Hokuspokus - KünstlerInnen als Schamanen

Page 1

KünstlerInnen als Schamanen

HOKUS POKUS

GALERIE KREMERS BERLIN


HOKUS POKUS KünstlerInnen als Schamanen

Gregor Hiltner, Detail aus „Black Magic”, 1981, Öl auf Sackleinen, 245 x 335 cm

Katalog zur Ausstellung vom 7. September bis 6. November 2021

EDITION KREMERS BERLIN


Inhaltsverzeichnis

Seite

Der Künstler als Schamane – Gregor Hiltner

4–6

Der Künstler Adolfo Schlosser – Die Haut der Steine

7–9

Hokuspokus – Künstler und Künstlerinnen als Schamanen – Christine Kremers Der Schamane des Übergangs – Joseph Beuys Sammeln Provokateur und rebellisches Orakel – Joseph Beuys Hokuspokus – Schamanistisches in der Galerie Kremers

10 – 14 11 – 13 13 13 – 14 14

Jude Griebel – Der apokalyptische Reiter

15 – 17

Adébayo Bolaji

18 – 19

Uwe Bremer – Reisender zwischen den Galaxien

22 – 23

Natascha Mann und die Sirenen

24 – 25

Peter Hammer – Genie und Eigenbrötler

26 – 27

Gregor Hiltner

28 – 31

Karl Kunz

32 – 34

Juan Logan

36 – 37

Alan Neider – painting with the fabrics

38 – 39

Christian Rösner

40 – 41

Paul Schwietzke

42 – 43

Taylor A. White

44 – 45

Reiner Zitta – Der Schamane von Pühlheim

46 – 47

Impressum

48


Der Künstler als Schamane

4

Entzweites vereinen, Zerbrochenes zusammenfügen, aus Teilen ein Ganzes schaffen, all das gehört zu den ureige­ nen Aufgaben von Schamanen. Mit diesem Ziel therapieren sie Mitglieder ihrer Gemeinden. Dabei behält der Schamane stets – bewusst oder unbewusst – das große Ganze im Blick. Das Gleichgewicht zwischen den Mächten der Erde, ihrer Pflanzen, Berge, Flüsse, Tiere und den Menschen zu erhal­ ten oder, im Falle einer Krise, wiederherzustellen, ist seine Königsdisziplin. Krankheit, Fruchtbarkeit, Regen, Sturm und Flut allerdings sind Phänomene, die sich dem Einfluss der Menschen entziehen. Wenn die Welt aus den Fugen gerät, sucht der Mensch Antworten und Heilung bei Spezialisten, den Schamanen. Ihre Welt ist belebt und holistisch, alles hängt mit allem zusammen, mit anderen Worten: Die Sicht der Schamanen ist eine systemische und somit eine viel modernere als unsere utilitaristische und dualistische, wie sie durch den Einfluss der monotheistischen Religionen all­ gegenwärtig ist. Napoleon verachtete sowohl Islam als auch Christen­ tum als rückwärtsgewandte Aberglauben. Als er Europa zu unterwerfen versuchte, brachte er nicht nur seine Soldaten, sondern auch Gelehrte und Bücher, er brachte die Aufklä­ rung. Allerdings, so viel wissen wir heute, Aufklärung hatte und hat es schwer bei den Menschen, sonst würden sie nicht mit derartiger Ausdauer ihre eigene Lebensgrundlage, Natur und Umwelt, so nachhaltig zerstören. Für Schamanen sind Natur und Mensch untrennbar mit­ einander verwoben. Der Mensch, anders als in der Vorstel­ lung der modernen Welt, ist hier ein Abhängiger und weniger ein ausbeutender Gestalter. Kaum etwas jedoch ist für Menschen schwerer zu er­ tragen, als Ausgeliefertsein und Ungewissheit. In allen Kul­ turen und zu allen Zeiten bis hinein in die Gegenwart hat es charismatische Menschen gegeben, die vermeintlich hellse­ hend die Zukunft voraussagen, die Orakelknochen werfen, aus Karten lesen, die Innereien frisch geschlachteter Opfer­

tiere deuten und vieles mehr. Zu ihnen zählten Menschen wie Nostradamus oder Hanussen, der sogar Börsentipps gab, die allein von ihm ausgesprochen tatsächlich die Börse beeinflussen konnten, oder Madame Buchela, bei der sich Politiker wie Konrad Adenauer beraten ließen. Wie passen Künstler in dieses Bild? In der Kunstgeschichte des 20sten und 21sten Jahr­ hunderts taucht der Begriff Schamane immer wieder bei Er­ klärungsversuchen zu verschiedenen Künstlern auf. Keiner dieser Künstler war und ist Schamane im eigentlichen Sinne, da Schamanen zwingend eine Gemeinschaft brauchen, für die sie eine wichtige, heilende Funktion erfüllen. Zweifel­ los ist die Übertragung dieses Begriffs auf die Kunst der Versuch, den ungewohnten, oft rätselhaft ritualisierten, künstlerischen Vortrag durch ein Phänomen zu deuten, das in unserer modernen, westlichen Gesellschaft fremd ist: den Schamanismus. Dass dieser Ausdruck in diesem Kon­ text auftaucht und gebraucht wird, geht einher mit einer neuen Offenheit der Menschen für das Irrationale. Immer selbstverständlicher werden naturwis­ senschaftliche Tat­ sachen ge­leugnet, Weltverschwörun­ gen bereitwillig an­ genommen, auch wenn sie mit den abwegigsten In­ halten gefüllt sind. Scharen von Esote­ rikerinnen nennen sich freiwillig Hexen, selbsternannte Heiler behandeln sogar Krebs durch Handauflegen oder mit homöopatischen Dilutionen. Be­

Reiner Zitta, o.T., Schaumstoff, Hörner, Knochen, 2003

griffe wie Hexe, Heiler, Verschwörer sind einem Kontext entlehnt, des­ sen Bedeutung in unserer Gesell­ schaft lange als verloren galt. Hier soll einzig der Zauber eines ausge­ dachten Rituals die Wirkungskraft suggerieren, die entsteht, wenn sich die Hexe, das Medium, der Heiler oder der Schamane mit den geheimen Mächten der Natur oder Gregor Hiltner, Schutzgeist Gustav, Winkeleisen, der Geisterwelt verbinden. Zweifel­ Kinderzopf, Knochen, Hufeisen, Draht, 1995 los haben Menschen eine angebo­ rene Bereitschaft zu glauben, selbst wenn der Kontext, in dem das stattfindet, logischem Denken weit entrückt ist. Auch ich bin nicht frei von Aberglauben. In der Ausstellung „Hokuspokus” wollte ich einen Fetisch als Beitrag zeigen, der seit dreißig Jahren an zentraler Stelle in meiner alten, fränkischen Küche angebracht ist. Auf einem alten verros­ teten Winkeleisen hatte ich mit Draht den blonden Kinder­ zopf einer Verflossenen mit dem Beckenknochen einer Kat­ ze und dem Hufeisen eines Maultieres verschnürt, das ich als Talisman mitgenommen hatte, als ich in einem Winter in den Grand Canyon hinunter gestiegen, den reißenden Fluss entlanggewandert war und mich am selben Tag zu­ rück nach oben gequält hatte. Ein perfektes Stück für diese Ausstellung, dachte ich. Als mir allerdings klar wurde, dass dieser Fetisch meine alte Mühle in Franken seit so vielen Jahren beschützt, nahm ich Abstand davon, um kein böses Omen zu provozieren. Beispiele für derartig begründete Überzeugungen gibt es viele. Im Geheimen glauben die meisten Menschen – natürlich auch die Künstler –, das Schicksal beeinflussen zu können und hoffen auf die Möglichkeit von Heilung. Zum einen geht es um die erlebte Dissoziation von Mensch und Natur, die Künstler wie Adolfo Schosser (Spanien), Reiner Zitta, Joseph Beuys oder Jude Griebel (Kanada) thematisieren.

Zum anderen geht es um Heilung von der Last der Geschichte und die durch Verbrechen der Vergangenheit fragmentierten Identitäten der Menschen. Das sind die großen Themen von Juan Logan (USA) und Adébayo Bolaji (UK/Nigeria). Bei Juan Logan ist es die Geschichte der Skla­ verei in Amerika, bei Adébayo Bolaji die Kolonialgeschichte, die ihn als schwarzen Engländer beschäftigt. Dabei geht es neben politischen Aspekten immer um die Näherung und Versöhnung mit einer latent vorhandenen zweiten, in ihrem speziellen Fall, afrikanischen Identität, Kultur und nicht zu­ letzt Religion. Der Bildhauer Christian Rösner bearbeitet dicke Baum­ stämme grob mit Axt und Kettensäge und schafft sich in seinem riesigen Atelier eine Welt wagnerianisch mythischer Figuren und Ensembles. 5

Natascha Mann, Schneewittchen, Selbstportrait, Gips bemalt, Stroh, Glassteine, rostige Nägel, 250 x 100 x 100 cm, 1983

Dann gibt es Künstler wie Natascha Mann und Paul Schwietzke, die sich mit der Faszination von Esoterikern auf das geheimnisvoll Mythische und Mystische einlassen. Natascha Mann baut archaisch anmutende, altarartige Skulpturen und materialintensive Bildobjekte, die zweifel­ los von den Erfahrungen ihrer Südseereisen inspiriert sind. Schwietzke, ein zeitgenössischer Surrealist, malt als selbst­


Der Künstler Adolfo Schlosser – Die Haut der Steine1

ernanntes Medium rätselhafte Allego­ rien mit naturalistischer Meisterschaft. Ein weiterer surrealer Grenzgänger des 20sten Jahrhunderts, der 1971 verstor­ bene Karl Kunz, war, wie viele seiner Zeit, seit Kindertagen gebannt von Magiern und Zauberern, deren Wirken er in großen Bildtableaus würdigte.

Vollgestopft mit den Relikten ihres Wirkens hat sich die Mehrzahl dieser Künstler ein spektakulär eigenbrötlerisches Umfeld geschaffen, in dem sich ihr Leben und ihre künstlerische Arbeit kaum mehr voneinander trennen lassen.

Seit je sind die Menschen der Ant­ wort auf die ewige Frage „Warum sind wir hier?” keinen Schritt nähergekom­ men. Die Wissenschaften haben den Portrait von Adolfo Schlosser hinter einer Arbeit aus Menschen viele Phänomene und Zu­ Algen und Messing. Bustarviejo, 2000. © Foto von sammenhänge im Mikro-, Meso- und Javier Campano. Makrokosmos entschlüsselt, die ent­ scheidende Frage nach dem Warum Der Berliner Uwe Bremer würde sich als höchster jedoch hat man rational nach wie vor nicht beantworten Priester eines geheimnisvoll belebten, selbst erschaffenen können. Paralleluniversums verstehen, in dem nur er die Fäden zieht. Er lässt mystische Comicfiguren wie den „Mothman” Schon immer aber hat man diese Leerstelle mit der auf die Inkarnation eines Coronavirus oder auf ein männer­ Konstruktion eines oder vieler Götter gefüllt. Dies jedoch verschlingendes, galaktisches Urweib treffen, führt große sind irrationale, eben künstlerische Antworten, die einen Oper auf, spielt, meuchelt, liebt und kopuliert in praller rational forschenden Geist kaum befriedigen können. ­Bildersprache. Künstler als Schamanen wählen nicht den Weg der Wis­ Peter Hammer ist Musiker, Komponist, Fossilienforscher, senschaft, sondern einen nicht immer vernünftigen Weg zur Maler, Instrumentenbauer (wie auch Adolfo Schlosser) und Erkenntnis, den intuitiven, oft sehr emotionalen Weg der vor allem Schöpfer zahlloser, fantasievoller, mechanischer Bilder. Ihre Ergebnisse sind wissenschaftlich nicht verifizier­ Apparate und kinetischer Maschinen. Er darf als Schamane bar, denn was bedeutet es, wenn Joseph Beuys einem toten der Gemeinde seiner Bewunderer bezeichnet werden. Hasen ein Bild erklärt oder Adolfo Schlosser Steine in Tier­ haut einhüllt? Solche Aktionen scheinen nicht selten para­ Last but not least gibt es den einzigartigen Taylor Anton dox, und doch können Bilder, unverständliche, archaische White (USA), dessen ausuferndes, malerisches Universum Bilder oft mehr zu Wahrheit und Erkenntnis beitragen als durch absurde Assoziationen, humorvollen Nonsens und eine streng logische Herangehensweise. Es geht um Bilder, nicht zuletzt durch gewagte, aber strenge Kompositionen assoziative, eindringliche Bilder, und es ist diese Schnittstel­ zusammengehalten wird. Eine gewaltige Gemeinde folgt le, an der sich Künstler und Schamane treffen und an der sie ihm weltweit. verschmelzen.

Die fantasievollen Gewänderobjekte des New Yorkers Alan Neider, genäht und bemalt, versehen mit eingearbei­ teten Taschen und Accessoires, mögen für hohe Priester oder Schamanen geschneidert worden sein.

6

Es gibt nichts, was man unterrichten könnte, denn für die Kunst gibt es weder Regeln noch Axiome. Ein Künstler lebt in einer anderen Welt und seinen Weg muss er mit ­diesem Wissen suchen. ​​​​​​​​Adolfo Schlosser

Adolfo Schlosser wurde 1939 in der österreichischen Steiermark geboren. Seine Eltern betrieben in der Nähe von Leitersdorf eine Keramikwerkstatt. So wuchs Adolfo mit den Elementen auf, die ihn in seiner künstlerischen Arbeit sein Leben lang begleiten sollten: Ton und Lehm, Bäume und damit Holz, Wachs, Steine, Pflanzen, Tiere, Metall, Feuer – organische Substanzen, die er in Kunstwerke verwandelte. Mit 19 verließ er Österreich und lebte vier Jahre als Hoch­ seefischer in Island, wo auch seine künstlerische Arbeit be­ gann, mit 27 verließ er Österreich, um dem Militärdienst zu entgehen, und ließ sich in Spanien, in der Nähe von Madrid nieder, wo er 2004 verstarb. Schlosser war Student, Maler, Schriftsteller, Fischer, Musiker und Komponist, Fotograf, Bildhauer – letzteres, ohne dem Wort gerecht zu werden, denn er schlug keine Steine, er hauchte ihnen eine Seele ein, umgab sie mit schützender Haut.

7 Adolfo Schlosser bei der Probe für ein Konzert in seinem Studio in der Calle Piamonte, Madrid. Foto von Eva Lootz

In seiner künstlerischen Arbeit beschäftigt sich Adolfo Schlosser damit, die sichtbare und die unsichtbare Energie der Dinge zu zeigen, das, was sie zusammenhält, was sie stärkt, die ihnen innewohnende Struktur, und, darüber hinaus, ihre Klänge, ihre innere Musik. Schlosser will das Unsichtbare sichtbar machen, so zum Beispiel Luft, und wie sie sich bewegt. Darum interessieren ihn Segel, wie sie sich mit Luft blähen oder schlaff hängen, wie sie ihre Form durch Luft verändern. Schlosser will die Seele der Dinge erkunden, die Seele seiner Materialien, vor allem die der Steine, er will ihre Haut sichtbar machen wie in der 1976 entstandenen Arbeit Piedra cosita (Vernähter Stein), ein Quarzstein, ein­ genäht in die Haut einer Ziege. Es geht ihm um die freimau­ rerische Ordnung der Steine, die mysteriöse Ordnung ihres inneren Zusammenhalts. Seine Arbeiten, seine Beschäftigung mit den Elementen, vor allem der Luft und dem Feuer, macht ihn zum

Gregor Hiltner

Haus, 1987 Rinde der Faseragarve, Eisenstange und Kordel Privatsammlung

Der Titel wurde dem Titel einer Ausstellung der Fotografin Gloria Giménez „La Piel des la Piedras” entliehen, die Fotos sind enthalten in dem Fotoband: Syria. Barcelona 2003.

1


Adolfo Schlosser, Ausstellungs-Installation, Galerie Buades Madrid

8

Alchimisten, zum Hexer, zu einem, der, um das Unsichtbare ans Licht zu ziehen und die inneren Qualitäten der Dinge herauszustellen, bis zum Äußersten geht. Schlosser, schreibt Francisco Calvo Serralier, ist ein Bezirzer von Tieren, Schlan­ genbeschwörer der Kobra, die zum Klang seiner Flöte tanzt, denn er will zeigen, welcher Bewegungen und Bewegungs­ abläufe sie fähig ist, um zur lebenden Spirale zu werden, einer seiner bevorzugten Formen sowohl in den plastischen wie in den fotografischen Arbeiten. Es verwundert nicht, dass Schlosser sich schon früh in seinem Leben als Autodidakt mit Musik beschäf­ tigte, selbst Instru­ mente entwickelte und baute und Mu­ sikstücke intuitiv komponierte. Denn Musik bewegt die Luft, die Instrumen­ te und vor allem die Menschen, die sich zu ihren Klängen be­ wegen und tanzen. „Beide, der Al­ chimist und der Che­ miker, sind Experten für Säfte”, schreibt Francisco Calvo Ser­ Das Ohr des Schweigens, 1976 Ziegenhaut und Eisenstange, 140 x 90 cm Private Sammlung

ralier in seinem Einführungstext des Katalogs zur Ausstel­ lung im Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia 2006, „Experten für Drogen, für Kombinationen von Substanzen, deren Destillation unerwartete Eigenschaften der Natur ans Licht fördert. Es sind die Chemiker, die meist die thera­ peutischen, die heilenden Eigenschaften finden. Der große Unterschied jedoch zwischen Alchimisten und Chemikern ist die Ungeduld des ersten, der sich nicht mit dem schrittwei­ sen Vorgehen bei der Arbeit zufrieden gibt und der, obwohl er sein ganzes Leben damit zubringen mag, die Formel für das große Ganze sucht, das Absolute, den Stein der Weisen, die Quelle des Goldes als Quelle des Lichts, die letztendli­ che Erleuchtung. Göttliche Ungeduld! Irrer Durst nach dem Absoluten! Geschlängelter, spiraliger Maßstab, um an die göttliche Formel zu gelangen, den geheimen Schlüssel, das letzte Geheimnis der Natur als Destillat! […] Was den Alchi­ misten und den Chemiker verbindet, ist die Leidenschaft, das experimentelle Pathos, doch während Letzterer Geduld und Ausdauer zum Gesetz erhebt, glüht im anderen die Leidenschaft der Maßlosigkeit. Damit meine ich nicht Rase­ rei, sondern den Kampf gegen die Grenzen des Maßvollen. Letztendlich war es die Alchimie, die die Chemie gebar und damit die Kunst. Adolfo Schlosser befindet sich an dieser Gabelung des Wegs, wo Alchimie und Kunst sich scheiden, denn genau das ist der letzte Zufluchtsort des Glaubens an das Okkulte, und an das, was nicht zu enträtseln ist.”2 An dem Punkt, an dieser Gabelung wird Adolfo Schlosser zum Magier. Herbert Genzmer Francisco Calvo Serralier: Visitación. In: Adolfo Schlosser 1939 – 2004. Catálogo Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia 2006:17f

1

9

Bogen und Pfeile, 1995, Verschiedene Hölzer, Kordel und Metall, 175 x 19 x 5 cm

Don Genaro, 1995, Faseragave, Stein und Stahlkabel, 115 x 330 x 190 cm Sammlung Helga de Alvear

Projekt für die spanische Natur, 1987 Graphit auf Papier, 29,7 x 20,5 cm Sammlung des Künstlers


Hokuspokus – Künstler und Künstlerinnen als Schamanen

Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren Sind Schlüssel aller Kreaturen Wenn die, so singen oder küssen Mehr als die Tiefgelehrten wissen Wenn sich die Welt ins freie Leben und in die Welt wird zurückbegeben Wenn dann sich wieder Licht und Schatten Zu echter Klarheit werden gatten Wenn man in Märchen und Gedichten Erkennt die wahren Weltgeschichten Dann flieht vor einem geheimen Wort Das ganze verkehrte Wesen fort Novalis

10

Ich staune. Staunen ist der ursprünglichste und erfreulichste Zu­ stand als Folge einer Überraschung. Besonders gern staune ich über Künstlerinnen und Künstler und das, was sie schaffen. Manchmal fühle ich mich wie ein Kind in einer Zauber­ show. Allen Einwänden des gesunden Menschenverstandes zum Trotz will ich glauben, dass der Magier ein Kaninchen aus seinem Hut gezaubert hat, oder dass das Taschentuch, das er aus seiner Hosentasche zieht, endlos lang ist: Ich will glauben, was sich sehe. Auch Gregor Hiltner ist ein Magier, wenn auch kein Illu­ sionist, im Gegenteil: An der Leinwand taucht er selbst ein in eine magische Welt, die auch ihn verzaubert. Vielleicht überrascht ihn nach einigen Pinselstrichen ein LeinwandKaninchen, das für einen unbestimmten Zeitraum die Szene beherrschen wird, sich dann aber wandelt oder bestehen bleibt. Jedes noch so unscheinbare Zeichen hat das Poten­ tial, eine Hauptrolle in der Komposition zu spielen, die sich erst während des Spiels oder Malvorgangs entfaltet.

Die Themen, die Gregor Hiltner schon sehr früh inter­ essieren, haben mit Magie zu tun. Der Glaube an Einflüsse übernatürlicher Kräfte, die Ansicht, man könnte die Außen­ welt durch Wörter, Formeln, Sprüche oder bloße Gedanken beeinflussen, die Vorstellung, dass die Zukunft vorherseh­ bar ist und dass bestimmte Gegenstände eine heil- oder schadenbringende Wirkung haben, schließlich die Über­ zeugung, dass bestimmte Menschen übernatürliche Kräfte haben oder Wesen mit solchen Kräften in ihren Dienst zwin­ gen können, alle diese Eigenschaften des magischen Den­ kens haben nie aufgehört, in allen Religionen auch der fort­ schrittlichsten Gesellschaften eine große Rolle zu spielen. Mag auch der moderne rationale Homo Sapiens immer wie­ der versuchen, das magische Denken als kindliche Vorstufe rationalen Denkens oder als Charakteristikum atavistischer Stammeskulturen zu entmachten, seine Spuren finden sich immer und überall: Seien Sie ehrlich: Haben Sie nicht irgendwo einen Talisman versteckt? Vermeiden Sie es, unter Leitern durch­ zugehen? Gregor Hiltner hat sich auf die Suche nach den Spuren dieses Denkens begeben und sie vor allem in der Bilderwelt und den Ritualen der Religionen gefunden – in seiner eige­ nen monotheistisch geprägten Herkunftskultur wie in den synkretistischen Religionen, die er auf seinen Reisen nach Poly- und Mikronesien, Brasilien und Kuba kennengelernt hat. Die kubanische VOODOO-Gottheit „Xango” ist auf ei­ nem der ausgestellten Fahnen in dieser Ausstellung zu se­ hen. Diese Suchbewegung führte ihn aber zunehmend auch nach innen und zu den Quellen seines kreativen Schaffens. Sowohl seine eigenen Werke als auch die von ihm für diese Ausstellung ausgewählten Arbeiten anderer Künstler sind mit dieser Suche verbunden – die besonderen Praktiken und Motive dieser Künstler und Künstlerinnen führen direkt zum Thema dieser Ausstellung.

Die Herkunft des Wortes Schamane ist nicht eindeutig. Leitet man es aus dem Pali (Indien) her, so bedeutet „Scha­ mane” Bettelmönch oder Asket, abgeleitet aus den tun­ gusischen Sprachen Sibiriens bezeichnet es jemanden, der erregt, bewegt oder erhoben ist. Unabhängig davon dient die Bezeichnung im weiteren, häufig verwendeten Sinne als Sammelbegriff für ganz unterschiedliche spirituelle, re­ ligiöse, Heilern verwandte oder rituelle Spezialisten, die bei verschiedensten Ethnien weltweit als Vermittler zur Geis­ terwelt fungieren und denen entsprechende magische Fähigkeiten zugesprochen werden. Schamanen können mit der unsichtbaren Welt korrespondieren und dadurch – auch als Mittel der Heilung – eine Versöhnung mit den Ahnen herbeiführen oder die Zukunft voraussagen. Schamanen haben eine ausgezeichnete Verbindung zur belebten und unbelebten Welt, können Gegenstände daraus auswählen, sie aus ihrem Gebrauchskontext herauslösen, bearbeiten und mit einem besonderen Zauber befrachten. Ob durch Überlieferung oder durch besondere Eigen­ schaften bzw. Talente, Schamanen genießen in jedem Fall eine Sonderstellung innerhalb einer Gemeinschaft. In Per­ sonalunion waren sie Heiler, Priester und Wahrer des kultu­ rellen Erbes, als solche auch Zeremonienmeister und (Un­ terhaltungs-) Künstler. Ohne eine fest verankerte Funktion innerhalb einer Stammesgemeinschaft sind Schamanen heute eigentlich arbeitslos. Die Anwendung ihrer Fähigkeiten ist nur in einem Kontext legitimiert, in dem die Verbindung mit der Stammes­ kultur und -religion lebendig ist. Bei heutigen Schamanen ist das nur bei wenigen der Fall. Egal, ob als Scharlatane oder Spinner diffamiert oder als Seher oder Guru verehrt: Schamanen in der westlichen Welt sind auf jeden Fall Schamanen in der Krise.

Joseph Beuys © bpk/Angelika Platen, © VG-Bildkunst, Bonn 2021

Der Schamane des Übergangs – Joseph Beuys Auch wenn Beuys sich selber nicht als Schamane be­ zeichnet hat, wies er diese Zuschreibung jedoch auch nie von sich. Sie erschien ihm in vielerlei Hinsicht sicher pas­ sender als die Bezeichnung Künstler, jedenfalls bevor er selber den Kunstbegriff erweitert hat. Der Künstler hat keine geringere Aufgabe als die Gestaltung der Zukunft, dies ist der Impuls, den der Mensch und Künstler Joseph Beuys mit seiner Kunst bei Betrachtern anregen will. In einem sehr lesenswerten Interview, das Heiner Bastian und Jeannot Simmen mit Joseph Beuys führten1, finden sich einige Stel­ lungnahmen Beuys‘ im Zusammenhang mit der Bedeutung des Schamanismus. Auf die Frage nach der gegenwärtigen Aktualität des Schamanischen antwortet Beuys, es komme ihm darauf an, die verlorengegangenen Kräfte des Schamanismus wieder in den heutigen Bewusstseinszusammenhang zu bringen.2 Gerade hier zeigt sich eine paradoxe Situation: Schamanen der alten Zeit konnten Bilder erzeugen, die ihnen die Götter als Schöpfer der Zukunft eingaben. Der heutige Mensch, der sich aus dieser spirituellen Abhängigkeit gelöst hat, ist darauf angewiesen, eigene Bilder für die Zukunft zu er­ schaffen. Da er aber, so Beuys, in einer Zeit lebt, in der das Wissen um die lebendigen Kräfte weitestgehend aus dem Kulturbewusstsein eliminiert wurde, muss es ihm gelingen, diese Kräfte wieder zu aktivieren. Die Bilder stammen also aus der Vergangenheit, sind überliefert in mythologischen Geschichten und alten Bräuchen, aus einer Zeit, in der die Wahrnehmung und Erfahrung dieser lebendigen Kräfte Joseph Beuys, Zeichnungen, Tekeningen, Drawings, Ausstellungskatalog der Nationalgalerie Berlin 1979, hrsg von Heiner Bastian und Jeannot Simmen, Prestel Verlag, München 1980 2 Joseph Beuys im Interview, a.a.O., S. 36 1

©

11


noch im Bewusstsein war, in der der Mensch mit der Natur noch kommunizieren konnte und nicht das klassifizierende Denken und die Vorstellung seiner Überlegenheit ihm diese Kontaktmöglichkeit verschlossen hat. In diesem Sinne setzt Beuys archaische und ursprüngliche Zeichen und Praktiken ein, um die Situation der Gegenwart transparent zu ma­ chen. Dies tut er z. B. als archaischer Hirte, der imstande ist, eine besondere Verbindung mit anderen Naturwesen auf­ zunehmen.

12

In der spektakulären Aktion „I like America und America likes Me” ließ Beuys sich ganz in Filz eingewickelt 1974 vom New Yorker Flughafen in einem Krankenwagen zur Galerie René Block bringen. In einem separaten Raum wurde er zu­ sammen mit einem amerikanischen Kojoten namens „Little John” für die Dauer von 3 Tagen und 3 Nächten eingeschlos­ sen. In diesem Raum ordnete er täglich die neueste Ausgabe des Wall Street Journal und stapelte Filzbahnen. Außerdem war er ausgestattet mit Handschuhen, einem Spazierstock und einerTriangel, die er von Zeit zu Zeit spielte. Zu Beginn war der Kojote aggressiv und verunsichert. Aber durch die Zeit, die er mit dem Künstler verbrachte, fasste er immer mehr Zutrauen zu dem Menschen, und die Beziehung wur­ de inniger. Beuys legte sich auf das Strohlager, das eigent­ lich für den Kojoten vorgesehen war, und das Tier dagegen schlief auf den Ausgaben des Wall Street Journal. Als er sich verabschieden musste, drückte er den Kojoten an sich und verstreute anschließend das Stroh im ganzen Raum. Zum Abschluss der Aktion ließ er sich, wie bereits zu Beginn, wie­ der in Filz einwickeln und im Krankenwagen zum Flughafen bringen. Eine ähnlich spektakuläre Aktion fand 1965 in der Düssel­ dorfer Galerie Schmela statt. Zu Beginn der Aktion versperrte Beuys die Tür von innen. Die Besucher konnten den Vorgang nur durch die Fenster beobachten. Seinen Kopf vollständig mit Blattgold, Goldstaub und Honig bedeckt, begann er, ei­ nem toten Hasen die Bilder zu erklären: Mit dem Tier auf dem Arm, und offenbar im Zwiegespräch mit ihm, ging er von Ob­ jekt zu Objekt durch die Ausstellung. Erst nach drei Stunden wurde dem Publikum der Zutritt in die Räume gewährt. Beuys saß dabei, den Hasen auf dem Arm, mit dem Rücken zum Publikum auf einem Hocker im Eingangsbereich.

Abgesehen davon, dass Beuys hier zeitkritisch den Kunstbetrieb und die Tech­ nik des Kunsterklärens persifliert, erscheinen die Akteure der Performance, der mit Honig und Gold be­ klebte Kunsterklärer (Pries­ ter) und der tote Hase, wie Relikte aus einer anderen Zeit. Universales Symbol der Fruchtbarkeit in Mythologie und Religion ist der Hase Die Aktion Joseph Beuys „Wie man dem für Beuys auch Symbol der toten Hasen die Bilder erklärt“ in der Inkarnation. Der Hase kann Alten Galerie Schmela, © bpk/Walter Vogel, nur dann zum Leben erweckt © VG-Bildkunst, Bonn 2021 werden, wenn der Schama­ ne sich eines besonderen Mediums bedient – so mag der Honig auf seinem Kopf, ein nicht vom Menschen gemachtes Naturprodukt, als Katalysator für die Lebendigkeit des Vor­ trags den Hasen beleben, ohne dieses Medium aber mögen die intellektuellen (und oft durchaus tödlich langweiligen) Erläuterungen des Kunsterklärers wirkungslos sein.

Was Beuys mit den Schamanen der alten Zeit verbindet, sind nicht nur archaische Rituale, sondern auch im Stillen ausgeführte Praktiken, die wiederum die Grundlage für die großen Auftritte und die „Ingredienzien” seiner Kunst sind.

Die Arbeit von Beuys, die wir als Teil dieser Ausstellung zeigen, ist eine Farboffsetlithographie aus dem Jahre 2002 mit dem Titel „Auguren”. Sie zeigt ein kleines Stillleben mit einer Hasenfigur auf einer Fensterbank vor einer Lampe und einer Kabelsteckdose. Auguren waren angesehene Mit‑ glieder des altrömischen Priesterkollegiums, die aus ver­ schiedenen Zeichen wie Vogelschreien, Blitzen, Donner und anderen Naturereignissen den Willen der Götter er­ kundeten. Auch bei Beuys ist der Hase die zentrale Gestalt, umringt nicht von Naturgewalten, sondern von den Er­ rungenschaften des technischen Fortschritts: Strom und Lichtquelle. Dieses seltsame Trio ist sicher nicht imstande, die Zukunft vorauszusagen, kann aber die Betrachter irri­ tieren und zum Nachdenken anregen. Aus dem natürlichen Kontext herausgelöst, und als Standfigur verniedlicht, wird jedoch deutlich, dieser Hase ist tot, d. h., er ist seiner ur­ sprünglichen symbolischen Wirkung und archaischen Kraft beraubt. Diese Leerstelle lässt den Verlust vielleicht umso deutlicher hervortreten.

Diese unsichtbare, aber nicht verlorene Welt ist die Quelle des künstlerischen Schaffens von Joseph Beuys, sie ist Auslöser seines selbstgewählten Auftrags, ist Vermächt­ nis und Gestaltungsauftrag der Zukunft. Damit aber steht er vor der unlösbaren Aufgabe, etwas Unsichtbares sichtbar zu machen – „die zur unsichtbaren Welt gehörenden Kraftzusammen­ hänge, Formzusammenhänge und Energieabläufe”4 sind vielleicht er­ fahrbar, aber nicht wahrnehmbar, jedenfalls nicht für den klassifizie­ renden Verstand.

Sammeln Das Sammeln unscheinbarer Dinge, die nicht wegen ihres Gebrauchswerts, sondern wegen ihrer besonderen magischen Anziehungskraft ausgewählt werden, das Her­ ausgreifen eines einzelnen Objekts unabhängig von seiner Bedeutung, das in einer ganz eigenen Rangfolge der Brauch­ barkeit seinen Platz findet, das sind Tätigkeiten, wie man sie bei Kindern beobachten kann. Zweige, Steine, Äste, Schalen, kleine Tiere, vor allem in der Natur findet diese Sammel­ leidenschaft Nahrung, und diese Erfahrung und Einstellung des Kindes Joseph Beuys findet im Künstler ihre Fortsetzung und Erweiterung.3 Das Gesammelte bestand vorzugsweise aus Dingen, deren Eigenschaften sich durch ihre Gestalt und Materialität einer sofortigen Kategorisierung widersetzten und die auf diese Weise eine archaische und zauberhafte Magie entfalten konnten, eine einzigartige Wirkung, abge­ lenkt weder von symbolischen noch verallgemeinernden Bedeutungen.

In der Aktion Vakuum ↔ Masse, Simultan = Eisenkiste, halbiertes Kreuz, Inhalt: 20 kg Fett, 100 Luft­ pumpen, die Beuys 1968 in Köln durchgeführt hat, füllte er eine große Eisenkiste in Form eines Halbkreu­ „Auguren”, 1982, kolorierter Farboffset auf gestrichenem Papier, 51 x 35 cm (61 x 43 cm) betitelt und signiert Edition Staeck, Heidelberg 1982 © VG-Bildkunst, Bonn 2021

zes mit 100 von ihm zerbrochenen Luftpumpen und 20 Ki­ logramm Fett. Als die Kiste voll war, wurde sie mit einem Deckel zugeschweißt. Wie der Titel der Aktion Vakuum ↔ Masse nahelegt, demonstriert Beuys hier die Beziehung zwischen gegensätzlichen Stadien von Leere und Fülle: „Das Fett verkörpert Masse, das positive Prinzip, und die Luft­ pumpen stellen ein Vakuum dar, ein negatives Prinzip.”, beschrieb Beuys diesen Kontrast. Auch die Eisenkiste durch­ läuft diesen transitorischen Prozess, in dem sie zunächst leer und am Ende gefüllt ist. Die Form der Kiste als Halb­ kreuz erinnert an Beuys’ Aktion MANRESA von 1966, in der ebenfalls ein unvollständiges Kreuz vorkam, das Beuys im Verlauf der Aktion durch eine Kreidezeichnung ergänzte, um dessen spirituelle Gehalt wiederherzustellen. Insofern lässt sich auch die Halbkreuzform der Eisenkiste als Aufforderung an den Betrachter verstehen, dessen unvollständige Form – gedanklich – zu komplettieren, um die mit dem Kreuz verbundenen geistigen Energien zu reaktivieren.5

13

Joseph Beuys, © bpk/Angelika Platen, © VG-Bildkunst, Bonn 2021

Provokateur und rebellisches Orakel – Joseph Beuys Ohne einen vorauszusetzenden Sinnzusammen­ hang wird der (Künstler-) Schamane, vom Kundschafter zum Provokateur. Etwas zeigen kann er nur, indem er den Verlust erfahrbar macht, z. B., indem er etwas auslässt und dadurch sichtbar macht, dass etwas fehlt. Ihm gelingt das auch, indem er durch paradoxe Assemblagen Analogien Heiner Bastian, Die Zeichen sind Sinne, a.a.O., S. 12 Joseph Beuys im Interview, a.a.O., S.29 5 https://pinakothek-beuys-multiples.de/product/vakuum-masse/?lang=de, 13.08.21. 3 4


zwischen „artfremden” Dingen herstellt – wie die Verbin­ dung Verbindung einer Zitrone mit einer Glühbirne6 – oder durch die Verwendung besonderer Materialien, die wie in Kindertagen der Sphäre des Archaischen zuzuordnen sind und die die Zeichen ihrer Vergänglichkeit, den Geruch des Todes unmittelbar an sich tragen. und damit auf das Leben verweisen.7 Die Rätsel, die er stellt, weisen auf die verbor­ gene Kraft der Dinge, sie erinnern daran, dass sie in einem elementaren, lebendigen Zusammenhang stehen.

14

Hokuspokus – Schamanistisches in der Galerie Kremers Auch wenn die Künstler und Künstlerinnen dieser Aus­ stellung sich nicht als Schamanen bezeichnen würden, haben ihre Werke, ihre Bildsprache und ihre Motive viel mit den genannten schamanistischen Praktiken zu tun. Sammler unscheinbarer oder auch weggeworfener Dinge8 sind sie alle, und damit kreieren sie magische Objekte wie Adolfo Schlosser oder Reiner Zitta, erzeugen extreme Gegensätze und Widersprüche in ihren Kompositionen wie Taylor A. White, und erwecken mythologische und archaische Ge­ stalten zu neuem Leben wie Natascha Mann9 oder Adébayo Bolaji10. Sie zeigen in surrealen Landschaften und Gestal­ ten, wie sich Lebendiges aus der Materie entwickelt wie Paul Schwietzke oder provozieren wie die Skulpturen Jude

Gregor Hiltner, Fundamentalistisches Bild mit World Trade Center, 1994 Acryl auf Leinwand, 140 x 275 cm

Griebels.11 Gerade weil die Dinge und die Zeichen, die sie verwenden, ob natürlich oder nicht, nicht direkt gedeutet werden können, vermögen sie Chiffren für unsichtbare Zusammenhänge zu sein. Ein gutes Beispiel sind auch die Arbeiten Juan Logans, dem es gelingt, Symbole und Zeichen­ systeme auf eine hoch ästhetische Weise zu einander in Beziehung zu setzen, um auf diese Weise Macht- und Herr­ schaftssysteme abzubilden. Solcherart verfremdet und abstrahiert aus ihrem kulturellen Kontext, vermögen sie einer­ seits zu erschrecken, wenn man das Rätsel gelöst hat, und der historische Kontext, in dem sie stehen, wieder zu Be­ wusstsein kommt. Es gelingt ihnen aber auch, tiefere Schich­ ten des Erinnerns aufzurufen.12 Etwas von allem finden wir bei Gregor Hiltner, dem wir die Auswahl zu verdanken haben. Lassen Sie sich provozie­ ren, verstören und anregen, vor allem aber: Lassen Sie sich verzaubern. Christine Kremers Dieses Multiple in der Auflage 200, die Capri-Batterie, die durch Farbe und Titel eine Analogie zwischen Batterie und Zitrone herstellt, schuf Beuys im Jahre 1985. 7 So künden die legendären Fett- und Filzinstallationen Joseph Beuys‘ nicht nur visuell, sondern auch olfaktorisch von Vergänglichkeit. 8 Taylor A. White liebt die Referenz zu den Konsum‑ gütern seiner Kindertage (s. ausgestelltes Bild mit „Wendy”). Gregor Hiltner ist es sogar gelungen, Ordnungsund Sauberkeitsliebende Freunde dazu zu animieren, Weggeworfenes zu sammeln, damit er es in einer seiner Kompositionen verwenden kann. 9 Wie wir sehen, sind Natascha Manns Bildwelten voll von biblischen und mythologischen Figuren, die aber, befreit von den Rollenerwartungen der Götter, ihre eigenen höchst lustvollen Wege gehen und vielleicht sogar einmal spielerisch die Rollen tauschen. 10 In seiner Einzelausstellung „Between Two Worlds” in der Galerie Kremers hat Adébayo Bolaji den Zusammenhang zwischen sichtbarer und unsichtbarer Welt zum Thema gemacht. Mit der Skulptur „Woli” (Prophet), die hier gezeigt wird, hat er ein magisches Objekt von enormer Ausstrahlung geschaffen. 11 Jude Griebels groteske Skulpturen zeigen, wie der vom Menschen produzierte Müll, den weder Mensch noch Natur abzubauen imstande ist, als Antinatur ein eigenes Leben entfaltet. 12 Juan Logan schafft seine Bilder aus einem historischen Kontext, nicht zuletzt aus der Geschichte der Sklaverei und des Rassismus in den USA. 6

Jude Griebel – Der apokalyptische Reiter

Der kanadische Künstler Jude Griebel ist kein Prophet Ich gehe behutsam an diese Arbeiten heran, und ihre ver­ der heilen Welt, mit anderen Worten der Antagonist seines spielten und sehr kleinen Details stellen einen Kontrast zu Großvaters Phillip Griebel, dem Erfinder des Gartenzwergs. den zentralen Themen hyperaktiver Produktion und stets Ungewollt wurde Phillip heimlicher Sektenführer, vielleicht abrufbarer Lieferungen dar. Mühselig aus Holz geschnitzt sogar hoher Priester eines Millionenheers von Spießern, die oder geschnitten und bemalt sind sie das Ergebnis stunden­ sich in ihren Gärten eine heimelige und gleichzeitig gruse­ langer Beschäftigung damit, was es bedeutet, in dieser Welt lig unheimliche Welt erschaffen haben. ein aktiver Konsument zu sein und sich Der Enkel Jude erfährt diesen Planeten gleichzeitig um Lebensentwürfe zu bemü­ als Dystopie. Seine Gartenzwerge sind hen, die darüber hinaus gehen. apokalyptische Reiter, Boten des Nieder­ gangs, verzweifelte Mahner, Allegorien Ich verwende Erfindungen, Humor einer Welt, die dank ihrer menschlichen und Spekulation, um in den Arbeiten neue Bewohner am Abgrund steht. Griebel ist Wege zur Sichtbarmachung unseres Ver­ leidenschaftlicher Sammler wie die meis­ haltens und dem daraus resultierenden ten Künstler dieser Schau. Vor vier Jahren globalen Dilemma zu zeigen. Das zugrun­ hat er sein „Museum of Fear and Won­ deliegende Thema all meiner Arbeiten ist der” in Alberta, Canada eröffnet, wo er der Ablauf von Konsum, dabei lenke ich die skurrilsten Äußerungen menschlicher die Aufmerksamkeit besonders auf fabrik‑ Zukunftsangst in Skulptur und Malerei zu­ betriebene Nahrungsmittelversorgung sammengetragen hat. „Highlighting the und ihre Auswirkung auf Raubbau und narrative and psychological qualities of Klimawandel. Diese Muster zeigen sich an objects ” ist das Motto des Hauses. Für der Oberfläche der Skulpturen, um den seine eigenen Arbeiten sammelt und ver­ physischen und psychologischen Fallout wertet er, ähnlich wie Reiner Zitta, Zivilisa­ auszudrücken. tionsmüll, den er zu Fetischen oder mah­ nenden Dämonen der Umweltzerstörung Indem ich menschliche Formen mit zusammenbastelt. Seine sehr handwerk­ denen von Tieren, Insekten, Architektur lichen Skulpturen von hybriden Körpern und der natürlichen Umwelt verschmelze, beschäftigen sich mit Transformation und werden meine Skulpturen zu verzwickten dem psychologischen Kampf zwischen den Kosmologien realer und erfundener Orte. Verschiedenheiten der Elemente, schluss­ Diese komplexen hybriden Formen er­ endlich dem Kampf des Menschen gegen Jude Griebel, Modern Grotesque 3, 2017 zeugen ihrerseits eigenwillige Narrative, die Natur, mit anderen Worten seine Holz, Stoff, Harz, Acryl, 81 x 45,7 x 29,2 cm die neue und fantastische Einsichten in Botschaften sind politisch. Ängste um die Umwelt spiegeln und über Möglichkeiten spekulieren, wie ein plane­ Gregor Hiltner tarer Kollaps verhindert werden kann. Mit Jude Griebel schreibt selbst zu seinen Arbeiten: einem sehr dehnbaren Herangehen an Anatomie und Maß­ Ich schaffe Skulpturen, die sich mit dem Einfluss der Mensch­ stab mache ich die hemmungslosen Zyklen menschlichen heit auf die Welt beschäftigen, indem ich belebte und un­ Konsums und die daraus resultierende Zerstörung sowohl der belebte Formen zu einzelnen Identitäten verschmelze. Menschen als auch der sie umgebenden Welt sichtbar.

15


Jude Griebel ist ein kanadischer Künstler, der zwischen dem ländlichen Alberta, wo sich sein Museum befindet, und Brooklyn, New York pendelt.

16

Die Serie Crafting Ruin zeigt Skulpturen, deren hybride Anatomien mit ihrer Umgebung verschmelzen. Das, was die Statuen ausmacht, zeigt, was sie durch Abnutzung, Über­ fluss oder Missachtung gefährdet. Deutlich wird dies an ihren dreidimensionalen Oberflächen. Sie sind Körper, ge­ glättet und mit Abfall übersäht und geformt aus Dreck und Erde. So ist eine Figur aus Meerwasser mit Industrieabfall und Touristenbooten bedeckt, Plastikmüll wird an ihre Füße gespült. Mein Interesse liegt bei diesen Arbeiten nicht so stark darauf, wie Abfall entsteht, sondern es ist eher auf den Blick der Betrachter gerichtet und wie sie gängige Bilder von Müll-Anhäufungen und Umweltzerstörung verarbeiten und wie sie sie mit der Textur ihres Unbewussten verweben. Die Skulpturen verkörpern verinnerlichte und mit Konflikten be­ ladene Narrative von Verlangen und Zerstörung und dies bilden sie in monströsen und mythologischen Proportionen nach. Und obwohl sich die Arbeiten auf weiter gefasste kul­ turelle Sehnsüchte, Begierden und Verunsicherungen bezie­ hen, schwingen in ihnen in verspielter Weise und durchsetzt von eigenen Bezügen sehr persönliche Erfahrungen mit. Die von mir geschaffenen Figuren bringen die Tradition des Grotesken als signifikante Kennzeichnung der Abject Art im Verlauf der Zeit auf den neusten Stand. Durch die Ver­ zerrung des Natürlichen hat dieses Genre lange als kulturel­ les Werkzeug funktioniert, das Veränderung visualisiert und gleichzeitig versucht, sie zu bewältigen. In meinen Arbeiten führe ich groteske Darstellungen historischer Gemälde und Plastiken mit zeitgenössischer Popkultur zusammen, um psychologische und visuelle Verbindungen zwischen uns und unserer sich verändernden Umwelt zu schaffen.” Jude Griebel

Modern Grotesque 1, 2017 Holz, Harz, Acryl 55,8 x 33 x 20,3 cm

2014 Master of Fine Arts, Concordia University, Canada 2012 MFA International Exchange, University of Lapland, Finnland 2003 Bachelor of Fine Arts, Emily Carr University of Art and Design, Canada Einzelausstellungen (Auswahl) 2021 Barn Skull: Manning Hall Installation (curated by Lindsey Sharman), Art Gallery of Alberta, Canada 2019 Tired Water, Troubled Ground (a commission from the National Science and Engineering Research Council of Canada for Science Literacy Week), Telus Spark Science Center, Calgary, Canada 2018 Black Ark/All-Consuming, El Museo de Los Sures, Brooklyn, USA Ground-Figure, Esplanade Arts and Heritage Centre, Medicine Hat, Canada 2017 Mess-Maker, Evans Contemporary, Peterborough, Canada Arms, eyes, detritus, Galerie Sturm, Nürnberg, Germany (catalogue) Die Geister, die ich rief, with Jan Pötter, Spinnerei Archiv Massiv, Leipzig, Germany Crafting Ruin, dc3 Art Projects, Edmonton, Canada Estranged Setting, Esker Foundation, project space, Calgary, Canada 2016 Reanimator, The Redpath Museum, Montreal, Canada 2015 Washout, The Museum Lytke, Leipzig, Germany Feeder (satellite installation for Future Station: The Alberta Biennial of Contemporary Art), The Gibson Block Building Edmonton, Canada Yellow House, with Brendan Griebel, dc3 Art Projects, Edmonton, Canada (catalogue) 2014 Reanimator, Galerie Sturm Project Space, Nuremberg, Germany Betwixt and Between, with Dana Holst (curated by Scott Marsden), The Reach Gallery Museum Abbots sord, Canada

2014 Shelf Life, Union Gallery, Queen’s University, Canada 2013 Grow Apart, FOFA Gallery, Montréal, Kanada 2012 Grandmother, Galleria Kajo III, University of Lapland, Finnland 2011 Apparitions: Works on Paper, Islensk Grafik, Reykjavik, Island Away Maker, Bau-Xi Gallery, Vancouver, Canada Afterworks, Populus Tremula Gallery, Akyreri, Island 2010 Afterworks: Pencil Studies, Sideshow Gallery, Edmonton, Kanada 2009 Leaving through windows, Bau-Xi Gallery, Toronto, Kanada Brand New Superstition, Cella Gallery, Los Angeles, USA 2008 The Maybe People, Bau-Xi Gallery, Toronto, Canada 2007 A Cast of Shadows: Works on Paper 2001 – 2007 (curated by Darrin Martens) The Burnaby Art Gallery, Kanada (Catalogue) 2006 The Place Inside the Wallpaper, Bau-Xi Gallery, Toronto, Kanada Old dreams, recent works, Galerie L’Imagier, Gatineau, Kanada Within these walls, Odd Gallery, Klondike Institute of Art and Culture, Dawson City, Kanada Ways to Disappear, Bau-Xi Gallery, Vancouver, Canada 2005 Yukon Arts Centre Public Art Gallery, Whitehorse, Kanada 2004 Down the Hole in the Floorboards, Engramme Gallery, Québec City, Canada

Jude Griebel, Plastic Ghost, 2017 Stoffe, Gebiss, Lack, Ölfarbe, 50,8 x 55,88 x 17,78 cm Sammlung der Volpet Stiftung, New York

17


Adébayo Bolaji

Adébayo Bolaji wurde 1983 als Sohn nigerianischer E­ ltern in London geboren. Er ist ein multidisziplinärer Künst­ ler, der in London lebt und arbeitet und er ist ein Maler mit einem erstaunlichen Hintergrund als Autor, Regisseur (Thea­ ter und Film) und Schauspieler. Er hat ein Jurastudium und eine Ausbildung als Schauspieler absolviert und leitet die Ex Nihilo-Theatergruppe in London.

18

Auch als bildender Künstler ist Adébayo Bolaji zugleich Autor, Schauspieler und Regisseur. Auf seinen ausdrucks­ starkem und farbigen Bilder werden Figuren auf die Bühne gestellt, sodass sie wie Ausschnitte aus Theateraufführun­ gen und Portraits der in ihnen handelnden Charakter wir­ ken. Sei es ein klassisches Motiv der Kunstgeschichte (Pieta) oder eine mythologische Szene, die Figuren stehen in ei­ nem bedeutsamen dramatischen Kontext. Wir erkennen archaische und archetypische Charaktere, eingebunden in Situationen, die Metaphern und Paradigmen für den mensch­lichen Leidens- und Lebensweg sind.

Woli (Prophet), 2020, konstruiert mit gefundenem Material, Blattgold, Stahl, Autoreifen, Schellen, Holz, Draht, 150 x 105 x 53 cm

Ausbildung Central School Of Speech & Drama/ [Master of Arts] London Guildhall University. [LLB Law] Künstlerischer Leiter der Ex Nihilo Theatergruppe Ausgewählte Einzelausstellungen 2021 ”The Power and the Pause”, BEERS, London 2020 ”Between Two Worlds”, Galerie Kremers, Berlin 2019 ”Top​ia: A Reinvention of the Self”, Serena Morton Gallery, London ”Babel”, Galerie Proarta, Zürich 2018 ”Rituals of Colour”, Public Gallery, London Ausgewählte Gruppenausstellungen 2018 ”Optimistic: The Power of Now”, Serena Morton Gallery, London 2017 ”New Contemporary V Old”, Galerie Proarta, Zürich Messen 2020 Future Fairs Online, BEERS London art KARLSRUHE, Galerie Proarta Force, 2020 Buntstift, Bleistift und Kugelschreiber auf Papier, 34 x 20 cm

Abb. rechts: The Visitation, 2020 Gold, Acryl, Ölkreide, Bleistift auf Leinwand, 154 x 121 cm

19


Uwe Bremer – Reisender zwischen den Galaxien

20

Keiner kennt die Welt der Götter, Hel­ den, Geister besser als Uwe Bremer, denn er hat sie erschaffen. Nach seinen Regeln dürfen sie in einem zum Teil absurden, oft paradoxen Universum hausen und die ihnen zugedachten Aufga­ ben erfüllen. Keine Frage, in so einer Welt ist es für Bremer ein Leichtes nicht nur Schöpfer, sondern auch Schamane zu sein. Aus dem fernen Sternenbild Musca (die Fliege), Teil der Galaxie der Muscai­ den taucht Mothman, (der Mottenmann) einer der weniger bekannten, amerikanischen Komikhelden, eigens für diese Ausstellung urplötzlich in unserem Universum auf. Zunächst noch im Zeitalter des Paleolithicum erleben wir Mothman als dreisten Voyeur, der die Urfrau belauscht. Später dann im Mesolithicum taucht links neben einer „Sammlerin” der „Wildbeuter” auf, der bereits den „Nebenbuhler” den Garaus gemacht hat. Noch immer ist Mothman, ganz rechts oben, nur Beobachter. Das letzte Bild der Trilogie spielt im Neolithikum. Hier kämpft der „Homosapiens” gegen den „Neandertaler” und die „Frühfrau” gegen „Mothman”, worauf Mothman, die existentielle Gefahr erkennend, vorläufig die Szene verlässt. Solche weit in die Zukunft weisende Visionen in eine Zeit, in der der Geschlechterkampf mit ganz anderen Bandagen und den Waffen der Sprache zur finalen Entscheidung ge­ trieben wird, können wir getrost als Hellseherei verstehen. 1940 in Bischleben bei Erfurt geboren; lebt und arbeitet Uwe Bremer in Berlin. Seit 1963 ist er Mitglied der Berli­ ner Künstlergruppe „Die Rixdorfer”. Neben seiner Malerei und umfangreicher Druckgraphik hat er 14 druckgraphische Mappenwerke und 9 Bücher produziert, unter anderen das hier aufgeführte Buch „Clairin”, das sowohl bei Merlin als auch bei Rowohlt verlegt wurde. Gregor Hiltner

Einzelausstellungen (Auswahl) 2021 Case Gallery Los Angeles (USA) 2020 Galerie Kremers Berlin 2016 Galerie Kremers, Berlin 2015 Galerie Steinrötter, Münster 2007 Galerie Steinrötter, Münster 2003 Museum Moderner Kunst, Passau 2001 Kunstverein Bayreuth Gallery Mary Vithold, Seattle (USA) 2000 Galerie Renée Laporte, Antibes (F) Roemer-Pelizaeus-Museum, Hildesheim Galerie Lévy, Madrid Landesmuseum Oldenburg 1997 Saarländisches Künsterhaus, Saarbrücken Kunstverein Salzgitter 1994 SM Spendhaus, Reutlingen 1993 Kunstverein Salzgitter(K), Salzgitter 1991 Mönchehaus-Museum für moderne Kunst, Goslar 1988 Det bla Galleri, Oslo (N) 1987 Galerie Ernst Hilger, Wien (A) 1985 Galerie Schmücking, Braunschweig Galerie Welz, Salzburg (A) 1984 Stadtmuseum Oldenburg 1983 Galerie Ernst Hilger, Wien (A) Salzburger Landessammlungen Rupertinum, Salzburg (A) Kulturhaus Graz (A) 1980 Galerie Schmücking, Braunschweig 1979 Stadtmuseum Oldenburg Galerie Brockstedt, Hamburg 1978 Goethe Institut, Paris (F) Städtisches Museum (Schäfer collection), Gießen 1977 Galerie Ernst Hilger, Wien (A) Goethe Institut , New York (USA) Gallery of Graphic Art, New York (USA)

Mothman im Mesolithicum, 2021 Öl auf Holz, 84 x 63 cm

21 Mothman im Neolithicum, 2021 Öl auf Holz, 63 x 84 cm

Baron Samstag, 1989, Radierung 19 x 11,5 cm

Mothman im Paläolitihikum, 2021, Öl auf Holz, 84 x 64 cm


22

23

Androidenvermehrungskontrolle, 1990, Holzschnitt 3-teilig, je 83 x 62 cm

1977 Graphisches Kabinett (Karl Vonderbank), Frankfurt/Main 1976 Galerie Heimeshoff, Essen Galerie Schmücking, Braunschweig 1975 Galerie Spectrum, Wien (A) Galerie Academia, Salzburg (A) Galerie Birn, Paris (F) Kunstverein Celle 1974 Galerie Rosenbach, Hannover Krakeslätt Galerie, Bromölla (S) Galerie Schmücking, Basel (CH) Galeri Dierks, Arhus (DK) 1973 Det bla Galeri, Oslo (N) Kestner-Gesellschaft, Hannover 1972 Kwabata-Kunsthaus, Tokyo (Japan) Galerie Richard P. Hartmann, München Galerie Brockstedt, Hamburg Galerie Schmücking, Dortmund

1971 Galerie Niedlich, Stuttgart Galerie Niepel, Düsseldorf Galerie Schmücking, Braunschweig 1970 Galerie Steinrötter, Münster Kunstverein Braunschweig 1969 galeri modern, Silkeborg (DK) Galeri Leger, Malmö (S) Galeri prisma, Kopenhagen (DK) Kunstmuseum Holstebro (DK) 1967 Overbeck-Gesellschaft, Lübeck 1965 Galerie Dorothea Löhr, Frankfurt/Main

Stilllebenpassagen, 2003, Öl auf Holz, 108 x 108 cm


Natascha Mann und die Sirenen

24

In Natascha Manns Frauenuniversum sind wir bereits einen Schritt weiter als in Uwe Bremers archaischem Mysterienspiel, bereits mittendrin in Mothman´s dystopischer Vision. Die Urfrau hat die Macht und Regentschaft an sich gerissen. Eva, Gaia, Feen, Hexen, Schnee­ wittchen und sogar die Sirenen haben bereits die Hosen an, bildlich gesprochen, denn tat­ sächlich sind sie auf Natascha Manns Bildern sehr spärlich bekleidet. Zum Glück wollen die Damen auf Mothman und seine mannigfaltigen Geschlechtsgenossen noch nicht ganz verzichten und verlieren sich mit ihnen in wilden Orgien, wie sie eigentlich und verwerf­ licher Weise nur „alten weißen Männern” einfallen. Sonst spielen Männer eher passive ­Nebenrollen, dienen der göttlichen Damenwelt als Zeitvertreib und Gar­ nitur. Wenn es mystisch und wichtig wird, brauchen Frauen keine Männer, dann bauen sie Tempel, in denen sie tanzen und Schreine, in denen sie opfern und Bahren, auf denen sie sich liegend erhöhen. Natascha Mann ist in der Tat eine tanzende Schamanin, die, seit ich sie ­kenne, meist eine an­ sehnliche Gruppe Frauen um sich schart. Gregor Hiltner

1946 geboren in Pittersdorf/Bayreuth 1962 – 64 Studium an der Werkkunstschule Würzburg 1964 – 68 Studium an der Akademie der bildenden Künste, Stuttgart, München 1968 – 69 Fulbright Jahresstipendium für Malerei und Druckgraphik an der Universität Corvallis/ Oregon, USA 1970 – 77 Dozentin an der Fachhochschule für Gestaltung in Würzburg 1972 – 74 Tanzstuduim an der Folkwanghochschule Essen (Klassisch und Modern Dance) 1977 – 78 Leiterin der Tiefdruckwerkstatt an der Akademie der bildenden Künste, Nürnberg 1979 6-monatige Reise nach Polynesien und Mikronesien 1980 – 81 Aufenthalt in London

25 ´Gefallener Engel, 1987, Holzschnitt 2/6, 131 x 107 cm

Einzelausstellungen (Auswahl) 1984 Otto-Richter Halle, Würzburg 1985 Galerie Leger, München 1986 Stadmuseum Nürnberg 1987 Main Fine Art, Glasgow Galerie Leger, München 1988 Galerie Michael Schultz, Berlin 1989 Galerie Michael Schultz, Berlin 1990 Galerie Walter Bischoff, Stuttgart Galerie Perroen, Maastricht Galerie Ruf, München Galerie Wierny, Bonn Galerie Berlin, Berlin 1991 Schloss Reinsbeck, Hamburg Galerie Gres, Frankfurt Galerie Michael Schultz, Berlin 1992 Galerie Walter Bischoff, Stuttgart Galerie Ruf, München Rhein-Main-Halle, Wiesbaden 1993 Kunstverein Passau

´Schrein der Guten Hoffnung, 1988, Draht, Holz, Schnur, Federn, Pappe, Pappmaché etc, 220 x 145 x 60 cm

´Candomblé, 1988, Mischtechnik auf Holz, 120 x 100 cm

1994 Kulturzentrum Gasteig, München Städtische Galerie Landshut Galerie Schwind, Frankfurt 1995 Galerie Ricardo de Bernardi Galerie Walter Bischoff, Stuttgart Foudation e Musee Rene Carcan, Brüssel Galerie Ruf, München 1996 Galerie Walter Bischoff, Berlin Galerie de Bernardi, Aachen Galerie Sperl, Potsdam 1997 Galerie Hauterrive 2016, Neuchatel CH Galerie de Bernardi, Aachen Museum Fürstenwalde, Berlin 1998 Schloss Artstetten, Österreich Galerie RMC, Hamburg 2001 Kunstverein Schopfheim 2002 Galerie Anke Zeisler, Berlin Galerie Walter Bischoff, Stuttgart Galerie de Bernardi, Aachen Galerie Emil Ruf, München

Black Magic Woman, 1985, Acryl auf Glas, 60 x 50 cm

2003 Reiffenstuelhaus, Pfarrkirchen Galerie Sperl, Potsdam 2006 Wittelsbacher Zollhaus, Vilshofen 2008 Stadtmuseum, Deggendorf 2010 ArtVirus Galerie, Frankfurt 2012 Kulturzentrum Budweis Galerie Knyrim, Regensburg 2015 Kulturzentrum Gotischer Kasten, Eggenfelden 2019 Galerie Kremers Berlin


Peter Hammer – Genie und Eigenbrötler

26

Für fünf Franken erwirbt Peter in der Schweiz ein klei­ nes Kajütsegelschiff. Freunde transportieren ihm das Boot nach Genua, wo Peter Ham­ mer es wieder gang- und se­ gelbar macht. Wer sein hand­ werkliches Geschick kennt und zum Beispiel das von ihm aus verleimtem Holz gebaute Design-Rennrad gesehen hat, weiß, dass er aus diesem Schiff ein kleines, raffiniertes Meis­ terwerk gemacht hat, auf dem er sehr gut leben, mit dem er perfekt segeln kann. Der heute einundachtzigjährige Peter Hammer verbringt auf diesem Boot jeweils die Hälfte jedes Jahres, die andere Hälfte bewohnt er einen mittelalterlichen, fünf­ stöckigen Turm in der Stadtmauer Nürnbergs, den er ebenfalls selbst ausgebaut und in ein Unikat ver­ wandelt hat.

1940 in Hamburg geboren.

gende, in Form und Inhalt provozierende, geheimnisvolle Schaukästen, leuchtende, sich bewegende Götzen, die die Kraft von Voodoo-Schreinen besitzen.

1954 – 55 Lehrgang Farbe/Schrift, Ingolstadt 1955 – 58 Lehre Schaufenstergestalter, Frankfurt a.M. und Mainz 1960 – 61 Sizilien und Rom 1961 – 62 Maler und Musiker in Paris 1964 – 65 Leichtmatrose auf Panama-Erz-Frachter 1966 Syrien und Libanon 1967 – 74 hält er sich mit einem Touristenvisum in Israel auf, hat Ausstellungen in Tel Aviv und spielt Konzerte sogar vor der israelischen Armee. Dort entdeckt er sein Interesse an Ur- und Frühge schichte, dessen Relikte er seither sucht, findet und einordnet. 1975 über England und Holland nach Nürnberg, wo er seither als bildender Künstler und Musiker lebt. 2004 Kulturförderpreis der Stadt Nürnberg

Peter Hammers auch im Wortsinn größtes Werk ist „Turm J”, der Turm, den er in Nürnberg bewohnt. Dieser Turm ist Museum mit zahllosen Kunstmaschinen, er ist Ge­ samtkunstwerk, das er schlicht „Uhrturm” nennt. Durch alle Etagen dieses Turms hindurch baute er ein riesiges Weltuhr­ werk, dessen Pendel in Deckenöffnungen durch mehrere Stockwerke schwingt, gezogen von mächtigen Gegenge­ wichten. Hammers Turm ist einer der skurrilsten Orte nicht nur dieser Stadt, vielleicht des ganzen Landes. Gregor Hiltner

Peter Hammer ist Musiker und Komponist, der die meisten seiner Gitarren, Lauten und halbmechani­ schen Fantasieinstrumente selbst gebaut hat. Er liebt lauten Hard­ rock, Polka und Blues und hat noch immer regelmäßig Auftritte in ver­ schiedenen Bands. Hammer ist Ma­ ler, aber vor allem ist er Bildhauer mit einem gewaltigen Oeuvre an von ihm geschaffenen, kinetischen Apparaten und Geschichten erzäh­ lenden, sich bewegenden Maschi­ nen. Er besitzt das Talent des Fein­ mechanikers, eines Urmachers. Mit der Fantasie des spielenden Kindes gelingen ihm technisch überzeu­

Elektrischer Stuhl, 2003, kinetische Maschine aus verschiedenen Materialien, 67 x 58 x 27 cm

Der Schamane, 1999, kinetische Maschine aus verschiedenen Materialien, 126 x 88 x 22 cm

Hammers selbst gebaute Musikinstrumente und -maschinen

27


Gregor Hiltner

Gregor Hiltner 1950 geboren in Nürnberg. Von 1970 bis 1978 Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg und München bei K. F. Dahmen. Von 1975 bis 1978 Meisterschüler von Ernst Weil. lebt und arbeitet in Berlin Preise 1980 – 81 DAAD Stipendium in London 1982 Lisa- und David-Lauber-Preis, Nürnberg 1998 Bruno Schnell-Verlegerpreis der Nürnberger Nachrichten

28

Einzelausstellungen 1973 Galerie Orny, München 1978 Stadtmuseum Nürnberg Galerie Orny, München 1981 Verein für Originalradierung, München Edward Totah Gallery, London 1982 Norishalle, Nürnberg 1983 „Presente para Exu”, Galerie Tanit, München Edward Totah Gallery, London, 1984 Otto Richter-Halle, Würzburg „Schilderijn”, Galerie Jurka, Amsterdam 1985 Kunstverein Tübingen Galerie Leger, München 1986 „Gregor Hiltner Gezeichnete Architektur 1975 – 78”, Albrecht-Dürer-Gesellschaft, Nürnberg 1987 Galerie Leger, München „Palimpsest”, Verein für Originalradierung, München Glasgow Arts Center, Glasgow GB 1989 „Blau, Bilder 1988 – 1989”, Galerie Michael Schultz, Berlin Kunstverein Klagenfurt, AU 1990 Kunstverein Heidenheim Galerie Albertus Magnus, Köln Schloß Reinbek, Hamburg Galerie Michael Schultz, Berlin 1991 Galerie Keeser-Bohbot, Hamburg

Voodoo mit Schädler-Sau, 1991, Mischtechnik auf Holz, 140 x 205 cm

1991 Découvertes, Grand-Palais, Paris, Galerie Michael Schultz Galerie Duna, Barcelona Galerie im Pilatus, Luzern Galerie Cupillard, Grenoble Frank Bustamante Gallery, New York Galerie Michael Schultz, Berlin Galerie Cupillard, San Tropéz Galerie Steinrötter, Münster 1992 Walter Bischoff Galerie, Stuttgart Galerie Couleur du Temps, Genf „Synkretismen ‑ Malerei zwischen Abstraktion und Informel”, Galerie Heseler, München Galerie Bodenschatz, Basel 1993 Galerie Axel Thieme, Darmstadt Städtisches Museum, Palffy-Palast, Bratislava, „Obrazy 1990 – 1993” Galerie Michael Schultz, Berlin 1994 APC Galerie, Köln Galerie Steinrötter, Münster ”Mixed Media on Canvas” Eva Cohon Gallery, Highland Park, USA Chicago ”Mixed Media on Canvas”, Eva Cohon Gallery, Chicago 1995 „Malerei 1991 – 94”, Chapel Art Center, Hamburg „Malerei 1991 – 94”, Goethe Institut, Montréal „Malen – Denken – Wirklichkeit”, Galerie Heseler, München 1996 „Homo Faber und 4,5 Mio”, Verein für Original radierung, München 1997 Galerie Steinrötter, Münster

Das Lied des Kaspar Hauser, 1991, Mischtechnik auf Holz, 140 x 205 cm

1997 Wilmer Jennings Gallery, New York 1999 ”14 compositions”, Germanisches National museum, Nürnberg ”Snow Music”, Galerie Jürgen Pfaff, Nürnberg 2000 ”Snow Music, Malerei”, Galerie Steinrötter, Münster ”14 compositions”, Mercedes-Forum, Stuttgart 2001 Hessische Technologie-Stiftung, Wiesbaden „Überwinterung”, Tafelhalle Nürnberg Kulturamt Erlangen im Eventraum Publicics, „Überwinterung” 2003 Galerie Pasinger Fabrik, München ”long pieces”Galerie Brigitte Wagner, Bonn 2004 ”long pieces”, Stadtgalerie Fürth „Kruzifix”, Egidien-Kirche, Nürnberg ”long pieces and others”, Verein für Original radierung, München 2005 Galerie Jürgen Kasper, Nürnberg Messezentrum, Nürnberg 2006 ”long pieces”, Galerie Steinrötter, Münster Nationalmuseum Mazedonien, Skopje Kunst- und Kulturquartier K4 Nürnberg 2011 Galerie Steinrötter, Münster 2014 Galerie Steinrötter, Münster 2016 „Kap.4”, Galerie Kremers, Berlin 2017 „Manieren und Sonaten”, Verein für Original radierung, München 2017 ”Something Abstract This Way Comes”, Galerie Michael Schultz, Berlin 2018 Galerie Benjamin Eck, München 2019 Galerie Kremers, Berlin

Schwarzer Christos, Der Erlöser, 1981, Öl auf Sackleinen, 245 x 335 cm

Katalog-Publikationen 1981 ”Gregor Hiltner Paintings – Watercolours Etchings”, Edward Totah Gallery London, Verlag der Galerie, London 1981 1986 Beispiele 4/86 Gregor Hiltner Gezeichnete Architektur, Albrecht Dürer Kunstverein Nürnberg, 1986 1987 Peter Klaus Schuster, „Palimpsest und Labyrinth”, Verein für Originalradierung, München, 1987 1989 Thomas Wulffen, „Zwischen Zeichen und Abbild”, Michael Schultz, Edition Camorra, Frieling, Berlin 1991 Christiane Bühling, „Die Realität, die uns das Auge zeigt, ist nur ein Schatten der Wirklichkeit”, Michael Schultz, Edition Camorra, Frieling, Berlin 1991 1994 Peter Klaus Schuster, „Versuche zu einer Universal sprache” Goethe Institut Montreal, 1995 1998 Gregor Hiltner, Dieter Köhnlein, ”14 Compositons”, Livorno Verlag, Nürnberg 1999 1999 Gregor Hiltner, Johannes Ammon, ”Snow Music”, Livorno Film und Verlag, Montreal, 1999 2000 Gregor Hiltner, Bernd Ogan, Franz Hummel, „Überwinterung” Livorno Verlag, Nürnberg, 2000 2002 Gregor Hiltner, ”Motivos” Livorno Verlag, Nürnberg, 2002 2004 Friedhelm Kröll, Gregor Hiltner, „Kruzifix, Texte und Bilder”, Livorno Verlag, Nürnberg, 2004 2016 Christine Kremers, Friedrich Bröder, „Kapitel3”, Edition Kremers, Berlin 2016

29


30

31

Gregor Hiltner, Voodoo-Installation in der Ausstellung „Das Aleph”, 1981, Fürth

Gregor Hiltner, Der Antichrist, 2014, Öl und Acryl auf Leinwand, 180 x 160 cm


Karl Kunz

Wie für viele andere Künstler seiner Generation waren auch bei Karl Kunz Zirkus, Gaugler, Magier und Medien Faszinosum und Gegenstand vieler Bilder. Anregung zum Bild „Bellachini” war eine Fotografie, die der Taschenspieler Bellachini im 19. Jahrhundert zu Werbezwecken verbreitet hat. Diese Fotomontage hat auch andere Künstler wie Beck­ mann und Siegfried Neuenhausen für Zeichnungen und eine Skulptur inspiriert. Bellachini trägt dabei seinen abgetrenn­ ten Kopf unter dem Arm. Taschenspielertricks gehören nicht nur zum Repertoire der Schamanen sondern ebenso zu dem der Künstler. Müller-Mehlis schreibt zu Kunz: „Das ganze ­Repertoire von pittura metafisica, DaDa und Surrealismus wird hier zusammengefügt zu einem stets perfekt gestalteten Ineinander vielfach erfundener Möglichkeiten.” Frühstück der Chimären, 1957, Öl auf Hartfaser, 131 x 101,5 cm

Bellachini, 1949, Öl auf Leinwand, 125 x 150 cm

32

Werbefotomontage des Magiers Bellachini

1905 geboren am 23. November in Augsburg 1927 – 30 freischaffender Künstler in Berlin, 1930 – 33 Meisterschüler und Assistent bei Prof. Erwin Hahs an der Kunstgewerbeschule Burg Giebichenstein in Halle/Saale 1933 Entlassung, Verhaftung und Malverbot als „entarteter Künstler” 1934 Rückkehr nach Augsburg 1939 – 45 eingezogen zum „Sicherheits- und Hilfsdienst” in Augsburg 1944 Zerstörung des Elternhauses und damit fast des gesamten künstlerischen Oeuvres bei einem Bombenangriff 1945 Neubeginn als freischaffender Künstler 1947 – 49 Lehrer an der Staatlichen Schule für Kunst und Handwerk in Saarbrücken 1951 1. Domnick-Preis 1953 Übersiedlung nach Weilburg in Hessen 1954 Teilnahme an der Biennale in Venedig 1957 Atelier in Frankfurt am Main 1959 – 60 Gastdozent an der Staatlichen Schule für Kunst und Handwerk in Saarbrücken 1969 Aufenthalt in der Villa Massimo in Rom 1971 gestorben am 22. Mai in Frankfurt am Main Über 100 Ausstellungen in namhaften Galerien und Museen Deutschlands.

33

Die Gefesselten, 1964, Öl auf Hartfaser, 130 x 101 cm

Akrobaten mit Verkehrszeichen, Öl auf Hartfaser, 134 x 100 cm


Juan Logan

Logan Studio, Foto von Craig Anthony

34

Juan Logan, 1946 geboren in Nashville, Tennes­ see, lebt und arbeitet heute in Belmont, North ­Carolina. Logans Kunstwerke greifen Themen auf, die relevant für ein Verständnis amerikanischer ­Kultur sind. Abstrakt und gegenständlich zugleich, thematisieren seine Gemälde, Zeichnungen, Skulp­ turen, Installationen und Videos die Zusammen­ hänge von Rasse, Ort und Macht. Sie machen sicht­ bar, wie hierarchische Beziehungen und soziale Stereotype Individuen, Institutionen und die mate­ riellen und mentalen Landschaften des zeitgenössi­ schen Lebens prägen.

Logan hat national und international umfangreich aus­ gestellt, hatte zahlreiche Einzelausstellungen und führte viele private und öffentliche Aufträge aus. Logans Werke befinden sich in über sechzig privaten, geschäftlichen und öffentlichen Sammlungen, darunter das Whitney Muse­ um of American Art, das Philadelphia Museum of Art, das Gibbes Museum of Art, das Baltimore Museum of Art, das Memphis Brooks Museum, das Zimmerli Museum of Art, und das Boulder Museum für zeitgenössische Kunst.

Foto von Carey King

Logan Studio, Foto von Craig Anthony

Ausbildung 1946 geboren in Nashville Tennessee, USA​ 1998 M.F.A. Maryland Institute, College of Art, Baltimore, Maryland, 1998 Malerei und Skulptur lebt in Belmont, North Carolina, USA

Einzelausstellungen (Auswahl) 2012​ Weatherspoon Museum of Art, Greensboro, North Carolina ​ Barton Art Galleries, Wilson, North Carolina 2013​ N’Namdi Contemporary, Miami, Florida, The Other City 2014 Ogden Museum of Southern Art, New Orleans, Louisiana, I’ll Save You Tomorrow 2016 Tweed Museum of Art, Duluth, Minnesota Lyndon House Arts Center, Athens, Georgia, Upstream I: Sweetmare 2017 Southern – Contemporary Art Gallery, Charleston, South Carolina, Fatal Links

2018​ SOCO GALLERY, Charlotte, North Carolina, Elegies 2020​ Monica King Contemporary, New York, With an Abundance of Caution Hickory Museum of Art, North Carolina, Creating and Collecting ​Albany Museum of Art, Georgia 2021 Bo Bartlett Center, Columbus State University, Georgia ​Sordoni Art Gallery, Wilkes University, Wilkes-Barre, Pennsylvania

Foto von Carey King

35


36

Elegy XLIX, 2019, Acryl, Collage auf Fabriano Artistico Papier, 50,8 x 73,6 cm Die Elegy Serie beschäftigt sich mit dem komplexen Zeitraum zwischen Gedächtnis und Geschehen. Fast kann man sagen, dass wir uns an die Details von Erfahrungen und Erlebnissen des täglichen Lebens kaum mehr erinnern, vor allem dann, wenn wir sie für unwichtig halten. Es ist, als lebten wir in zwei Welten, im Heute und an all den gestrigen und vorgestrigen Orten, und wir erinnern immer weniger, je weiter wir uns nach vorn bewegen. Elegien sind sichtbare Repräsentationen der Fagmente dessen, was bleibt. Erfahrungen werden zu einer bestimmten Farbe, Form oder Linie, zur Andeutung davon, was einen Ort, eine Person oder ein Objekt ausmacht. Es sind Erinnerungen ohne Details. Ich male sie für mich selbst, gelegentlich für die Kinder, die an unserer südlichen Grenze gefangen gehalten werden, meist jedoch für all die, die Erinnerungsfragmente dessen teilen, was einmal ein ganzes Leben war.

Elegy LIV, 2019, Acryl, auf Fabriano Artistico Papier, 55,8 x 76,2 cm

37

Im April 1988 begann ich mit der Arbeit an einer Reihe von Werken unter dem Titel ”Sacred Symbols” (Heilige Symbole). Es ging mir darum, unsere traditionelle christliche Religion mit den Religionen anderer Kulturen zu vergleichen. Ich fand heraus, dass es sehr wenige wirkliche Unterschiede gibt. Hauptsächlich unterscheiden sich die Namen für bestimmte Praktiken oder die Führer der jeweiligen Kultur. Ich entschied, mich auf drei Bereich zu konzentrieren: den Talisman, einen Glücksbringer, der immer funktioniert; den Wahrsager, der die Zukunft vorhersagen kann; den Schamanen, meist einen heiligen Mann mit der Gabe, das Verborgene zu entdecken und uns Dinge zu zeigen, die wir sonst nicht gewahren könnten. Ich habe bis Mitte der 1990er Jahre etwa 44 Gemälde gemalt. Talisman #11, 1998, Acryl auf Arches Papier, 114,3 x 91,4 cm


Alan Neider – painting with the fabrics

38

Alan Neider ist ein US-Amerikanischer Künstler, der in den 1970er Jahren seine Karriere mit einem Robert Rau­ schenberg Work Grant begann und sich seitdem mit der Entgrenzung der zweidimensionalen Bildfläche beschäftigt. Alan Neider bezeichnet sich selbst als Maler, der versucht, die Form, die Linie und die Fläche aus dem Bildraum heraus­ treten zu lassen. Dadurch entstehen haptische Gemälde, die Objektcharakter besitzen. Ein wichtiges Element ist dabei der Gebrauch von objets trouvés als Form- und Farbgeber. Dabei werden Ikea-bags, Kleidungsstücke, Taschen, Polster, Decken etc. auf einer flexiblen Untergrundfläche in Schich­ ten arrangiert, drapiert und angenäht. In einem weiteren Schritt werden die so erzeugten Schichten durch gezielte Schnitte dekonstruiert und schließlich die Komposition mit verschiedenen Farben, Spray oder sogar Teer übermalt. Das Resultat sind überraschende und gleichsam spielerisch und cool wirkende Kompositionen mit einem Drang zum Farbenund Sinnesrausch im positivsten Sinn.

39

Andreas Schlichtner

Geboren in Norfolk, Vancouver Ausbildung El Camino Jr. College, CA, AA – 1965 CA. State University Long Beach, CA, BA Ceramics 1968 Tyler School of Art, PA, (Graduate work in sculpture 1969 – 70) Washington University, MO, MFA Einzelausstellungen (Auszug) NV Galerija, Bosnia, 2020 Gallery L, Montclair, NJ, 2018 Art-3 Gallery, Bushwick, NY, 2017 ‘Dressing Up: Recent Work’, New Haven, CT, 2013 ‘Curtains & Dresses: The Fall Collection, Gallery 305K, Bridgeport, CT. 2011 Henri Gallery, Washington, DC, 1988 ‘Curtains’, Nancy Lurie Gallery, Chicago, IL. 1981 Jan Cicero Gallery, Chicago, IL. 1980 Illinois Arts Council Gallery, Chicago, IL. 1977 Henri Gallery, Washington, DC, 1976 Blanket Painting 5, 2015, Decke, Stoff, Farbe, 203,2 x 121,9 x 7,6 cm

Alan Neider, Round Bag, 2014, Farbe, Stoff, Mischtechnik, 177,8 x 172,7 x 25,4 cm


Christian Rösner

40

1969 geboren in Bamberg. Lebt und arbeitet in Nürnberg. 1991 – 1998 Studium der Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg bei Prof. Christian Höpfner, Meisterschüler. Seit 2003 Lehraufträge an der Akademie der Akademie der Bildenden Künste und an der technischen Hochschule, Nürnberg, Georg Simon Ohm/Fachbereich Architektur ​2011 – 17​ Mitglied des Beirats für Bildende Kunst der Stadt Nürnberg 2014 Ernennung zum Honorarprofessor an der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm Preise und Auszeichnungen 1993/95 ​Klassenpreis, Akademie der Bildenden Künste, Nürnberg 1998​ Preis der Danner-Stiftung, München 1999 ​ Debütantenpreis der Bayerischen Staats regierung vom BBK 2000 ​ 1. Preis Kunstpreis der Nürnberger Nachrichten, Nürnberg 2003 ​ Kulturförderpreis der Stadt Nürnberg 2006 ​ Wolfram-von-Eschenbach-Förderpreis des Bezirks Mittelfranken, Ansbach 2012 ​Otto-Grau-Kulturpreis, Bezirk Mittelfranken, Ansbach 2013 ​Kunstpreis der Wilhelm und Christine Hirschmann Stiftung, Treuchtlingen 2017 Sonderpreis Kunstpreis der Nürnberger Nachrichten Abb. oben: Frau mit Trophäen, 2019 Pappelholz, Keramik für Bronze, Höhe 2,57 m Abb. unten: Frau mit Trophäen, 2013 Bronze, 23 x 7 x 8 cm

Ausstellungen (Auswahl) 2000 ​ Tier und Mensch, KREIS Galerie, Nürnberg 2004​ Skulpturen, Städtische Galerie im Bürger haus, Schwabach 2007​ Kunsthaus Reitbahn 3, Ansbach 2013 Bernsteinzimmer Nürnberg 2014 „Bären” im Botanischen Garten Erlangen 2015 „ Das Tier” Stadtgalerie Amberg 2016 Galerie Archiv Massiv Spinnerei Leipzig 2017 Galerie an der Pinakothek der Moderne in München 2018 Galerie Maurer in Frankfurt, Galerie Abtart Stuttgart 2019 Rathausart mit Galerie Landskron Schneidzik Kunst im Öffentlichen Raum 1997 ​ Schweinereiter, Saumarkt, Gunzenhausen 1998/1999 ​Lauernder und Flieger, Kurpark, Treuchtlingen 1999​ Echse, Brombachsee; Türklinke, St. Klara Kirche, Nürnberg 2000 ​Drachenmann, Skulpturenweg, Georgens gmünd; Adler und Murmeltier, Tiergarten, Nürnberg 2001 ​ Adler und Fisch, Granzin, Müritz-Nationalpark 2003 ​ Krokodil und Kinder, Montessorischule, Nürnberg 2004 – 2005​ Kleiner Hund und Gorilla mit Sattel, Südstadt park, Fürth 2008 ​ Drache, Hegelschule, Nürnberg; Drachen schaukel, Spielplatzgestaltung, Erlangen, Gorilla mit Sattel Tiergarten Nürnberg 2009 ​Steller mit Seekuh, Platzgestaltung, Bad Windsheim 2011 ​ 10 Sitzbänke für 10 Lebensjahrzehnte, Platzgestaltung Nordostbahnhof, Nürnberg, Wasserschlange Rodgau 2012 Zum Glück bin ich oben, Tiergarten Nürnberg 2016​ Gorilla mit Sattel, Kunstweg, Rednitzhembach 2017 Für Vielfalt in Nürnberg Fassade an der Bayreuther Straße Nürnberg 2018 Denkmal Andreas Osiander in Gunzenhausen

Die Gottesanbeterin, 2017 Pappel-, Eichen-, Eschenholz, 440 cm hoch

41


Paul Schwietzke

Der 1952 in Düsseldorf ge­ borene Künstler Paul Schwietzke studierte Malerei an der Düssel­ dorfer Kunstakademie bei Konrad Klapheck und K.O. Götz, dessen Meisterschüler er neben Sigmar Polke, Gerhard Richter und Gott­ hard Graubner war. Seine Bilder sind im ursprünglichen Sinne sur­ realistisch.

42

Sie zeigen das Magische, Traumhafte der Dinge in g­ roßer malerischer Brillanz. Die auf den ersten Blick verlas­ senen Kulissen für das surreale Geschehen sind magische Orte, an denen Stoffliches Gestalt annimmt und lebendig wird. Schwietzke ist Esoteriker, Magier und Alchimist. Seine Landschaften bezeugen den Umschlagpunkt einer Verände­ rung. Wie einst die Chassidim dem Golem vermag er Eisen und lebloser Materie zum Leben zu erwecken.

Titanic, 1998, Acryl auf Leinwand, 140 x 200 cm

1952 geboren in Düsseldorf 1973 – 79 Studium an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf bei K.O. Götz und Konrad Klappheck 1978 Meisterschüler bei K.O. Götz Zahlreiche Einzelausstellungen in Düsseldorf, Wesseling, Köln, Essen, Stuttgart, Bremen und Berlin

43

Splitterpark, 2019, Acryl auf Leinwand, 100 x 180 cm

Natopark, 2011, Acryl auf Leinwand, 140 x 315 cm

Segen, 2013, Acryl auf Leinwand, 105 x 170 cm

Schwerin II, 1992, Acryl auf Nessel, 100 x 180 cm

Feuerschlucker, 2002, Acryl auf Nessel, 150 x 300 cm


Taylor A. White

44

„Einmal dem Fehlläuten der Nachtglocke gefolgt, es ist nie mehr gut zu machen,” schrieb Franz Kafka in seinem Landarzt. Als etwas labiler Jugendlicher mit Problemen im Elternhaus, ohne Geld und ohne Perspektive studieren zu können, verpflichtete sich Taylor A. White für zehn Jahre bei der US Army, die im Gegenzug versprach ihm, anschließend ein Studium seiner Wahl zu finanzieren. Unglücklicherwei­ se brach kurz nach seinem Eintritt der Krieg in Afghanistan aus, danach der im Irak und schließlich noch der Krieg im Sudan. Taylor hatte unterschrieben, es gab kein Zurück, und so verbrachte er die nächsten zehn Jahre in diesen drei Län­ dern. Endlich verabschiedet, wollte er vom Militär nichts mehr wissen, studierte bildende Kunst und trat die Flucht nach vorne an. Er ließ den Irrwitz des Krieges hinter sich und entwarf irr extreme, aber witzige Bildkompositionen, hand­ werklich perfekt und solide hergestellt, mit einer strengen, eigenen Formensprache. Taylor ist ein großes Kompositions­ talent. Seine Konventionen sprengenden Bildskulpturen kommen leichtfüßig daher, schauen hingeworfen und zer­ brechlich aus, sind aber bis ins letzte durchgearbeitet, sta­ bil und alles andere als zufällig, sie sind durch und durch authentisch und werden von einer knapp hunderttausend Bewunderer zählenden Internetgemeinde aufmerksam ver­ folgt und inspirieren Künstler weltweit. Das Außenbild, das er dort im Netz abgibt, changiert zwischen Kunst-Clown, ge­ nialem Guru und Karrierekünstler. Kompromisslos zieht er diesen Weg durch. Taylor hat sich seiner Karriere verschrie­ ben, als wollte er die zehn verlorenen Jahre mit Gewalt wie­ der aufholen und durch eine disziplinierte Produktion von Kunstwerken seine Vergangenheit vergessen. 1978 geboren in San Diego, CA 2016 B.A. in Studio Art – University of Mary Washington, Fredericksburg, VA Ausstellungen (Auswahl) ​2020 ”Wild Blue Yonder”, Group Exhibition, Newchild Gallery, Antwerp, Belgium ​ ”American Cheese”, Solo Exhibition, Ada Gallery, Richmond, VA Art021 Shanghai Contemporary Art Fair, G. Gallery, Shanghai, China ​

45

Horses, Horses, Horses, Horses, Horses, 2018, Acryl, Sprühfarbe, Stoff, Leinwand und Heftklammern, genäht auf Keilrahmen, 130 x 100 cm

2020 ”WiFi Computer Lol Haha”, Solo Exhibition, Marquee Projects, Bellport, NY ​ ”Free_Hotdog.pdf”, Solo Exhibition, Monica King Contemporary, NYC Untitled Art Fair – Ada Gallery, Miami Beach FL ​2019 G Gallery, Seoul, South Korea, Korean International Art Fair (KIAF) ​LC Gallery, Brussels, Belgium ”Juice Monster” – Solo Exhibition TW FINEART, Brisbane, Australia ”Unlearn, Relearn, Repeat California Institute of the Arts, Valencia, CA ”Future Ruins” ​ Galerie Kremers, Berlin ”The New Abstract – An Atlantic Bridge” – USA – Berlin ADA Gallery, Richmond, Virginia,

I Can Shout Cordon Bleu Into A Forest Whenever it Pleases Me, 2018 Acryl, Öl, Kreide, Stoff, genäht auf Leinwand, 215 x 175 cm

2019 2018

”Hillbilly Antimatter” – Solo Exhibition G. Gallery, Busan, South Korea, Art Busan, 2019, Deli Grocery, Brooklyn, NY, ”Supper” G. Gallery, Seoul, South Korea, ”Zap-Zap, Explosion Sound, Fish” – Solo Exhibition LC Gallery, Brussels ”Crimes at Sea” – Solo Exhibition Galerie Kremers, Berlin ”Memories of a Carpet Monster”– Solo Exhibition G Gallery, Seoul, South Korea, Korean International Art Fair (KIAF) Marquee Projects, Bellport, NY ”1991 Plymouth Voyager, Like New” – Solo Exhibition TW FINEART, Brisbane ”Who Ain‘t Got Time for Hickies?” Solo Exhibition Galerie Kremers, Berlin Paper Positions Berlin

Snack, Dream, Turbo Fingers, 2019, Mischtechnik, Bildobjekt, 191 x 143 cm

2018 VIU Gallery, Brooklyn, NY ”Call Donna” – Cycamore Artist Residency Exhibition Galerie Kremers, Berlin, ”​ Landscapes” 2017 Galerie Kremers, Berlin ”On Paper” BEERS, London ​”75 Works on Paper” TW FINEART, Brisbane ”FRESHAF” Marquee Projects, Bellport, NY ”Biscuits, Biscuits, Biscuits” – Solo Exhibition McGuireWoods Gallery, Lorton Arts Workhouse, Lorton, VA ”Wet Paint” Marquee Projects, Bellport, NY ​”Group No-Show” ​2016 DAM 2016 – The Directed Art Modern, Miami, FL ​Ridderhof Martin Gallery, Mid-Atlantic New Painting Biennial Exhibition, Fredericksburg, VA 2015 Leedy-Voulkos Art Center, Kansas City, MO ”Hostages”– Solo Exhibition


Reiner Zitta – Der Schamane von Pühlheim

Keiner der hier vorgestellten Künst­ ler wird so authen­ tisch über das Phä­nomen Schamanis­ mus zu erzählen wis­s en wie Reiner Zitta. Als Sohn eines obskuren, christ­ lichen Sektenfüh­ rers auf­

46

gewachsen, gab es in seiner Kindheit und Jugend keine Zeitung, kein Radio und keinen Fernseher. Einzig Bücher wurden von seinem Vater zugelassen. Die immer bedrohliche Außenwelt hieß in seinem Elternhaus „Hölle”, Rituale wie Gesundbeten mussten ärztliche Behandlung erset­ zen und Dämonen- und Teufelsaustreibungen gehörten zum selbstverständlichen Repertoire. Der Vater verprü­ gelte seinen Sohn bei jeder Gelegenheit. Erwachsen geworden nahm Reiner Zitta eine Auszeit in Indien. Schwerer Alkoholismus und eine selbst-diagnostizierte manisch-depressive Erkrankung seien nur einige Folgen seiner Kindheit, sagt er. In dieser schwierigen Zeit wurde der Wald zu seinem Ort des Friedens und der Freiheit. Hier fand er mit geheimem, psychischem Wert aufgeladene Objekte, in denen er heilende oder zerstörende Kraft ver­ mutete und die er als Talismane hortete. Als lebenslanger Sammler, Arrangeur, Bildhauer und Maler schuf er sich ei­ nen Kosmos aus Arbeiten, der mehrere Scheunen und sein Haus bis unter die Decke füllt. Irrwitzige Votivtafeln, herge­ stellt aus Zivilisationsabfall und heiligen Fundstücken hän­ gen über verstaubten Altären; aus Stanniolpapier geformte Tiere; aus geknetetem Brot geformte Köpfe, maskenartig bemalt und in Schaukästen zu geheimen Botschaften neben ausgestopften oder vertrockneten Tieren und bemalten

Installation in der Galerie Kremers zur Ausstellung „Voodoo”, 2018

Knochen arrangiert. In seinen seltsamen, aber formal bril­ lanten Zeichnungen wuchert seine Kunst wie wilder Wein durch seine alte abgelegene Mühle in Franken, aus der über die Jahre ein afrikanischer Fetischmarkt, ein brasilianisches Candomblé geworden ist. Zitta ist belesen, auf jedem Platz, der nicht von Kunst besetzt ist, türmen sich Bücher. Seine Mühle ist groß, aber inmitten seiner Arbeiten bleibt ihm nicht viel Platz zum Wohnen und Leben. So verlagert er den Arbeitsplatz nach draußen vor die Mühle, wo sich seine Skulpturen stapeln. Wie ein Privatgelehrter neigt er zum Dozieren. Für den, der sich darauf einlässt, sind die Gespräche mit ihm erhellend, die Argumente fun­ diert und voller ungewohnter Ideen. Dabei reitet ihn der Schalk, wenn er den Zuhörer und sich selbst auf den Arm nimmt. So werden die schweren Dinge leichter und mit Humor auch leichter verdaulich. Beuys hat er kennengelernt, denn Zitta war einer der vierhundert hochprozentigen Künstler, die sich bei ihm an der Hochschule eingeschrieben haben, dann aber von der Polizei aus der Düsseldorfer Akademie hin­ ausgetragen wurden. Die Affinität zu Beuys und seinem Werk ist nicht zu übersehen. Zittas Kunst ist durch und durch authentisch, eine Entdeckung! Gregor Hiltner

1944 geb. in Buchelsdorf/Altvatergebirge, Tschechien 1959 – 62 Lehre als Technischer Zeichner 1963 – 68 Akademie der Bildenden Künste, Nürnberg 1998 Dramaturg am Theater in der Tonne, Reutlingen 2009 Mitbegründer des „Borgo Ensemble”, Fürth Einzelausstellungen(Auswahl) 1990 Vennakademie, Brauning 1991 Galerie für neue Kunst, Amberg Landesgewerbeanstalt, Nürnberg 1994 Galerie Röver, Nürnberg 1995 Kulturverein Winterstein, 1996 Museum Ostdeutsche Galerie, Regensburg 1997 Cordonhaus, Cham 1998 Installation zu „Buddy and the Hudle”, Kammerspiele Ansbach Kulturfabrik, Roth Landesgartenschau, Neumarkt 1999 Installation zu„ Buddy and the Hudle”, Tafelhalle, Nürnberg Galerie Blaue Tür, Nürnberg Galerie Brokowsky, Fürth 2000 im Alten Bau, Geislingen Stadtmuseum in Spital, Crailsheim 2001 Kunstmuseum Hersbruck 2002 Reitstadel/Kunstverein, Neumarkt 2003 Rathaus/Ehrenhalle, Nürnberg 2004 Akademie, Tutzing 2007 Wertpapiere und andere Obsessionen, Dizzys Galerie, Nürnberg 2009 Was die Raben uns sagen, Kulturverein Winterstein, Nürnberg 2015 Kunstraum Bismarckstraße, Erlangen 2018 Galerie Kremers Berlin, Voodoo

Szenen aus Zittas Mühle in Pühlheim, Franken

47


Reiner Zitta, Kleiner Altar, 2017, Wandskulptur, 85 x 30 cm Titel: Reiner Zitta, 2019, Hase, Wandskulptur, 50 x 40 cm Rückseite: Gregor Hiltner, Fahnen für Jazz Ost-West Der Schamane und Xango Ost-West, 1987/2021 Acryl und Öl auf Leinwand, je 240 x 100 cm

© 2021 Edition Galerie Kremers © Texte und Bilder bei den Autoren © Übersetzungen von Herbert Genzmer © Fotos, wenn nicht angegeben von Frank Altmann, Gregor Hiltner und bei den Künstlern Grafik: ab-design GmbH, Berlin Druck: Druckhaus Sportflieger, Berlin Wir danken der Stiftung Kunstfonds


KünstlerInnen als Schamanen

HOKUS POKUS GALERIE KREMERS BERLIN


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.