), rot (Feuer) und Wasser, als das flüssige Strukturelement, als die grundlegende Architektur der Arbeit und in Wirklichkeit, des Lebens selbst. Welcher Gedanke steht hinter deinem Bild „Primaten“ und wie verbindet es sich mit dem Metamorphosen-Konzept? Bestimmt erscheint eine Arbeit wie „Primaten“ vollkom men anders als zum Beispiel „Ricochet“, aber beide sind durch mein Interesse an unterschiedlichen Lebensräumen verknüpft. Die Vorstellung von urbanen Räumen und denen, die sie bewohnen, fasziniert mich. Eine Stadt ist als Phäno men so angelegt, Leben zu erhalten, im allerbesten Sinn ist es allerdings in Wirklichkeit eher eine merkwürdige Sache – Lebensraum für den Homo Sapiens. Innerhalb dieses Lebensraums gibt es aber jede Menge Miniparadiese, künst liche Utopien, in denen wir Zuflucht finden können – wie zum Beispiel Zoos, Biotope, botanische Gärten. Das sind Idyllen, Arkadien, kleine Stücke des Gartens Eden und vielleicht sogar der Versuch, eine angeblich verlorene Unschuld zu rückzuerlangen. Meine Arbeiten handeln in Wirklichkeit von Konfrontation, einer Komplexität, die sich aus den Widersprüchen in den formalen Elementen ergibt, der ursprünglichen Suche nach Form, indem abstrakte Gebilde zusammengeknallt werden, die notwendigerweise gar nicht nahtlos zusammenpassen. Weiter handeln sie von thematischen Elementen, von Natur und urbanem Raum, von organischer Form und Architektur, runden Linien im Gegensatz zu krummen. Einige deiner Bilder sind fast fotorealistisch. Welche Rolle spielen Fotos in der Entwicklung deiner künstlerischen Arbeit? Der andere Gedanke, der mir im Zusammenhang mit Me tamorphose in den Sinne kommt, obwohl es dabei eher um Wahrnehmung geht, ist der Gegensatz zwischen Mechanik und Intuition, oder der zwischen Mensch und Maschine. Ob wohl ich oft Fetzchen von Fotos oder aus Videodokumenta tionen verwende, wenn ich in der Endphase eines Bildes bin – allerdings verwende ich nie ein einziges, sondern immer Schnipsel aus dutzenden Fotos – habe ich grundsätzlich etwas gegen Bilder, die aus Fotos entstanden sind. Ich be zeichne meine Arbeit gern als post-fotografische Malerei.
Ich meine das so, dass ich ein paar der Lehren und die all gemeine Ästhetik der Fotografie benutzt und sie in meine Bilder eingebaut habe, um für mich mit Licht und Farbe umzugehen, damit in den Köpfen der Betrachter so etwas wie eine inhärente, zeitgenössische Wahrhaftigkeit entsteht. Eigentlich lehne ich aber die Grundstruktur der Fotografie vollkommen ab. Man könnte sagen, dass Malerei eine Art zu sehen in eine andere verwandelt, sagen wir, vom ersten Blick darauf, gewonnen aus einem fotografischen Verständnis, in eine menschlichere, organische Form der Betrachtung, wenn sich die Komposition aus multiplen Perspektiven ergibt, die Dutzende Fluchtpunkte und Horizontlinien haben. Dann wird eine Version der Wirklichkeit in eine andere geschoben und von einer anderen überlappt. Daraus ergibt sich eine sehr viel psychologischere Art, die Welt zu betrachten. Dahinein spielen auch Vorstellungen von Erinnerung und imaginärem Raum. Wenn ich deine Bilder betrachte, habe ich oft das Gefühl, dass sie sich auf meinen eigenen Erinnerungsspeicher beziehen. Du würdest vielleicht sagen, sie dienen als Portal, denn wie träumerisch betrete ich dann einen Raum lange vergessener Erinnerungen. Und obwohl viele deiner Bilder hyperrealistisch erscheinen, handelt es sich beim Abgebildeten nicht um die wirkliche, sondern um mögliche, vielleicht fantastische Welt(en), mit der sie mich konfrontieren. In gewisser Weise kann ich sogar etwas darüber lernen, wie Fantasie funktioniert. Würdest du mir zustimmen, wenn ich sage, dass deine Arbeit auch von der Psychologie der Wahrnehmung handelt? Du hast Recht, sich mit psychologischer Wahrnehmung auseinanderzusetzen ist wohl der geeignetste Ansatz in Be zug auf das Thema, denn als „Konzept“ verbindet sie eine Reihe der anderen auf Metamorphosen bezogenen Aspekte, über die ich auch geschrieben habe. Wenn man die Rolle post-fotografischer Malerei verstehen will, muss man eine fotografische oder mechanische, digitale Darstellung als prinzipiell in unserer Wirklichkeit verankert betrachten, belastet von der Schwerkraft und von der Banalität ihres Systems oder ihrer Syntax. Malerei ist an sich schwerelos und bewegt sich darum in den Bereich des vorwiegend Psychologischen.
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Janus and studies in progress in the Berlin studio „Janus“ und in der Entstehung befindliche Studien im Atelier in Berlin
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Metamorphosis I: Erik Nieminen – Possible Worlds Christine Kremers
Philosophers who use the term „possible worlds” differen tiate the real “world” or “reality” from other concepts. The real world is the actual idea of reality, of all that, which is. All other worlds are counterfactually called possible worlds. It is important to note that all counterfactual possible worlds are concepts, ideas, or results of thought experiments. As long as the laws of logic are observed there are no limitations with respect to the question, which “worlds” can be crea ted and which cannot. The question, which ideas are really possible, is philosophical in nature and only comes in effect when the concept of possible worlds is applied to questions that do not observe the laws of logic. The above always holds true in the creative / artistic field. Metamorphoses are transformations of possibilities into realities and vice versa. Neither the stages nor the direction or the result of the transformation are predefined in creative metamorphoses. Contrary to music or literature, in graphic art even the elements of “language” that are applied for the artistic act are free and versatile. Erik Nieminen puts it this way: The only valid principle is that content always follows form. The “material”, the elements of the composition, are
subject to constant transformation by way of the continu ous exchange with the artist and their environment. Starting from an abstract form or a line – possibly triggered by memory – a figure develops, there is something meaningful, maybe a monkey, which then can turn back into an abstract form when it changes its role in the process of transforma tion. Thus constantly changed and transformed, the piece of art develops and turns from something possible into something real. Just like the Imago, the point of maturity of an insect at the end of its metamorphosis, the work of art is complete because it has gained independence vis-à-vis its previous stages of existence. And being mature, it itself can become prolific again, can penetrate into the space of possibilities, and maybe even trigger a process of transfor mation in the observer. In this show we exhibit studies for Nieminen’s large oil paintings to give the observer the opportunity to see the different phases of the metamorphosis. The following interview that we conducted with the artist in preparation for the show, offers insights into his working method while painting the exhibited paintings.
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Erik Nieminen about Metamorphosis – An Interview, October 2020
Do you see yourself as an abstract or a figurative painter? I don’t really see my work as fitting into one genre or another – a while ago I used to say that I try for a “no style” kind of painting – it can just as easily fit into abstraction as it does into figuration. It’s neutral enough for it to go in any direction, to hold many possibilities. What does metamorphosis mean to you and your approach to art? When I think about metamorphosis, or transformation … it occurs on at least 2 levels, perhaps more. First of all, there is the technical narrative of the painting. In this the process is fundamental, from the first sketch to the last brush mark. Most of my works begin with geometric-like forms, abstract shapes colliding into each other. These are usually done as small drawn sketches, but can also be small oil studies on paper. Gradually I will take these initial formal ideas and break them down in further looser sketches until a confident composition develops. Sometimes at this point I will begin selectively and intuitively replacing some of these abstract forms with recognizable objects from our world – a bird replacing a circle, a tree replacing a scribbled line, etc. It seems as if the story of the development of the painting tells us something about its meaning. Can you tell us some thing about the creation of “Ricochet”?1 In the case of “Ricochet” the initial sketches were not much more than a sequence of simple squares moving in and out, bouncing off each other (part of the reason for the title). Sometimes, depending on how the composition is de veloping, I will not end up replacing much or even any of the 1. TBA 38
shapes with figurative elements and I will allow the pure form to continue developing and these works look nearly abstract. In my studio I conduct experiments with light using semitransparent plastics, glass, etc. I shoot light at them, reflect light off them and so on. These become accessories to the work itself – I use them to create form within the sketches, or spontaneously during the actual painting phase. Sometimes I will use some of the forms/colours/images found in these light projections as a final layer in the painting in order to create an additional filter or screen through which the reality of the painting is obser ved, and that relates to the idea of the painting itself existing as an independent /alternate reality, even if we allow for the idea of the painting being just an object … we must always suspend our disbelief to an extent. So therefore, this basically relates that the technical narra tive of the painting – that is its history, is based on the idea of something simple metamorphosing into a complex being. I remember it was Delacroix who said something like “begin with a broom and finish with a needle”. You use the The Roman God Janus as the title of one of your paintings. He is usually depicted as having two faces. How does this relate to your painting titled “Janus”? A work like “Janus” has literal metamorphosis occurring within its depiction – a space (the New York subway entrance at Columbus Circle) becomes an allegory for identity, for the passing of time and for moving from one realm to another – to new states. The title “Janus” relates to the Roman God of beginnings, gates, transitions, time, duality, passages, and endings. The structure of the work melds one reality on top of and into another. Colour comes into it, with the elements
being represented in green(earth), blue(air), red(fire) – and water being the fluid structural elements themselves, the essential architecture of the work and indeed of life itself. What is the idea behind the painting “Primates” and how does it connect to the concept of metamorphosis? Though a work like “Primates” may seem somewhat d ifferent from Ricochet, they both tie together by following my interest in habitats. I’m fascinated by the concept of urban space and those that inhabit it – a city being a phenomenon meant to sustain life but it’s really an awkward concept at best. Habitats for homo sapiens. Within that habitat exist these mini-paradises, the artificial utopias we can escape to – and these are the zoos, the biodomes, botanical gardens. They are an Arcadia, a small slice of Eden and even an attempt to recapture a supposedly lost innocence. All the works are really about a confrontation, a complexity resulting from contradiction in the formal elements (the initial search for form by banging together abstract shapes that do not necessary exist seamlessly together) and the thematic elements (nature and urban space, organic form and archi tecture, round lines vs curved) Some of your paintings almost appear photorealistic. Which role do photographs play in the development of your artwork? The other thought that comes to mind in terms of metamor phosis, though this really relates more to perception is the mechanical vs the intuitive – or the machine vs man. Though I often use bits and pieces of photo or video documentation in creating the final paintings (though never just one photo – always pieces from dozens), I am fundamentally opposed to photo-derived painting. I actually think of my work as post-
photographic painting in the sense that while I have taken some of the lessons and aesthetics of photography and inserted those into my works (ways of handling light and colour) so that there is an inherent contemporary veracity to it in the mind of the viewer … I wholly reject the basic structure of photography. The painting you could say, transforms from one form of viewing into another – from, perhaps at first glance – a photographic understanding, into a more human organic form of viewing where the composition happens from multiple perspectives that have dozens of vanishing points and horizon lines, where one version of reality is inter jected and overlaid by another, so that it’s much more of a psychological way of looking at the world. Ideas of memory and imagined spaces come into play. When I look at your paintings I often have the feeling that they relate to my own memory storage – as you might say they serve as a portal – I enter a realm of long forgotten memories in a dreamlike state of mind. Even though some of your paintings appear hyperrealistic it is not the real world but the possible world(s) of the imagination they confront me with. In a way I can learn something about how the imagination is working. Do you agree that your work is also about the psychology of perception? I agree that the targeting the psychological perception may be the most useful way to go in terms of focus, since that as a “concept” ties together a number of the other meta morphosis-related aspect that I wrote about as well. Seeing photographic – or mechanical/digital – representation as fun damentally rooted in our reality, burdened by the gravity, by the banality of its very framework or syntax is essential to un derstanding the role of post-photographic painting. Painting is intrinsically without gravity, and thus enters into the realm of the predominantly psychological. 39
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Erik Nieminen Born: 1985
www.eriknieminen.com
info@eriknieminen.com
Education: 2007- 2010 M.F.A. Concordia University, Montreal 2003 - 2007 B.F.A. (Honours) University of Ottawa, Ottawa Solo Exhibitions: 2020 “Freefall”, Galerie McClure, Montreal 2019 “Paradise”, High Line Nine Gallery, New York City 2018 “ABOVEBELOW”, Galerie d’Art d’Outremont, Montreal 2016 “The Unreal”, Albemarle Gallery, London UK 2011 “Anonymous Reality”, Karsh-Masson Gallery, Ottawa 2010 “Anonymous”, Concordia University, Montreal 2006 “Man Machine”, Gallery 115, Ottawa Group Exhibitions: 2021 “Future is Today Vol.2”, Al-Tiba9 Gallery, Barcelona (virtual) 2021 “Group Show 3”, Shrine, New York City (virtual) 2020 “Scope Immersive”, Scope Art Fair, Miami (virtual) 2020 “Salon des Refusés”, McBride Contemporary, Montreal 2020 “Green” Nuit Blanche, Montreal 2019 “En Couleur”, Galerie McClure, Montreal 2019 “Small Formats”, Archive Contemporary, Montreal 2019 “Pending Issues”, Galerie Weisser Elefant, Berlin 2019 “A ‘Stitch’ in time”, Galerie Erga, Montreal 2019 “The Moment Has Arrived”, Nuit Blanche, Montreal. 2019 “Perspicacious Paintings”, Galerie Erga, Montreal 2018 Scope Art Fair, Miami 2018 “Bombay Sapphire Artisan Series Finals”, Centre Phi, Montreal 2018 “Anonymous Drawings”, Galerie im Körnerpark, Berlin 2018 “London City Island Collective”, Albemarle/Pontone Gallery, London UK 2017 “Licht-Gestalten”, Frankfurt 2017 “Art²√Magic+Love”, Magic Beans Gallery, Berlin 2016 “Konditionalgefüge”, Kunstverein Neukölln, Berlin 2016 “I Sky You”, Magic Beans Gallery, Berlin 2015 “Open Art”, Toskana-Halle, Berlin 2015 “Around the World in 30 Days”, The Ballery, Berlin 2015 “City of Ottawa Acquisitions”, Karsh-Masson Gallery, Ottawa 2014 “Concurrent”, Winsor Gallery, Vancouver 2013 Kunsthalle Kreativstadt Weißensee, Berlin 2013 “Reflections”, Albemarle Gallery, London UK 2012 “Art” Kunsthalle Kreativstadt Weißensee, Berlin 2011 “December Choice 11”, Wallack Gallery, Ottawa 2010 “December Choice 10”, Wallack Gallery, Ottawa 2010 “Art and Technology: Intertwined Creative Ventures”, Mechtronix, Montreal 41
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2009 2009 2008 2008 2008 2007 2007 2005
“Art 09”, Toronto “Time Off”, Galerie Art Mur, Montreal “Cinéma”, Calligrammes Gallery, Ottawa “Shut Up and Paint”, Montreal “Strata”, Espace Artefacto, Montreal “De-Re-Construction”, Gallery 115, Ottawa “Painting and Source,” Gallery 115, Ottawa “2005 Mayor’s Art Festival,” Ottawa City Hall, Ottawa
Awards: 2021 Canada Council Research and Creation Grant 2019 Elizabeth Greenshields Foundation Grant 2018 Bombay Sapphire Artisan Series Grand Prize Winner 2018 Bombay Sapphire Artisan Series Regional Winner 2017 Ontario Arts Council Emerging Artist Grant 2014 Elizabeth Greenshields Foundation Grant 2011 Elizabeth Greenshields Foundation Grant 2010 “Art and Technology: Intertwined Creative Ventures”, 1st prize award. 2008 Lillian Vineberg Graduate Award in Painting and Drawing 2007 The Edmund and Isobel Ryan Visual Arts Scholarship for Painting 2007 Royal Canadian Academy Painting Scholarship Award Related: 2021 Artist talk, in the context of “Future is Today Vol.2”, with Al-Tiba9. online. 2020 Artist talk, Université de Québec à Montréal 2020 “Anonymous Reality”, feature documentary by André Quesnel 2020 Live Talk in the context of the exhibition “Freefall”. Galerie McClure, Montreal. 2020 Les Encans de la quarantaine (Auction), Montreal. 2020 Artist talk, Université de Québec à Montréal 2019 Radio Interview, CIBL 101,5 FM Montreal. “Magazine Radio In Situ” 2018 “Into This”, podcast conversation with Marx Ruiz-Wilson 2016 Lecture: Post-Digital Painting, Kunstverein Neukölln, Berlin 2015 Artist Talk, Concordia University 2011 Artist Talk, Concordia University 2010 - 2011 Artist Mentor, Jeunes Volontaires Program, Government of Quebec 2008 - 2009 Teacher Assistant, Painting Class. (Juliana Espana Keller), Concordia University. 2007- 2008 Teacher Assistant, Painting Class. (Elise Bernatchez), Concordia University. Collections: Ford Motor Company Brookstreet Hotel University of Ottawa Fairmount Chateau Laurier Artsy.net Private Collections Erik would like to thank the Elizabeth Greenshields Foundation for their generous support for the creation of the works in this exhibition.
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© 2021 EDITION GALERIE KREMERS © Texte und Bilder bei den Autoren © Übersetzungen von Herbert Genzmer Fotos von Erik Nieminen Druck: Druckhaus Sportflieger, Berlin Wir danken der Stiftung Kunstfonds
Galerie Kremers Berlin Erik Nieminen POSSIBLE WORLDS
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Metamorphosis I Metamorphosis I
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Erik Nieminen POSSIBLE WORLDS Edition Galerie Kremers Berlin