GALERIE RAPHAEL
MURAKAMI CONTEMPORARY MASTER PRINTMAKERS I
MURAKAMI CONTEMPORARY MASTER PRINTMAKERS I
GALERIE RAPHAEL
Galerie Raphael Domstrasse 6 D - 60311 Frankfurt/Main +49 (0)69 - 29 13 38 www.galerieraphael.com info@galerieraphael.com
„Murakami? Wer ist das?“ Wer sich nicht mit der zeitgenössischen Kunstwelt beschäftigt, dem mag der Name Takashi Murakami im ersten Moment nicht viel sagen. Erwähnt man aber zum Beispiel seine Louis Vuitton Kollektion, Mr. Dob oder seine Blumen, sind das Symbole, die hingegen sehr oft wiedererkannt werden. Ihr Bekanntheitsgrad übersteigt den des geistigen Vaters. Und das hat seinen Grund, aber dazu später mehr. Takashi Murakami ist Künstler, aber er ist auch – vielleicht sogar in erster Linie – Geschäftsmann. Firmenchef. Und Filmemacher. Designer für die Mode- und Musikbranche. Kurator. Und Autor. Und noch Vieles mehr.
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Die Aktivitäten des umtriebigen Japaners sind vielfältig und zahlreich, ebenso wie die Assistenten, die ihn in seinen Projekten unterstützen. Seine 2001 von ihm gegründete KaiKai Kiki Company beschäftigt weltweit über 100 Mitarbeiter, das Gros ist direkt in die Produktion seiner Bilder und Skulpturen involviert. Der Vergleich zu Andy Warhol mit seiner Factory liegt nahe, bei näherer Betrachtung sind die beiden Künstler in Ihrem Schaffen aber weiter von einander entfernt, als der erste Eindruck vermitteln mag. Auch wenn das Serielle, die Wiederholung und das Interesse Murakamis, Kunst und Business zu verschmelzen stark an Warhol erinnern, so ist die künstlerische Herangehensweise der Beiden doch grundverschieden. Während Warhol oft Alltagsobjekte – allen voran wahrscheinlich seine Campbell’s Soup Dosen – und bereits bestehende Ikonen der Pop- und Konsumkultur wie Marilyn Monroe aufgriff und diese lediglich, aber ganz bewusst lediglich „überarbeitete“, schafft Murakami neue Ikonen, Parallelwelten, und inspiriert sich nur an bestehenden Symbolen des japanischen Alltags – hauptsächlich aus dem Manga und Anime Bereich, den japanischen Comics und Zeichentrickfilmen. Seine Arbeiten sind tief verstrickt mit der Otaku Subkultur, der in der japanischen Gesellschaft stark ausgeprägten und oft obsessiv ausgelebten Leidenschaft für eben diese Animes und Mangas, mit
ihren verniedlichten und oft grotesk überzeichneten Charakteren und Fantasiewelten, in die Viele vor der Realität flüchten. Das ist laut Murakami gleichsam auch einer der größten Mißstände in der heutigen japanischen Gesellschaft. So bezeichnet er die Japaner als kindisch und leer, „sie sind bedeutungslos und haben keine echte Vorstellung vom Leben, Sex oder der Realität“. Japan hat, wie viele andere Länder auch, nach dem 2. Weltkrieg einen radikalen Wandel erfahren. „Wir Japaner sind die Einzigen, die die Atombombe wirklich erlebt haben, wo Alles in einem einzigen Blitz verschwindet. Durch eine von Menschen geschaffende Kraft, mächtiger als die Götter. Das hat uns empfindungslos gemacht, jenseits des Gefühls und der Sorge.“ Interessanterweise mutet diese Einschätzung selbst auch etwas überzeichnet und dramatisiert an. Der amerikanische Einfluss nach 1945 hat zu einer Konsumkultur in Japan geführt, die vor allem bis in die 1990er ihresgleichen gesucht hat. Auch Murakami sieht sich als Kind des Konsumzeitalters, er begrüßt den Kapitalismus und das Kommerzielle in der Kunst. Er – und so auch die japanische Tradition in der Kunst – unterscheidet nicht zwischen Hoher Kunst und Kunsthandwerk, sie gehen Hand in Hand. Sie schließen sich nicht gegenseitig aus, wie in westlichen Kulturen. Hört man ihm zu, wenn er über seine Arbeit spricht, so fällt die Bescheidenheit seines künstlerischen Anspruchs an sich selbst sofort auf. Er versucht nicht, seinem Werk durch Worte oder Erklärungen Wichtigkeit zu verleihen, er beschreibt sie als das, was sie sind: Produkte seiner Fantasie, unter seiner Anleitung realisiert von einem Stab an Assistenten. Auch wenn, oder vielmehr, gerade weil er den Aspekt des „künstlerischen Anspruchs“ in den Hintergrund stellt und den Fokus bewusst auf Serialität und „Produktion“ lenkt, bietet er – wahrscheinlich mehr als die Meisten seiner Zeitgenossen – einer unendlich breiten Masse Zugang zu seinem Werk. Wiederholungen der gleichen Motive, in allen erdenklichen und unerdenklichen Farbvariationen und das Aufgreifen
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einer – zumindest in Japan – bekannten Figurensprache, zeigen unverhohlen, was Murakami bezwecken will. Populärkultur schaffen, Populäres für jeden Geschmack. Er schafft Kommerz durch Kunst, bietet jedem Geldbeutel dank seines umfassenden Graphikwerks und dem noch umfassenderen Merchandiseshop die Möglichkeit, einen Teil seines Werks mit nach Hause zu nehmen. Genau da liegt vielleicht der größte Reiz, womit wir wieder am Anfang dieses kleinen Aufsatzes wären. Sein persönlicher Ruhm als Künstler ist ihm weniger wichtig als der Bekanntheitsgrad und wirtschaftliche Erfolg der Marke „Murakami“. Er hat ein Unternehmen der Unterhaltungsbranche geschaffen, mit Figuren wie Mr. Dob oder Kaikai und Kiki, deren Gesichter uns auf Tassen und Schirmen, auf Kissen und Bettwäsche, Möbeln und Tapeten, auf Spielzeugen und eben auch seinen Bildern und Skulpturen in allen wichtigen Museen dieser Welt entgegen lächeln, uns fast durch ihre Allgegenwärtigkeit zu überfluten scheinen. In unserer Ausstellung zeigen wir eine Auswahl an Graphiken der letzten 10 Jahre, die einen hervorragenden Überblick über sein Schaffen bieten. Seit Anbeginn des Kunsthandels - vor allem mit dem Beginn der klassischen Moderne Anfang des 20. Jahrhunderts - waren Graphiken auch immer ein einfacher Einstieg in die Welt der Kunst. Eine Radierung von beispielsweise Picasso zu erwerben war nur ein minimaler finanzieller Aufwand im Vergleich zum Kauf eines seiner Gemälde. Doch nicht nur der Sammler profitierte, auch der Künstler hatte es wesentlich leichter, seinen Lebensunterhalt durch den Verkauf seiner Graphiken zu bestreiten.
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So verfolgt Murakami also in seinem Schaffen nicht nur einen bereits bekannten, sondern durchaus auch legitimen Gedanken: Kunst für Jedermann.
Alle Graphiken sind Mixed Media Prints in einer Auflage von 300 Exemplaren, nummeriert und signiert.
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„Murakami? Who is that?“ For one who isn’t in touch with the contemporary art world, the name Takashi Murakami might not ring a bell at first. But if, for example, you mention his Louis Vuitton collection, Mr. Dob or his flowers, then these are symbols, which are, on the other hand, often recognized. Their degree of popularity rises above that of their creator. And there is a good reason for that, but we’ll cover that later on. Takashi Murakami is an artist, but he also is – maybe even primarily so – a business man. CEO. And film maker. Designer for the fashion and music industry. Curator. And author. And a whole lot more. The activities of this driven Japanese are diverse and numerous, as are his employees, which assist him in his projects. His KaiKai Kiki Company, established in 2001, employs more than 100 people worldwide, the majority is directly involved in the production of his paintings and sculptures. The comparison to Andy Warhol with his Factory seems obvious, but on closer inspection these two artists are further apart in their creative work than the first impression might suggest. Although the seriality, the repetition and Murakami’s interest to fusion art and business strongly resemble Warhol, the artistic approach of these two remains entirely different. While Warhol often picked subjects of daily life – above all probably his Campbell’s Soup cans – as well as already existing icons of pop and consumption culture like Marilyn Monroe and just, but deliberately just “reworked” them, Murakami, on the contrary, creates new icons, parallel worlds, and just inspires himself by symbols of daily Japanese life – mainly from Mangas and Animes, Japanese comics and cartoons.
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His works are deeply rooted within the otaku subculture, the strongly distinct and often obsessively lived out passion of Japanese society for these animes and mangas, with its belittled and cute, often absurdly exaggerated characters and fantastic worlds, to which a lot flee to from reality. According to Murakami, this is in fact one the biggest deficits
in today’s Japanese society. He describes the Japanese as childish and empty, “they are meaningless and understand nothing of life, sex or reality.” Japan has, as many other countries, too, experienced a drastic change after WWII. “We Japanese are the only ones, who really experienced the atom bomb, where everything vanishes in a single flash. By means of a man-made force, mightier than the gods. This has made us insensible, beyond emotion and anxiety.” Interestingly, this assessment itself seems a little exaggerated and dramatized. American influence after 1945 had led to a consumption culture in Japan, which was unrivalled until the 1990s. Murakami likewise sees himself as a child of this age of consumerism; he embraces capitalism and the commercial aspect in art. He – as well as the tradition in Japanese art – makes no difference between fine art and decorative art; they go handin-hand. They don’t exclude each other like in western cultures. If one listens to him when he talks about his work, the modesty concerning his artistic demand towards himself is easily noticed right away. He doesn’t try to give his work importance through words or explanations, he describes them as what they are: Products of his imagination, realized under his command by a staff of assistants. Although, or rather, precisely because he shifts his focus away from an artistic demand and intentionally towards seriality and production, he offers – probably more than any of his contemporaries – an infinitely broad mass access to his work. Repetitions of the same motive, in all imaginable and unimaginable color variations, and the use of a – at least in Japan – easily recognizable figural language show blatantly what Murakami wants to achieve. Creating pop culture, popular things for every taste. He is creating commerce through art, offering – thanks to his broad prints portfolio and the even broader merchandise shop – the opportunity for any budget to take a part of his work home.
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And maybe that is the biggest appeal, which brings us back to the beginning of this little essay. His personal fame is less important to him than the popularity of the brand “Murakami”. He has created a business in the entertainment industry, with figures like Mr. Dob and Kaikai and Kiki – their faces smiling at us from mugs and umbrellas, from pillows and bed linen, furniture and wallpapers, from toys and, in fact, from his paintings and sculptures in all major museums worldwide – almost trying to overwhelm us with their omnipresence. We are showing a selection of his prints of the last decade, providing an excellent overview over his work. Since the beginning of trading art – mainly with the beginning of classic modern art in the early 20th century – prints were always an easy entry point to the art world. Acquiring an etching, let’s say by Picasso, was a significantly lower financial effort than compared to one of his paintings. But not only the collector benefited from that, it provided the artist as well with an easy way to provide a living through selling his prints. So, Murakami is in fact pursuing an already well known, and by all means legitimate thought with his work: Art for everyman.
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All prints shown are mixed media prints in an edition of 300 signed and numbered impressions.
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“Dob ist ein Selbstportrait der japanischen Menschen. Er ist niedlich, aber ohne Bedeutung und hat keine Vorstellung vom Leben, Sex oder Realität.” Takashi Murakami
“Dob is a self-portrait of the Japanese people. He is cute but has no meaning and understands nothing of life, sex, or reality.”
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“and then and then and then and then and then (aqua blue)�, 1999 68 x 68 cm
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“and then and then and then and then and then (pink)�, 1999 68 x 68 cm
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“and then and then and then and then and then (blue)�, 1999 68 x 68 cm
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“and then and then and then and then and then (yellow)�, 1999 68 x 68 cm
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“dob totem pole”, 2000 50 x 50 cm
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“and then (itchimatsu pattern)�, 2006 68 x 68 cm
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“and then (platinum)”, 2006 68 x 68 cm
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“Also, Jellyfish[1] haben keine Augen. Jellyfish Eyes.[2] Es ist – also, das heißt – es ist Unsinn.” [1]
Quallen
[2]
Quallenaugen
Takashi Murakami
So, jellyfish don’t have eyes. Jellyfish eyes. It is – that means – it’s nonsense.
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“jellyfish eyes”, 2001 50 x 50 cm
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“jellyfish eyes cream”, 2001 50 x 50 cm
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“jellyfish eyes - black 2”, 2004 50 x 50 cm
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“jellyfish eyes - black 3”, 2004 50 x 50 cm
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“jellyfish eyes - white 1”, 2006 50 x 50 cm
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“jellyfish eyes - white 4”, 2011 50 x 50 cm
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“jellyfish eyes”, 2013 50 x 50 cm
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“Der Tod nimmt kein Schmiergeld”
“Death takes no bribe”
Takashi Murakami
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“i know not. i know.”, 2010 77 x 60 cm
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“who’s afraid of red, yellow and blue & death?”, 2010 77 x 60 cm
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“i’ve left my love far behind, their smell, every memento.”, 2010 67 x 48 cm
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“of chinese lions, peonies, skulls and fountains�, 2012 71 x 140 cm
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“as the interdimensional waves run through me, i can distinguish between the voices of angel and devil.�, 2012 71 x 140 cm
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“red demon and blue demon with 48 arhats”, 2013 71 x 118 cm
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“Wenn die Blumen lachen, sind wir alle glücklich. Es gibt allerdings auch immer die andere Seite, wenn sie zuviel lachen.” Takashi Murakami
“When the flowers laugh, we’re all happy. However there’s always the other side, if they laugh too much.”
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“acupuncture/flowers”, 2008 68 x 68 cm
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“acupuncture/flowers (checkers)”, 2008 68 x 68 cm
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“kansei: skulls”, 2010 Ø 71 cm
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“architect of the heart”, 2010 Ø 71 cm
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“floating campsite”, 2011 Ø 71 cm
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“warm and sunny”, 2011 68 x 68 cm
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“an homage to monogold 1960 B�, 2012 74 x 53 cm
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“an homage to monopink 1960 B�, 2012 74 x 53 cm
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“an homage to ikb 1957 B”, 2012 74 x 53 cm
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“the road to illumination stretches too far ahead. how can i fend off the crashing waves of earthly desires? i am therein a mournful beast. the husk of humanity, too cruel.�, 2008 70 x 81 cm
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“my arms and legs rot off and though my blood rushes forth, the tranquility of my heart shall be prized above all. <red blood, black blood, blood that is not blood>.”, 2007 70 x 83 cm
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acupuncture/flowers, (checkers) 2008 68 x 68 cm
“hypha will cover the world, little by little. ‘we should be able to get our hands on that door to the alien world soon. wait till we get there!’”, 2007 66 x 129,5 cm
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“reversed double helix”, 2005 102 x 72 cm
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Dieser Katalog erscheint anläßlich der Ausstellung “MURAKAMI - Contemporary Master Printmakers I” 24.01. - 01.03.2014 auflage: 300 herausgeber: Raphael Petrov verlag: Galerie Raphael, Inhaber Raphael Petrov e.K., Frankfurt am Main text: Sami Nigm satz, gestaltung & fotografie: Sami Nigm englische übersetzung: Sami Nigm druck: Arte Grafiche de Pietri S.R.L., Castelnovo Di Sotto, Italien ISBN 978-3-930519-39-2 Galerie Raphael, Inhaber Raphael Petrov e.K. Domstraße 6 D-60311 Frankfurt am Main Tel +49 (0)69 - 29 13 38 Fax +49 (0)69 - 29 77 532 www.galerieraphael.com info@galerieraphael.com
Abbildung auf dem Cover und Rückseite: “Jellyfish Eyes Cream”, 2001 (Detail). Alle Maßangaben beziehen sich auf das Blattmaß. Mögliche farbliche Abweichungen der Abbildungen zum Original sind technisch bedingt. Alle Bildrechte liegen bei Takashi Murakami / KaiKai Kiki Ltd., Tokyo.
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2014 © Raphael Petrov & Galerie Raphael
This catalogue is published on occasion of the exhibition “MURAKAMI - Contemporary Master Printmakers I” 24.01. - 01.03.2014 edition: 300 editor: Raphael Petrov publisher: Galerie Raphael, Inhaber Raphael Petrov e.K., Frankfurt am Main text: Sami Nigm layout & photography: Sami Nigm english translation: Sami Nigm print: Arte Grafiche de Pietri S.R.L., Castelnovo Di Sotto, Italy ISBN 978-3-930519-39-2 Galerie Raphael, Inhaber Raphael Petrov e.K. Domstraße 6 D-60311 Frankfurt am Main Tel +49 (0)69 - 29 13 38 Fax +49 (0)69 - 29 77 532 www.galerieraphael.com info@galerieraphael.com
Reproduction on the cover and reverse: “Jellyfish Eyes Cream”, 2001 (Detail). All dimensions refer to the sheet size. Possible color differences between reproductions and originals are due to technical reasons. All image copyrights held by Takashi Murakami / KaiKai Kiki Ltd., Tokyo.
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