Krampus. Masken und Postkarten

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KRAMPUS. Masken und Postkarten



Stadt Bozen CittĂ di Bolzano Assessorat fĂźr Kultur und aktives Zusammenleben Assessorato alla Cultura e alla Convivenza Stadtmuseum /Stadtgalerie Museo Civico / Galleria Civica herausgegeben von Stefan Demetz und Silvia Spada Pintarelli

mas ken und post karten


Assessorato alla Cultura e alla Convivenza Assessorat für Kultur und aktives Zusammenleben

Krampus. masKen und postK arten Bozen, Stadtgalerie und Stadtmuseum 24. November 2012 —24. Februar 2013

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Patrizia Trincanato

Herlinde Menardi Ausstellungsleitung und Koordinierung STEFAN DEMETz, SILVIA SPADA PINTARELLI Sekretariat L AURA BENAGLIA , L AURA BOT TESI

Stefan Demetz

Grafik GANESHGRAPHICS, Lana Katalogdruck TEzzELE BY ESPERIA, Bozen Ausstellungsprojekt COSTANTIN CHARAL ABOPOULOS, Trient Ausstellungsaufbau ARTEAM, Trient Idee und Ausführung Video SARAH TREVISIOL und MAT TEO VEGET TI, Bozen Übersetzungen WOLFTRAUD DE CONCINI MADDALENA RUDARI, DONATELL A TREVISAN Werbung ANTONELL A ARSENI Bereich Kommunikation der Stadtgemeinde Bozen ISBN: 9788890804212 www.gemeinde.bozen.it/cultura

Wir danken Associazione Incontri per lo studio delle tradizioni alpine, Karl Berger, „Bewegtes Leben“– Amt für audiovisuelle Medien, Raimondo Domenig, Philipp Fischer, Tiziana Franco, Freiwillige Feuerwehr Brixen, Marta Ghirardelli, Luca Giarelli, Ursula Grilnauer, Peter Grutsch, Marlene Huber, Karl Innerhofer, Intermedia CinemaVideoproduktion, Heinrich Kostner, Krampusmuseum Suetschach, Eva Kreissl, Dieter Laner, Latscher Tuifl, Giovanna Mangione, Simon Mantinger, Lara Magri, Werner Mezger, Chiara Mezzalira, Josef Moser, Antonella Mott, Museo etnografico di Malborghetto, Museo degli Usi e Costumi della Gente Trentina San Michele all’Adige, Thomas Nußbaumer, Moreno Oreti, Philipp Pegger, Walter Pesjak, Wolfgang Pfaundler, Hartmut Prasch, Thomas Sachsalber, Schloss Trautenfels, Irene Spada, Barbara Stocker, David Stocker, Tiroler Volkskunstmuseum Innsbruck, Tanja Tomaselli, Videomante Onlus, Volkskundemuseum Graz, Andreas Walter, Felix Weitgruber, Roman Wiesler. Ein besonderer Dank geht an den Museumsverein Bozen, der freundlicherweise die Maskensammlung „Karl Wohlgemuth“ zur Verfügung gestellt hat, ferner an Stefan Klammsteiner und Lukas Tappeiner für die Krampuskostüme und an Günther Kofler für die freundliche Überlassung seiner Postkartensammlung „Gruß vom Krampus“ und für wertvolle Hinweise und Ratschläge.

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Paola Hübler

Paola Hübler

Milena Cossetto

Silvia Spada Pintarelli


← 05 Einleitung ← 07 St. Nikolaus, Klaubauf, Krampus ← 15 „Die Krone der Volkskunst“ Von der Faszination der Tiroler Masken im Stadtmuseum Bozen und ihrer Präsentation ← 19 Karl Wohlgemuth Ein Sammlerleben ← 23 Maskensammlung ← 77 Die Krampus-Karten Die Sammlung Günther Kofler ← 117 Der heilige Nikolaus Kurze Bemerkung zu Geschichte und Darstellung

Mit der Krampus-Ausstellung verwirklicht das Assessorat für Kultur und aktives Zusammenleben eine bedeutende Initiative in einem neuen Modus: Mit einem Generalthema, Krampus, werden zwei Ausstellungen im Stadtmuseum und in der Stadtgalerie vorgestellt, von denen auch jede für sich allein bestehen könnte. Tatsächlich werden auf diese Weise wertvolle Synergien optimal ausgenutzt. Dies betrifft sowohl die Konzeptphase und die Durchführung (ein einziges Team) wie das Produkt selbst (gemeinsames Marketing, gemeinsame Drucksorten, ein Katalog). In Zeiten, in denen die öffentlichen Budgets immer knapper werden, wird ein Weg beschritten, der Vorbildwirkung haben könnte. Außerdem fördert dieses Ausstellungsprojekt auch das Gemeinschaftsgefühl innerhalb des Verwaltungsbereiches in meiner Kompetenz, da größere Bereiche des Kulturassessorats verstärkt zusammenarbeiten – für unsere Stadt und ihre Bürger. Deshalb ist es mir ein Anliegen, allen, die zum Gelingen dieser innovativen Ausstellungsinitiative beigetragen haben, für ihren besonderen Einsatz, der oft auch über die engen Grenzen des eigenen Aufgabenbereichs hinausgreifen musste, aufrichtig zu danken. Hervorheben möchte ich – auch in meiner Funktion als Präsidentin des Museumskuratoriums – vor allem das gute Zusammenspiel mit dem Museumsverein Bozen (Obmann Dr. Gerald Mair), dem Eigentümer der Maskensammlung: Wie in den vergangenen Jahren stets für Ausstellungen der Stadt hat der Verein die Initiative, die die Schätze des Stadtmuseums dem breiten Publikum zugänglich macht, begrüßt und in uneigennütziger Weise die einzigartigen Masken der Museumsleitung zur Verfügung gestellt. Der tiefe Dank der Stadt Bozen gilt aber auch Herrn Günther Kofler aus Neumarkt für sein unkompliziertes Entgegenkommen und die freundliche Überlassung zu Studienzwecken seiner äußerst umfangreichen Krampus-Postkartensammlung, aus der die Kuratoren der Ausstellung rund 250 Exemplare aussuchen, ausstellen und im vorliegenden Katalog auch abdrucken durften. Patrizia Trincanato Stadträtin für Kultur und aktives Zusammenleben



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St. Nikolaus, Klaubauf, Krampus Herlinde Menardi

St. Nikolaus, der volkstümliche Heilige der Adventzeit, Mittelpunkt zahlreicher, unterschiedlicher und widersprüchlicher Bräuche, ruft bei vielen Menschen unseres Landes Erinnerungen an die Kindheit wach: Wie groß war die Freude über Lebkuchen, Obst und Nüsse, die in das Körbchen oder die Schüssel vor dem Fenster eingelegt wurden. Wie fieberte man dem tatsächlichen Besuch des Heiligen im Bischofsornat entgegen, der nach einer mehr oder weniger strengen Prüfung oder einem vorgetragenen Gedicht seine Gaben verteilte. Er kam mit einem unheimlichen Begleiter. Schon das Rasseln mit der Kette oder das Drohen mit der Rute ließen manchen unter den Tisch verschwinden. Dann – den Kinderschuhen schon entwachsen – das „Krampustratzen“ (Krampus necken): Mit angstvoller Lust pirschte man sich an Krampus oder Klaubauf heran, um dann zu laufen, was die Beine trugen, wenn dieser einen bemerkte. Sie waren in kleinen Gruppen, sozusagen als Vorhut, schon an den Tagen vor dem Fest am 6. Dezember in Stadt und Land unterwegs: Krampusse, Klaubauf, Kathreineler (Sautens), Bären (Telfs) und andere Schreckgestalten. In manchen Orten waren die finsteren Gestalten nur als Begleiter des Nikolaus, und von diesem in Zaum gehalten, geduldet. Die legendäre Gestalt des hl. Nikolaus ist eine Verschmelzung von zwei historischen Personen: dem Bischof Nikolaus von Myra in Lykien (heute Türkei), der wahrscheinlich im 4. Jahrhundert lebte und dem Abt Nikolaos Sionites, der Bischof von Pinara war und 564 in Lykien starb. Aus diesen beiden ist die ab dem 6. Jahrhundert in Legenden fassbare überragende Heiligengestalt des wundertätigen Bischofs von Myra hervorgegangen. Die in Myra seit dieser Zeit verehrten Reliquien schwitzten ein heilkräftiges Öl aus und der Ruf des Heiligen verbreitete sich rasch

in der Ostkirche. Auch Jerusalempilger machten Station in Myra. Erste Reliquien des Heiligen, Patron der Seeleute, Befreier von zu Unrecht Gefangenen, tauchten zumindest schon in der 2. Hälfte des 8. Jahrhunderts im Abendland auf. Eine dem hl. Nikolaus geweihte Krypta unter dem Westchor des Brixner Domes wird in einer Traditionsnotiz 1050–1065 genannt. Die drohende Islamisierung war im 11. Jahrhundert Vorwand, die Gebeine zu „retten“ (rauben). Kaufleute brachten sie 1087 nach Bari, wo St. Nikolaus bis heute hoch verehrt wird. In Deutschland waren Köln und Trier frühe Zentren des Nikolauskults, der seine große Blüte ab dem 13. bis zum 16. Jahrhundert erlebte. Zwei Legenden über seine Wundertaten, die Kindern zugute gekommen waren, machten ihn zum Schülerpatron sowie mildtätigen Freund der Kinder und Gabenbringer: die Auferweckung der getöteten Schüler und die Jungfrauenlegende, in welcher Nikolaus den drei Jungfrauen Goldkugeln schenkte, um sie vor dem Schicksal der Prostitution zu bewahren (einem grausamen Schicksal). Meine Ausführungen zum Nikolaus- und Krampusbrauch betreffen im Wesentlichen den Kulturraum des historischen Tirols. Auf den volkstümlichen Nikolausbrauch des nächtlichen Einlegens in die von den Kindern bereitgestellten Teller, Schüsseln, Körbe, Schuhe oder Strümpfe weist bereits ein Kindergebet des 15. Jahrhunderts aus dem Kloster Tegernsee hin und auch andere frühe Belege sprechen vom Einlegen. Die wirkliche Einkehr des Bischofs in die Familien mit einer Befragung und Beschenkung der Kinder ist lange Zeit auf die Oberschichten beschränkt. Es kann als sicher gelten, dass die Klöster initiierend auf diese Bräuche gewirkt haben.


[1] Nikolausabend in Oberhofen, 1986

[2] Luzifer, Raither Nikolausspiel, 1980

Eine wichtige Quelle zum Nikolausbrauch stellen die katholischen Barockpredigten dar. Der Tiroler Kapuziner Heribert von Salurn lobte 1693 den aufgekommenen Brauch, fleißig betenden Kindern am Nikolaustag Obst und dergleichen einzulegen. Die Kinder sollten mit kleinen Geschenken zu andächtigen Übungen angespornt werden. Eine im Bischofsornat gekleidete Gestalt dürfte spätestens seit der Gegenreformation die Beschenkung der Kinder in den Klosterschulen vorgenommen haben. Mit diesem Einkehrbrauch, der mit einer Belehrung verbunden war, ließen sich pädagogische und katechetische Ziele verfolgen. Es waren die Schulen der Jesuiten, in denen der Brauch früh gepflegt wurde. So ist anzunehmen, dass dies auch im Innsbrucker „Nikolaihaus“, einem von Erzherzog Ferdinand II. 1587 für „arme Schüler“ gestifteten Konvikt, der Fall war. Eine erste schriftliche Quelle erwähnt den Einkehrbrauch am Münchner Hof 1680. Weitere archivalische Belege stammen ebenfalls aus der Zeit um 1700 und weisen auf einen zunächst städtischen Brauch hin. Der Wiener Hofprediger Abraham a Santa Clara (1644–1709) beschreibt den Einkehrbrauch im Werk „Abrahamisches Gehab dich wohl“, das 1729 aus seinem Nachlass erschienen ist. Er schildert darin bereits Entartungen wie einen betrunkenen Nikolaus oder eine stehlende Nikolausgruppe, die aus Nikolaus, Leviten, Engeln und Teufeln besteht. Im 18. Jahrhundert etablierte sich der hl. Nikolaus als Überbringer von Gaben, daneben bleibt das Einlegen bis heute weiter bestehen. Ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert, in manchen abgeschiedenen Tiroler Tälern erst in

[3] Berchten, Angerberg, Kleinsöll, 1970er-Jahre

der Zwischenkriegszeit, wurde der Bischof vom gabenbringenden Christkind abgelöst. Wie der Heilige Mann zu seinen Begleitern kam, lässt sich im Einzelnen nur schwer nachvollziehen. Die Zahl der maskierten Gestalten bei der Einkehrszene schwankte stark. In der Regel gab es zwei Hauptpersonen, St. Nikolaus und eine ihn begleitende Schreckgestalt. Das gegensätzliche Paar verkörperte Himmel und Hölle, Gut und Böse. Es stand auch für Belohnung und Bestrafung. Engel, Leviten, Teufel, Klaubaufe [Abb. 1] gehören auch zum Rollenbestand der im 17. Jahrhundert in Tirol aufkommenden Nikolausspiele. Sie waren ebenfalls von kirchlicher Seite (Umfeld der Jesuiten) initiiert. Zu Beginn der adventlichen Bußzeit sollte der Bevölkerung im religiösen Schauspiel mit seinem exemplarischmoralisierenden Handlungsablauf der rechte Weg gewiesen werden. Einen Höhepunkt bildete dabei die Einkehrszene mit dem hl. Nikolaus. Die Exempelreihe richtete sich an die Erwachsenen, die Einkehrszene mit Belehrung, Examinierung und Beschenkung galt den Kindern. Im Laufe der Entwicklung geriet diese jedoch zu einer Randszene. Die Nikolausspiele werden durch ihre Texte um die Mitte des 18. Jahrhunderts greifbar. Sie waren als „Stubenspiel“ mit einer durchlaufenden Dramaturgie konzipiert. Aufführungsort war die bäuerliche Stube, die Szenen, in denen es um den Kampf zwischen Gut und Böse ging, waren so aufgebaut, dass die Spieler einer Einzelszene nach ihrem Auftritt weiterziehen und in einem anderen Haus mit dem Spiel neu beginnen konnten. Oft wurde – zeitversetzt – gleichzeitig in drei Häusern gespielt. Die


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Darsteller waren auch oft arme Leute, die sich mit dem Spiel ein paar Kreuzer oder etwas zum Essen und Trinken verdienten. Breit angelegt war die Predigt des Höllenfürsten oder Luzifer, der u. a. die Moral der Jungfrauen und Jünglinge sowie der Eheleute und ihre geringe Gottesfürchtigkeit anprangerte. Neben Luzifer gab es noch weitere Teufel wie Belial, den Eheteufel sowie mehrere Klaubaufe. Es galt dem Betrachter vor Augen zu stellen, dass er ständig zwischen Gut und Böse entscheiden müsse. Die eindrückliche Szene zwischen Jüngling und Tod, ein Jedermann-Topos 1, machte deutlich, daß der Tod jäh und unversehens an ihn herantreten könne. Die Schutzengelszene ermahnte zur Buße und Abkehr von den Sünden, damit die Seele in den Himmel kommen kann. Die erhaltenen Südtiroler Spiele haben zum Großteil nur knappe beispielhafte Szenen (z.B. Ahrntal), in Nordtirol, aber auch in Prags, einem Nebental des Pustertales, sind die Spiele zu einer Exempelrevue ausgeweitet. Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts integrierten die Tiroler Nikolausspiele zunehmend komische und heiter-satirischer Szenen, ja sogar erotische Anspielungen fehlten nicht. Sie entfernten sich damit mehr und mehr von der eigentlichen kirchlich-pädagogischen Linie. Bereits 1795 versuchte die Obrigkeit im Sinne der Aufklärung, das Aufführen solcher Schauspiele in den Stuben zu unterbinden. Doch der Erlass wurde nicht immer eingehalten, weshalb sich Nikolausspiele – wenn auch mit Unterbrechungen – bis ins frühe 20. Jahrhundert hielten, z.B. in Sexten, in Gsies oder in Kartitsch. Heute bestehen traditionelle Spiele nur noch in Reith bei Brixlegg (Alpbach) [Abb. 2], in Alpbach (Wiederaufnahme) und in Prags als Großspiele, in Moos und St. Martin, Fraktionen von St. Lorenzen im Pustertal, in Terenten und Pfunds als Kleinformen. Dazu kommen noch einzelne Wiederaufnahmen. In manchen Orten verlegte man das Spiel ins Freie und umging auf diese Weise das Verbot. Mit diesem Schritt vor die Haustüre verschmolzen Spiel und bestehender Perchtenbrauch und entwickelten sich in Osttirol zum bekannten Klaubaufgehen oder Krampuslaufen. Bereits im 18. Jahrhundert, der Blütezeit der Nikolausspiele, kam es zu Übernahmen und Verschmelzungen. Einkehrbrauch, Nikolausspiel und bestehende mittwinterliche Umzüge wie das

Perchtenlaufen, sind in (enger) Wechselbeziehung zu sehen. Mit dem Umziehen des Nikolaus und seiner dunklen Begleiter von Haus zu Haus (Klaubauf, Habergeiß, Stubenkehrer) wurden Elemente der winterlichen Umzugsbräuche (oft vermummte Lärmumgänge) mit Heische- und Rügeformen und auch außerkirchlichen Vorstellungen übernommen. Das Perchtenlaufen ist in Tirol ab dem 17. Jahrhundert im Nordtiroler Unterland und in Osttirol urkundlich greifbar. Anlässe sind Ausschreitungen, Beschwerden, Verbote. Perchtenlauf und Nikolausumzug lassen sich oft schwer voneinander abgrenzen, da bei diesen der Nikolaus – wie auch bei den Nikolausspielen – in seiner katechetischen Funktion an den Rand gedrängt sein kann. In den Protokollbüchern der Innsbrucker Regierung für die Jahre 1735–1737 finden sich z.B. für das Gebiet Kitzbühel zahlreiche Einträge. Das sogenannte „Berchtenlaufen“ findet insbesondere am Nikolaus- und Dreikönig-Vorabend statt und wird deshalb auch als Perchten- oder Nikolai-Laufen bezeichnet [Abb. 3]. Die Beteiligten sind dabei als „abscheulichste Gespenster“ und mit Teufels Larven maskiert, haben große Glocken umgehängt und ziehen bis über Mitternacht hinaus mehrmals tobend durch die ganze Stadt. Auf den Straßen kommt es zu Belästigungen und Streitereien, der Hausfrieden wird gebrochen. In der Tiroler Landespolizeiordnung vom 30. Januar 1795 werden „Nicolai-Laufen und die Nicolaus-Vorstellungen“ verboten, jedoch nicht die Volksschauspiele. Zu den Perchtenläufen werden aber nur die Umzüge gerechnet, bei denen kein Bischof Nikolaus auftritt. Der Nikolaus – oft an den Rand gedrängt – wurde dadurch zur wichtigen Figur, die den Brauch legitimierte. Der Vikar in Mayerhofen klagte am 6. Dezember 1815, St. Nikolaus werde zu „polizei- und religionswidrigen Exzessen“ benutzt. 1816 gab es dann eine Umfrage des Innsbrucker Guberniums zu den Nikolausspielen, die wertvollen Aufschluss über die Nikolausbräuche gibt. Ich greife hier auf die Ausführungen von Hans Schuhladen in seinem Werk über die Nikolausspiele zurück. Im Kreisamt Bruneck war der Einkehrbrauch, der oft als Nikolausspiel bezeichnet wurde, nur in bestimmten Gebieten bekannt. Das Landgericht Brixen verneint die Aufführung

1 Hugo von Hofmannsthals Drama „Jedermann“ hat das Sterben des reichen Mannes zum Thema


[4] Nikolaus in Prad, 1970er-Jahre (?)

[5] Krampus in Toblach, 2009

von Nikolausspielen, erwähnt aber in einigen, sehr wenigen Privathäusern der Stadt Brixen die althergebrachte Übung, dass am Vorabend des Nicolaitages St. Nikolaus in Pontifikalkleidung mit einem sogenannten Klaubauf erscheint. Das Landgericht Sterzing berichtet, dass die Nikolausspiele ganz abgekommen seien, nur in einigen wenigen Häusern in Sterzing sei der alte Brauch noch beibehalten. Es ist aber den vermummten Personen nicht mehr gestattet, die Kinder „auf eine ihrer Gesundheit schädliche Art“ zu erschrecken. Das Landgericht Welsberg nennt „nächtliche Mummereien“, bei denen der Nikolaus „mit einem himmlischen Gefolge“ [Abb. 4] und einem „Klaubauf“ auftritt. Die Landgerichte von Innichen und Sillian kennen den Einkehrbrauch. Dem Nikolaus in Bischofsornat wird in den Häusern Einlaß gewährt. Zum Gefolge gehört der „Wauwau“, der die schlimmen Kinder erschreckt. Der Landrichter von Lienz vermerkte, dass die sogenannten Nikolausspiele hier bei weitem nicht so feierlich wie in anderen Gegenden Tirols seien, wo der heilige Mann mit einer zahlreichen Begleitung von himmlischen Geistern auf einer Seite und dem Klaubauf mit seinen abscheulichen Dienern andererseits die Kinder erfreuen und abschrecken. Den größeren Anteil am Spiel würden aber die Erwachsenen nehmen. Das aus Perchtenbrauch und Nikolausspiel hervorgegangene Klaubaufgehen bzw. Krampuslaufen in Osttirol hatte zunächst einen im Vergleich zu heute ungleich kleineren Umfang und war auf das Dorf oder die Fraktion beschränkt. Die Erscheinungsform änderte sich im Laufe der Zeit. Neben den Klaubaif (in Osttirol Mehrzahl von Klaubauf) und dem Nikolaus gibt es noch die charakteristischen Heischefiguren des

Lotters und der Litterin. Heute ist es wohl der raueste und lauteste Brauch zur Nikolauszeit. Er strahlt auch auf die Nachbargebiete aus, wie dies z.B. beim 1996 eingeführten Krampuslauf von Toblach [Abb. 5] oder bei Nordtiroler Umzügen zu beobachten war. Solche Übernahmen sind normale Brauchpraxis und lassen sich – wie in vergangenen Jahrhunderten auch – immer wieder beobachten. Ignaz von Zingerle erwähnt in seinem Werk „Sitten, Bräuche und Meinungen des Tiroler Volkes“, 1871, ganz allgemein den mit dem Nikolaus ziehenden Klaubauf, mit einer Prüfung der Kinder, Beschenkung und Bestrafung, im Etschund Inntal den Klaubauf, der die bösen Kinder in seinen Korb nimmt. Er berichtet von Klaubaufen (Klaubaif) oder Staniklausen, die in die Häuser gehen und Reime aufsagen (Inzing, Pitztal, Außerfern). Das Klaubaufgehen in Osttirol oder das „Klosn“ in Stilfs im Vinschgau erwähnt weder er noch Ludwig von Hörmann, der 1909 in seinem Buch „Tiroler Volksleben“ vom Hl. Nikolaus und seinen Begleitern Folgendes berichtet. Der heilige Mann kommt nicht als unsichtbares Wesen wie das Christkind des Städters, sondern als leibhaftige Erscheinung in aller Pracht und Herrlichkeit mit Bischofsmantel, wallendem Bart, Inful und goldenem Stab, vor ihm eine Art Herold, der den Tisch abfegt und den Boden kehrt. Er stellt den Kindern Fragen aus dem Katechismus, lobt die Fleißigen und beschenkt sie mit Äpfeln, Nüssen, Lebzelten und ähnlichem. Die Unfolgsamen ermahnt er und weist auf den hinter ihm stehenden, schreckeinflößenden „Klaubauf“. „Er ist dementsprechend herausgeputzt. Pelzwerk und rasselnde Ketten umhüllen ringsum die Zottelgestalt; auf dem Kopfe sitzen Bockshörner, aus


[6] Klosen, Stilfs, 2000

der geschwärzten Larve glotzen zwei Feueraugen und aus dem Maul hängt eine schuhlange, feuerrote Zunge. In den Klauen hält er eine mächtige Rute“ … „An anderen Orten hingegen wird dem Klaubauf mehr Aufmerksamkeit zugewendet, als dem Nikolaus selber; so von den Vinschgauern. In diesem Tale ziehn die Kinder am Vorabend des Nikolausfestes mit Schellen behangen auf einen nahegelegenen Hügel. Dort hüpfen sie nach dem Takt fortwährend in die Höhe und verursachen so einen wahren Heidenlärm. Man nennt diesen sonderbaren Gebrauch ‚Klaubaufwecken‘. Nachts erscheint dann auch der also Eingeladene in der ganzen oben beschriebenen Pracht seines höllischen Aufzuges.“ Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert hat sich die Bezeichnung „Krampus“ gegenüber der im Ostalpenraum einst üblichen „Klaubauf“ immer mehr durchgesetzt. Den Klaubauf findet man im 20. Jahrhundert nur mehr im nördlichen Osttirol oder im Obervinschgau, auch noch bei einigen Nikolausspielen. Die Bezeichnung Wau, Wauwau, die in den Urkunden synonym mit Klaubauf, manchmal auch mit Teufel verwendet wurde, findet sich auch im Wörterbuch der deutschen Sprachinsel Lusern im Trentino. Der „Wau“ wird mit Klaubauf, Schreckgestalt für Kinder, übersetzt. Beim „Klosen“ in Stilfs [Abb. 6] haben sich die Grotesk- oder Schreckgestalten weitgehend verselbstständigt. Zwickesel oder Scheller in bunten Flickenkleidern und mit Stoffmasken und die Klaubaufe in zerlumpter Stoffkleidung mit holzgeschnitzten, gehörnten, teuflisch aussehenden Masken beherrschen das Geschehen. Die Bischofsfigur mit ihrem weißgewandeten Gefolge, angeblich erst eine Zutat des 20. Jahrhunderts, ist eine eher farblose Randfigur. Vielleicht stand

[7] Krampus, Karrösten, 1970er-Jahre

der heilige Mann ursprünglich schon einmal im Zentrum des Geschehens und verschwand nur im Laufe eines Profanierungsprozesses. In den ladinischen Tälern Gadertal, Gröden und Buchenstein sind es die malans oder malangs, die neben den Engeln den Nikolaus begleiten, wobei sie in Buchenstein eine späte Einführung sind. Im Fassatal, wo es auch den Brief der Kinder an den Nikolaus gibt, sind es die Krampusse, die Schrecken verbreiten, die als Begleiter des Nikolaus jedoch gezähmt sind. Viele Krampusse begleiten in den letzten Jahren auch in Ampezzo den Nikolaus zur „Piazza“. Die Maskierung des Klaubaufs oder Krampus scheint bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts höchst unterschiedlich gewesen zu sein. Er war in alte Fetzen oder zerlumpte Kleider gehüllt, ganze Felle waren einst die Ausnahme [Abb. 7]. Im Tiroler Volkskunstmuseum ist der Luzifer vom Stummer Nikolausspiel mit einem Panzer bekleidet, dessen Vorder- und Rückenteil an den Achseln durch Spangen mit geschnitzten Kröten zusammengehalten wird [Abb. 8]. Ein anderes Teufelskostüm ist aus dunkel gefärbtem Leinen hergestellt und mit einer Flammenbemalung versehen. Teufel traten auch mit nacktem Oberkörper auf, der mit einer Mischung aus Fett und Ruß eingeschmiert war. Das Gesicht war mit Fell oder Stoff vermummt, die Augenpartie war ausgeschnitten. Erhalten haben sich die mehr oder weniger kunstvoll geschnitzten Holzlarven mit Bockshörnern, manchmal auch Rinderhörnern. Die Teufelsmasken im Bozner Stadtmuseum sind zum Großteil dem Nikolausspiel zuzuordnen, daneben finden sich auch Perchtenmasken. Sie stammen überwiegend aus dem Pustertal mit seinen Nebentälern, auch aus der Lienzer Gegend. Ebenso sind die Teufelsmasken im Tiroler

[8] Luziferus, Innsbruck, Tiroler Volkskunstmuseum


Volkskunstmuseum zum überwiegenden Teil Spielmasken, wobei zu berücksichtigen ist, dass diese auch für andere Zwecke verwendet werden konnten. Bei der Verkleidung als Teufel oder Luzifer argwöhnten manche Geistlichen, dass dadurch teuflische Kräfte auf den Darsteller übergehen könnten. Es gab auch die Vorstellung, dass dieser vom Teufel geholt werde. Deshalb trugen die Burschen, die beim Passionsspiel als Teufel auftraten, stets etwas Geweihtes bei sich, wie Amulett oder Skapulier. Viele Teufelsmasken wurden deshalb auch auf kirchliche Weisung hin vernichtet. In diesem Zusammenhang ist auch die Verkleidung des „Verstellten“ (Teufel) im Jägerkostüm in den Nikolausspielen zu sehen, die wohl auf Maria Theresia zurückgeht. Aus dem Fleimstal stammen die im Museo degli usi e costumi dell gente trentina ausgestellten Teufelsmasken. Es gibt einen rußschwarzen Teufel mit beweglicher roter Zunge und langen, asymmetrischen Ziegenhörnern, weiters einen Teufel mit sehr kurzen Hörnern, verzerrtem Mund und eingedrückter Nase und schließlich einen mit symmetrischen Rinderhörnern, Spitzbart und dem Kopfhaar aus Schwamm. Sie kamen vermutlich zum Nikolausfest am 6. Dezember bzw. am Vorabend zum Einsatz, wo der Krampus wohl eine Übernahme aus den benachbarten deutschsprachigen bzw. ladinischen Gebieten war. Im Trentino kennt man den Krampus sonst nicht. Seit den Siebzigerjahren des 20. Jahrhunderts verschwindet der Krampus als Begleiter des Nikolaus bei den Hausbesuchen immer mehr, aus den Kindergärten wurde er ausgesperrt. Erziehung durch Angst entspricht nicht mehr den pädagogischen Grundsätzen. Mit der katholischen Jungschar propagierten auch Geistliche und Pädagogen die Verbannung des Krampusses. Die Diskussion weitete sich auch auf den Nikolaus selbst als fragwürdige Erziehungshilfe aus, der mancherorts eine Neuinterpretation erfuhr – es gilt im Sinne des Bischofs Solidarität

zu vermitteln, Wohltätigkeit, respektvollen Umgang miteinander. Das hehre Ziel dürfte aber nicht ganz kindgerecht sein. Fast gleichzeitig brachte es der kommerzialisierte Advent mit sich, dass der Nikolaus, losgelöst von jeder konfessionell-religiösen Bindung, oft mit dem Weihnachtsmann gleichgesetzt wurde. Diese Entwicklung ist in den letzten Jahren rückläufig: Es ist eine bewusste Abgrenzung der beiden Gestalten zu beobachten. Machten bis in die Achtzigerjahre Krampusse und andere Schreckgestalten in kleinen Gruppen – nunmehr losgelöst vom Nikolaus – manches Dorf unsicher, so ändert sich ab den Neunzigerjahren die Form des Krampuslaufens. Ausschreitungen unter dem Deckmantel des Brauches veranlassten einige Gemeinden zur Registrierung der Krampusse, in der Folge kam es zur Gründung von Krampusvereinen, die dem Treiben eine Struktur geben sollten. Eine neue, gelenkte Tradition hat damit die frühere, selbstverständliche weitgehend abgelöst. Spätestens seit den Neunzigerjahren, insbesondere aber seit der Jahrtausendwende, erleben die Krampusbräuche eine ungeahnte Konjunktur, nicht nur in Tirol nördlich und südlich des Brenners, sondern auch in fast allen anderen österreichischen Bundesländern, in Bayern, auch in Slowenien. Die neu aufgekommenen Krampusumzüge mit Shows, bengalischen Feuern, zunehmend hypotrophen Masken und bevorzugt Heavy Metal Musik ziehen Zuschauer aus nah und fern in ihren Bann. Sie verfolgen – von den Akteuren getrennt – mit Spannung, Freude und Begeisterung das Treiben. Als Vorhut oder Nachhut wird dem Nikolaus mancherorts wieder ein Platz eingeräumt, er wird einmal mehr eine Figur der Brauchlegitimation. „Ein Brauch fast so alt wie die Menschheit“ titelte das Dolomitenmagazin seinen Bericht zum 4. Krampus-Schaulaufen in Toblach 1999. Im Text erfährt man dann, dass jene Burschen, die sich 10 Jahre zuvor in angstvoller Lust an die


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Handvoll Krampusse heranpirschten und letztlich vor ihnen davonliefen, um nicht gefasst zu werden, aus dem bescheidenen Brauch ein großes Ereignis gemacht hätten: Südtirols größtes Krampus-Schaulaufen, verbunden mit einem Nikolaus-Umzug. Das Krampuslaufen wird einmal mehr als vorchristlicher Brauch mit entsprechendem Alter interpretiert, eine Annahme für die es keine Quellen gibt. Im konkreten Fall beruft man sich auf den Innichner Sprachwissenschaftler Egon Kühebacher und Friedrich Haider, dessen Buch „Tiroler Brauch im Jahreslauf“ auf romantischen Vorstellungen des 19. Jahrhunderts fußt, die noch bis in die 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts nachwirkten. Längst hat man diese Sichtweise als falsch entlarvt. Die ältesten Hinweise auf das Klaubaufgehen weisen ins späte 18. Jahrhundert, jene des Perchtenbrauches und der Nikolausspiels ins 17. Jahrhundert zurück. Besonders jene Gruppen, die sich erst in den letzten zwanzig Jahren formierten, wollen auf lange Traditionen hinweisen und betonen die archaischen Wurzeln. Der neu eingeführte oder wiederbelebte Brauch soll ein möglichst „ursprüngliches“ Aussehen mit lokalen Besonderheiten haben. Dem widerspricht der Eventcharakter gegenwärtiger Krampusbräuche. Im Zeitalter der Globalisierung und des Internets, dessen sich auch die Krampusvereine bedienen, werden Krampusbräuche als Gegenpol zur Gleichschaltung, als Ausdruck regionaler Identität verstanden.

Literatur W. MEZGER, St. Nikolaus. Zwischen Kult und Klamauk, Ostfildern 1993. K. BERGER, Dunkle Gestalten zu heiligen Zeiten, in: NIKRAMO: Entlarvt. Ein Buch über Osttirols Krampusbrauch & seine Schnitzer, Lienz 2009 oder 2010, S. 10–38. H. SCHUHLADEN, Die Nikolausspiele des Alpenraums. Ein Beitrag zur Volksschauspielforschung, Schlernschriften 271, Innsbruck 1984. H. SCHUHLADEN, Zur Geschichte von Perchtenbräuchen im Berchtesgadner Land, in Tirol und Salzburg vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, in: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde 1983/84, S. 1–29. L. VON HÖRMANN, Tiroler Volksleben, Stuttgart 1909. I. VON ZINGERLE, Sitten, Bräuche und Meinungen des Tiroler Volkes, Innsbruck 1871. K. BERGER, Heidnische Rituale in modernen Zeiten? Eine volkskundliche Skizze über gegenwärtige Tendenzen bei Krampusbräuchen in Tirol, in: Tiroler Heimatblätter 2004, Heft 7, S. 120–125.



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„Die Krone der Volkskunst ist die Maske“ Von der Faszination der Tiroler Masken im Stadtmuseum Bozen und ihrer Präsentation

S T e fa n d e M e T z

Unter den reichen Beständen des Stadtmuseums Bozen ist die Sammlung an historischen Masken eine der bedeutendsten. Qualität und Umfang des Bestandes, Aspekte, die Paola Hübler in ihrem Beitrag in diesem Band darstellt, tragen dazu ebenso bei wie das suggestive Wesen der ausgestellten Objekte selbst, die sie für eine museale Präsentation als besonders geeignet erscheinen lassen. Was macht nun die große Faszination von Masken aus? Warum sind wir gefesselt beim Anblick von mysteriös-entgeistert wie abscheulich-hässlichen Larven? Warum malte der Belgier James Ensor fast ausschließlich maskierte Menschen, spielte die Maske auch im Œuvre von August Rodin eine große Rolle? „Masken verhüllen das Gesicht. Wir sagen: Wenn die Maske fällt, zeigt sich das wahre Gesicht. Wir definieren die Maske als etwas Starres und Äusserliches, das uns wie ein Schutzschild davor bewahrt, erkannt und durchschaut zu werden. Die Maske schützt und hilft uns, uns zu verstecken, andere zu täuschen oder mit ihnen Schabernack zu treiben. Erst das Gesicht hinter der Maske verrät die wahre Identität. masken verbergen.“ (Albert Lutz) Masken bedeuten aber mehr als nur Maskerade und Verkleidung. „Durch das Aufsetzen der Masken kann sich der Träger voll und ganz in ein anderes Wesen verwandeln: in einen Geist, einen mythischen Ahnen, ein Tier oder eine alte Frau. In der Maske tritt uns ein leibhaftiges, wahres Wesen vor Augen, und es besteht kein

Unterschied mehr zwischen Maske und Träger, zwischen Maske und Gesicht masken offenbaren.“ (Albert Lutz) Das existenzielle Wesen der Maske bringt Ralf Beil auf den knappen Nenner: „Weil sie enthüllt, indem sie verbirgt, und verbirgt, indem sie sich zeigt, rührt die Maske an die Wurzeln des Menschlichen und des Lebens überhaupt“. Es zeigt sich dies auch in der Teufels-Anekdote, die mit einer Maske aus Prettau im Ahrntal (vgl. Katalogbeitrag zu CM 6799 im Text von Paola Hübler) verbunden ist, von Karl Wohlgemuth im Register seiner Sammlung extra vermerkt ist und deshalb auch in der Überlieferung ein Kuriosum darstellt, in jedem Fall die magische Wirkung vor allem der furchteinflößenden, bösen Masken auf Zuschauer wie Darsteller unterstreicht. Dass das Stadtmuseum Bozen heute einen sehr bedeutenden Bestand von 66 Tiroler Masken besitzt, verdanken wir dem um 1900 in gebildeten Kreisen gereiften Bewußtsein über die existenziellen Erfahrungen, die Menschen mit Masken machen, gepaart auch mit anderen Aspekten wie ihrer ausdrucksstarken Ästhetik, verbunden mit geheimnisvollen, angeblich uralten Traditionen, aber auch ganz einfach mit dem Wissen um die kunsthandwerkliche Qualität dieser Sammlerstücke. Für den Sammler Karl Wohlgemuth – er trug im Wesentlichen die Masken im Stadtmuseum Bozen zusammen – standen nach eigener Aus-


[1–2] Die Vitrinen der Maskensammlung im Jahr 2003

sage die Masken am Beginn seiner Beschäftigung mit der Tiroler Volkskunst, angeregt wie aufgewühlt durch die Abschiedsworte des bekannten Berliner Volkskundlers Adolf Bastian, gleichsam Auftrag und oberstes Ziel: „Die Krone der Volkskunst ist die Maske. Suchen Sie in ihrem daran so reichen Lande fleißig darnach!“. Die Masken stellten sicherlich einen besonderen Erfolg und einen Höhepunkt seiner leidenschaftlichen Tätigkeit dar, wenn er mit höchster Befriedigung fortfährt, wie er als Erstes vom „prächtigen Pragser Nikolausspiel“ und die „grotesken“ Teufelsmasken des Sarntheiner Passionsspiels erwerben konnte. Doch schon nach kurzer Zeit sollten sich die heimatlichen Reviere für die Jagd nach authentischen Masken als weitestgehend erschöpft erweisen: „Das eigentliche Maskenland, welches mir Hunderte von „wilden Visieren“ brachte, waren aber die Täler, welche südlich an die Tauern grenzen.“ Und so fokussierte der Bozner Sammler seine leidenschaftliche Tätigkeit in Tirol zwangsläufig auf andere, ergiebigere Objektgruppen. Heute gilt unsere Aufmerksamkeit den Tiroler Masken und wir sind uns ihrer Bedeutung innerhalb der Sammlungen des Museums durchaus bewusst. Aber nicht immer wurde den Masken in den mehr als 100 Jahren, die sie bereits dem Stadtmuseum einverleibt sind, jener hohe Stellenwert eingeräumt und jene Wertschätzung entgegengebracht, wie dies anfänglich durch den Sammler Karl Wohlgemuth und seinen fachkundigen Berater jenseits der Alpen geschah. Bereits 1905–1906 wurde die volkskundliche Sammlung des Lehrers Wohlgemuth im neuen Museum aufgebaut, wobei 1909 jene Teile, das Eisack- und das Pustertal betreffend – darunter wohl auch der im ersten Register Wohlgemuths ausführlich behandelte Kernbestand der Maskensammlung – vom Museumsverein für 18.000 Kronen angekauft wurden. Wie und in welchem konzeptionellen Zusammenhang damals die Masken im Museum präsentiert wurden, entzieht sich wegen der zu dürftigen Quellenlage unserer Kenntnis. In den Dreißigerjahren – die Führung des Museums war auf Veranlassung des faschistischen Regimes an die Stadtverwaltung übergangen und ein tiefgreifender Umbau des Gebäudes samt Neuaufstellung der Samm-

lungen bereits erfolgt – finden wir die Masken erstmals in Saal XXI, im 2. Stockwerk des Museumsrundgangs, belegt: Der bebilderte Museumsführer von Edoardo (Wart) Arslan, gedruckt erst 1942, nennt sie summarisch und eher beiläufig gegen Ende einer Reihe anderer Objekte aus geschnitztem oder bemalten Holz der „reichen Sammlung Wohlgemuth an Volkskunst“, der aber im 38 Seiten starken Abbildungsteil kein einziges Foto gewidmet wird. Im von Nicolò Rasmo nach dem Zweiten Weltkrieg wieder eröffneten Museumsrundgang verbleiben die Masken im 2. Stockwerk, werden aber in drei Vitrinen im kleinen Vorraum zum sogenannten „Wohlgemuth-Depot“, das bereits unter Arslan im Lichtschacht des ehemaligen zweigeschossigen Vortragssaales eingebaut wurde, ausgestellt. Die beengte Präsentation blieb im Wesentlichen bis zur zwischenzeitlichen Schließung des Museums im Jahr 2003 bestehen [Abb. 1–2] und ist den Auflagen 1968 und 1981 von Rasmos Museumsführer zu entnehmen: „Raum XX V. Holzmasken für die Fasnacht und das Pragser Nikolausspiel. Hochzeitsladerstöcke und Krapfenschnaggler, eisernes Geldfaß“. In der Auflage von 1968 zeigt Abbildung 52 immerhin die Maske mit dem Baumbart aus dem Pustertal (CM 6869). Nach dem Zweiten Weltkrieg werden die Masken verstärkt von der Wissenschaft zur Kenntnis genommen. Zu nennen sind die dem Maskenbrauchtum in Tirol gewidmeten Arbeiten von Anton Dörrer in Innsbruck, die immer wieder Bezug auch auf Stücke der Bozner Maskensammlung nehmen. Interessant auch der Band „Masken in Mitteleuropa. Volkskundliche Beiträge zur europäischen Maskenforschung“ (Wien 1955), wo Leopold Schmidt auf Seite 42 „Karl Wohlgemuth in Bozen“ (vielleicht zu) kritisch als einen von „einigen anderen Ausverkäufern der Tiroler Volkskunst vor dem ersten Weltkriege“ charakterisiert. Den ersten monografischen Niederschlag und damit die erste eigentliche Würdigung in der breiteren Öffentlichkeit erfahren die Masken des Stadtmuseums erst 1957 bzw. 1960: Mary de Rachewiltz, die auf der Brunnenburg ober Gratsch lebende Tochter von Ezra Pound, gibt 1957 ein im Format unscheinbar kleines, aber


16|17

bibliophil gestaltetes Bändchen mit dem Titel „Tiroler Masken“ heraus, das zunächst in italienischer („Maschere tirolesi“) und 1960 in deutscher Auflage erscheint. Obwohl die Masken aus dem Stadtmuseum Bozen auf den 25 Bildtafeln darin den Löwenanteil ausmachen, fand der Anlass der deutschen Auflage, eine Sonderausstellung 1960, nicht in Bozen (sic!), sondern im Kurhaus in Meran statt, wo vermutlich auch etliche der Masken aus Bozen ausgestellt waren. Beide Ausgaben decken sich weder im Inhalt noch nach Abbildungen: Die italienische Ausgabe stellt ausführlich Handlung und Personen eines Niglas-Spiels aus Gais vor, das aber in keinem direkten Bezug zu den abgebildeten Masken steht, von der keine einzige aus Gais stammt: Wert wird allgemein auf die Rolle der Maske, also auf eine volkskundlich-philologische Einordnung gelegt. In der deutschen Ausgabe beschränkt sich die Herausgeberin auf eine allgemein gehaltene Einleitung, während Herkunft und Zusammengehörigkeit der Masken kaum differenziert werden. Interessant sind die Gesamtaufnahmen der Vitrinen, die die oben beschriebene Nachkriegspräsentation von Rasmo dokumentieren, welche ebenfalls wenig Rücksicht auf die genannten Aspekte nimmt. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts ist vielerorts ein Wiederaufblühen, freilich unter veränderten, neuen Vorzeichen, des es Maskentragens zu beobachten, das Interesse an den historischen Holzmasken steigt. An diese im Alpenraum weit verbreitete Erscheinung knüpft indirekt auch die 2001 auf Schloss Runkelstein bei Bozen organisierte Ausstellung „Masken Saltner Vogelscheuchen“ an, die anhand von 24 Masken, alle aus dem Stadtmuseum, und von anderen Objektgruppen dem Phänomen der „Schreck Gestalten“, auch mit fachkundigen Beiträgen von Volkskundlern zum Maskenwesen selbst, nachgeht. 2006 schließlich wird in Bari eine bedeutende Ausstellung zum heiligen Nikolaus organisiert, für die aus dem Stadtmuseum Bozen eigens zwei Masken aus dem Ahrntal erbeten und angeliehen werden. In den Katalogen zu beiden Veranstaltungen, Schloss Runkelstein und Bari, wird Stück für Stück auf die vorhandene Dokumentation zu den einzelnen Objekten eingegangen – erstmals in rund 100 Jahren wird ein seit

einigen Jahrzehnten allgemein verbreiteter Ausstellungsstandard auch in der Bearbeitung der Masken in Bozen angewandt, die 2009–2010 in der systematischen Katalogisierung nach ministeriellen Standards und, darauf aufbauend, im vorliegenden Band ihren vorläufigen Abschluss findet. Denn mit der von Wohlgemuth selbst angefertigten Dokumentation in einem Registerband mit Zeichnungen und Notizen, die das vergangene, ereignisreiche Jahrhundert glücklich überdauert hat, besitzen wir heute wesentliche Informationen zum spezifischen Gebrauch der Masken und zu ihrer Herkunft, Aspekte, die der Sammlung über die suggestive Kraft und ästhetische Qualität einzelner Stücke hinaus große Bedeutung verleihen. Im Gegensatz zur Präsentationsweise im früheren Museumsrundgang versucht die Sonderausstellung vor allem auch diese für das Verständnis der Masken des Stadtmuseums überaus bedeutsamen Aspekte verstärkt in den Vordergrund zu stellen.

Literatur Karl Wohlgemuth, Selbstbiographie (hrsg. v. K. M. Mayr), in: Jahrbuch für Geschichte, Kultur und Kunst 1931–1934, Bozen 1934, S. 169–208. E. ARSLAN, Il museo dell Alto Adige, Rom 1942. M. DE RACHEWILTZ (Hrsg.), Tiroler Masken, gedruckt aus Anlass der Ausstellung „Tiroler Masken“ veranstaltet von der Kurverwaltung Meran vom 19. März bis 6. April 1960, Mailand 1960 (italienische Auflage: Maschere tirolesi, Milano 1957). N. RASMO, Kurzer Führer durch das Bozner Stadtmuseum, Bozen 1968; 1981 (3. vollständig überarbeitete Auflage). Masken, Saltner und Vogelscheuchen. Schreck Gestalten auf Runkelstein, Katalog der Sonderausstellung auf Schloss Runkelstein vom 12. April bis 28. Oktober 2001, Bozen 2001. A. LUTZ, in: Masken. Gesichter einer anderen Welt, Katalog Ausstellung Museum Rietberg, Zürich 2003. M. BACCI (Hrsg.), San Nicola. Splendori d’arte d’Oriente e d’Occidente, Katalog der Ausstellung Bari, Castello Svevo 7.12.2006–06.05.2007, Pesaro-Mailand 2006. MUSEUMSVEREIN BOZEN (Hrsg.), 125 Jahre Museumsverein Bozen. Ein Stück Südtiroler Zeitgeschichte, Bozen 2007. R. BEIL (Hrsg.), Masken. Metamorphosen des Gesichts von Rodin bis Picasso. Katalog der Ausstellung Mathildenhöhe Darmstadt, Ostfildern 2009.



18|19

Karl Wohlgemuth Ein Sammlerleben

Pa O l a H Ü Bl e r

Die im Stadtmuseum Bozen aufbewahrte Maskensammlung umfasst 65 Exemplare, von denen nicht weniger als 58 zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Karl Wohlgemuth erworben wurden. Sie stammen größtenteils aus dem östlichen Südtirol und aus Osttirol. Karl Wohlgemuth ist wenig bekannt, nicht nur beim breiten Publikum, sondern auch unter den Fachleuten. Er war 1867 in Bozen geboren, wo er bis 1914 lebte. Sein Vater hatte ein Stoffgeschäft unter den Lauben, sein Onkel hatte einen kleinen, nach der Familie benannten Verlag gegründet. In seiner Jugend sammelte Wohlgemuth zuerst Mineralien und dann, unter Anleitung seines Lehrers, zoologische Präparate und nahm dabei Kontakte zu gleichgesinnten Sammlern auf. Nachdem er mit 22 Jahren seine Lehrerausbildung abgeschlossen hatte, bekam er immer wieder Lehrangebote aus dem Ausland, zog es aber vor, in Bozen zu bleiben. Aus gesundheitlichen Gründen übersiedelte er nach Riva del Garda, wo er 1933 starb. Im ausgehenden 19. Jahrhundert waren in Deutschland zwei neue Wissenszweige erwachsen: die Völkerkunde, die ihr Augenmerk vornehmlich der Kultur außereuropäischer und schriftloser Völker zuwandte, und die Volkskunde, die sich mit der Alltagskultur (Brauchtum, Trachten, Volkslieder, usw.) der europäischen Landbevölkerung beschäftigte. Im Alter von 28 Jahren tat Wohlgemuth einen für seine künftige Sammlertätigkeit entscheidenden Schritt: „Ich hing meine geliebte Zoologie an den Nagel und ging mit fliegenden Fahnen zur Völkerkunde und dann zur Volkskunde meiner engeren Heimat über.“ 1 Wohlgemuth legte großen Weitblick an den Tag, als er sich mit allergrößter Begeisterung in das Studium der Völker- und Volkskunde ver-

tiefte. In den nachfolgenden 15 Jahren unternahm er abenteuerliche Reisen auch in ferne Länder und stellte dabei an die 1600 Gegenstände zusammen, besonders von den Primitiven aus Neuguinea, Neuseeland, Afrika und Japan, aber auch Kleidungsstücke und Trachten, Schlittenund Kanumodelle der Eskimos, Angriffs- und Verteidigungswaffen von nordamerikanischen Indianerstämmen, Mumien, Geschirr und Waffen der Indios aus den brasilianischen und peruanischen Regenwäldern. Diese nach Herkunftsländern geordnete exotische Sammlung wurde in einem Saal des Bozner Museums ausgestellt, wo sie bei den Besuchern großes Erstaunen hervorrief. Sie wurde im Jahr 1910 zu einem Spottpreis an das neu gegründete Museum für Völkerkunde in Gießen (Deutschland) verkauft. Wohlgemuth war sehr enttäuscht, dass seine Geburtsstadt kein Interesse am Erwerb der Sammlung gezeigt hatte: „In 26 Kisten verpackt, ging sie (die Sammlung) nach Gießen, um dort den Grundstock für ein Museum für Völkerkunde zu bilden. Mein Lebenswerk ging, ich blieb in meiner Heimat zurück. Vielleicht wäre es besser gewesen, ich wäre damals mitgegangen […].“2 In eben diesen Jahren hatte Wohlgemuth bei seinen vielen Reisen und Ausflügen durch das Eisack- und das Pustertal auch eine Sammlung von Gegenständen zur Alltagskultur unseres Landes zusammengestellt, die beim Museumsverein Bozen auf großes, einstimmiges Interesse stieß: Er erwarb zwischen 1909 und 1933 rund 4000 Gegenstände, darunter auch die wertvollen Masken. Und gerade in Bezug auf die Masken berichtet Wohlgemuth: „Es war vor Jahren. Ich verabschiedete mich gerade vom Direktor des Museums für Völkerkunde in Berlin, Prof. Dr. Bastian, welcher zu mir noch meinte:


‚Die Krone der Volkskunst ist die Maske. Suchen Sie in Ihrem daran so reichen Lande fleißig darnach!‘. Und stets die Abschiedsworte Dr. Bastians im Kopfe, machte ich mich emsig hinter der Maskenforschung her und hatte auch Glück dabei, denn gleich das erste, was ich ausforschte, war das prächtige Pragser Nikolausspiel und bald darauf folgten die Reste des Sarntheiner Passionsspiels mit seinen grotesken Teufeln.“ 3 Der Forscher richtete sein Augenmerk – gemäß den Tendenzen der damaligen Sammlertätigkeit – besonders auf traditionell-bäuerliche Objekte seiner Heimat, die an einen besonderen Brauch gebunden waren, einen besonderen ästhetischen Wert besaßen, die dekoriert (Volkskunst) oder besonders selten oder kurios waren. Er erhob dabei, wie er selbst ausdrückte, niemals Anspruch auf Vollständigkeit 4 – was auch der Tatsache zu entnehmen ist, dass die Sammlung zum Beispiel keine Gegenstände aus dem Etschtal, dem Vinschgau und deren Seitentälern umfasst. Wohlgemuth selbst erklärt nicht, warum er sich auf das östliche Südtirol beschränkt, aber davon abgesehen hat, auch Gegenstände aus dem westlichen Landesteil zu sammeln. Vielleicht ist diese seine Vorliebe darauf zurückzuführen, dass er eine besondere Beziehung zur Heimat seiner Mutter (Sillian, im österreichischen Pustertal) hatte oder dass er als Kind seine Sommerferien immer im Eisack- oder im Pustertal verbracht hatte, sodass ihm diese Gegenden und ihr Brauchtum besser vertraut waren 5. Im Laufe seines Lebens hatte sich Wohlgemuth tiefe und umfassende volks- und völkerkundliche Kenntnisse erworben, die er aber leider nicht schriftlich niedergelegt hat. Eine Ausnahme bilden lediglich die akkuraten Register der von ihm erworbenen Objekte, in denen er den Herkunftsort, eine kurze Beschreibung zur Abbildung (anfangs Zeichnungen, später Fotos) und bisweilen den Verwendungszweck anführt. Diese Aufzeichnungen haben die verschiedenen Begebnisse in der Geschichte des Stadtmuseums Bozen überlebt, und sie stellen heute eine überaus wichtige und kostbare Informationsquelle zur Katalogisierung der Sammlungen dar, mit denen vor einigen Jahren begonnen wurde. Karl Wohlgemuth kann daher mit gutem Recht als ein Pionier im Bereich der Sammeltätigkeit und des Studiums der volkskundlichen Gegenstände unseres Landes angesehen werden. Seiner unermüdlichen Sammlerleidenschaft haben wir die volkskundliche Sammlung des Stadtmuseums Bozen zu verdanken, in erster

Linie die Masken, die bei dieser Gelegenheit ausgestellt werden. Dank dieser seiner lebenslangen Passion ist es Karl Wohlgemuth gelungen, diese nur scheinbar kleinen Schätze vor einem ungewissen Schicksal zu retten, und wir haben es diesem begeisterten Sammler zu verdanken, wenn wir heute den Teufel in seinen unterschiedlichsten Ausdrucksformen bewundern können, die beim Betrachter Verwunderung hervorrufen, ihm bisweilen aber auch Angst und Beklemmung einflößen.

1 M. MAYR (Hrsg.), Karl Wohlgemuth. Selbstbiographie, in: „Jahrbuch für Geschichte, Kultur und Kunst“, 1931–1934, Bozen 1934, S. 194. 2 Ebda., S. 195. 3 Ebda., S. 198. 4 „Meine Sammlungen wollen und dürfen nicht Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Sie stellen nur die Erfahrungen und den Sammelfleiß eines Einzelnen dar.“ Ebda., S.197. 5 „Vornehmlich waren die Dolomiten, deren Schönheit ich wohl in allen ihren Einzelgruppen genießen konnte. Ich habe auf der Welt zwei Schönheiten kennengelernt: das Hochgebirge und die See. Ich kenne beide gut, aber dem Hochgebirge gebe ich den Vorzug.“ Ebda., S. 188.


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Registerband, Bozen, Stadtmuseum


3 7

16 10

21 19 20 18

11

17 15

8 6

5 12 2

13 1 14 4

9


22|23

Die Maskensammlung Pa O l a H ร Bl e r

1

ABTEI [2]

2

PRAGS [7][1]

3

BRIXLEGG [2]

4

K ASTELRUTH [1]

5

LIENZ [2]

6

PFAL ZEN [2]

7

HALL [1]

8

ISELTAL [3]

9

OBERTILLIACH [3]

10

PRAEGRATEN [4]

11

SANKT JAKOB in Defereggen [2]

12

STEFANSDORF bei Bruneck [1]

13

SARNTHEIN [3]

14

WOLKENSTEIN in Grรถden [2]

15

TERENTEN [1]

16

AHRNTAL : STEINHAUS [6]

17

AHRNTAL : KEMATEN [1]

18

AHRNTAL : LUT TACH [1]

19

AHRNTAL : SANKT JAKOB [6]

20

AHRNTAL : SANKT JOHANN [5]

21

AHRNTAL : PRET TAU [6] unbekannt [6]


01 | niKoL ausspieL das Stadtmuseum besitzt 25 Masken für das „nikolausspiel“. Sie kommen aus dem Pustertal, dem Pragser Tal, dem ahrntal und aus Osttirol. 1

← Pustertal

Die 66 masken der sammlung im stadtmuseum wurden bei unterschiedlichen Bräuchen verwendet. Der größte Teil der Objekte bezieht sich auf Spiele religiösen Inhalts (Nikolausspiel, Adventsspiel, Dreikönigs- und Passionsspiel) oder auf Spiele profaner Art (Faustusund Gaishirtspiel). Andere hingegen hängen mit Karnevalsumzügen zusammen (Huttlerspiel und Perchtenlauf). Darüber hinaus wurden einige Narrenmasken bei Hochzeitsfesten eingesetzt. Um ihre unterschiedliche Verwendung hervorzuheben, werden hier die Masken getrennt nach Brauch und Herkunftsort vorgestellt. Bei der Betrachtung der Karte auf der vorhergehenden Seite fällt auf den ersten Blick auf, dass die meisten Masken aus dem Pustertal und seinen Seitentälern stammen, während das Etschtal und der Vinschgau mit keinem einzigen Stück vertreten sind.

1 Bezüglich des Nikolausspiels wird auf den Aufsatz von Herlinde Menardi in diesem Band verwiesen.


24|25

nikolausmaske für das nikolausspiel, 19. Jh., aus Stefansdorf bei Bruneck, Holz, geschnitzt und bemalt. ← CM 6712 Beschreibung: geschnitzte und bemalte Holzmaske; Augenbrauen, Bart und Schnurrbart grau; rosa ummalte Augen; rosafarbenes Inkarnat; roter Mund.

teufelsmaske für das nikolausspiel, 19. Jh., aus Terenten (Kuenhof), Holz, geschnitzt und bemalt, Widderhörner. ← CM 6818 Beschreibung: geschnitzte Holzmaske mit weißlichem Inkarnat; braune Haare; brauner, zweigeteilter Bart; roter Mund; blaue Augenbrauen mit Wimpern aus Schweinsborsten. Die Besonderheit dieser Maske besteht darin, dass es sich ursprünglich um eine Nikolausmaske handelte, die dann durch das Anbringen der Widderhörner in eine Teufelsmaske verwandelt wurde.


← Pragser Tal

Das Museum besitzt fünf Masken und einen Umhang, die beim Nikolausspiel in Prags (einem Seitental des Pustertals) getragen wurden, einem der wichtigsten und vielgestaltigsten Spiele in Südtirol. Wohlgemuth vertritt die Ansicht, dass dieses Spiel im frühen 18. Jahrhundert von Knappen aus dem Inntal ins Pragser Tal gebracht worden war und bis 1879 aufgeführt wurde 1. Die Masken sind aus geschnitztem und bemaltem Holz und stellen Luzifer, den Teufel, den Klaubauf (Babau, zwei Masken) und den Tod dar. Im Stadtmuseum befindet sich außerdem ein Umhang des „Kehraus“, ein mit Teufeln und Schlangen aus rotem Tuch geschmücktes Schellenkleid aus Leinen. Als Schellen dienten Schneckenhäuser und Nussschalen, die am Kleid locker angebracht wurden und ein dumpfes Geräusch hervorriefen 2. Außer den Masken wurde, wie Wohlgemuth notiert, bei dieser Gelegenheit auch ein zerrissenes Bärenfell verwendet, das in der Folge wegen des schlechten Erhaltungszustands beiseitegeschafft wurde. Es hatte sich um das Fell des letzten in dieser Gegend anwesenden Bären gehandelt, der wohl 1813 erschossen wurde. Wohlgemuth erzählt, wie er zu diesem Bärenfell kam: „Einmal warf mir ein Bauer vom Dachboden seines Hauses ein altes Bärenfell auf den Kopf mit den Worten ‚Da hast den letzten Bären, der 1813 im Pragsertal geschossen worden ist!‘ Dieses Bärenfell diente lange Jahre als ‚Teufelshaut‘ beim dortigen Nikolausspiel.“3 Wohlgemuth hatte zum Pragser Nikolausspiel auch weitere Informationen und den Text zusammengetragen, der heute leider nicht mehr auffindbar ist.

Luzifermaske für das nikolausspiel, 18. Jh. (?), aus Prags, Holz, geschnitzt und bemalt, Widderhörner, Stoff, Stroh und Leder. ← CM 6670 Beschreibung: geschnitzte Holzmaske, auf schwarzem Grund rot und goldgelb bemalt; mandelförmige, rot und goldgelb ummalte Augen; breite, platte Nase; aus Leder gebildeter Schnurrbart; durchbohrter Mund mit beweglichem Kinn, rote Lippen, zwei goldgelbe zähne oben und zwei spitze zähne unten seitlich der zunge; rot bemalte Wangen; anstelle der Ohren zwei schwarz gestreifte und nach vorn gedrehte Widderhörner; auf dem Kopf ebenfalls zwei schwarz gestreifte, seitlich gedrehte Widderhörner; im Maskeninneren drei kleine Kissen, davon zwei mit Stroh gefüllte in Höhe der Wangen und ein kleines am Kinn, damit die Maske besser getragen werden konnte; ledernes Dreieck zum Befestigen der Maske in Stirnhöhe. Die von Wohlgemuth gemachte zeichnung zeigt, dass sich am Hals ursprünglich auch ein dunkles Stoffstück befunden hatte, das nicht mehr auffindbar ist.


26|27 1 Wohlgemuth vermerkt, dass er die Masken des Nikolausspiels mit Unterstützung seines Freundes Johann Appenbichler gefunden hatte, der aus dem Pragser Tal stammte und in Uttenheim unterrichtete. Vgl. K . M. MAYR (Hrsg.), Karl Wohlgemuth. Selbstbiographie, in: „Jahrbuch für Geschichte, Kultur und Kunst“ 1931–1934, Bozen 1934, S. 169–208, bes. S. 198. zum Nikolausspiel in Prags und zum Thema allgemein vgl. H. SCHUHL ADEN, Die Nikolausspiele des Alpenraumes. Ein Beitrag zur Volksschauspielforschung (Schlern-Schriften 271), Innsbruck 1984. 2 Wohlgemuth vermerkt im Sammlungsregister auf Seite 208: „Altes Nikolausspiel von Prags im Pustertale, vor ca. 200 Jahren von Inntaler Knappen in Prags eingeführt, 5 Masken mit Bärenmantel und Schneckenhäuselkittl. Das ganze Reimspiel nebst Daten über das Spiel ist dabei. Das alte Pragser-Nikolausspiel wurde 1879 das letzte Mal aufgeführt.“ 3 Ebda., S. 207.

teufelsmaske für das nikolausspiel, 18. Jh. (?), aus Prags, Holz, geschnitzt und bemalt, Stoff, Fell und Metall. ← CM 6684 Beschreibung: Teufelsmaske aus geschnitztem Holz, aus einer Schüssel herausgearbeitet und auf schwarzem Grund rot und weiß bemalt; mandelförmige, rot ummalte Augen; vorstehende Nase mit roten Nasenlöchern; Schnurrbart und Bart aus schwarzem Stoff und grauem Fell; durchbohrter Mund mit rot bemalten Lippen und geschnitzten weißen zähnen; zwei schwarze holzgeschnitzte, nach außen gewandte Hörner; an der Stirn befestigte und nach außen gedrehte Metallleiste; im Inneren in Höhe der Wangen zwei mit Stoff verkleidete Metallhöcker und am Kinn ein Stück Stoff zum Befestigen der Maske am Gesicht.


← Pragser Tal

Klaubaufmaske für das nikolausspiel, 18. Jh. (?), aus Prags, Holz, geschnitzt und bemalt, Widderhörner. ← CM 6686 Beschreibung: Teufelsmaske aus Holz, geschnitzt und auf schwarzem Grund rot und weiß bemalt; rot und weiß ummalte mandelförmige Augen; breite, platte Nase; an der Stirn drei weiße aufgemalte Haarbüschel; durchbohrter Mund mit beweglichem Kinn und roten Lippen; fünf weiße obere zähne und zwei spitze untere zähne seitlich der zunge; rot bemalte Wangen; zwei schwarz gestreifte, nach oben gewandte Widderhörner; im Inneren Vorrichtung zum Bewegen des Kinns mittels einer Schnur. Einer zeichnung von Wohlgemuth ist zu ersehen, dass sich am Hals ursprünglich auch ein Stück Stoff befunden hatte, das nicht mehr auffindbar ist.


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Klaubaufmaske (Babaumaske) für das nikolausspiel, 18. Jh. (?), aus Prags, Holz, geschnitzt und bemalt, Widderhörner. ← CM 6696 Beschreibung: Teufelsmaske aus geschnitztem Holz für das Nikolausspiel, auf schwarzem Grund rot und goldgelb bemalt; mandelförmige, nach oben geschwungene, rot und goldgelb ummalte Augen; an der Stirn drei eingeschnitzte und hell bemalte Haarbüschel; breite, platte Nase; durchbohrter Mund mit beweglichem Kinn, rote Lippen, sechs obere und sechs untere zähne; rot bemalte Wangen; anstelle der Ohren zwei schwarze, nach oben gedrehte Widderhörner; zwei schwarze Widderhörner auch auf dem Kopf; im Inneren in Höhe der Wangen zwei Lederkissen zum besseren Tragen der Maske. Einer zeichnung von Wohlgemuth ist zu ersehen, dass sich am Hals ursprünglich auch ein Stück Stoff befunden hatte, das nicht mehr auffindbar ist.


← Pragser Tal

maske des todes für das nikolausspiel, 18. Jh. (?), aus Prags, Holz, geschnitzt und bemalt, Stoff. ← CM 6697 Beschreibung: geschnitzte, totenkopfförmige, weiß bemalte Holzmaske; Öffnungen für die Augen und die Nase; Unter- und Oberkiefer; am zahnbogen, der nicht dem menschlichen Gebiss entspricht, fehlen mehrere zähne; auf der Rückseite Leinenstoff zum Verdecken des Kopfes des Maskenträgers.


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teufelsmaske für das nikolausspiel (Kopie), 19. Jh., aus Prags, Holz, geschnitzt und bemalt. ← CM 6847 Beschreibung: aus einem Milcheimer gewonnene Teufelsmaske aus geschnitztem Holz, auf schwarzem Grund rot und gelb bemalt; nach unten gewandte mandelförmige und gelb und rot ummalte Augen; Hakennase; in der Mundöffnung elf schiefe und weiß bemalte zähne aus Holz; rote Lippen; an der Stirn zwei kleine geschnitzte, schwarze und nach außen gekehrte Hörner.

teufelsmaske für das nikolausspiel (Kopie), 19. Jh., aus Prags, Holz, geschnitzt und bemalt, ziegenhörner. ← CM 6954 Beschreibung: geschnitzte, schwarz bemalte Teufelsmaske; ziegenhörner; Stirn mit Falten; große runde, gelb und rot ummalte Augen; wulstige Nase mit großen Warzen; zu einer Grimasse verzogener Mund mit sieben hakenförmigen zähnen, spitzes Kinn.


� Pragser Tal


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Kehraus-umhang für das nikolausspiel, 18.–19. Jh., aus Prags, Leinen, Loden, Schneckenhäuser und Nussschalen. ← SM 1556


← Ahrntal

Das Stadtmuseum besitzt neun aus dem Ahrntal kommende Masken, die wahrscheinlich aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammen; vier wurden zum Nikolausspiel in Steinhaus verwendet, fünf in Prettau. Zur Maske der „Gabenbringerin“ bemerkt Wohlgemuth, dass sie nicht beim Nikolausspiel verwendet wurde, sondern beim Umzug. Dies gilt wahrscheinlich auch für die anderen vier Masken, wenn auch keine entsprechenden Beweise vorliegen.

Luzifermaske für das nikolausspiel, 19. Jh., aus dem Ahrntal (Steinhaus, Bacherhof), Holz, geschnitzt und bemalt, zickelhörner, Haar und Stroh. ← CM 6782 Beschreibung: geschnitzte, dunkel bemalte Holzmaske; zickelhörner; an der Stirn echte, mit Stroh vermischte Haare; geschnitzter Kinnbart; zwei lange, seitlich eingefügte Holzohren.


34|35

teufelsmaske für das nikolausspiel, 19. Jh., aus dem Ahrntal (Steinhaus), Holz, geschnitzt und schwarz bemalt, Gämsen- und ziegenhörner; an der Rückseite Lederriemen. ← CM 6783 Beschreibung: Maske aus geschnitztem und schwarz bemaltem Holz; Gämsen- und ziegenhörner; runde Ohren; weiß ummalte Augen; roter Mund mit dicker Unterlippe und weißen zähnen; geschnitzter Kinnbart; an der Rückseite Lederriemen zum Befestigen der Maske am Kopf.

narrenmaske für das nikolausspiel, 19. Jh., aus dem Ahrntal (Steinhaus, Schulhaus), Holz, geschnitzt und bemalt. ← CM 6785 Beschreibung: geschnitzte und bemalte Holzmaske, rosafarbenes Inkarnat; brauner, aufgezwirbelter Schnurrbart; braune Augenbrauen; roter Mund und weiße zähne.

maske eines Hirtenjungen für das nikolausspiel, 19. Jh., aus dem Ahrntal (Steinhaus), Holz, geschnitzt und bemalt, Leder. ← CM 6786 Beschreibung: geschnitzte und bemalte Holzmaske, rosafarbenes Inkarnat; rot bemalte Wangen; braune Augenbrauen; roter Mund; an der Rückseite Lederriemen. Im Verzeichnis von Wohlgemuth wird die Maske als die eines „Gaisbubs“ angeführt. Angesichts der roten Wangen könnte es sich aber auch um eine „schöne“ weibliche Maske handeln.


← Ahrntal

maske eines Waldgeistes für das nikolausspiel oder den nikolausumzug, 19. Jh., aus dem Ahrntal (Prettau), Holz, geschnitzt und bemalt. ← CM 6798 Beschreibung: sehr grob geschnitzte Holzmaske; nur am Bart schwarz bemalt; Nase abgebrochen.

teufelsmaske für das nikolausspiel oder den nikolausumzug, 19. Jh., aus dem Ahrntal (Prettau), Holz, geschnitzt und bemalt. ← CM 6799 Beschreibung: geschnitzte und schwarz bemalte Teufelsmaske; an der Stirn zwei kleine Hörner; seitlich zwei spitze, nach außen gekehrte Ohren; Augenbrauen; weiß ummalte Augen; große Nase mit zwei Wülsten; breiter Mund mit roten Lippen, zwei lange und zwei kurze zähne. Wohlgemuth vermerkt dazu in seinem Register (S. 214), dass die verschiedenen Maskierten nach dem Nikolausspiel von St. Jakob nach Prettau zurückkehrten. Der Person aber, die den Teufel verkörpert hatte, erschien der Teufel in Person und machte ihm Komplimente für seine vorzügliche Darstellung.


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maske einer Bäuerin/Gabenbringerin für das nikolausspiel, 19. Jh., aus dem Ahrntal (Prettau), Holz, geschnitzt und bemalt. ← CM 6800 Beschreibung: geschnitzte weibliche Holzmaske; rosafarbenes Inkarnat mit roten Wangen; braune Haare; roter Mund.

maske eines Hexenmeisters/narren für das nikolausspiel oder den nikolausumzug (?), 19. Jh., aus dem Ahrntal (Prettau), Holz, geschnitzt und bemalt. ← CM 6801 Beschreibung: männliche Maske mit aufgezwirbeltem Schnurrbart; schwarze Augenbrauen; roter Mund; rosafarbenes Inkarnat; an der linken Wange beschädigt, vorragende Nase, abgebrochen, vorstehendes Kinn.

maske einer Hexe oder eines narren für das nikolausspiel oder den nikolausumzug (?), 19. Jh., aus dem Ahrntal (Prettau), Holz, geschnitzt und bemalt. ← CM 6805 Beschreibung: Hexen- oder Narrenmaske; grünes Gesicht; dunkle Augenbrauen; große Nase; rosafarbener Mund mit einem zahn; tiefe Falten an den Wangen und der Stirn; seitlich zwei Warzen.


← Lesachtal (in Osttirol)

Wohlgemuth erklärt, dass die drei Masken, die aus Obertilliach im Lesachtal kommen, sowohl beim Nikolausspiel als auch in der Klöcklnacht (siehe dort) verwendet wurden.

maske eines bärtigen mannes für das nikolausspiel und die Klöcklnacht, 19. Jh., aus Obertilliach (Kuenzhof), Holz, geschnitzt und bemalt. ← CM 6713 Beschreibung: sehr grob mit einem Hohleisen geschnitzte Maske, schwarz, blau, rosa, weiß und rot bemalt; Bart, Schnurrbart und Haare mit Hohleisen geschnitzt und schwarz bemalt; roter Mund; blaue Augenbrauen; weißes und rosafarbenes Inkarnat; im Inneren eingeschnitzt die Buchstaben Px P.

maske eines schnurrbärtigen mannes für das nikolausspiel und die Klöcklnacht, 19. Jh., aus Obertilliach (Rodarm, Leitahof?), Holz, geschnitzt und bemalt. ← CM 6731 Beschreibung: Holzmaske; schwarzer Schnurrbart und schwarze Augenbrauen aufgezwirbelt; schwarzer Bart; roter Mund; braune Haare.


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maske eines schnurrbärtigen mannes für das nikolausspiel und die Klöcklnacht, 19. Jh., aus Obertilliach, Holz, geschnitzt und bemalt. ← CM 6732 Beschreibung: männliche Maske mit schwarzem, aufgezwirbeltem Schnurrbart; rosafarbenes Inkarnat mit roten Wangen; roter Mund.


← Prägraten (Osttirol)

Wohlgemuth erwähnt vier Masken, die in Prägraten im Virgental (Osttirol) beim Nikolausspiel benutzt wurden.

Luzifermaske für das nikolausspiel, 19. Jh., aus Prägraten, Holz, geschnitzt und bemalt, Papier, Stoff, ziegenhaar. ← CM 6849 Beschreibung: geschnitzte Holzmaske, schwarz und braun bemalt; an der Stirn ein Holzstift, an dem ein Horn (nicht mehr vorhanden) befestigt war; aufgerissener Mund; im Mund rot bemaltes Papier auf Stoff; geschnitzte, weiß bemalte zähne: vier lange zähne am Unterkiefer, drei lange zähne am Oberkiefer; große, rot, weiß und schwarz bemalte Augen; unter den Augen ein Sehschlitz für den Maskenträger; große Nase, Nasenspitze in Form eines Vogelkopfes; um die Maske Schaffell; an der Stirn befestigter Schafschwanz.


40|41

maske des Höllenfürsten für das nikolausspiel, 19. Jh., aus Prägraten, Holz, geschnitzt und bemalt, Hörner, Fell, Stoff und Wolle. ← CM 6871 Beschreibung: Maske des Höllenfürsten aus geschnitztem, rot und schwarz bemaltem Holz; an der Stirn ist der obere Teil eines Kuhschädels mit Hörnern und Ohren befestigt; Augenbrauen, aufgezwirbelter Schnurrbart und Kinnbart geschnitzt und schwarz bemalt; große Nase; Mund mit dicken roten Lippen und zwei zahnreihen; vom Kopf getrenntes, bewegliches Kinn, mit zwei festgenagelten Lederriemen am Kopf befestigt; der untere und der hintere Teil der Maske bestehen aus Stoff, Fell und Rohwolle.

maske des Klaubauf für das nikolausspiel, 19. Jh., aus Prägraten, Holz, geschnitzt und bemalt. ← CM 6855 Beschreibung: männliche Maske mit finsterem Gesichtsausdruck, aus geschnitztem und braun bemaltem Holz; am Maskenrand fünf kleine und zwei größere Nägel und einige Löcher zum Befestigen eines Stoffs oder eines Fells, mit dem der Hinterkopf des Maskenträgers bedeckt werden konnte.

maske eines Verstellten für das nikolausspiel, 19. Jh., aus Prägraten, Holz, geschnitzt und bemalt. ← CM 6851 Beschreibung: dämonische Maske aus geschnitztem und schwarz bemaltem Holz; schiefe Stupsnase; kleine Hörner; von den Augenhöhlen ausgehende Ohren; weiß ummalte Augen; oben und unten je drei zähne.


02 | KLÖCKLnaCHt

(adventsrituale)

Im Advent war in Tirol der Brauch des „Anklöpfens“ verbreitet, der an den drei Donnerstagen vor Weihnachten begangen wurde. Es handelt sich wahrscheinlich um einen heidnischen Brauch; denn mit dem An-die-Tür-Klopfen suchte man, mehr über sein Schicksal und die Zukunft zu erfahren. Dieses Ritual wurde in der Folgezeit christlich „umgepolt“ und symbolhaft mit der vergeblichen Suche von Joseph und Maria nach einer Herberge in Bethlehem in Verbindung gebracht. Kinder und Jugendliche, die teilweise maskiert waren, begaben sich von einem Bauernhof zum anderen, verkündeten die Geburt Jesu und wünschten mit Liedern und Gedichten Glück für das neue Jahr, wofür sie mit Nahrungsmitteln und kleinen Gaben beschenkt wurden. Dieser Klöcklnacht-Brauch hatte die unterschiedlichsten Formen, aber im Mittelpunkt stand immer die Ankündigung der Geburt Christi. Außer der Maske CM 6869 besitzt das Stadtmuseum auch noch andere Masken, die bei diesem Adventritual benutzt wurden. Es handelt sich um drei Masken eines bärtigen beziehungsweise schnurrbärtigen Mannes aus dem Lesachtal in Osttirol [CM 6713, CM 6731, CM 6732]. Da sie auch beim Nikolausspiel verwendet wurden, werden sie im entsprechenden Kapitel beschrieben. Es war durchaus üblich, dass die selben Masken bei unterschiedlichen Bräuchen, Spielen und Umzügen eingesetzt wurden.


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maske eines alten für die Klöcklnacht, 19. Jh., aus Wolkenstein (Gröden), Holz, geschnitzt und bemalt, Stoff und Moos. ← CM 6869 Beschreibung: Maske eines bärtigen Mannes aus geschnitztem Holz; große, krumme Nase und fratzenhaft verzogener Mund; weißes Inkarnat. Der lange Bart aus auf Stoff klebendem Moos gibt dieser Maske ein sehr realistisches Aussehen und macht sie zu einem Unikum dieser Art. Auch für die Augenbrauen wurde Moos verwendet, von dem sich noch einige Reste erhalten haben.


02.1 | adVentsLied Klöckllied „Auf Weihnachten Glückswünsche“

Das Versgedicht der Klöckler, im 19. Jahrhundert auf zwei Blättern beidseitig niedergeschrieben, wurde von Wohlgemuth in Pfalzen gefunden. Es wurde in der Adventszeit von jungen maskierten Klöcklbuben gesungen (vgl. das Kapitel zur Klöcklnacht). Am Beginn der Verse wird die Aufmerksamkeit der Bauersleute eingefordert und der Grund des Besuchs angekündigt: Glückwünsche auszurichten. In der zweiten Strophe ersucht man die Anwesenden, ihr Herz Gott zu schenken, in Hinblick besonders auf die bevorstehende Ankunft des Jesusknaben. Die folgenden drei Strophen enthalten Glückwünsche für den Bauern, die Bäuerin, den Knecht und die Magd. Das Lied endet mit dem Wunsch, fromm, lange und in Gesundheit zu leben und am Ende des Lebens das Reich der Glückseligkeit, das Paradies, zu erlangen.


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1. O grüß euch Gott alle im Hause,

3. Wohl auch für das leibliche Leben,

5. Den Knechten, den wünschen wir eben,

Den Baur und die Bäurin voraus.

Wir herzlich guts wünschen euch All.

Auch Kraft zu den härteren Stand.

Jetz laßt grad a bißl a Pause

Den Baurn viel Glück und auch Segen,

Ein braven Knecht den ganzen Lohn gebn,

Jhr werd uns zwar lachen ley aus.

In Haus und in Feld und in Stall.

Wird Gott, den koa Baur ist im Stand.

Es ist heut a heilige Klöcklnacht

Die Korn-Truhen alle voll,

Der Kuchlerin und der Felderin

Die aucht Gott gemacht,

Das gefällt ihm wohl,

Wünschn wir frohen Sin,

Der als gut gemacht.

Auch fürs Nächsten Wohl.

Daß sie kön brav Spinn,

Wir haben so vin altn Leutn ghört,

A schiene Zöhrung a darnöbn

Und vieleicht bald ein braven Mann,

Euch nur nicht verstört

Kann er sich aufhöbn

Der versorgen kann,

nur hört.

Froh zu Läbn.

Sie alsdann.

Guts zu wünschen heut

Kühe und Gaiß und Görn,

Doch wenn sie s verschuld,

Habnmir uns vereint

Sollen sich vermehrn,

Wünschen wir Gedult,

Eure gute Freund

Milch und Rahm und Butter

Solln sich halt ergöbn,

die wir immer seynd,

zu Kave und Zucker,

Zum altn Gitschnlöbn,

Ja es geht uns gwiß von Herzn herauf,

die Kälber sollen Oxen werden,

Es ist ihnen schon a koa Schand,

Paßt nur fleißig auf

groß und faiß und schweer,

Weil in ganzen Land,

loßt recht auf.

Zu Speiß für Herrn.

Z’wenig Mann.

2.

4.

6.

Das beste was mann kann erdenken,

Der Bäurin der wünschen wir öben,

Jetz hättn wir das Liedl bald z’Ende,

Ist wahrlich für Seel und für Leib;

Soll neben dem Baurn gut stehn.

Und unsern ainfältigen Wunsch.

Wenn mann das Herz ganz Gott thut schenken,

Sie wird ihm versüßen das Löbn,

Wir waschn halt unsere Hände,

Und so wird s Hauswesen gut gehn.

Verzeiht die Ungschicklichkeit uns.

Drum wünschen wir voll Herzens Freud,

Oft a Bratwürstl kannt sie obar zupfn,

Jetz fallt mir ein noch Unterdessen,

Auf die Weihnachtzeit

Und ain armen Tropfn,

Hätt ichs bald vergessen,

ein ganz neues Kleid,

Gut das Maul verstopfn.

Wär mir leid gewessen,

Von Gottes, und auch von Nächstenlieb,

Die armen Leut sagen dann vergelts euch Gott,

Gesund lebn sollt ihr all mitsamm,

Warm und stark und schön,

Ihr schenkt uns in der Noth,

Wohl, und christlich fromm

Soll es stehn.

Woll oft a Brod.

Und recht lang.

Unser Frau wird kemm,

Und die Hennlen soll,

Und wann s Leben weicht,

wie nach Wethlehem,

Eyrn legen toll,

Wünschn wir uns und euch,

Daß er bey uns auch gerne bleib.

Wird bei Jedermann

Und das Habicht Thier,

Ewig Freudenreich,

freundlich klopfen an,

Kaine kriegen nie,

s schöne Himmelreich,

Das Jesus Kindlein bringt sie mit,

Sie wir dann fast die ganze Wochn,

Wo wir dann alle uns erfreun,

Nur verstoßt es nicht,

Gute Mrenlen kochn,

und Gott benedeyn

Es bringt Fried.

Daß zu lachn

Dankbar seyn.


03 | dreiKÖniGsspieL

← Defereggental (Osttirol)

Am Abend des 6. Januar, dem „Gömnachtabend“ oder „Gebnachtabend“, wurde das Dreikönigsspiel aufgeführt. Es erzählte die Geschichte von den drei Weisen aus dem Morgenland, die durch den Stern von Bethlehem zu Jesus geführt wurden, dem sie Gold, Weihrauch und Myrrhe überbrachten – Gaben, die einem Kind königlicher Herkunft würdig sind. In diesem Volksstück versuchten die Teufel, die drei Weisen vom rechten Weg abzubringen, und sie redeten König Herodes zu, das Jesuskind zu töten. Bis heute hat sich der Brauch erhalten, dass als Heilige Drei Könige verkleidete Kinder Anfang Januar singend und deklamierend von Haus zu Haus ziehen, Weihrauch und farbige Kreide übergeben und dabei für wohltätige Zwecke bestimmte Gaben entgegennehmen. Das ganze Haus wird mit Weihrauch und Weihwasser gesegnet, und mit Kreide werden auf die Haustür die Jahreszahl und die Buchstaben K + M + B gemalt, die Initialen der Heiligen Drei Könige Kaspar, Melchior und Balthasar, die – in der Form C + M + B – auch als „Christus Mansionem Benedicat“ interpretiert werden können.

teufelsmaske für das dreikönigsspiel, 19. Jh., aus dem Defereggental (St. Jakob, Osttirol), Holz, geschnitzt und bemalt. ← CM 6743 Beschreibung: große Holzmaske, schwarz, rot und gold bemalt; zwei nach oben gerichtete Hörner und Ohren; sehr lange, bis über den Schnurrbart reichende Nase; offener Mund mit drei kleinen und drei langen, spitzen zähnen; stark ausgeprägtes Kinn.


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teufelsmaske für das dreikönigsspiel, 19. Jh., aus dem Defereggental (St. Jakob, Osttirol), Holz, geschnitzt und bemalt. ← CM 6742 Beschreibung: große Holzmaske, schwarz und rot bemalt; auf dem Kopf eine Krone, aus der zwei Hörner aufragen; seitlich rote Ohren; sehr lange, bis über den Schnurrbart reichende Nase; halb offener Mund mit drei kleinen und vier langen, spitzen zähnen; Kinn mit zu einer Rolle stilisiertem Bart.


← Ahrntal

teufelsmaske für das dreikönigsspiel, 19. Jh., aus dem Ahrntal (St. Johann), Holz, geschnitzt und bemalt, Glas, Stoff, Kuhhörner. ← CM 6761 Beschreibung: Holzmaske, geschnitzt und schwarz bemalt, mit Strohresten; an der Stirn zwei Kuhhörner, seitlich zwei nach außen gewandte Kuhohren mit hellen Farbspuren; helle Augenbrauen; weiß ummalte Augen, in den Augenhöhlen zwei kleine Glasplättchen; sehr lange Nase; breiter Mund mit dicken, rot bemalten Lippen; am Unterkiefer zwei lange zähne, die die Oberlippe in der Mitte zusammendrücken; zwei weitere lange zähne am Oberkiefer; an der Rückseite Rest eines schwarzen Stoffes, mit dem der Kopf bedeckt wurde.

maske einer Bäuerin, die Gaben zum dreikönigsspiel sammelt, 19. Jh., aus dem Ahrntal (St. Johann), Holz, geschnitzt und bemalt. ← CM 6760 Beschreibung: weibliche Maske aus geschnitztem Holz; rosafarbenes Inkarnat mit roten Wangen; braune Haare; roter Mund.


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narrenmaske für das dreikönigsspiel, 19. Jh., aus dem Ahrntal (St. Johann, Herr Nöckler), Holz, geschnitzt und bemalt. ← CM 6779 Beschreibung: Maske aus geschnitztem Holz; rosafarbenes Inkarnat; vorstehende Wangen; lange Nase; roter Mund mit zwei zähnen. Im Inneren die Inschrift: Nökler, St. Johann


04 | Hut tLerspieL

← Inntal (Nordtirol)

Im Nordtiroler Inntal ging und geht bis heute zur Faschingszeit das „Mullerlaufen“ über die Bühne, das von Karl Wohlgemuth als „Huttlerspiel“ bezeichnet wurde: nicht eigentlich ein wahres Spiel, sondern eher ein Umzug verschiedener Personen und Gruppen. Unter ihnen waren die „Huttler“ (wie Clowns in farbige Lumpen gehüllte Maskenfiguren), Hexen und andere Gestalten, die durch das Dorf rannten, Wirtshäuser und Wohnhäuser aufsuchten, mit der Peitsche knallten, auf die Tische sprangen oder mit den Füßen auftraten und dabei einen Höllenlärm machten und den Zuschauern Schläge versetzten. Es handelt sich um ein Bittritual um eine gute Ernte und Fruchtbarkeit, wie es in unterschiedlichen Fassungen in ganz Europa bekannt und verbreitet ist.

maske eines Wilderers für das Huttlerspiel, 19. Jh., aus Brixlegg, Holz, geschnitzt und bemalt, Leder, Rosshaar. ← CM 6819 Beschreibung: riesige männliche Maske aus geschnitztem und ziegelrot bemaltem Holz; große Nase mit einer Warze; Haare, Bart und Schnurrbart aus Rosshaar; weiße zähne; oben auf dem Kopf ein Lederriemen und an der Rückseite eine mit einem Knopf versehene Lederschließe. In dem von Wohlgemuth angelegten Register trug die Maske einen Federhut, der heute nicht mehr vorhanden ist.


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maske des „tiroler michls“ für das Huttlerspiel, 19. Jh., aus Brixlegg, Holz, geschnitzt und bemalt, Stoff, Leder, Haar. ← CM 6820 Beschreibung: riesige männliche Maske aus geschnitztem und bemaltem Holz; fleischfarbenes Inkarnat; roter Mund; braune Augenbrauen; weiße zähne; auf einem Lederriemen auf dem Kopf eine Mütze aus einem braunen, mit einem gelben Stoff eingefassten Strumpf, aus dem Haarsträhnen hervorragen; an der Rückseite lederne Schließe.

maske eines tuxers (einwohner des tuxertals, sinnbild des Bauern) für das Huttlerspiel, 19. Jh., aus Hall, Holz, geschnitzt und bemalt. ← CM 6846 Beschreibung: männliche Maske mit Schnurrbart, aus geschnitztem und bemaltem Holz; fleischfarbenes Inkarnat mit roten Wangen; schwarze Augenbrauen und Schnurrbart, weiße zähne.


05 | pa ssionsspieL

Als Passionsspiel wird die dramatische Darstellung der schmerzlichen Ereignisse bezeichnet, die Christus in der Karwoche bis zum Kreuzestod und zur Auferstehung am Ostersonntag auf sich nehmen musste. Normalerweise begannen diese geistlichen Spiele mit dem triumphalen Einzug Christi in Jerusalem. Die geistlichen Dramen, die – ursprünglich auf Lateinisch – seit dem Mittelalter gespielt wurden, fanden gewöhnlich in der Pfarrkirche statt. Mit der Zeit zogen sie aus dem Kircheninneren ins Freie, da immer mehr neue Szenen und Episoden hinzugefügt wurden, wie zum Beispiel der Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen, zwischen Engeln und Teufeln, der beim Volk besonderen Anklang fand. Die Teufelsmasken wurden zu ungerechten und bösen Taten und Handlungen eingesetzt, beispielsweise, um Judas zum Selbstmord zu treiben und seine Seele in die Hölle zu schleifen. In Bozen findet sich der erste Hinweis auf ein Passionsspiel dieser Art im Jahr 1474, und er betrifft die Bezahlung von vier Kerzen, die von den Engeln in der Auferstehungsszene benutzt wurden. Von besonderer Bedeutung waren das Passionsspiel des Jahres 1495 und das 1514 vom Dramatiker Vigil Raber inszenierte geistliche Drama 1.

← Sarnthein

Die einzigen Masken zu einem Passionsspiel im Sarntal, die sich bis auf den heutigen Tag erhalten haben, sind eine Teufelsmaske, eine Luzifermaske und eine Hexenmeistermaske aus dem 18. Jahrhundert. Wohlgemuth berichtet, dass dieses Passionsspiel im Freien stattfand und sich dazu die gesamte Bevölkerung einfand 2. Im Jahr 1809 ging es zum letzten Mal über die Bühne. Es wurde während der französischen Besatzung verboten und auch in der Folge nicht wieder aufgenommen. Die Besonderheit dieser Masken besteht darin, dass das bemalte Antlitz mit winzigen Glassplittern bestückt ist, die der Maske einen ungewöhnlichen Glanz verleihen. Bei der Teufelsmaske wurde der Glanz noch dadurch verstärkt, dass sie nicht – wie die Mehrheit der Masken im Besitz des Stadtmuseums – aus Holz angefertigt war, sondern aus Blech.

1 M. BERTOLDI, Lungo la Via del Brennero. Viaggio nello spettacolo dal Tardo Medioevo al Rinascimento, Firenze 2007, bes. S. 56–63 und 107–115. 2 Aus dem Register von K. Wohlgemuth, S. 207–208.


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maske eines Hexenmeisters für das passionsspiel, 18. Jh. (?), aus Sarnthein, Holz, geschnitzt und bemalt, Glas und Stoff. ← CM 6700 Beschreibung: Hexenmeistermaske aus geschnitztem Holz, schwarz, weiß und rot bemalt und mit kleinen Glassplittern bestückt; rundliche Augen; krumme, spitze Adlernase; halb offener Mund mit zähnen, zwei im Unterkiefer länger als die anderen; platt gedrückte Ohren; seitlich zwei Stoffdreiecke, mit denen die Maske am Gesicht befestigt werden konnte.

Luzifermaske für das passionsspiel, 18. Jh. (?), aus Sarnthein, Holz, geschnitzt und bemalt, Glas und Stoff. ← CM 6711 Beschreibung: geschnitzte Holzmaske, goldgelb, schwarz, rot, weiß und grün bemalt und mit kleinen Glassplittern bestückt; dicke Augenbrauen; weiß und rot ummalte Augen; große Nase, die sich an der Spitze in einen Schnabel verwandelt; Oberlippe in Löwenform; geschnitzte und weiß bemalte zähne; an der Unterlippe die zunge aus rotem Stoff; lange, spitze Ohren; zwei geschnitzte und schwarz bemalte Hörner. Wohlgemuth bemerkt zu Recht, dass diese Maske – im Vergleich zu den anderen – einem klassischen Vorbild aus der Renaissance nachgebildet ist.

teufelsmaske für das passionsspiel, 18. Jh. (?), aus Sarnthein, Blech, bemalt und Glas. ← CM 6709. Beschreibung: Teufelsmaske aus Blech, schwarz, rot und grün bemalt und mit kleinen Glassplittern bestückt; runde, weiß ummalte Augen; Adlernase; riesiger Mund mit einigen zähnen; ein Ohr und ein Horn.


Im Mesnerhaus in St. Valentin (bei Seis) entdeckte Karl Wohlgemuth die Dornenkrone, die Christus beim Karfreitagsspiel aufgesetzt wurde. Er hatte auch den oberen Teil des Hirtenstabs gefunden, der sich aber leider nicht in der Sammlung des Museums befindet. Der Mesner berichtete Wohlgemuth seinerzeit, dass das Karfreitagsspiel hundert Jahre zuvor zum letzten Mal aufgeführt worden war. Da seit der Entdeckung etwa weitere hundert Jahre vergangen sind, kann man annehmen, dass die Dornenkrone letztmals um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert benutzt worden war. Bei dieser Gelegenheit hatte der Großvater des Mesners Christus verkörpert. Wohlgemuth fand auch zwei Truhen voller Kleider, die zum Karfreitagsspiel verwendet wurden, mit der Zeit aber „im Ofen gelandet“ sind. Masken dagegen wurden bei diesem Spiel nicht getragen 3.

← Kastelruth

3 Aus dem Register von K. Wohlgemuth, S. 221–222.


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dornenkrone für das Karfreitagsspiel, Ende 18. Jh., aus Kastelruth, miteinander verflochtene Dornenzweige. ← SM 1538


06.1 | perCHtenL auf

← Osttirol

Im Alpenraum fanden und finden in einigen Orten bis heute noch die sogenannten „Perchtenläufe“ statt, in deren Mittelpunkt die „Perchten“ stehen, weibliche mythologische Figuren vielleicht keltischen Ursprungs. Diese lärmenden Maskenumzüge, die seit dem 16. Jahrhundert bezeugt werden, spielten sich zwischen Dezember und Januar ab und wurden von der Bevölkerung als Glück verheißende Vergnügungen angesehen. Den guten Perchten, die sich bei Tag zeigten, standen die hässlichen, dämonisch anzusehenden Perchten gegenüber, die bei Nacht unterwegs waren und oft großen Krawall verursachten. Sie hatten unweigerlich eine Kuhglocke bei sich und machten einen Höllenlärm, um die Finsternis und den Winter zu vertreiben. In Oberlienz fand der Perchtenlauf zwischen dem 20. und dem 25. Januar statt, und in den Gemeindechroniken wird er bis zum Jahr 1902 bezeugt.

Larve für den perchtenlauf, 19. Jh., aus Oberlienz (bei Lienz), Holz, geschnitzt und bemalt. ← CM 6808 Beschreibung: männliche Maske mit Schnurrbart, aus geschnitztem und weiß und rot bemaltem Holz; rote Lippen; schiefer Mund mit vier zähnen; rot ummalte Augen; unsymmetrisch geformter Schnurrbart; miteinander verbundene Augenbrauen; Nase mit großen Nasenlöchern. In dem von Wohlgemuth zusammengestellten Register war die Maske mit einer Kopfbedeckung versehen, die heute nicht mehr vorhanden ist.


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Larve für den perchtenlauf, 19. Jh., aus Dösach (bei Lienz), Holz, geschnitzt und bemalt, Kuhhörner. ← CM 6809 Beschreibung: männliche Maske mit Schnurrbart, aus geschnitztem und braun übermaltem Holz; Kuhhörner.


06 | HoCHzeiten

Bis ins 19. Jahrhundert wurden Ehen vor allem während der „Fasnacht“ geschlossen. Das Paar, das eine eheliche Verbindung eingehen wollte, musste die Einwilligung der Gemeinde einholen, die festzustellen hatte, ob die wirtschaftlichen Voraussetzungen zur Gründung einer neuen Familie bestanden. Dieses Recht kam der Gemeinde zu, da Arme und Bedürftige bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts zu Lasten der Gemeinschaft gingen. Die Tage vor, während und nach der Hochzeit, die als bedeutungsvollstes Ereignis im Leben einer Person galt, waren von verschiedenen Riten und Bräuchen geprägt. Dabei wurde auch allerlei Unwesen und Schabernack getrieben, zum Beispiel, wenn dem Brautzug Hindernisse in den Weg gelegt wurden („Klause“), wenn die Braut entführt oder das Ehebett gestohlen wurde, das erst am darauf folgenden Tag zurückerstattet wurde. Während des Hochzeitsmahls trat regelmäßig auch ein maskierter Spaßvogel („Maschgera“) auf, der die Gäste mit zweideutigen Geschichten aus dem Leben der Brautleute vergnügte. Wohlgemuth kommentiert, dass der „Maschgera“ bei der Hochzeitsfeier lustige Verse vortrug und dabei die Geladenen zum Besten hielt.

maske eines narren zum Hochzeitsfest, 19. Jh., aus Abtei, Holz, geschnitzt und bemalt. ← CM 6806 Beschreibung: Maske eines Alten/Narren aus geschnitztem und dunkelrot bemaltem Holz; große, dicke Nase; tiefe Falten und markante Gesichtszüge.


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maske eines narren zum Hochzeitsfest, 19. Jh., aus Abtei, Holz, geschnitzt und bemalt. ← CM 6807 Beschreibung: grob geschnitzte Maske, rosafarbenes Inkarnat; große Nase, tiefe Falten und markante Gesichtszüge.

maske eines narren zum Hochzeitsfest, 19. Jh., aus Issing (bei Pfalzen), Holz, geschnitzt und bemalt, Hanf. ← CM 6872 Beschreibung: kleine geschnitzte und weiß-rosa bemalte Holzmaske; schwarze Augenbrauen; Bart aus Hanffasern.


07 | faustus- und GaisHirtspieL

← Ahrntal (St. Jakob)

Die Bühnendarstellung zur Geschichte des historischen Dr. Faust kann im deutschen Volkstheater schon vom 17. Jahrhundert an eine lange Tradition verzeichnen, wobei die unterschiedlichen Fassungen dem jeweiligen Zeitgeschmack angepasst wurden. Beim Südtiroler Dr. Faust handelt sich um eine sehr praktische Person: Er ist nicht auf der Suche nach der Wahrheit und sinniert nicht über sein Innenleben wie der Goethesche Held, sondern er tritt uns als Mann mit konkreten Wünschen nach greifbaren Dingen entgegen. In der in Goethes „Faust“ nicht vorhandenen Kreuzszene zum Beispiel sucht er den Teufel dazu zu bringen, ihm das Kreuz Christi zu übergeben. Und eben wegen seiner Habgier wird er vom Teufel in die Hölle mitgerissen. Im Ahrntal hat sich noch das Manuskript dieses Faustspiels erhalten, das bis heute aufgeführt wird. Wohlgemuth ordnet die nachfolgend angeführten Masken dem „Faustusspiel“ und dem „Gaishirtspiel“ zu – doch für letzteres konnte kein Spieltext aufgefunden werden.


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Hexenmaske für das faustusund das Gaishirtspiel, 19. Jh., aus dem Ahrntal (St. Jakob), Holz, geschnitzt und bemalt. ← CM 6744 Beschreibung: geschnitzte und fleischfarben bemalte Holzmaske einer Alten; dicke Nase; drei zähne.

Hexenmaske für das faustusund das Gaishirtspiel, 19. Jh., aus dem Ahrntal (St. Jakob, Herr Oberhollenzer?), Holz, geschnitzt und bemalt. ← CM 6752 Beschreibung: geschnitzte und weißlich bemalte Holzmaske einer Alten; roter Mund; rote Wangen; dicke Nase. Das Gesicht wurde mit aufgeklebten Federn völlig verdeckt.

maske einer jungen Bäuerin/Hexengefährtin für das faustus- und das Gaishirtspiel, 19. Jh., aus dem Ahrntal (St. Jakob, Herr Oberhollenzer?), Holz, geschnitzt und bemalt. ← CM 6753 Beschreibung: weibliche Holzmaske, rosafarbenes Inkarnat; rote Lippen.


← Ahrntal (St. Jakob)

maske des Gaishirten für das Gaishirtspiel, 19. Jh., aus dem Ahrntal (St. Jakob, Herr Oberhollenzer?), Holz, geschnitzt und bemalt. ← CM 6754 Beschreibung: grob geschnitzte, männliche Holzmaske mit zweigeteiltem Kinnbart und braunen Augenbrauen; rote Lippen; rosafarbene Wangen.


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maske des dr. faust für das faustusspiel, 18. Jh. (?), aus dem Ahrntal (St. Jakob, Herr Oberhollenzer?), Holz, geschnitzt und bemalt. ← CM 6756 Beschreibung: männliche Holzmaske mit sehr präzis geschnitztem lockigem Bart; helles Inkarnat; rosafarbene Wangen.

maske eines tuxers (Bauer aus dem tuxertal) für das faustus- und das Gaishirtspiel, 19. Jh., aus dem Ahrntal (St. Jakob), Holz, geschnitzt und bemalt. ← CM 6758 Beschreibung: männliche geschnitzte Holzmaske; weißes Inkarnat; hellbraune Haare und hellbrauner langer Schnurrbart; spitze Nase; vorstehende Unterlippe und vorragendes Kinn; weiße zähne.


08 | ma sKen unBeK annten VerWendunGszWeCKs für nachfolgende Masken konnte der Verwendungszweck nicht eindeutig ausgemacht werden, da es an entsprechenden angaben von Karl Wohlgemuth fehlt oder sie nicht eindeutig sind. der Herkunftsort ist dagegen angegeben.

maske eines Gespenstes, 20. Jh., aus dem Iseltal (Osttirol), geschnitztes Holz

1 Auf dem im Maskeninneren klebenden Etikett ist zu lesen: „Schöne Perchte original nachgeschnitzt, Iseltal bei Lienz“. Im Register Wohlgemuth II, Tafel 30, finden sich dagegen folgende Angaben: „Nikolausspiel, Belzebub, groteske Maske aus Holz mit Fellbesatz (26 cm lang)“.

← CM 6861 Beschreibung: Maske mit finsterem Gesichtsausdruck, geschnitztes Holz, ohne Bemalung. Wohlgemuth führt zu dieser Maske widerspruchsvolle Angaben an. Auf dem innen angebrachten Originaletikett wird sie als „schöne“ Maske aus dem Iseltal bei Lienz (Osttirol) bezeichnet, die nach einem Original nachgeschnitzt worden ist. Diese Maske ist aber mit einer anderen Maske identisch, die Wohlgemuth selbst als „Belzebub“ zu einem Nikolausspiel bezeichnet. Angesichts der ausdrucksstarken Gesichtszüge dürfte es sich kaum um eine „schöne“ Maske handeln, unter der man Masken mit ruhigem und ausgeglichenem Gesichtsausdruck versteht 1.


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Bauernmaske, 19. Jh., aus Issing (bei Pfalzen), Holz, geschnitzt und bemalt. ← CM 6733 Beschreibung: Maske eines bärtigen Mannes, Augenbrauen und Schnurrbart schwarz, Mund rot, Haare schwarz.

maske eines schnurrbärtigen mannes, 18. Jh. (?), aus Gröden (Wolkenstein), Holz, geschnitzt und bemalt. ← CM 6738 Beschreibung: Maske eines schnurrbärtigen Mannes, Augenbrauen, Haare, Schnurrbart und vorstehender Bart schwarz; roter Mund mit weißen zähnen; runde, rote Wangen; grob bemalt. Von dieser Maske ist der ursprüngliche Besitzer bekannt: Es handelte sich um einen gewissen Vinzent Demetz, wohnhaft am „Col de la Pel“ in Gröden. Von Wohlgemuth 1906 erworben.


Vogelmaske/Hahnmaske, 19. Jh., aus dem Ahrntal (Kematen), Holz, geschnitzt und bemalt. â†? CM 6734 Beschreibung: halbe Maske mit einer langen Nase, die an einen Schnabel erinnert; Holz, geschnitzt und ziegelrot bemalt; weiĂ&#x; ummalte Augen und schwarze Augenbrauen.


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Bauernmaske, 18. Jh. (?), aus dem Ahrntal (Luttach), Holz, geschnitzt und bemalt. ← CM 6739 Beschreibung: männliche Maske, fleischfarbenes Inkarnat; rötliche Wangen; rote Lippen; weiße Augen; Augenbrauen und Haare hellbraun.

maske einer alten/Hexe, 18. Jh. (?), aus dem Ahrntal (St. Johann), Holz, geschnitzt und bemalt. ← CM 6741 Beschreibung: Maske aus Holz, rosafarbenes Inkarnat; roter Mund und hellbraune Augenbrauen.


teufelsmaske, Ende 19. Jh., aus dem Ahrntal (St. Johann), Holz, geschnitzt und bemalt. ← CM 6839 Beschreibung: Holzmaske, geschnitzt und schwarz bemalt; an der Stirn zwei nach vorn gedrehte Hörner; ein nach außen gewandtes Eselsohr mit roter Farbspur, das andere Ohr fehlt; weiß ummalte Augen; dicke Nase; Mund mit zwei spitzen zähnen im Unterkiefer, die sich mit zwei spitzen zähnen im Oberkiefer kreuzen. Wohlgemuth führt in seinem Register an, dass es sich zwar um eine originelle, aber nicht alte, sondern nicht lange zuvor geschaffene Maske handelt.


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teufelsmaske, 19. Jh., aus dem Ahrntal (Prettau), Holz, geschnitzt und bemalt. ← CM 6821 Beschreibung: Holzmaske, geschnitzt und schwarz bemalt, gelbe Pinselstriche an den Stirnfalten; zwei Hörner am Kopf; Eselsohren; weiß und goldgelb ummalte Augen; gelbe Augenbrauen; dicke und lange, krumme und wulstige Nase; breiter Mund mit rot bemalten Lippen und wenigen zähnen. Wohlgemuth führt in seinem Verzeichnis an, dass er die Maske 1906 von einem Kurzwarenhändler namens „Honer“ erworben hat.

teufelsmaske, 19. Jh., aus dem Ahrntal (Steinhaus), Holz, geschnitzt und bemalt, Gämsenhörner. ← CM 6848 Beschreibung: Teufelsmaske, geschnitzt und schwarz bemalt; große, weiß ummalte Augen; dicke Nase; grauer geschnitzter Schnurrbart, der bis an den Maskenrand reicht; rote Lippen und zwei Reihen weiße zähne; geschnitzte und grau bemalte Augenbrauen; Gämsenhörner.

teufelsmaske, 19. Jh., aus dem Ahrntal, Holz, geschnitzt und bemalt, Hörner. ← CM 6867 Beschreibung: Holzmaske, geschnitzt und schwarz bemalt; Falten und Mund durch gelbe Farbe unterstrichen; drei zähne; rot ummalte Augen; Kuhhörner; krumme, wulstige Nase.


maske einer schönen perchte, 20. Jh., aus dem Iseltal (Osttirol), Holz, geschnitzt. ← CM 6862 Beschreibung: Maske mit menschlichem Antlitz, ernst und finsterblickend; geschnitztes Holz, keine Bemalung.


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maske eines Verstellten, 19. Jh., aus dem Iseltal (Osttirol), Holz, geschnitzt. ← CM 6863 Beschreibung: teuflische Maske mit höhnischem Ausdruck; geschnitztes Holz; an der Stirn zwei kleine Hörner; zu einem hämischen Lachen verzogener Mund mit sieben zähnen; keine Bemalung. Auf dem von Wohlgemuth im Maskeninneren angebrachten Etikett ist „schöne Perchte“ zu lesen. Diese Inschrift steht aber in Widerspruch zu der Maske, die eher an einen „Verstellten“ (CM 6851) erinnert, wie sie beim Nikolausspiel in Prägraten (Osttirol) benutzt wurde.


08.1 | ma sKen unBeK annten VerWendunGszWeCKs

maske eines bärtigen mannes, 19. Jh., Holz, geschnitzt. ← CM 6870 Beschreibung: mit einem Hohleisen grob geschnitzte Maske; Haarsträhne an der Stirn; dichte Augenbrauen; Schnurrbart und Bart gemäß der von Kaiser Franz Joseph eingeführten Mode mit bartlosem Kinn und langem, aufgerautem Backenbart; keine Bemalung.


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und unGeKL ärter HerKunf t

maske eines bärtigen mannes, 19. Jh., Holz, geschnitzt und bemalt. ← CM 6873 Beschreibung: Holzmaske, geschnitzt und bemalt; dunkel fleischfarbenes Inkarnat; Stirn mit Falten; Augen und Mund orangefarben ummalt; Haare und Augenbrauen grau; Bart und Schnurrbart dunkelgrau.

maske eines bärtigen mannes, 19. Jh., Holz, geschnitzt und bemalt. ← CM 6874 Beschreibung: Holzmaske, geschnitzt und bemalt; fleischfarbenes Inkarnat; Bart und Schnurrbart geschnitzt und hellbraun bemalt; Augenbrauen hellbraun bemalt; Mund und Augen rot ummalt.

maske eines bärtigen mannes, 19. Jh., Holz, geschnitzt. ← CM 6875 Beschreibung: sehr ausdrucksvolle Maske aus geschnitztem Holz; Falten stark hervorgehoben; halb offener Mund mit zwei zähnen; zweigeteilter Spitzbart, keine Bemalung.


Weibliche maske, 19. Jh., Holz, geschnitzt und bemalt. ← CM 6853 Beschreibung: Holzmaske, geschnitzt und bemalt; fleischfarbenes Inkarnat; roter Mund; braune Augenbrauen; an der Oberlippe zwei kleine Löcher.


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Weibliche maske, 19. Jh., Holz, geschnitzt und bemalt. ← CM 6854 Beschreibung: Holzmaske, geschnitzt und bemalt; fleischfarbenes Inkarnat mit leicht geröteten Wangen; roter Mund, braune Augenbrauen



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Die Krampus-Karten Die Sammlung Günther Kofler

Milena COSSeT TO

eine Geschichte Aus den Erinnerungen meiner recht bewegten, abenteuerlichen Kindheit leuchten, wie Blitze im Dunkel, deutlich einige Bilder auf: vorweihnachtliche Bräuche, in der Familie überlieferte Adventsrituale, in Erwartung der Gaben und der „magischen“ Gestalten, die in den kältesten und finstersten Winternächten erschienen. Vom Nikolaus habe ich eine Erinnerung, die mich in die Schweiz führt. Ich war fünf Jahre alt und war zu einem Kuraufenthalt in einer Klinik bei Zürich. Alle Kinder, die aus vielen Ländern Europas kamen, hatten sich in einem großen Saal versammelt, in Erwartung des gutherzigen Bischofs und der versprochenen Gaben. Viele zitterten vor Angst, ich kann mich noch gut erinnern. Wir sprachen verschiedene Sprachen und konnten uns in diesem kindlichen Babel des Leidens nur schwer oder gar nicht verständigen. Aber aus unseren Augen sprachen die gleichen Gefühle. Ein Rauschen im Saal, Geflüster: „Krampus? … Teufel? … Klaubauf? … Knecht Ruprecht? … Perchten? …“. Mir war alles unverständlich. Meine ersten Kindheitserinnerungen an Nikolaus bezogen sich auf ein kleines Bilderbuch mit Weihnachtsgeschichten, in Frakturschrift gedruckt, Reminiszenz der habsburgischen Welt, aus der meine Familie kam. Nikolaus war ein gutherziger Großvater, ein liebenswerter Bischof, der den Kindern Gaben brachte, Pfefferkuchen, Nüsse, Bonbons, Trockenobst, Äpfel, vielleicht eine Mandarine – denn diese Südfrucht war kostbar wie die goldenen Äpfel in den Märchen und Sagen. Und er wusste alles von uns, ob wir gut oder böse gewesen waren, ob wir Schlechtes angerichtet oder Gutes getan, ob wir uns freundlich und großzügig verhalten hatten. Er kam aus der Ferne, von weit, weit her, kannte aber jedes Dorf und jede Stadt, jedes kleine

Mädchen und jeden Buben. Er brauchte sich nicht zu erkundigen, brauchte keine Fragen zu stellen, um uns zurechtzuweisen. Vor allem aber verstand er uns, verzieh uns und ermutigte uns [Abb. 1]. Auch wenn wir Kinder einen Fehler begangen hatten, konnten wir ihn wieder gutmachen. Mit den Erwachsenen hatte er nur wenig zu tun. In den Büchern hatte Nikolaus einen Schlitten bei sich (wenn genug Schnee lag), einen mit Geschenken beladenen Esel und einen Gehilfen, der oft ein Heft mit der Geschichte jedes Kindes mitbrachte, mit guten Ratschlägen für die Zukunft. Manchmal ließ – so erzählten die Familienältesten – Nikolaus sich sehen, aber wenn er zu viel zu tun und es eilig hatte, ließ er seine Gaben auf dem Fensterbrett zurück, in einem Schuh oder einem Strumpf, oder auch in der Wohnung neben dem Kamin. In den bunten Bilderbüchern trug er Kleider aus ähnlichen Stoffen wie der Prinz im Aschenputtel oder im Schneewittchen. Er hatte einen dichten, langen weißen Bart, trug einen vergoldeten Stock und eine bischöfliche Kopfbedeckung (Krummstab und Mitra). Für diesen heiligen Kinderfreund stellten viele Familien ein Gläschen Schnaps auf das Fensterbrett oder an die Eingangstür (schließlich musste er sich in den eisigen Winternächten irgendwie erwärmen) und einen Teller mit etwas Salz für den Esel (Salz war damals kostbar, und für die Esel war es ein Leckerbissen). Man hatte mir erzählt, dass nur der heilige Nikolaus es schaffte, den Krampus von den Häusern fern zu halten, diesen Teufel, der die bösen Kinder mitnahm, die immer etwas anstellten und mit den anderen stritten und den Eltern nicht gehorchten. Die steckte er in einen Sack … und weg waren sie! Den unartigsten Kindern wurde mit

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diesem Krampus gedroht, mit dem „schwarzen Mann“, dem „Tuifl“. Ich glaubte nicht an den Krampus. Aber damals in der Schweiz war ich allein, ohne mir bekannte Erwachsene, die mich schützten, und unter all den fremden, erschreckten Kindern hatte auch ich auf einmal Angst. Plötzlich ging das Licht aus, man hörte ein Rauschen, dann Kettengerassel und sonderbare Tierlaute. Und die Angst verwandelte sich in Terror… Da trat der heilige Nikolaus ein, mit einem langen roten, weiß besetzten Mantel, hinter ihm ein junger Engel mit einem großen Buch in Händen. Wir fürchteten uns immer noch, einige klapperten vor Angst mit den Zähnen. Hinter der Tür war Lärm zu hören, es bewegte sich noch jemand. „Das sind die Teufel“, sagten die älteren Kinder. Jeder von uns bekam vom Nikolaus ein mit einem goldenen Band verschlossenes Säckchen aus rotem Krepppapier. Kekse und Obst waren drin, es duftete nach Zimt und Nelken, nach Mandarinen, Äpfeln und Haselnüssen. Es war ein Stück Zuhause, und für uns kranke Kinder, allein und fern der Heimat, war diese kleine Gabe ein Riesenschatz. Ein Dankeslied, und Nikolaus verschwand im Dunkel. Zurück blieb außer den duftenden Säckchen auch ein beunruhigender Gedanke: Die Krampusse, diese unsichtbaren, drohenden Wesen, wo waren die geblieben? Einige Jahre später neue Bilder, neue Erinnerungen. Ich war in Triest, und am Abend des 5. Dezember herrschte zuhause große Aufregung. Es war der Nikolausabend – aber würde der heilige Nikolaus kommen? Meine Mutter war skeptisch: Mein Bruder und ich waren zu unartig gewesen, zu ungehorsam, streitsüchtig, unordentlich… Und bei diesen Worten hatte sich vor unseren Augen ein geheimer Berg unserer Fehler aufgetürmt, ein Berg aus Engherzigkeit, Streichen, Lügen und Vorwänden, aus überflüssigem Streit, Unverschämtheit und Ungezogenheit, aus Neid und Groll. Wie viele Fehler, und wie klein war im Vergleich dazu das Häuflein unserer guten Taten. Während wir schweigend das abgelaufene Jahr an uns vorüberziehen ließen, hörten wir unsere Mutter sagen: „Wahrscheinlich kommt nur der Krampus!“ „Der Krampus? In Triest gibt es keine Krampusse! Nicht einmal auf der ‚Fiera di San Nicolò‘ haben wir Krampusse gesehen, kannst du dich nicht erinnern?“, riefen wir einstimmig aus, mit vor Angst rauer Stimme. „Und dann waren wir

auch nicht so unartig: Der Krampus kann uns nicht mitnehmen! Außerdem, was machst du denn ohne uns?“, wandte sich mein Bruder in recht besorgtem Ton an unsere Mutter. In seinen Worten klangen die Geschichten nach, die unsere Mutter uns von ihrer Kindheit im Pustertal erzählt hatte: „Am 5. Dezember, am Nikolausabend, zogen die Krampusse durch die dunklen, verschneiten Dorfstraßen, auf der Suche nach unartigen Kindern. An den Knöcheln und am Gürtel hatten sie große, scheppernde Glocken, sie ließen die Peitsche knallen und trugen Kleider aus stinkendem Ziegenfell, aus den pechschwarz angemalten Gesichtern leuchteten die Augen auf, sie hatten große, haarige und schlüpfrige rußschwarze Hände. Sie waren schrecklich anzusehen mit ihren Hörnern und Ketten, und sie gaben schauerliche Schreie von sich. Sie steckten die Kinder in den Sack und schleppten sie fort, für immer. Sie schalteten und walteten nach Belieben im Dorf. Nur die couragiertesten Kinder forderten sie heraus und neckten sie, um dann wie der Blitz wegzulaufen und sich zu verstecken. Aber wenn sie die Treppe heraufkamen … Wenn der heilige Nikolaus rechtzeitig kam, konnte er sie verscheuchen, sonst aber…“. An dieser Stelle brach unsere Mutter immer mit der Erzählung ab, schaute ernst um sich. Und wir stellten uns die entsetzlichsten Dinge vor. In Triest hatte zwar noch niemand einen Krampus gesehen, aber mein Bruder und ich wollten doch lieber nichts riskieren. So bereiteten wir einige Pappkartons mit von uns erfundenen Worten, Reimen, Sinnsprüchen, Zeichnungen und Bildern vor, die die Ankunft des heiligen Nikolaus verherrlichten, aber jede Art von Teufeln entmutigen sollte, sich uns zu nähern. Noch heute, nach mehr als 50 Jahren, erinnere ich mich an diesen außergewöhnlichen Abend, und in der Erinnerung verschmelzen die Farben der Pastellkreiden mit dem Duft der frisch gebackenen Weihnachtskekse, der Glanz der auf Papierblätter geklebten „Brillanten“ mit dem Aroma des Hagebuttentees, und dann die lange Arbeit, um die Wände vom Eingang bis ins Wohnzimmer festlich zu schmücken. Wir wohnten damals in einem einfachen sechsgeschossigen Haus, mit einem weiten Treppenhaus und drei Wohnungen pro Stockwerk. Es ging auf den Golf von Triest, und vom großen Wohnzimmerfenster konnte man die weite Bucht überblicken. Da die Fenster außen keine Fensterbretter hat-

ten, musste Nikolaus durch das Treppenhaus kommen. So schmückten wir auch unser Stockwerk aus, brachten an den Wohnungstüren der Nachbarn Zeichnungen an. Wir gingen todmüde schlafen und waren überzeugt, dass Nikolaus den Krampus daran hindern würde, zu uns zu kommen. Schnaps oder Wein und Salz stellten wir nicht bereit, denn schließlich wohnten wir im fünften Stock, und da sollte Nikolaus mit dem geschulterten Gabensack lieber nüchtern bleiben, und der Esel würde sicher vor dem Eingangsportal auf der Straße warten. In der Nacht träumten wir vom Kampf zwischen dem heiligen Nikolaus und dem Krampus, und als wir am Morgen erwachten, fanden wir die üblichen Gaben vor: Säckchen aus rotem Krepppapier mit allerlei Schleckereien, aber auch ein paar Stück Kohle (aus Zucker) als Geschenk eines reumütigen Krampus. Aber als wir auf die Straße gingen, fanden wir vor der Tür einen großen Weidenast, an dem Schleifen aus rotem und schwarzem Krepppapier „blühten“, voller Schokolademünzen, Zuckerkohle, Bonbons und Pralinen… Fast ein Weihnachtsbaum. Und dazu eine geheimnisvolle rote, an mich und meinen Bruder adressierte Postkarte, mit einem Bild in Relief und der Aufschrift „Gruß vom Krampus“ in einer altertümlichen Schrift. Auch unsere Mutter war völlig überrascht, und bis heute ist es uns noch nicht gelungen, den Autor dieses Geschenks auszumachen [Abb. 2]. Dann noch eine Erinnerung aus den Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts, aus Innichen im Pustertal. In der Nacht vom 5. auf den 6. Dezember war das Dorf voller Krampusse, die polternd und laut schreiend über Straßen und Plätze zogen, mit Schellen und Glocken einen Höllenlärm machten, die Peitschen knallen und die Ketten scheppern ließen, die die kleinen Jungen und Mädchen erschreckten und auch den jungen Mädchen Angst einflößten, denen die „Toifl“ besonders gern Streiche spielten. Nur hier und da näherten sich einige junge couragierte Männer den Krampussen und provozierten sie, um dann Reißaus zu nehmen und sich an einen sicheren Ort zu flüchten. Doch die Szenen, die sich auf den Dorfstraßen abspielten, hatten nichts Spielerisches und Scherzhaftes an sich, sahen kaum nach einem friedlichen Einweihungsritual aus, nach der symbolischen Darstellung des ewigen Kampfes zwischen Gut und Böse, nach dem Erwachen der verborgenen Kräfte der Natur nach einem langen Schlaf. Der reichlich genossene


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Alkohol hatte die maskierten Gestalten zügellos und angriffslustig gemacht, und nicht einmal dem kleinen heiligen Nikolaus gelang es, sie zu bremsen. Es waren schwierige, heikle Jahre voller Spannungen: die Attentate auf die Hochspannungsmasten, Polizisten und Carabinieri bis in die kleinsten Dörfer, um Anschlägen der Südtiroler Extremisten vorzubeugen. Gegenseitiges Misstrauen und ererbte Feindschaft prägten jeden Moment des Südtiroler Alltags. Maskentreiben waren verboten, um die öffentliche Ordnung zu gewährleisten. Auch die Krampusse konnten nicht nach Belieben herumlaufen – von ihren Taten und Untaten ganz abgesehen. Und ich sah einen Krampus, der von zwei Carabinieri verhaftet wurde: Meine Kindheit und ihre Träume waren auf einen Schlag zu Ende [Abb. 3]. Seit etwa 15 Jahren findet in Toblach alljährlich der Krampuslauf statt, eine der größten Veranstaltungen dieser Art im Alpenraum. Die verschiedenen Krampusvereine ziehen bei Fackelschein und Höllenfeuer durch den Ort, und ganz am Rande ist auch der heilige Nikolaus dabei. Es gibt vielerlei Krampusverkleidungen, und zu den Perchten und den Klaubaufen gesellen sich heute neue Maskenfiguren, die von nordischen Sagen und Fantasyfilmen (wie zum Beispiel dem „Herrn der Ringe“) übernommen worden sind. Sie präsentieren (in erster Linie zur Freude der Touristen) Rituale und Bräuche, die mit dem heiligen Nikolaus und dem Krampus zusammenhängen, als getrennte, ja sogar gegensätzliche Momente 1. Von den vorweihnachtlichen Bräuchen und der Magie der Kindheit sind mir nur eine alte Postkarte mit den Grüßen des Krampus und ein vergilbtes Foto eines Krampus vor zwei uniformierten Carabinieri geblieben. Doch hier setzt meine Recherche darüber an, wie sich das Krampusbild im Laufe von fast hundert Jahren über Generationen, geschichtliche Epochen und unterschiedliche soziale und kulturelle Milieus hinweg gerettet und verwandelt hat, wie es mit unterschiedlichen Werten belegt worden ist, welches seine soziokulturelle Funktion war und welches seine Beziehung zum Bild des heiligen Nikolaus.

der Krampus von örtlichen Bräuchen zur postkarte Spuren von Ritualen und Bräuchen, die mit dem heiligen Nikolaus und seinen Begleitern – Krampus, Kramperl, Klaubauf, Perchten,

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Knecht Ruprecht und so weiter – zu tun haben, sind bis heute noch in weiten Gebieten Europas anzutreffen: im mittleren und östlichen Alpenraum, in Österreich, Slowenien, Ungarn und dem alten „Mitteleuropa“ allgemein, in Bayern über den Schwarzwald bis ins Elsass, ja in ganz Europa, wo das Image des heiligen Nikolaus heute mit dem Weihnachtsmann unserer Konsumgesellschaft verschmilzt. Doch auch hinter diesen kommerziell ausgerichteten „PseudoBräuchen“ verbergen sich Bilder und Werte, die in einem ständigen Prozess kultureller Verflechtungen und Über- und Ablagerungen die Zeiten überlebt haben. Bei Untersuchungen, die in jüngster Zeit in deutschsprachigen Gebieten, besonders in Österreich, Deutschland und der Schweiz [Abb. 4], zum Wandel der Nikolausbräuche angestellt worden sind 2, traten die Vielschichtigkeit dieses Kults und seine Verbreitung in Erscheinung und es zeigte sich, wie stark anthropologisch-historisch-soziale, religiössymbolisch-kulturelle, psychoanalytische und kunstgeschichtliche Interpretationen miteinander verflochten sind 3. Der Nikolausumzug, der Krampuslauf und das Nikolausspiel, ein bis heute im Gebirge verbreitetes Volksschauspiel um den heiligen Nikolaus und seine Begleiter, weisen je nach Zeit und Ort unterschiedliche Merkmale und lokale Besonderheiten auf 4. Erst der Säkularisierungsprozess der Nikolausbräuche und die Verbreitung der „bürgerlichen“ Erziehungswissenschaft, die „Entdeckung“ der Kindheit und der Rechte der Kinder führten von den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts an dazu, dass das Empfindungsvermögen der Kinder anerkannt und geachtet wurde und dass die bis dahin gültigen Doppelbegriffe Gehorsam-Belohnung und Ungehorsam-Bestrafung an Wert verloren. Der heilige Nikolaus wurde vom Krampus getrennt, und beide entwickelten sich zu selbständigen Gestalten. Im Laufe der vergangenen zwei Jahrhunderte aber sind – infolge der zunehmenden Industrialisierung, der Landflucht und des Zuzugs in die städtischen Ballungsräume – soziale Veränderungen eingetreten, durch die altüberlieferte Bräuche an den Rand gedrängt und erst nach den Siebzigerjahren des 20. Jahrhunderts wieder zu neuem Leben erweckt worden sind, allerdings zu Freude und Ergötzen der Touristen. Die Nikolausfigur ist zunehmend mit dem Weihnachtsmann verschmolzen, und die Gabenverteilung ist zu einem stumpfsinnigen Kon-

sumrennen geworden, bei dem die Dinge ihrer symbolischen Bedeutung, ihrer Aura und ihres sozialen und kulturellen Werts beraubt werden. Der Berliner Philosoph Walter Benjamin hatte schon in seinem 1935 verfassten Aufsatz „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ davor gewarnt, dass die unbegrenzte Verfältigung von Bildern, malerischen und bildhauerischen Werken und handwerklichen Schöpfungen (wie Holzintarsien, Keramikvasen, Stuckaturen, schmiedeeisernen Arbeiten) zum Verlust ihrer Aura und einem neuen Rezeptionszusammenhang führe, zu einer „Entwertung des Originals“ infolge der technischen Reproduktionen, sodass jetzt die Spuren der Gestaltung neuer, unwiederholbarer Realitäten verloren gingen: die Fingerabdrücke des Töpfers im Ton, die Idee, die einem Bild Leben einhaucht und es in der Schwebe zwischen dem Hier und Heute und der Zukunft hält 5. Auch im Buchdruck, einer der bedeutendsten Reproduktionstechniken, kommt es zur Verflechtung und Begegnung zwischen unterschiedlichen Welten, Sprachen, Kulturen und Vorstellungswelten. Besonders die Postkarten, die seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert industriell hergestellt werden, erzählen die noch nicht schriftlich niedergelegte Geschichte des Verweltlichungsprozesses des heiligen Nikolaus und des ihm treuen Gefährten Krampus. Im 19. und 20. Jahrhundert erwirbt sich das satanisch-teuflische Bild des Krampus in all seinen verschiedenen Varianten ausdrücklich eine eigenständige Rolle. In der Nacht des 5. Dezember gibt der Krampuslauf den Ton an: Straßen und Gassen voller Teufel, am Gürtel ihrer aus Ziegenfell zusammengeflickten Überhänge Kuhglocken, die einen ohrenbetäubenden Lärm machen, Kettengerassel und Schellenklang, Gebrüll und Gejohle von Haus zu Haus, auf Straßen und Plätzen. Sie verstecken sich hinter einer Mauer oder einem Baum und springen plötzlich hervor, um die Kinder in Angst und Schrecken zu versetzen und sie mit Kohle, Fett und Pech zu beschmieren, um die couragiertesten Kinder und Jugendlichen, die sie herauszufordern zu wagen, zu „entführen“. Eine unheimliche Nacht. Am Abend des 6. Dezember dagegen kommt der Nikolaus. Er schreitet von Haus zu Haus, ist von Engeln und manchmal auch von einem „gezähmten“ Krampus begleitet, der sehr viel weniger aggressiv ist als die Wesen

der vergangenen Nacht und mit den Geschöpfen, die in den Kindheitserinnerungen der Generationen aus dem frühen 20. Jahrhundert fortleben, nur noch wenig zu tun hat. Der Nikolaus schenkt Äpfel, Nüsse, Kekse und Süßwaren, manchmal auch ein Spielzeug, der Krampus bringt den unartigsten Kindern ein paar Stück Kohle und bedroht sie mit der Rute. Zur Besiegelung des Krampusbesuchs dann eine Postkarte mit eindringlichen Worten: „Gruß vom Krampus“, „Für Böse: Krampus und die Rute, für Brave: Nikolaus der Gute“, „Wirst brav sein!“ und „Brav sein!“ in vielen mittel- und osteuropäischen Sprachen, auf Deutsch, Ungarisch und Tschechisch, auf Slowakisch, Slowenisch, Polnisch und Rumänisch. Dank immer ausgeklügelterer Drucktechniken werden immer kostbarere Abbildungen geschaffen, werden von international berühmten Illustratoren und Künstlern entworfen, auf feinstem Papier und Karton in avantgardistischen Verfahren gedruckt, werden von Verlagen aus halb Europa in immer höheren Auflagen verlegt: Grüße und Ratschläge vom Krampus und vom Nikolaus, zum 5. und zum 6. Dezember. Die Krampus-Karten können heute als wertvolles Zeugnis des Umwandlungsprozesses der Fantasievorstellungen angesehen werden, der rituellen Funktion der neuen historisch-sozialen Umfelder, der Vorstellung von Kindheit, die heute nicht mehr als naives Alter der Unschuld betrachtet wird, sondern als Alter des Experimentierens und der Abenteuer. Der teuflische Luzifer bleibt nur in der Nacht des 31. Dezember (bis zum Beginn des neuen Jahres) er selbst, denn er hat „die Last des alten Jahres“ zu tragen, und auch in Fasnachtsbräuchen spielt der Teufel eine herausragende Rolle. Am 5. Dezember dagegen bleibt alles Aristokratische, Adelige, Verführerische zurück, und die Verkörperung des Bösen nimmt die Gestalt des Bestialischen an, des Unreinen, Betrügers, Verführers und Satyren, zeichnet von sich selbst zugleich aber auch ein karikaturhaftes Bild voller Ironie und Selbstironie, um seine Sozialkritik zum Ausdruck bringen zu können. Der gute Nikolaus tritt von der Bühne ab und überlässt seinen Platz einem schrecklichen Teufel, der nicht einmal sehr schlau, aber doch überzeugt ist, besonders listig zu sein… Seine Teufeleien halten mit der Entwicklung von Wissenschaft und Technik Schritt, seine Gestalt passt sich den neuen Ideologien und den neuen Machtgremien an, seine


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Interessen und Neigungen verlagern sich aus der Welt der Erziehung in die Welt des Eros. Und das satanische Bild wird auf diesen neuen Postkarten zur Karikatur abgeschwächt und verwässert. „Gruß vom Krampus“ ist auf den Postkarten zu lesen, die zwischen 1890 und 1950 in Europa und in den Vereinigten Staaten verschickt worden sind. Und auf die stereotype Grußformel folgen Empfehlungen und Glückwünsche, manchmal auch Liebesworte – und das alles in der Hoffnung, dass die Macht des Bösen dank des Fortschritts und der Modernität ein für allemal besiegt und in einen Scherz verwandelt werden kann. Aber in unserer jüngsten Geschichte sind von dieser Illusion nur schwache und matte Spuren zurückgeblieben [Abb. 5].

der Krampus auf postkarten. die sammlung Günther Kofler Das Sammeln von Postkarten ist eine relativ junge, aber recht verbreitete Leidenschaft. Postkarten werden um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert vom breiten Volk entdeckt, und sie können große Erfolge als schnelles, recht billiges, ästhetisch ansprechendes und leicht verwendbares Kommunikationsmittel verzeichnen. Auch das Sammeln von Postkarten ist relativ einfach; denn es kommen unendlich viele Karten der unterschiedlichsten Typen und mit den verschiedensten Sujets in Umlauf. Zugleich aber können sie als wahre Kunstwerke angesehen werden, die (männlichen und weiblichen) Illustratoren entwerfen immer neue Sujets und greifen auf verschiedenartige Stile und Techniken zurück, die Druckkunst zeichnet sich durch ständig aktuelle technisch-wissenschaftliche Innovationen aus, und schließlich und endlich stellen die Postkarten für den Sammler auch eine gute Investition dar. In den Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts aber tritt im Bereich des Postkartensammelns eine tiefe Krise ein. Es finden keine Märkte und Schauen mehr statt, es kommt nicht mehr zu Sammlertreffen und Tauschgeschäften, es werden keine Kataloge mehr veröffentlicht. Und als sich in den Sechzigerjahren die Sammler wieder an diesen Sektor erinnern, wird die Suche nach Sujets nicht leicht. Der Krieg hatte Verlage zum Schließen gezwungen, besonderes Papier war kaum zu finden, und wenn, war es übermäßig kostspielig. Illustratoren, Zeichner und Drucker waren vom Krieg aus der Bahn geworfen worden, es fehlten

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Kunstfotografen, die sehr bald durch Reporter ersetzt wurden. Im Laufe eines Jahrhunderts haben die Postkarten glorreiche wie düstere Zeiten erlebt. Doch die Sammler sind glücklicherweise Protagonisten und Zeugen einer neuen „Rettungsphase“ der Postkarten, dieser kleinen, vergänglichen Kunstwerke des Alltags, in denen Leben und Kunst sich sanft vermischen, verflechten und durchdringen. Günther Kofler ist ein passionierter Sammler aus Neumarkt (Bozen), und ihm haben wir die wertvolle Sammlung der Krampus-Karten zu verdanken, auf die wir zu dieser Ausstellung zurückgegriffen haben 6. Günther Kofler erzählt, dass ihn „alte Sachen“ schon von seiner Kindheit an anzogen, dass er immer auf der Suche nach alten, etwas geheimnisvollen Gegenständen war und deren Geschichte zu rekonstruieren suchte – während sein Vater sich lieber mit „modernen Dingen“ beschäftigte, mit praktischen und funktionalen Objekten. Als Kind hielt er sich immer gern in der Papierhandlung im Dorf auf, betrachtete die Postkarten mit ihren faszinierenden Zeichnungen und Farben, ließ sich von ihnen Geschichten erzählen – mochten es Glückwunschkarten zu Weihnachten oder zu Ostern, zum Geburtstag oder zum Jahreswechsel sein, mochten sie dem Nikolaus oder dem Krampus gewidmet sein oder Bilder von nahen und fernen Dörfern und Städten zeigen. Anfangs sammelte er bloße Ansichtskarten von interessanten Orten und Stätten, und erst zu einem späteren Zeitpunkt wandte er sein Interesse den Nikolausund Krampuskarten zu. Die Entdeckung dieses Sujets traf ihn wie ein Blitzschlag; denn er wurde sich bald bewusst, dass die Krampusdarstellungen nicht nur vom Zeitgeschmack geprägt wurden, sondern auch vom gesellschaftlichen Status der Illustratoren wie der Käufer, dass sie sich aber auch durch verschiedenerlei Herstellungs- und Drucktechniken auszeichneten, durch verschiedenartiges Papier und unterschiedliche Papierverarbeitungsverfahren. Heute besitzt Kofler zu diesem Thema rund 4000 Exemplare, die aus der Zeit vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis in die Sechzigerjahre des 20. Jahrhunderts stammen und vor allem aus den Ländern der ehemaligen Habsburgermonarchie (Österreich, Ungarn, Tschechien, Slowakei, Böhmen usw.) kommen, aber auch aus Bayern, Polen und Rumänien [Abb. 6]. Diese seine Schätze sind das Ergebnis langer,


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sorgfältiger Recherchen und tiefgehender Studien zur Herstellung und Rezeption dieser kleinen Kunstwerke. In seinem 1935 veröffentlichten Aufsatz „Eduard Fuchs, der Sammler und der Historiker“ bemerkte Walter Benjamin, dass die „geschichtliche Darstellung“ einerseits und die „Würdigung“ eines werden und überholt werden müssen. „Das zu leisten, bleibt einer Geschichtswissenschaft vorbehalten, deren Gegenstand nicht von einem Knäuel purer Tatsächlichkeiten, sondern von der gezählten Gruppe von Fäden gebildet wird, die den Einschuss einer Vergangenheit in die Textur der Gegenwart darstellen. (Man würde fehlgehen, diesen Einschuss mit dem bloßen Kausalnexus gleichzusetzen. Er ist vielmehr ein durchaus dialektischer, und jahrhundertelang können Fäden verloren gewesen sein, die der aktuale Geschichtsverlauf sprunghaft und unscheinbar wieder aufgreift.) Der geschichtliche Gegenstand, der der puren Faktizität enthoben ist, bedarf keiner ‘Würdigung’. Denn er bietet nicht vage Analogien zur Aktualität, sondern konstituiert sich in der präzisen dialektischen Aufgabe, die ihr zu lösen obliegt.“7 Und Benjamin fährt fort: „Die Befassung mit der Reproduktionstechnik erschließt, wie kaum eine andere Forschungsrichtung, die entscheidende Bedeutung der Rezeption; sie gestattet damit, den Prozess der Verdinglichung, der am Kunstwerk statthat, in gewissen Grenzen zu korrigieren. Die Betrachtung der Massenkunst führt zur Revision des Geniebegriffs; sie legt nahe, über der Inspiration, die am Werden des Kunstwerks teilhat, die Faktur nicht zu übersehen, die allein ihr gestattet, fruchtbar zu werden. Endlich erweist sich die ikonographische Auslegung nicht allein unentbehrlich für das Studium der Rezeption und der Massenkunst; sie verwehrt vor allem die Übergriffe, zu denen jeder Formalismus alsbald verführt.“8 Jüngste Studien über Postkarten haben ergeben, dass die erste Postkarte (ohne Abbildung und mit aufgedruckter Briefmarke) 1861 in Amerika erschienen war. Die erste „Correspondenz-Karte“ in Österreich wurde am 1. Oktober 1869 veröffentlicht, und im Jahr 1870 wurden im deutschsprachigen Raum mehr als zwei Millionen Postkarten erworben. Die erste Glückwunschkarte (mit aufgedruckten Weihnachtswünschen) erschien zwischen 1870 und 1873 in England 9. Die erste Bildpostkarte wurde wahrscheinlich im Jahr 1872 von J. H. Locher in Zürich veröffentlicht, und Franz Rorich aus

Nürnberg versah eine Ansichtskarte mit einer Schweizer Landschaft. Der Münchner Lithograf Zrenner gab eine Serie von Bildpostkarten heraus, sodass sie viele Jahre lang als seine „Erfindung“ galten. Deutschland spielte dann bei der kommerziellen Herstellung von Postkarten eine führende Rolle. Zweifellos aber ist der Erfolg der Kunstpostkarten der Verbreitung der Chromolithografie (mit Rotationsmaschine) und der Fotografie zu verdanken.10 Zur Entstehung und Entwicklung der Kunstkarten trugen vor allem Künstler und Illustratoren bei, die den kulturellen Strömungen des ausgehenden 19. Jahrhunderts angehörten. Viele Mitglieder der Secession machten sich die neuen Möglichkeiten der grafischen Kunst zunutze, in besonderem Maße auch die Frauen, die damals noch keinen Zugang zu den Kunstakademien oder höheren Kunstschulen hatten und daher auf das Kunstgewerbe und die angewandte Kunst hatten „ausweichen“ müssen, dabei aber ihren Entwürfen zu Inneneinrichtungen (vor allem zu den Wohnräumen, in denen sich der Großteil des Familienlebens abspielte), Stoffen, Spielsachen, Schmuckstücken und so weiter eine neue ästhetische Valenz gegeben hatten. Die „Mode“ der Bildpostkarten erreichte ihren Höhepunkt 1903 in Deutschland, 1905 in England und 1908 in Amerika. Im Jahr 1899 waren allein in Paris schon mehr als 3000 Kartentypen auf dem Markt, und 1900 hatte eine Postkartenfabrik in Frankfurt, eine der bedeutendsten auf europäischer Ebene, mehr als 1200 Beschäftigte und stampfte täglich bis zu hundert neue Serien und neue Sujets aus dem Boden. Auch die Sammelleidenschaft wurde zu einer kollektiven Passion: Im Jahr 1897 gab es in Deutschland schon an die 60 Fabriken zur Herstellung von Sammelalben. Postkarten erhalten und aufbewahren erhöhte das Sozialprestige, und der Umlauf von Ansichtskarten gab neue Möglichkeiten zum Entdecken und Betrachten von Städten und Dörfern, von denen man bis dahin nur geträumt hatte, von Hotels und Stätten wie Thermen, Kaffeehäusern, Berghütten, Parks und Gärten. Eisenbahn- und Seilbahngesellschaften wie Städte begannen ihr Image


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durch Sonderpostkarten zu propagieren, mit denen sie die Werbetrommel für Ausstellungen, Veranstaltungen und Sonderevents rührten und zu deren Besuch einluden. Der Tourismus, der damals noch in den Kinderschuhen steckte, bekam gerade durch die Verbreitung von Ansichtskarten einen ansehnlichen Aufschwung [Abb. 7]. Einige Museen besitzen große Postkartensammlungen: Die bedeutendste (500.000 Exemplare) befindet sich im Altonauer Museum in Hamburg, das seit 1965 auch der Sitz einer Dauerausstellung zur Kultur- und Kunstgeschichte der Bildpostkarte ist. Das Musée national des arts et traditions populaires in Paris besitzt 120.000 Exemplare, in Canaan (Connecticut, USA) existiert das erste (und bisher wohl einzige) Postkartenmuseum der Welt, und auch das Metropolitan Museum in New York und die Bibliothek der Loyola Marymount University in Los Angeles können reiche Bestände an Postkarten vorweisen. Die Nationalbibliothek in Paris besitzt die aus 3000 Karten kunsthistorischen Sujets bestehende Sammlung von Paul Eluard, einem der bekanntesten Poeten des Surrealismus. Die Postkarten aus der Kofler-Sammlung, die in der Ausstellung gezeigt werden, sind nach sieben Themengruppen untergliedert: St. Nikolaus und der Krampus; Kindheit und Krampus; Gaben und Gegenstände; die verschiedenen Krampus-Gestalten; Moderne Teufeleien; der politische Krampus; Eros und Verführung. Sie stammen aus der Zeit von 1899 bis 1950. Einige sind gereist und mit Grußworten, Mitteilungstexten, Briefmarken, Stempeln und Daten versehen, andere sind neu und unbeschriftet. Auf einigen findet sich die Signatur des Illustrators, andere sind anonym; auf einigen sind Angaben zum Verlag oder zur Druckerei zu sehen, auf anderen nur die Seriennummer. Bei einigen der Postkartenentwerfer handelt es sich um nicht nur in diesem Bereich bekannte Künstler, die sich auch „prestigeträchtigeren“ Aufgaben gestellt haben. Unter ihnen sind besonders E. S. Döcker, H. Schubert, E. M. Kantner, P. Ebner, M. Liebenwein, H. Bllederv, D. Ph. Eichsen und I. Streyc aus Wien und die Österreicher C. Ledermann jr., B. Koziny, A. Hartmann, A. F. Deposé, E. Kutzer, M. Kistler, Luise Hoff, Mela Koehler, Karl Weiser, Matouschek, Wanda Rehberg und Feiertag zu erwähnen, deren Œuvre bis heute kaum erforscht und gebührend bekannt gemacht worden ist [Abb. 8]. Die Postkarten, die aus Deutschland,

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Österreich, Ungarn, Böhmen, Galizien, Tschechien, der Slowakei, Slowenien und Rumänien stammen, sind auf Floh- und Altwarenmärkten erworben worden, auf besonderen Internetseiten, durch Tausch zwischen Sammlern oder Antikenhändlern oder als alte Lagerbestände direkt in Papierhandlungen 11. Jede Postkarte erzählt Geschichte und Geschichten. Wir haben hier nicht Raum genug, um sie alle wiederzugeben. Aber ein Besuch dieser Ausstellung wird zu einer einzigartigen Reise durch Zeit und Raum, zu einem Gang durch die im Alltag verwobenen Fäden der Geschichte, die darauf warten, neu verflochten und zu einem farbigen Teppich verwebt zu werden, an dem wir alle mitweben.

sankt nikolaus und der Krampus In diesem Kapitel wollen wir einen kurzen Überblick darüber geben, wie die Illustratoren im Laufe von 50 Jahren die Beziehung zwischen dem heiligen Nikolaus und dem Krampus behandelt haben. Auf einer Postkarte, die aus dem frühen 20. Jahrhundert stammen dürfte, tritt uns ein streng-würdevoller heiliger Nikolaus mit Mitra und Krummstab entgegen, der in einer Winterlandschaft unterwegs ist: Sein Ziel ist ein kleines verschneites Dorf am Fuß des Hügels, auf dem der Bischof steht. Er trägt einen weiten Mantel, auf dem Rücken einen mit einer Schnur befes-

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tigten, etwas durchlöcherten Sack, aus dem Puppen oder Kasperlefiguren herausschauen: Gaben für die Kinder. An den Füßen hat Nikolaus Filzpantoffeln mit Karomuster, das auch am Mantelrand zu sehen ist. Hinter Nikolaus hat sich der Krampus zusammengekauert, nur seine Weidenrute und seine lange rote Zunge sind zu sehen. In seinem verzerrten Gesicht fallen besonders die vorstehenden Augen auf. Die Hauptrolle spielt offensichtlich der heilige Nikolaus im Vordergrund, nicht der Krampus, der sich hinter ihm versteckt. Die Bildpostkarte stammt aus einer Zeit, in der Nikolaus das Böse noch kontrollieren konnte, in der er den monströsen Teufel in seinem Rücken noch in seiner Gewalt hatte [Abb. 9]. Auf einer anderen Karte werden Nikolaus und der Krampus angekündigt: Pass auf, liebes Kind, bald werden sie vor deiner Tür stehen, wenn du artig warst, wirst du beschenkt, wenn du unartig warst, wirst du schrecklich bestraft! Das auf den 5. Dezember 1900 datierte Bild zeigt eine Winterlandschaft: Die Mädchen und die kleineren Kinder begrüßen Nikolaus mit allergrößter Freude, die größeren Jungen brechen beim Anblick des Krampus in heiße Tränen aus. Nikolaus, der gutmütige Heilige, lächelt den Kindern zu und segnet sie. Er hat den Krummstab in der Hand, auf dem Kopf die Mitra, und er trägt einen pelzverbrämten Mantel. An einer Leine hält er den Krampus, einen teuflischen Krampus mit einem Pferdefuß und einem menschlichen Fuß, einem langen Schwanz,

behaartem Körper, spitzen Ohren, Hörnern auf dem Kopf, einer langen roten Zunge und einem Ziegenbart. Auf dem Rücken trägt er einen Stoffsack, aus dem Kinderarme und -beine herausragen. Einer der kleinen Gefangenen weint verzweifelt. Am Boden Nikolaus’ Korb mit den Gaben: Holzspielzeug und kleine rote Äpfel. Der Nikolaus hat die Zerstörungswut des Krampus noch unter Kontrolle [Abb. 10]. Dann eine Postkarte aus dem Jahr 1918, auf der Nikolaus und der Krampus sich an einer Wegkreuzung trennen: Der heilige Bischof geht, mit einem schweren Sack beladen, mit traurigem, müdem Antlitz und in Begleitung von drei Gaben tragenden Engeln, in die eine Richtung, der schwarze, behaarte Krampus, der eine Heugabel und eine Kette in den Händen hält und von zwei ebenfalls behaarten kleinen Teufeln begleitet wird, in die andere Richtung: Das Gute und das Böse gehen jetzt getrennte Wege. Der Erste Weltkrieg ist gerade zu Ende. Der Krampus nimmt nun immer neue Erscheinungsbilder an: Er wird zu einem haarigen Ziegenbock mit einer Glocke in der Hand und folgt dem heiligen Nikolaus, der zwei betende Kinder und einen Hund trifft (20er-Jahre); er kauert als Teufel hinter Nikolaus (1938); er hält einen Rückenkorb, in den er die unartigen Kinder steckt und fortschleppt. Er wartet dabei auf den günstigsten Moment zu seiner Missetat, fürchtet aber die Macht des Bischofs, dessen Heiligkeit durch einen großen Heiligenschein


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unterstrichen wird. Auf vielen Abbildungen leuchtet die Winterlandschaft vor einem feuerroten Hintergrund auf. In den Dreißigerjahren wurden die meisten Krampuskarten auf dünnem rotem Karton gedruckt: Die Farbe sollte von der Papierknappheit in den schwierigen Zeiten vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs ablenken. Aus dem tschechischen Brünn stammt die Postkarte [Abb. 11], die wahrscheinlich kurz nach dem Ersten Weltkrieg gedruckt worden ist und einen Innenraum darstellt: Nikolaus und der Krampus nähern sich in einer Stube zwei Kindern, die sich eingeschüchtert auf die Bank neben dem Kachelofen zurückgezogen haben. Eine Katze faucht dem Krampus entgegen, der in der einen Hand eine Mistgabel hält und die Katze bedroht, in der anderen eine Kutscherpeitsche. Nikolaus ist von hinten abgebildet, während er den Kindern etwas Obst schenkt, aber die zwei Kleinen scheinen nur für das Monstrum Augen zu haben, das sich ihnen drohend nähert. Wir haben es hier mit einer ausdrücklichen Kritik an der „Erziehung durch Angst“ zu tun, die in Europa das gesamte 19. Jahrhundert geprägt hatte und deren unbestrittener Protagonist bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts hinein auch das Paar Nikolaus-Krampus war. Der anonyme Illustrator unterstreicht auf seine Weise, wie grausam und unter erzieherischem Gesichtspunkt unwirksam eine auf Drohung und Angst basierende Verhaltensstrategie ist. Zwei Post-

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karten mit rotem Hintergrund aus den Zwanziger-Dreißigerjahren unterstreichen, wie Nikolaus die Kinder vor den Drohungen und Gewalttätigkeiten des Krampus schützt – eines jetzt größeren und stärkeren Krampus, der teuflisch-bestialische Züge angenommen hat (langer Schwanz, Pferdefuß, Hörner, behaarter Körper, herausfordernder Blick). Der Wiener Illustrator Eduard Döcker junior 12 enthüllt in der Postkartenserie „Nicolo“ aus dem Jahr 1901 [Abb. 12] die Geheimnisse und Hintergründe des „Bündnisses“ zwischen Nikolaus und dem Krampus: Er stellt sie dar, wie sie miteinander tuscheln, wie sie ihre Verkleidung organisieren, wie sie nach der „Aufführung“ gemeinsam trinken und den gleichen Weg gehen. Döcker scheint den theatralischen Kunstgriff der Maskierung enthüllen zu wollen, um aufzuzeigen, wie die „Schauspieler“ ihren Spott mit der Kindheit und der Naivität der Mädchen treiben. Aber dieses Rollenspiel macht die Begegnung noch vergnüglicher. Der Künstler ist mit seinem narrativen Stil dem heimischen Brauchtum verpflichtet, das wahrscheinlich auch das Nikolausspiel kannte (dieses Wanderschauspiel zur Darstellung des Kampfes zwischen dem Guten und dem Bösen, bei dem immer auch der gutmütige heilige Bischof Nikolaus und der unbändige Krampus mitwirken), und er stellt auf seinen Postkartenserien das bäuerliche Alltagsleben in den Alpen im 19. und 20. Jahrhundert dar. Andere Postkarten – wie zum Beispiel eini-

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ge polnische Glückwunschkarten, die auf die ersten Jahre des 20. Jahrhunderts zurückgehen – weisen ein anderes Umfeld auf, die Gestalten werden zu Trägern anderer Funktionen. Die Abbildungen zeigen einen mit einer roten Jacke angetanen Teufel, der als Knecht des heiligen Nikolaus auftritt: Er zieht den Schlitten, auf dem der von Geschenken umgebene Nikolaus sitzt, aber er trägt auch einen kleinen, wie einen Christbaum geschmückten Tannenbaum. Die Gestalten des heiligen Bischofs Nikolaus und des imaginären Weihnachtsmanns beginnen miteinander zu verschmelzen. Auf einer anderen Karte stapft Nikolaus durch den Schnee, und ihm geht ein Engelchen voraus, das einen kleinen Christbaum und ein Spielzeug trägt. Ihnen folgt ein nackter Teufel, wie ein Sklave in vergangenen Zeiten, der eine Schachtel voller Spielsachen trägt [Abb. 13–14]. Auf einer Postkarte aus den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wird das Gemälde Sankt Nikolaus von Ernst Payer (1862–1937) wiedergegeben. Der österreichische Künstler stellt einen Kampf dar, in dem Nikolaus den heiligen Georg spielt, der ohne Rute und Äpfel auftretende Krampus den Drachen: ein schreckenerregendes Tier, ein behaarter Teufel mit scharfen Krallen, einer langen roten Zunge und zwei Hörnern. Aber Nikolaus hat die Oberhand gewonnen. Eine weitere Tendenz zeichnet sich auch auf den Postkarten mit dem Paar Nikolaus-Krampus ab, die aus dem frühen 20. Jahrhundert stam-


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men (sie ist zum Beispiel auf den Illustrationen von Eduard Döcker jr zu erkennen): Die beiden Gestalten werden – nicht nur auf erzieherischer, sondern auch auf ethischer und kultureller Ebene – allmählich heruntergespielt und verharmlost, werden in Spielsachen, Hampelmänner und sogar Karikaturen verwandelt, die den Kindern keine Angst mehr einjagen können [Abb. 15]. Dagegen werden die Kinder zur Bewusstseinsbildung angeleitet, zur Unterscheidung zwischen Gut und Böse, die aber – was niemals verschwiegen wird – immer gemeinsam in jedem Menschen fortleben. Die gemeinschaftliche Achtung einer gesitteten Lebensart, der sozialen Gerechtigkeit und der Teilnahme aller an den Entscheidungen für das Gemeinwohl sind die einzigen Mittel gegen Ungerechtigkeit, Gewalttätigkeit und Krieg [Abb. 16].

die Kindheit und der Krampus Der Krampus hatte eine präzise Aufgabe: Er hatte die „unartigen“ Kinder wegzuschleppen und die ungezogenen Kinder zu bestrafen, mochten sie lernfaul, unordentlich oder unehrerbietig sein, bockig oder essgierig, handgreiflich und gewalttätig oder das Bett nässen … Alle Fehler und Schwächen, alle Rebellionen kamen in den Tragkorb des Teufels. Auch wenn der Krampus die Kinder nicht wirklich mitnahm – er flößte ihnen doch so große Angst ein, dass sie in Zukunft braver und artiger wurden. Bei

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der „Erziehung mit Angst“ werden die Kinder als noch nicht ganz „erwachsene“, noch nicht voll entwickelte Erwachsene angesehen, die noch geformt werden konnten, mit guten oder bösen Manieren. Es ist die Erziehung mit Prügeln; denn diese zarten Wesen mussten „zurechtgebogen“ werden, bevor sie endgültig zugrunde gingen. Mit seiner Geschichte der Kindheit 13, die er 1960 in Paris veröffentlichte, tat der französische Historiker Philippe Ariès einen bedeutungsvollen Schritt im Bereich der Erziehungswissenschaft. Der Autor untersucht die Haltung, die die Erwachsenen im mittelalterlichen und modernen Europa den Kindern entgegenbringen und kommt anhand von Recherchen in ikonografischen, künstlerischen und literarischen Quellen und der Studien von Sitten und Bräuchen zu der Folgerung, dass den Kindern erst in jüngerer Zeit die rechte Aufmerksamkeit zugewandt wird. Im Mittelalter wie in der Neuzeit gab es keine „Kindheit“ im Sinn einer bestimmten Altersgruppe. Dieser Begriff trat erst im Laufe des 18. Jahrhunderts auf. Bis dahin wurden die Kinder als Erwachsene in Miniatur angesehen, nicht als eigene Wesen. In den ersten zwei Lebensjahren wurden sie gar nicht in Betracht gezogen, ja oft hatten sie, angesichts der hohen Kindersterblichkeitsrate, nicht einmal einen Namen. Sobald sie ein Mindestmaß an Selbständigkeit erreicht hatten, wurden sie sofort in die Welt der Erwachsenen gestoßen und begannen


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ohne jeglichen Schutz zu arbeiten. Niemand stellte sich das Problem eines Kindheitsschutzes. Ariès’ Auffassung, wonach es sich bei der Kindheit um eine „Entdeckung“ aus jüngerer Zeit handelte, gab den Anstoß zu lebhaften Debatten und zu aufmerksameren, sorgfältigeren historischen Untersuchungen der erzieherischen, kulturellen und sozialen Erscheinungen des Alltags und der Bräuche im Familienleben, die die Entwicklung der Kindheit in den letzten zwei Jahrhunderten geprägt hatten. Und in diesem Zusammenhang spielte auch der Krampus eine ganz bestimmte Rolle: Durch sein Bild auf den Postkarten, durch die Fantasie und die Techniken der Illustratoren wird uns das Umfeld vor Augen geführt, in dem der Kindheit ihre besonderen Merkmale zugestanden wurden, sodass jetzt auch im erzieherischen Bereich den Bedürfnissen nach Wissen und dem rechten Verhältnis zur Welt der Erwachsenen entsprochen werden konnte. Auf einer Postkarte aus dem Jahr 1919 [Abb. 17] sind der Krampus und der heilige Nikolaus zusammen zu sehen. Aber während der gute Bischof an die ihn umringenden Kinder kleine rote Äpfel verteilt, steckt ein riesiger, behaarter und gehörnter Krampus hinter ihm die unverbesserlichen Lausbuben mit dem Kopf nach unten in einen Sack. Ein kleines Mädchen blickt besorgt den heiligen Nikolaus an, während es einen ihr geschenkten Apfel verzehrt.

Auf einer besonderen Postkarte aus dem frühen 20. Jahrhundert (die Fotoretusche wird mit der Illustrationstechnik verbunden) ist der Krampus, der ein menschliches Antlitz hat, als Teufel verkleidet (mit langem Schwanz und spitzen Hörnern), und auf dem Rücken trägt er einen hölzernen Korb mit einem Buben, der eine Puppe in der Hand hält, sehr beunruhigt aussieht und um Hilfe zu bitten scheint. Auf dem Boden liegt ein Stoffsack, aus dem ebenfalls ein Junge ragt, fast ein Zwerg [Abb. 18]. Nikolaus scheint wegen dieser „Entführungen“ den Krampus zur Rede zu stellen, der mit niedergeschlagenen Augen zuhört. Im Hintergrund sind vor einem Haus mehrere Kinder zu sehen, die diese Szene aufmerksam verfolgen. Durch die Verwendung einer Fotografie bekommt diese Abbildung eine noch stärkere, realistischere Wirkung, während der Krampus mehr menschliche als bestialische Züge hat. Eine zwischen 1900 und 1920 entstandene Postkartenserie zeigt uns dagegen den Krampus in all seiner Bosheit: Da Nikolaus abwesend ist, können sich die Gewalttätigkeit, die Grausamkeit und die unbegründete Wut des Teufels erst recht entfalten, sodass die stark emotional geprägten Szenen von der Angst beherrscht werden. Ein Neugeborenes, ein kleines Mädchen und zwei Jungen in Ketten werden von einem Krampus mit bestialischen Zügen abgeführt, während ihm zwei kleine, auf ihre Untat stolze Teufel dabei zur Hand gehen [Abb. 19].

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Oder der wilde Krampus, der durch ein verschneites Dorf streift, der in ein Haus einbricht und zwei elegant-bürgerlich gekleidete Kinder in Ketten abführt, der Frauen wie Männer im Dorf oder auf freiem Feld schlägt, gefangen nimmt und auspeitscht: ein grausamer, hemmungsloser, mitleidsloser Teufel. Ein anderer Krampus zieht einen Jungen im Matrosenanzug an den Ohren, wieder ein anderer lässt sich von den Bitten eines knienden, verzweifelt weinenden Mädchens in einem Rückenkorb erweichen. Es handelt sich um einen Krampus, wie er „im Bilderbuche“ steht: behaart, mit langem Schwanz und Pferdefuß, mit Ziegenbockhörnern und langer roter Zunge, eine Rute und Ketten in den Händen. Und dann ein junger, schnell laufender Krampus: Er hat sogar zwei Pferdefüße und trägt in seinem Rückenkorb ein junges Mädchen mit zerzausten blonden Haaren, das den Teufel weinend um Mitleid anfleht. Der Teufel, der in den Händen eine Kette und eine Peitsche hält, scheint auf seine „Beute“ stolz zu sein. Das „Böse“ bricht wie ein reißender Fluss aus, ohne Zügel, ohne Regeln und ohne Dämme, ohne gemeinsame gesellschaftliche Werte. Der Mensch mag noch so stark und mächtig sein – er kann es nicht aufhalten. Und die Opfer sind wieder einmal die Unschuldigen, die Kleinsten, die Schwächsten und die Wehrlosesten.


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Aber dann tritt ein Wandel ein: Die Kinder sind nicht mehr so passiv und tatenlos wie zuvor, und die Krampusse, die sich auch in die Häuser der wohlhabenden Familien wagen, lernen ihren Widerstand kennen; denn die Kinder halten die Tür zu und versuchen zu „verhandeln“. Nur haben sie keine großen Erfolgschancen. Die Postkarten, die dem Schulleben gewidmet sind (der wichtigsten Einrichtung für die Kindheit), sind schrecklich anzusehen: Auf einer Karte aus dem Jahr 1900 [Abb. 20] verbläut ein Teufel mit Fledermausflügeln einen unwissenden Schüler, der nicht rechnen kann, unordentlich ist und eine schmutzige, verschlampte Schultasche trägt. Die Schule wird zum beliebten Spielfeld der Krampus-Aktionen: Er präsentiert sich als Lehrer und droht den Schülern, die sich schlecht betragen, die fürchterlichsten Strafen an, er bringt die Kinder zu Rechenfehlern, peitscht die faulen und lustlosen Kinder aus, bestraft die Spitzbuben, die Schüler, die abschreiben und schwindeln und miteinander schwatzen, die zerstreut sind und keine Lust zum Lernen haben. Die Erziehungsmodelle des 19. Jahrhunderts, die noch bis in die Sechzigerjahre des 20. Jahrhunderts fortleben, werden auf den Postkarten zur bevorzugten Bühne der Auftritte des Krampus, der sich gern als Lehrer verkleidet [Abb. 21]. Doch auch in dieser Postkartengruppe kommt es zur Revanche der Kindheit. Die Kinder fangen an, den Krampus auf den Arm zu nehmen, verstecken sich, legen ihm Hindernisse in den Weg und fordern ihn heraus; denn schließlich sind sie in „ihrem“ Haus [Abb. 22]. Auch in diesem Fall wird der Teufel, ohne Nikolaus als Begleiter, „abqualifiziert“ und wird zum Opfer der Kinder [Abb. 23], zu einem Spielzeug [Abb. 24, Abb. 26], zu einem Pflegefall und sogar zu einem Objekt der Verführung [Abb. 25].

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Gaben und Gegenstände Etliche Postkarten sind dem heiligen Nikolaus und dem Krampus und den Gaben und Gegenständen gewidmet, die sie in der allgemeinen Vorstellung am ehesten charakterisieren. Nikolaus, der heilige Bischof, wird mit einem goldenen Krummstab abgebildet, mit der Mitra und einem langen, warmen Mantel, mit dem Schlitten oder dem Esel, dem Sack oder dem Rückenkorb mit den Geschenken für die Kinder wie Süßwaren, Obst, Äpfeln und kleinen Holzspielwaren, und er zieht immer durch eine verschneite Winterlandschaft [Abb. 27]. Nikolaus verteilt die Gaben persönlich, in den Häusern oder auf der Straße, er gibt sie in die gut geputzten und gewichsten Schuhe, die die Kinder vor der Tür, auf dem Fensterbrett oder neben dem Kamin aufgestellt haben. Auf der Karte mit der Reproduktion des Gemäldes Nikolobescherung von Theodor Breidwiser aus dem ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts liegen die Geschenke auf dem Fensterbrett: frisches Obst, Trockenobst und Nüsse. Mehr als erfreut sind die Kinder überrascht und aufgeregt, sind eingeschüchtert, weil sie nicht daran gewöhnt sind, beschenkt zu werden [Abb. 28]. Die kleinen roten Äpfel, die die Kinder so beglücken, erinnern an die Legende von den drei Goldkugeln, die der heilige Nikolaus drei armen jungen Mädchen zu einer respektablen Mitgift schenkt, damit sie sich vor einem Leben als Prostituierte

retten können. Bei einer Postkarte aus dem Jahr 1913 mit dem Foto von Sankt Nikolaus, zwei kleinen Mädchen und einem Korb voller Äpfel handelt es sich wahrscheinlich um eine moderne Interpretation der alten Legende, wobei neue technische Mittel wie die Fotografie, die Retusche und die Chromolithografie eingesetzt werden, um der Szene einen realistischeren und vertrauteren Ausdruck zu verleihen [Abb. 29]. Die Postkarten erzählen, dass die Nikolausgaben jedes Dorf, jede Stadt und jedes Haus erreichen, in dem Kinder leben, von den ärmsten Bauern zu den wohlhabenden Bürgern und Städtern. In den ersten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts bestehen die Geschenke vor allem in Keksen und Obst (das im Winter eine Rarität und besonders bei den Kindern in den mitteleuropäischen Ländern, die noch nicht von den großen Verkehrswegen berührt wurden, sehr gefragt war). Ich erinnere mich noch an ein Begebnis aus den Sechzigerjahren: Die Kinder einer Mehrklassenschule in einem damals gottverlassenen Dorf in einem Trentiner Tal hatten sich mit einem Brief an einen einflussreichen einheimischen Politiker gewandt und berichtet, dass sie niemals Grapefruits gesehen hatten, sie aber gern kosten würden. Die Antwort ließ nicht auf sich warten: Im Namen des potenten Politikers langte ein ganzer Lastwagen voller Grapefruits im Dorf an, zur Freude der


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Kinder und der anderen Dorfbewohner. Gewiss, es war kein Geschenk des heiligen Nikolaus, aber die Geschichte – angesichts der die Massenmedien aufbegehrten, da sie sie als schlau genutzte Wahlpropaganda des einheimischen Politikers interpretierten – lässt uns besser verstehen, was im frühen 20. Jahrhundert ein kleiner roter Apfel für die im Gebirge oder in den von kalten Winden heimgesuchten Gegenden lebenden Kinder bedeutete. Die Postkarten aus vergangenen Zeiten vermitteln uns also einen Überblick über die Geschenke, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts den Kindern bestimmt waren: Äpfel, Nüsse und Trockenobst, Kekse und Pfefferkuchen, ein paar Bonbons und vielleicht ein Stück Schokolade, ein hölzerner Kreisel und ein Hampelmann, eine Stoffpuppe und eine kleine Trommel. Die Geschenke wurden direkt in die Schuhe getan, unverpackt, denn Papier war damals sehr teuer. Doch von den Dreißigerjahren an sind Schleifen, Schachteln und Packpapier bei den Wohlhabenderen zu sehen: Zur Freude über das Geschenk kam auch die Überraschung beim Auspacken, das manchmal noch aufregender war als der Anblick des eigentlichen Geschenks. Die Wartezeit hatte ein neues symbolisches Ritual gefunden: das magische Spiel des Sehens und Nicht-Sehens und des Auspackens, bei dem das Papier vom Objekt getrennt und

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das Objekt auf diese Weise „demaskiert“ wurde, damit es sich in seiner Wesentlichkeit zeigen konnte [Abb. 30]. Das Bild des heiligen Nikolaus überschneidet und vermischt sich hier mit dem des Weihnachtsmanns, und von den Dreißigerjahren an wird auch die grafische Darstellung von den neuesten Zeichen- und Filmtechniken beeinflusst: von Comics, amerikanischen Zeichentrickfilmen und Walt-Disney-Figuren [Abb. 31]. Auch der Krampus wird allmählich zum Gabenbringer. Im Laufe der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts gewinnt der Begleiter des heiligen Nikolaus zunehmend an Eigenständigkeit und wird – von Angst, Klamauk und Ironie umhüllt – allmählich zu einem Alter Ego von Nikolaus. Dem Krampus und seinen Streichen und Prahlereien werden ganze Serien von Postkarten gewidmet: Sie werden gezeichnet und gedruckt, aber auch komplizierter gestaltet, als Intarsien und Reliefs, mit Applikationen aus Stoff, Stroh, Papier und anderen Materialien. Ihre Sujets sind die verschiedenartigen Krampusgestalten und ihre besonderen Merkmale, aber auch seine „Ausrüstung“ (Ruten und Peitschen, Ketten und Heugabeln, Kuhglocken, Schellen und Pelze) und seine Gaben wie Obst, Zuckerkohle, Bonbons und Pfefferkuchen. In der Ausstellung zeigen wir eine kleine Auswahl dieser Postkarten, die in den Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts veröffentlicht wurden [Abb. 32–35].

Der Krampus wird auf diese Weise von seiner Rolle als Peiniger befreit und zieht in Häuser und Wohnungen ein: ein beunruhigendes, bedrohliches Wesen, das manchmal sympathisch und vergnüglich ist, manchmal aber auch provokant und aufreizend. Seine Auftritte betreffen nicht mehr nur die Erziehung der Kinder, sondern greifen auch auf die Welt der Erwachsenen über. Vielleicht ist die kollektive Moral im Spiel. Wir sind in den Dreißigerjahren, in Europa beginnen sich Veränderungen und Umwandlungen abzuzeichnen, ein neuer Weltkrieg wirft seine Schatten voraus. Das kollektive Bewusstsein, dass „das Böse“ in uns ist und wir es vielleicht in den Mauern unserer Häuser verschlossen halten können? „Freud docet“.


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der Krampus in seinen verschiedenen erscheinungsformen Die ersten Postkarten, auf denen der Teufel mit Fledermausflügeln und Pferdefüßen zu sehen ist, mit Ziegenbockhörnern und Ziegenbart, mit spitzen Ohren und durchdringendem, scharfem Blick, auf denen er eine Heugabel in den Händen hält oder zu geheimnisvollen Figuren stilisiert wird, werden zum Jahreswechsel verschickt. „… hol das alte Jahr …“, „… hol die schlechten Zeiten …“ ist auf Karten aus den Jahren 1901 und 1903 zu lesen, mit denen das alte Jahr … zum Teufel geschickt wurde 14 [Abb. 36]. Gleichzeitig kommen die ersten Postkarten auf den Markt, die – mit Grüßen vom Krampus – an die Kinder geschickt werden. Der Krampus

nimmt auf diesen Karten unterschiedliche Gestalten an, wird oft schwarz stilisiert auf rotem Grund abgebildet, mit spitz zulaufenden Ohren, Hörnern, einem Ziegenbart und der Rute in der Hand, oder aber farbig in Schwarz-Rot [Abb. 37–38].


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Wie Roland Girtler anhand von Quellenforschungen nachgewiesen hat, ist der Name „Krampus“ etymologisch vom alten Wort Kramp „Kralle“ herzuleiten 15. Im Laufe von mehr als 50 Jahren haben die Illustratoren bei der Darstellung des Krampus auf die unterschiedlichen lokalen Bräuche, Rituale, Funktionen, Legenden, Sagen und Geschichten zurückgegriffen. Die Günther-Kofler-Sammlung vermittelt uns einen guten Überblick über die verschiedenartigen Krampus-Darstellungen: Er tritt uns als Satyr oder als Ungeheuer entgegen, das die Höllenpforten auftut [Abb. 39], als Hofnarr oder als Spieler [Abb. 40], als satanische Gestalt im Frack oder als Verführer und als Seelenräuber, als der er so häufig in der Literatur erscheint [Abb. 41]. Zur Wiedergabe dieser monströsen Gestalten werden auch ausgefeilte Techniken eingesetzt, wie Reliefpapier, besondere Färbungen, Intarsien und Stoffapplikationen auf bedrucktem Papier, eine Art Patchwork ante litteram [Abb. 42–44].


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Um die Dreißigerjahre beginnt der Krampus als „Super-Krampus“ dargestellt zu werden, der mit nacktem Oberkörper auf einer „Super-Rute“ reitet, ein Muskelprotz mit triumphierendem Antlitz, der eine stilisierte Heugabel im Arm hält. Ein allmächtiger Mann – wie es auch dem Reim auf der Postkarte zu entnehmen ist: „Der Krampus bringt mit schönem Gruß, das, was man für Dich haben muß“ [Abb. 45]. Aus den Vierzigerjahren stammen dagegen die Darstellungen der Krampusse als eines organisierten, fleißigen, kämpferischen und arbeitsamen „Volks“. Im Vordergrund sind auch Frauen zu sehen. Die Zeichnung erinnert an Comics: So findet sich die Parodie auf eine KrampusAmeise, mit kurzem Rock, Heugabel, spitzigen Schuhen, wie sie die Spielleute oder die Zwerge tragen, Kragen und Manschetten im Stil des 17. Jahrhunderts, zwei sehr langen Hörnern und einer riesigen Zunge [Abb. 46]. Und dann präsentiert sich auch die KrampusFrau. In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahr-

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hunderts hatte sie sich mit wenigen ironischen Abbildungen über die Verführungskunst und den unheilvollen Einfluss der Frau begnügen müssen. Auf zwei Postkarten aus dem frühen 20. Jahrhundert wird sie nun einem modern gekleideten und mit Zylinder angetanen Teufel gegenübergestellt, der drei hübsche junge Mädchen entführt. Der Krampus, der sich jetzt vom Nikolaus selbständig gemacht hat (viele Gelehrte haben diesen Übergang als Phase der Verweltlichung der Tradition bezeichnet), beginnt auch in der Erwachsenenwelt um sich zu greifen, geht auf die „Spiele“ der Erwachsenen ein und macht mit dem Eros Bekanntschaft [Abb. 47–48]. Es werden Postkarten mit den „schlimmen Mädchen“ entworfen und gedruckt, auf denen sich junge Frauen in Krampusse in männlicher Abendrobe verwandeln [Abb. 49], wie auch Postkarten erscheinen, auf denen ironisch „Der Krampus u. seine Schwiegermutter, gemalt von Max u. Moritz“ zu sehen sind. Selbst für den Teufel gibt es keinen Respekt mehr [Abb. 50].

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moderne teufeleien Der Krampus der Postkarten ist immer auf der Suche nach neuen Abenteuern, um seinen angeborenen Wunsch nach dem Besitz der Seele (und des Körpers) seiner Opfer zu befriedigen, vor allem, wenn es sich um erwachsene Opfer handelt. Die Technologie, der um die Jahrhundertwende große Begeisterung und etwas Misstrauen entgegengebracht wurden, wird zu einem wertvollen Mittel zur Erfüllung dieser Wünsche und ein beliebtes Spielfeld, um mit dieser seiner zerstörerischen Strategie zu experimentieren. So verwandelt sich ein Teufel in einen boshaften Teufel, der einen Ski laufenden Nikolaus zum Besten hat [Abb. 51]. Nicht genug damit: Krampus verführt einen biederen Bürger zu einer Schlittenfahrt, führt mehrere Mädchen auf einem Schlitten bis an den Rand eines Abgrunds [Abb. 52]. Dann fährt er Rad, benutzt gemeinsam mit dem Nikolaus ein Tandem, lenkt die ersten und dann immer modernere Autos, ein Motorrad und eine Beiwagenmaschine [Abb. 53], um es dann sogar mit einem Flugzeug zu wagen [Abb. 54]. Als Flugzeugpilot zieht er wie der „rote Baron“ in den Krieg [Abb. 55], bombardiert die Erde mit seinen Peitschen [Abb. 56], lenkt ein Luftschiff, um hübsche Mädchen gefangen zu nehmen, landet mit einer Rakete auf dem Mond, benutzt das Telefon und hört Radio [Abb. 57], löst Kreuzworträtsel, kocht Herzen und walkt sie mit einem Nudelholz aus [Abb. 58], und schließlich kümmert er sich um Finanzen und Bilanzen. Eine Katastrophe! Die Krise ist unausweichlich [Abb. 59].


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der politische Krampus Mehrere in Wien erschienene und dem Krampus gewidmete Postkarten machen sich über den deutsch-österreichischen Militarismus lustig, über den Krieg, die Revolutionen und die Revolutionäre, die Bürgerlichen und die Proletarier, über Ideologien und Klassenkämpfe, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine so große Rolle gespielt haben. In der Kofler-Sammlung finden sich einige „Glanzstücke“: Ludwig Kainzbauer zum Beispiel entwirft eine Postkarte mit einem außergewöhnlichen Vertreter der „Krampus-Armee“ in Paradeuniform [Abb. 60], während ein Illustrator, der sich „Hatz.“ signiert, einen fürchterlichen Teufel mit Lederhosen in Tiroler Stil und Fledermausflügeln zeigt, der auf einer Art Tragbahre die Feinde Österreichs (einen schottischen, französischen, russischen und chinesischen Soldaten) abtransportiert und einen in Ketten liegenden italienischen Bersagliere abführt, wohl als Sündenbock des verräterischen Bruchs des Bündnisses mit dem Habsburgerreich. Diese Postkarte ist auf 1915

datiert, das Jahr des italienischen Kriegsbeitritts. Neben den Grüßen vom Krampus findet sich auch die Aufschrift „Ihr kommt mir nicht mehr aus“. Auf einer weiteren Postkarte dieser Serie ist ein riesiger Krampus in bolschewikischer Uniform abgebildet, der – mit Krummsäbel, Ketten, Patronengurt und Peitsche angetan – die kleinen Feinde (einen Türken, einen Preußen und einen Soldaten der zaristischen Armee) bedroht, die ihn umtanzen und verspotten. Die Postkarte trägt keine Jahreszahl, stammt aber wohl aus der Zeit nach der sowjetischen Oktoberrevolution 1917 [Abb. 61]. Ebenfalls Kainzbauer hat einen proletarischen Krampus entworfen: Ein Mann mit ausgetretenen Schuhen, einer Bolschewikenmütze, einem Knüppel in der Tasche und einer Kette in der Hand, mit zerfetzter Jacke und einem roten Halstuch wird herablassend von einem Kapitalisten betrachtet, der einen pelzgefütterten Mantel trägt, einen Zylinder, glänzende, hochelegante Schuhe und einen Schirm in der Hand hält [Abb. 62].

Aber der politische Krampus nimmt auch die Bürger aufs Korn: gut angezogene, ehrbare Männer, Frauen mit Pelzstola, Tennisspieler in exklusiven Klubs und verwöhnte Jugendliche. Die Welt geht zugrunde, und der Krampus wirkt aktiv und mit Vergnügen an diesem Auflösungsprozess der Gesellschaft mit [Abb. 63–65].


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eros und Verführung Schon seit dem frühen 20. Jahrhundert haben die Krampus-Karten, besonders im Raum der Habsburgermonarchie, nicht nur die Kinder zur Zielgruppe. Im kulturellen Klima der Zeit, in dem Eros und Verführung neue Aufmerksamkeit finden, werden auch Krampus-Karten produziert, auf denen der Krampus als Verführer und Verführungsobjekt dargestellt wird. Die Klischees der weiblichen Welt werden dem Spott preisgegeben und verwandeln sich oft in Karikaturen des schicklichen Benehmens und des falschen Moralismus der vernünftig-konformistischen Bürger. Viele der Entwerfer der Krampus-Karten (Illustratoren und Grafiker) gehören den tonangebenden künstlerischen und kulturellen Bewegungen ihrer Zeit an und wirken mehr oder weniger direkt am experimentierfreudigen Erneuerungsprozess mit, der besonders die zwei Jahrzehnte um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert in Wien, Paris und Berlin prägt. Architekten wie Otto Wagner, Josef Hoffmann und Adolf Loos gaben Wien ein neues Antlitz, Maler, Musiker, Architekten, Dichter, Journalisten und andere Intellektuelle trafen sich im Café Griensteidl, im Café Central und im Café Museum, um über Kunst, Musik, Literatur und Politik zu diskutieren. Das Café Griensteidl war 1890 der Treffpunkt des Literatenkreises „Jung-Wien“, der sich um Hermann Bahr geschart hatte. Karl Kraus, der ebenfalls zu den Stammgästen dieses Künstlerlokals gehörte, stand der „antinaturalistischen literarischen Moderne“ sehr kritisch gegenüber, und er polemisierte mit den jungen Literaten in seiner Zeitschrift „Die Fackel“, die enge Kontakte zur ähnlich ausgerichteten, von Ludwig von Ficker geleiteten und in Innsbruck veröffentlichten Zeitschrift „Der Brenner“ hatte, in der auch Gedichte von Georg Trakl publiziert wurden. Zur kulturellen Blüte trugen auch Peter Altenberg bei, der Dichter des Alltags, große innovative Komponisten wie Gustav Mahler, Alban Berg, Anton Webern, Egon Wellesz und Arnold Schönberg und die Secessionskünstler Gustav Klimt, Kolo Moser, Josef Hoffmann, Joseph Maria Olbrich, Otto Wagner, Egon Schiele und Oskar

Kokoschka – um nur einige zu nennen. Sigmund Freud verwendete 1896 erstmals den Begriff Psychoanalyse, und 1899 erschien seine von ihm auf 1900 datierte „Traumdeutung“. Dass Freud die Sexualität als Ursprung vieler Handlungen und Wünsche betrachtete, stieß bei etlichen Zeitgenossen auf Entrüstung, auch in Hinblick auf die Tatsache, dass zu Beginn des 20. Jahrhunderts die ehelichen Beziehungen von einer Art doppelter Moral getragen waren und alles, was mit der Sexualität zu tun hatte, mit Tabus, Fürchten und Geheimnissen belegt war. Auch der Schriftsteller Arthur Schnitzler und der Philosoph Otto Weininger beschäftigen sich mit den Themen der Sexualität, der Verführung, des Ehebruchs und der die damalige Gesellschaft prägenden doppelgesichtigen Moral, wie sie auch den aufkommenden Antisemitismus der Wiener Gesellschaft witterten und darüber nachzudenken begannen. Dieser Zeitgeist gab auch den Anstoß zu neuen Erwägungen über die Frau und ihre gesellschaftliche Rolle, über die Beziehung zwischen Geschlecht und Charakter, über die Rechte, die Pflichten und die „Gleichberechtigung“ der Frau. Die Kämpfe für die Emanzipation der Frau fanden auch im großen Habsburgerreich nachhaltiges Echo. Otto Weininger, der im Alter von 23 Jahren Selbstmord beging, suchte in seiner 1903 veröffentlichten Schrift Geschlecht und Charakter eine „Psychologie der Geschlechter“ zu begründen, indem er das Männliche als konstruktives Element des Guten, Schönen, Wahren und Objektiven ansah, das Weibliche als deren Gegenteil. Jeder Aspekt des Lebens sei von diesen beiden, ewig hin- und herschwankenden Aspekten geprägt. Aus Weiningers Theorie, die er auch auf andere Lebensbereiche (Psychologie, Soziologie, Philosophie, Moral) auszuweiten suchte, spricht eine extreme Misogynie, die ihn unter anderem zu der Bemerkung veranlasst, dass dem Mann die Aufgabe zukomme, die gänzlich unbewusste Frau auf eine Bewusstseinsstufe zu führen, und er unterscheidet zwei Frauentypen, die absolute Mutter und die Hure 16. Weiningers Werk fand in


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der mitteleuropäischen Kultur großen Widerhall, denn ihm kam das Verdienst zu, das in der allgemeinen Mentalität „Nicht Gesagte“ ans Licht gebracht zu haben. Günther Koflers Sammlung hat den großen Vorzug, durch die auf den verschiedenen Postkartenserien wiedergegebenen Bilder und Geschichten aufzuzeigen, wie sich die kulturellen Stereotype der Frau gegenüber erhalten und gewandelt haben. Die Illustratoren halten uns Szenen vor Augen, in denen der Krampus einmal verführt und ein andermal verführt wird, einmal angreift und ein andermal der weiblichen Verführungskunst zum Opfer fällt, und er wird als feuriger Liebhaber oder als frecher Spaßvogel dargestellt. Vor allem aber liefern sie uns ein Mosaik aus Bildern, anhand derer wir besondere örtliche Bräuche, ihre Beliebtheit und ihre Fortdauer rekonstruieren können, sodass sie uns veranschaulichen, wie und auf welche Art und Weise sich das Empfindungsvermögen, die Mentalität und die Moral der europäischen Gesellschaft im Laufe von 50 Jahren gewandelt haben [Abb. 66]. Die von Eduard Döcker entworfenen Postkarten der „Nicolo“-Serie geben Szenen bäuerlichen Lebens aus dem beginnenden 20. Jahrhundert wieder: Der Krampus ist ein

Verehrer einer jungen Bäuerin, die allein auf dem Land lebt, betritt – von einem komplizenhaften Nikolaus vom Fenster aus beobachtet – das Haus, erschreckt die junge Frau, gibt sich zu erkennen und erobert sie, und alles endet mit einem Glas Wein und einem Teller Kekse. Die beiden jungen Leute sitzen unmaskiert und lächelnd am Stubentisch, während das junge Mädchen sie versorgt [Abb. 67–69]. Auf einer anderen Postkarte wird der Krampus zum Protagonisten eines in den Südtiroler Tälern (einst) verbreiteten Brauchs, des sogenannten „Fensterln“ (das im Übrigen Ähnlichkeiten mit der fuitina auf Sizilien aufweist): Der Brautwerber sucht das Schlafgemach seiner Angebeteten zu erreichen. Er bedient sich dazu einer langen Leiter, die er an die Hausmauer lehnt, um durch ein Fenster (daher der Name des Brauchs) einzusteigen. Die zwei Geliebten brauchen also nicht – wie in Sizilien – zu „flüchten“, aber das Unternehmen ist dennoch nicht ganz einfach. Doch in der Nacht des 5. Dezember kann der junge, als Krampus verkleidete Liebhaber vom Wirrwarr profitieren und sein Ziel erreichen – sofern das junge Mädchen das Fenster offen gelassen hat [Abb. 70]. Einige Postkarten zeigen einen Krampus, der die Frauen in Angst und Schrecken versetzt,


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sie aber zugleich auch fasziniert. Dieser Teufel greift dabei auf die verschiedensten Verführungstricks zurück: Er verkleidet sich als vortrefflicher Skiläufer mit perfekt sitzendem Skianzug, der aber die Erkennungszeichen seines teuflischen Wesens (Schwanz, Hörner, spitze Ohren, Ziegenbart, Peitsche) nicht verbirgt, oder er wird zu einem Liebhaber, der romantisch und sentimental sein kann, feurig und leidenschaftlich, vornehm und faszinierend, gefühlvoll und manchmal pathetisch, sinnlich und provokant, er spielt den Moralisten und den Versucher und verführt – im Sinne des Themas „Die Schöne und die Bestie“ – mit der Faszination des Schrecklichen und des Anderen [Abb. 71], und er wird boshaft und eifersüchtig, stiftet Zwietracht unter den Paaren … „Wenn der Teufel seine Hand im Spiel hat …“. Zu allen Zeiten aber werden die KrampusKarten auch vom weiblichen Klischeebild geprägt. In den Zwanzigerjahren wird den ledigen Mädchen die Höllenstrafe angedroht, wenn sie zu lange unverheiratet bleiben und statt von einem Mann im Haus vom Krampus aufgesucht werden [Abb. 72]. Die Mütter warnen ihre heiratsfähigen Töchter davor, sich zu lange im Spiegel anzuschauen, weil sonst der Teufel erscheint [Abb. 73], und die Männer sind der Gefahr aus-

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gesetzt, dass die Frauen infolge der weiblichen Emanzipation in Krampusse verwandelt werden, was unvorstellbare Auswirkungen auf das Familienleben haben könnte [Abb. 74–76]. Doch die Geschichte kann auch mit einer Umkehr der Rollen enden: In den Händen der emanzipierten Frau wird der Krampus zu einem Spielzeug [Abb. 77], das sie hegen und pflegen kann wie einen Schoßhund [Abb. 78], während sie sich zugleich auch in abenteuerliche, gefährliche Beziehungen stürzen kann [Abb. 79]. Aber in einer Bauernweisheit, der konkrete Erfahrungen zugrunde liegen, heißt es auch, „dass nicht alles Gold ist, was glänzt“ – mit anderen Worten: „In einer schönen Umhüllung zumeist / steckt drinnen ein rechter Teufel“. Eben der Krampus [Abb. 80].

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1 Vgl. den Beitrag von H. Menardi in der vorliegenden Publikation. Ausführlichere Informationen bei W. MEzGER, Sankt Nikolaus. Zwischen Kult und Klamauk, Ostfildern 1993; O. KOENIG, Klaubauf – Krampus – Nikolaus. Maskenbrauch in Tirol und Salzburg, Wien 1983. 2 MEzGER, Sankt Nikolaus…, op. cit., Abb. 62, S. 162. 3 Entsprechende Hinweise und Interpretationen bei MEzGER, Sankt Nikolaus…, op. cit. und KOENIG, Klaubauf…, op. cit., S. 5–23. 4 Vgl. hierzu H. SCHUHL ADEN, Die Nikolausspiele des Alpenraumes (SchlernSchriften 271), Innsbruck 1984. 5 Vgl. W. BENJAMIN, L’opera d’arte nell’epoca della sua riproducibilità tecnica, Torino 2000. 6 Die Sammlung besteht aus 243 Postkarten, die thematisch und gemäß den jüngsten Richtlinien und Ansätzen der Kunstgeschichte und der Kulturanthropologie geordnet sind. Die in der Ausstellung gezeigten Postkarten vermitteln uns ein Bild von der europäischen Gesellschaft, von ihren Problemen und ihrer Vorstellungswelt, von ihren Wünschen und ihrem Wandel vom Ende des 19. Jahrhunderts bis um die Mitte des 20. Jahrhunderts. 7 W. BENJAMIN, Eduard Fuchs, der Sammler und der Historiker, in: M. HORKHEINER (Hrsg.), „zeitschrift für Sozialforschung“, Jg. 6 (1937), fotomechanischer Nachdruck München 1980. 8 Ebda. 9 Vgl. W. TILL , Alte Postkarten, Augsburg 2006. 10 Mehr zu den Drucktechniken bei TILL , Alte Postkarten, op. cit., S. 27–31. 11 Es ist nicht leicht, die Bildpostkarten ohne verlegerische oder handschriftliche Angaben zu datieren. Nützlich sind in diesem zusammenhang einige historische Besonderheiten in der Drucktechnik: Bis um das Jahr 1900 (was aber nicht für alle Länder gilt) befand sich der Raum für die Adresse des Empfängers auf der Kartenrückseite, während auf der mit einer Abbildung versehenen Vorderseite nur ein kleiner Raum für den handschriftlichen Mitteilungstext blieb. Ab 1903–1905 (aber auch diese Angaben gelten nicht für alle Länder) wird den handschriftlichen Mitteilungen ein kleiner Raum neben dem Adressenschema auf der Rückseite vorbehalten. Nach 1930–1935 wird die Rückseite der Postkarte durch eine Linie in zwei fast gleiche Teile geteilt, einen für die Adresse und den anderen für persönliche Mitteilungen, Grüße und Glückwünsche.

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12 Eduard S. Döcker junior, Illustrator, Maler und Werbegrafiker, lebte und wirkte zwischen 1860 und 1920 in Wien. Als Mitarbeiter des angesehenen Kunstverlags Rafael Neuber entwarf er unter anderem eine Postkartenserie zur Illustration von Werken des Schriftstellers und Dichters Ludwig Ganghofer und eine weitere Serie mit Nikolausgeschichten. zu seinem Leben und seinem Schaffen liegen keine weiteren Angaben vor. 13 P. ARIèS, Geschichte der Kindheit, München 1975. 14 zu ausführlichen Hinweisen auf die Ikonografie des Teufels vgl. M. COSSET TO, S. SPADA PINTARELLI (Hrsg.), Il Male. Il Diavolo. Der Toifl. Krampus, „STORIA E Dossier“, Dezember 2010. 15 Vgl. R. GIRTLER, Gruß vom Krampus. Auferstehung einer teuflischen Kultfigur, Wien-München 2001. 16 Vgl. O. WEININGER, Geschlecht und Charakter, Wien und Leipzig 1920; C . MAGRIS, Opere, Bd. I, Milano 2012; Ders., Il mito asburgico nella letteratura austriaca moderna, Torino 2009.


1 Geteilte rückseite: Dieses Schema war in den einzelnen Staaten ab 1902/1907 verbreitet und ist auch heute noch anzutreffen. Die Rückseite ist durch einen Trennungsstrich in zwei Teile geteilt: Auf die rechte Seite kommen die Adresse und die Briefmarke, während die linke Seite Mitteilungen des Absenders vorbehalten ist.

2 Ungeteilte rückseite: Dieser Postkartentyp war je nach Staat bis 1902/1907 verbreitet, wobei die Rückseite einzig für die Adresse, die Briefmarke und den Poststempel bestimmt war. Der Mitteilungstext des Absenders wurde auf der Vorderseite auf einem Raum neben oder unter der Illustration angebracht.

[10] Ankündigung der Ankunft des heiligen Nikolaus und des Krampus, vom Illustrator signierte Abbildung, Verlag u. Eigenthum v. G. Rüger & Co – Wien V/I 1900, Nr. 528, k.k. Reich, ungeteilte Rückseite, gereist, 1900. Nikolo mit Krampus hier / Kommt nun auch zu Deiner Thür’. Bist Du brav, beschenkt er Dich, / Schlimme straft er fürchterlich! Anmerkung: Die Postkarte ist an Miss Carla Gnecchi, via Filodramatici N. 10, Milano, Italy adressiert. [11] Nikolaus und der Krampus mit der Heugabel in einer Stube vor verängstigten Kindern, Illustrator M. Gardavské, Verlag Vydal J. Procházka, Brno (Mähren, k. k. Reich). Geteilte Rückseite, nicht gereist, 1910–1918. [12] Nikolaus und der Krampus plaudern unterwegs, Illustrator E. Döcker jun., Verlag Rafael Neuber, Wien VII, „Nicolo“-Serie, k. k. Reich, ungeteilte Rückseite, gereist, handschriftliches Datum 26.4.1901. Anmerkung: Die Karte kommt aus Rijeka und ist an Anna Bohinec, Laibach, adressiert

[1] Gruss vom Nikolo, Illustrator unbekannt, Wanda Rehberg-Karte Nr. 22/37, Tschauner & Fortes Wien VIII, Österreich, geteilte Rückseite 1, nicht gereist, 1920–1930. [2] Gruß vom Krampus, Illustrator unbekannt, geteilte Rückseite, nicht gereist, 1900–1920. Anmerkung: Postkarten durften anfangs nur im Ausstellungsstaat verschickt werden. Der Umlauf auch in anderen Staaten wurde am 1. Juli 1875 mit dem Inkrafttreten des Abkommens der internationalen Postunion genehmigt, das am 9. Oktober 1874 in Bern von 22 Staaten unterzeichnet wurde. Auf dem Weltkongress 1878 in Paris nimmt sie den Namen Weltpostverein (Universal Postal Union, U.P. U.) an. Mit der Verbreitung der privat hergestellten und mit einer vorgedruckten Briefmarke versehenen Postkarten tritt auf der Karte selbst die Bezeichnung für „Postkarte“ in verschiedenen europäischen Sprachen auf: Carte Postale, Postkarte, Levelezó-Lap, Dopisnice, Post Card, Cartolina Postale, Brefkort, Briefkaart, Brevkort, Tarjeta postal, Carto postal, Union postale universelle. [3] Der Krampus und zwei Carabinieri, Foto, Innichen (Südtirol), 5. Dezember 1964, Privatsammlung. [4] Verbreitungsgebiet des Nikolausbrauchs, in: W. MEzGER, Sankt Nikolaus. Zwischen Kult und Klamauk, Ostfildern 1993, Abb. 62, p. 162. [5] Der Krampus hat Dich schon erschaut, Drum wirst am 6. Du verhaut, Illustrator unbekannt, Druck auf rotem Grund, Verlegerzeichen SB 6186, Printed in Germany, geteilte Rückseite, nicht gereist, 40er-Jahre. [6] Der Krampus mit einer Kette in der Hand, Üdvö zlet a kramusztól, Illustrator unbekannt, gaufriert (Figur in Relief), Druck auf rotem Grund, mit der aufgedruckten Abkürzung K. A. Ph. signiert, Ungarn, geteilte Rückseite, gereist, 5. Dezember 1917. [7] Krampusvoranzeige! Ich komme am … / Nikolausvoranzeige! Ich komme am …, Illustrator unbekannt, Druck V. Regel & Krug, Leipzig – R. Hans Nachbargauer, Wien – Währing 18/1, Nr. 1738, k. k. Reich, ungeteilte Rückseite 2, gereist, 1914. [8] Gruß vom Krampus, Illustrator Pauli Ebner, herausgegeben von August Rökl, Wien, Nr. 1441, Österreich, geteilte Rückseite, gereist, Poststempel 3. Dezember 1927. [9] Nikolaus und der Krampus, Vànocni a novorocni pranì vseho dobra! Národnì obetina ve prospech, Illustrator unbekannt, Ustrednì Matice Skolské, Böhmen (k. k. Reich), geteilte Rückseite, nicht gereist, 1900–1918.

[13] Nikolaus auf einem vom Krampus gezogenen Schlitten, Pozdrowienia od sw. Nikolaja, Signatur des Illustrators, gedruckt in Galizien, k. k. Reich, ungeteilte Rückseite, nicht gereist, 1900–1918. Anmerkung: Das Königreich Galizien war von 1772 bis 1918 das größte, bevölkerungsreichste und nördlichste der k. k. Kronländer, mit Lemberg als Hauptstadt. Polnische Aufschrift. [14] Der heilige Nikolaus, vor ihm ein Engel und hinter ihm der Krampus, der einen schweren Gabensack trägt. Pozdrowienia od sw. Nikolaja, Signatur des Illustrators, gedruckt in Galizien, k. k. Reich, geteilte Rückseite, nicht gereist, 1900–1918. [15] Ein kleiner Nikolaus, ein kleiner Engel und ein schwarzer Krampus, Pozdrav od Mikuláse!, Druckzeichen LP 246, Kroatien, geteilte Rückseite, gereist, Poststempel 3.12.1928. [16] Süßwarenhändlerin mit Spielsachen, die Nikolaus und den Krampus darstellen, Illustrator E. Döcker jun., Kunstverlag Rafael Neuber, Wien VII., Serie 45, k. k. Reich, ungeteilte Rückseite, gereist, handschriftlich datiert 1.12.1900.

[22] Ein Krampus läuft in einer eleganten Wohnung zwei Kindern nach, die mehr vergnügt als erschreckt sind, Üdvözlet a Krampusztól, Illustrator unbekannt, Verlegerzeichen, Serie 1407.2, Budapest, Ungarn, k. k. Reich, geteilte Rückseite, gereist, 5.12.1909. [23] Ein Kind peitscht eine Puppe in Gestalt eines Krampus aus, Illustrator: unleserliche Signatur, Pantophot, Nr. 22/201, Wien, k. k. Reich, geteilte Rückseite, nicht gereist, 1900–1920. [24] Nikolaus, der Krampus und zwei Kinder, die mit einer Puppe in Gestalt eines Krampus spielen, Werbepostkarte des „Deutschen Schul-Vereins“. Illustrator unbekannt. Auf der Vorderseite das zeichen „Deutscher Schul-Verein“, Deutsche Schulverein-Karte Nr. 186 – Kunstdruckerei von Josef Eberle, Wien, Österreich, geteilte Rückseite, nicht gereist, handschriftlich datiert 4.12.1920. Anmerkung: Das Motto des Deutschen Schulvereins besagte, dass es für einen tüchtigen deutschen jungen Mann Pflicht sei, dem Verein beizutreten. Jahresbeitrag 2 Kronen. [25] Gruss vom Krampus, Illustrator unbekannt, Verlegerzeichen Erika Nr. 3871/4 Dessin, k. k. Reich, gaufriert (zeichnung in Relief), geteilte Rückseite, gereist, Poststempel 1909. [26] Ein Kind umarmt eine große Puppe in Gestalt eines Krampus, der von einem Hund angebellt wird, Illustrator Karl Feiertag (Vorderseite: signiert und Handzeichen FK), Verleger B. K. W. I. 2902-1, k. k. Reich, geteilte Rückseite, nicht gereist, 1900–1920. [27] Gruss vom Nikolo, Illustrator unbekannt, Verlegerzeichen SB 3118 H, Printed in Germany, gaufriert (Teile in Relief), geteilte Rückseite, gereist, Poststempel 5.12.1911. [28] Nikolobescherung, Bild von Theodor Breidwiser, aus der Serie Wiener Kunst, Printed in Austria, B. K. W. I. Nr. 1321, geteilte Rückseite, nicht gereist, 1900–1920. [29] Gruss vom Nikolo!, Illustrator unbekannt, Verlegerzeichen M. B. N., k. k. Reich, gaufriert, geteilte Rückseite, gereist, Poststempel 3.12.1913.

[17] Gruss vom Nikolo, nicht signierte Illustration, Verlegerzeichen H. H. i. W. Nr. 1608, k. k. Reich, geteilte Rückseite, gereist, 1919.

[30] Gruß vom Nikolo, Illustrator unbekannt, Druck auf rotem Grund, Verlegerzeichen C. H. E. VIII 2. 2506-35, Österreich, geteilte Rückseite, gereist, Poststempel 5.12.1930.

[18] Nikolaus und der Krampus mit einem kleinen Mädchen im Rückenkorb, Vorderseite: retuschiertes Foto mit der Signatur des Autors und handschriftlicher Widmung; Verlegerzeichen B. K. W. I., Nr. 2017/2, k. k. Reich, ungeteilte Rückseite, nicht gereist, frühes 20. Jahrhundert.

[31] Gruß vom Nikolo, Illustratorzeichen „S“, Druck auf rotem Grund, Serie Nr. 18/12. Rückseite: zeichen LWKW, geteilte Rückseite, nicht gereist, Druck auf sehr dünnem Papier, wahrscheinlich auf die 40er-Jahre des 20. Jahrhunderts zu datieren.

[19] Krampusse schleppen Kinder in Ketten, im Sack und auf dem Rücken fort, Illustrator unbekannt, Verleger B. K. W. I. 3139-1, k. k. Reich, geteilte Rückseite, gereist, 1910–1920. [20] Gruss vom Krampus, Signatur des Illustrators unleserlich, Druck & Postkartenverlag Wien, 2209, k. k. Reich, ungeteilte Rückseite, gereist, handschriftlich datiert 5.12.1900. [21] Ein Krampus mit Fledermausflügeln und der Struwwelpeter, Illustrator Ludwig Kainzbauer, Verlegerzeichen H. H. W. Nr. 295, k. k. Reich, geteilte Rückseite, gereist, Poststempel Dezember 1909 Anmerkung: Der Struwwelpeter ist ein 1845 von Heinrich Hoffmann verfasstes Bilderbuch, das zehn Geschichten enthält. Es gehört zu den erfolgreichsten deutschen Kinderbüchern und wurde in mehrere Sprachen übersetzt.

[32] Was dir der Krampus bringt, Illustrator unbekannt, Druck auf rotem Grund, Verlag Strehschneider, Graz – Druck Wagner, Innsbruck, Nr. 1006, Österreich, geteilte Rückseite, gereist, Poststempel 4.12.22. [33] Gruß vom Krampus, Illustrator unbekannt, Druck auf rotem Grund, Verlegerzeichen C. H. W. VIII 2. 2507-26, Herkunft Deutschland, geteilte Rückseite, gereist, Poststempel 4.12.1933. [34] Gruss vom Krampus, Illustrator unbekannt, k. k. Reich, geteilte Rückseite, gereist, 1904. [35] Gruss vom Krampus, Illustrator unbekannt, Druck auf rotem Grund, Verlegerzeichen LWKW. Nr. 18/11, Österreich, geteilte Rückseite, nicht gereist, Druck auf sehr dünnem Papier. 40er-Jahre des 20. Jahrhunderts. [36] Satan mit Heugabel, Fledermausflügeln und Pferdehuf, Illustrator Paul Fink, Chemnitz. Nr. 2073. Postkarte, k. k. Reich, ungeteilte Rückseite, gereist, Poststempel 1913.


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[37] Gruß vom Krampus, Illustrator unbekannt, Druck auf rotem Grund, Verlegerzeichen BR 7960, gaufriert, geschmücktes Papier, geteilte Rückseite, nicht gereist, 1900–1920. [38] Wirst brav sein!, Illustrator unbekannt, Verlegerzeichen B & R.; Briefmarke Deutschösterreich zu 2 Kronen, gaufriert, geteilte Rückseite, geschrieben, aber nicht gereist, 1900–1920. [39] Der Krampus mit der Gabel in den Flammen, Illustrator unbekannt, aus Ungarn, k. k. Reich, ziel Wien. Ungeteilte Rückseite, gereist, Briefmarke aufgedruckt. Vorderseite: 27.11.1899. [40] Gruss vom Krampus, kartoniert, mit Einlagen aus Samt, Filz, goldenem und silbernem Staniolpapier. Gaufriert (teilweise Reliefdruck). Rückseite: Photochemie, Berlin N. 113, Serie Nr. 1908. Datiert 4.12.1918. Geteilte Rückseite, gereist und mit Briefmarke des habsburgischen Reichs. [41] Satan im Frack, Illustrator unbekannt. Verlegerzeichen B. K. W. I. 2840/II. Druck auf rotem Grund, kartoniert, gaufriert, gedruckt in Österreich, k. k. Reich, geteilte Rückseite, gereist und frankiert, datiert 5.12.1911 [42] Wärst brav gwesen!, Illustrator unbekannt, Druck auf rotem Grund, k. k. Reich, gaufriert, geteilte Rückseite, nicht gereist, 1900–1920. [43] Warum hast’ nit g’ folgt!, Illustrator unbekannt, kartoniert, Druck auf rotem Grund, Applikationen aus Stoff, k. k. Reich, geteilte Rückseite, nicht gereist, datiert 1914. [44] Teufel in einer Flasche, Illustrator unbekannt, „Union Postale Universelle. Carte Postale“, geteilte Rückseite, nicht gereist, 1900–1920. [45] Der Krampus bringt / mit schönem Gruß, / Das, was man für Dich haben muß. Illustrator unbekannt, Druck auf rotem Grund, Verlag Strohschneider Graz, Nr. 1056, Österreich, geteilte Rückseite, nicht gereist, 1920–1930. [46] Gruß vom Krampuß, Illustratorenzeichen, Druck auf rotem Grund, Verlegerzeichen LWKW, Nr. 9088, Österreich, geteilte Rückseite, nicht gereist, 30er-Jahre des 20. Jahrhunderts. [47] Krampus-Frau mit Rückenkorb, beladen mit behuteten Männern (Geschäftsmann, Seemann, Soldat…), zeichnung/Foto in Schwarzweiß, llustrator unbekannt, Verlag B. K. L. 2564-1, k. k. Reich, ungeteilte Rückseite, gereist, frankiert, Stempel unleserlich, frühes 20. Jahrhundert. [48] Krampus-Geschäftsmann mit Kette, auf dem Rücken drei hübsche Mädchen, zeichnung/Foto, Illustrator unbekannt, ungeteilte Rückseite, gereist, frankiert, Poststempel 6.12.1912. [49] Für die schlimmen Mädchen, Illustrator unbekannt, ungeteilte Rückseite, k. k. Reich, Poststempel 1909. [50] Der Krampus u. seine Schwiegermutter gemalt von Max u. Moritz, Illustrator unbekannt, Verlegerzeichen B. K. W. I. 2566-9, k. k. Reich, ungeteilte Rückseite, nicht gereist, 1900–1907. [51] Ski fahrender Nikolaus in Begleitung eines kleinen Krampus, Illustrator E. Kutzer, Verlegerzeichen B. K. W. I. 3236-4, k. k. Reich, geteilte Rückseite, nicht gereist, 1907–1920. [52] Brav sein!, Illustrator unbekannt, Druck auf rotem Grund, Verlegerzeichen C. H. W. VIII 2. 2506-25, Österreich, geteilte Rückseite, gereist, datiert 3.12.1930. [53] Gruss vom Krampus, Illustrator unbekannt, Verlegerzeichen B & R 8996, geteilte Rückseite, nicht gereist, 30er/40er-Jahre des 20. Jahrhunderts.

[54] Krampus auf einem Flugzeug mit Fledermausflügeln, Üdvözlet a Krampusztól, Illustrator unbekannt, Druck auf rotem Grund, gaufriert (in Relief), Ungarn, k. k. Reich, geteilte Rückseite, gereist, Poststempel 5. Dezember 1913.

[69] Nikolaus und der Krampus lassen sich in einer Stube Wein und Kastanien schmecken, Illustrator E. Döcker jun., Verlag von Rafael Neuber, Wien VII., Serie 45, k. k. Reich, ungeteilte Rückseite, gereist, Poststempel auf der Briefmarke 5.12.1900.

[55] Achtung! Der Krampus landet!, Illustratorenzeichen AK und unleserliche Signatur, Verlegerzeichen B. K. W. I. 2580-2, Printed in Austria, k. k. Reich, geteilte Rückseite, gereist, Illustration auf 1919 datiert.

[70] Gruß vom Krampuß, Illustratorenzeichen H., Verlegerzeichen FU S. 113/II, Printed in Austria, k. k. Reich, geteilte Rückseite, nicht gereist, 1900–1920.

[56] Gruss vom Krampus, Illustrator unbekannt, gaufriert, Verlegerzeichen SB special Nr. 5101, Österreich, geteilte Rückseite, gereist. Poststempel 4. Dezember 1913. [57] Beim Radio der Krampus sitzt / Auf seine Pflicht er ganz vergisst, Illustrator unbekannt, Druck auf rotem Grund. Verleger C.H.W. VIII 2. 2500/25, Wien, Österreich; geteilte Rückseite, gereist, 1925. [58] Hätt’st gfolgt!, Illustrator unbekannt, Druck auf rotem Grund, Verlegerzeichen C H W VIII 2 2500-27, Österreich, geteilte Rückseite, gereist, datiert 5.12.1925. [59] Der Krampus schlägt sich mit der Buchführung herum, „Das ‚Soll‘ ist voll und das ‚Haben‘ leer, / Das ist ganz modern ohne Zweifel; / Wer kümmert sich heut um den Saldo mehr? / Zum Schluss holt doch alles der Teufel“, Illustrator unbekannt, Druck auf rotem Grund, Verlegerzeichen C. H. W. VIII 2. 2505-17, geteilte Rückseite, nicht gereist, datiert 10.12.1934. [60] Der Armee-Krampus, Illustrator Ludwig Kainzbauer, Verlegerzeichen H. H. W. Nr. 247/1, k. k. Reich, geteilte Rückseite, nicht gereist, 1900–1920. [61] Als Russe verkleideter Krampus mit Degen und Peitsche, umgeben von kleinen preußischen, österreichischen und türkischen Soldaten, Illustratorenzeichen C. B., Chromo Lith. Kunstanstalt Georg Wagrandl, Wien XIII 7., k. k. Reich, geteilte Rückseite, nicht gereist, 1918–1919. [62] Der Proletarier-Krampus, Illustrator Ludwig Kainzbauer, Verlegerzeichen H. H. W. Nr. 247/4, k. k. Reich, geteilte Rückseite, nicht gereist, 20er-Jahre des 20. Jahrhunderts. [63] Der Krampus bedroht ein bürgerliches Paar, Illustratorenzeichen TG, Verlegerzeichen L. P., Österreich, geteilte Rückseite, nicht gereist, datiert 1922. [64] Der Krampus schleppt zwei Tennisspieler mit sich, Illustrator unbekannt, k. k. Reich, geteilte Rückseite, gereist, 1910–1920. [65] Mit Kette und Heugabel bewaffneter Krampus läuft hinter einem Bürger her, Illustrator unbekannt, Verlegerzeichen B. K. W. I. 2586-3, Österreich, geteilte Rückseite, gereist, Poststempel 1925. [66] Nikolaus und der Krampus machen einer jungen Dame den Hof, Illustrator H. Schubert, Verlegerzeichen J. W., Serie 10 „Nicolo“, Nr. 3, k. k. Reich, ungeteilte Rückseite, gereist, Poststempel 1903. [67] Der Krampus stellt in einem Haus einer jungen Frau nach, während Nikolaus vom Fenster zuschaut, Illustrator E. Döcker jun., Verlag von Rafael Neuber, Wien VII. „Nicolo“-Serie, k. k. Reich, ungeteilte Rückseite, gereist, handschriftlich datiert 4.12.1899. Anmerkung: Die in Neunkirchen abgeschickte und nach Wien gesandte Karte ist an einem Tag am Bestimmungsort angelangt. [68] Ein lächelnder Krampus betritt eine Stube, wo ihn ein junges Mädchen erwartet, Illustrator E. Döcker jun., Verlag von Rafael Neuber, Wien VII. Serie 45, k. k. Reich, ungeteilte Rückseite, gereist, datiert 12.12.1900.

[71] Ein hübsches Mädchen im Unterrock küsst einen bestialisch aussehenden Krampus, Illustrator unbekannt, Druck auf rotem Grund, Österreich, geteilte Rückseite, nicht gereist, 30er-Jahre des 20. Jahrhunderts. [72] Liebe Mädchen, Illustrator A. Broz (Alexander Brož), Verlegerzeichen S. W. F., k. k. Reich, ungeteilte Rückseite, nicht gereist, frühes 20. Jahrhundert. Liebe Mädchen merkt euch das / Jetzt kommt an der Satanas Er wird die zur Hölle treiben / Die zu lange ledig bleiben Und die krieg’n statt einem Mann / Meistens einen Krampus dann. [73] Der Teufel kommt aus dem Spiegel heraus, Illustrator unbekannt, Druck auf rotem Grund, Polen Nr. 23, geteilte Rückseite, nicht gereist, 20er/30er-Jahre des 20. Jahrhunderts. [74] Hurra erwischt / Mit Luft – Sie drischt!, Illustrator unbekannt, Druck auf rotem Grund, Verlegerzeichen C. H. W. VIII 2. 2502-4, k. k. Reich, geteilte Rückseite, gereist, Poststempel 1908. [75] Krampus-Frau und ihr unterworfener Mann, Illustrator unbekannt, Druck auf rotem Grund, Verlegerzeichen C. H. W. VIII 2. 2506-28. Geteilte Rückseite, nicht gereist, 1920–1930. „Was Du hier auf dem Bilde siehst / Das ist natürlich ein Märchen; Denn heut ist der Mann noch obenauf / Selbst wenn er am Kopf hat kein Härchen; Und wenn Du das aber wirklich glaubst, / Dann zahlst du zur Straf ’ einen Schampus, Ein Weiberl, das nicht den Pantoffel schwingt, / Das hat nicht eimal – der Krampus!“ [76] Gruß vom Krampuß, „Der Herr ist im Hause das Oberhaupt, / Wenn er das tut, was ihm die Frau erlaubt“, Illustrator unbekannt, Druck auf rotem Grund, Verlegerzeichen C. H. W. VIII 2. 2505-5, geteilte Rückseite, gereist, handschriftlich datiert 4.12.1932. [77] Eine junge Frau mit einem Spielzeug-Krampus, Illustrator unbekannt. Rückseite: „Postkarte“ in 16 Sprachen. Ungeteilte Rückseite, gereist, handschriftlich datiert 5.12.1902. [78] Eine elegante Frau mit Pelzstola hält einen Spielzeug-Krampus im Arm, Illustrator Th. zasche, Verleger M. Munk Wien, Nr. 1086, geteilte Rückseite, nicht gereist, 1910–1920. [79] Gruß vom Nikolaus, Illustratorenzeichen O. W. 1911, Verleger W. R. B. & Co, Wien, Serie Nr. 22/36, Made in Austria, geteilte Rückseite, gereist, 1911. Anmerkung: Die Postkarte wird am 2. November 1915 aus der Militärschule für die in der Marine dienenden Rekruten in Pula nach Kispest in Ungarn, k. k. Reich, gesandt. [80] Gruß vom Krampuß, Illustrator unbekannt, Druck auf rotem Grund, Verlegerzeichen C. H. W. VIII 2. 2508-17. Vorderseite: „Das Deckblatt selbst dem Kenner beweist / Nicht des Inhaltes Wert, ohne Zweifel; / In einer schönen Umhüllung zumeist / Steckt drinnen ein rechter Teufel.“, geteilte Rückseite, nicht gereist, 30er/40er-Jahre des 20. Jahrhunderts.



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Der heilige Nikolaus Kurze Bemerkungen zu Geschichte und Darstellung

S i lV i a S P a d a P i n T a r e l l i

Wie, wann und warum wurde der heilige Nikolaus von Bari zum kinderfreundlichen Gabenbringer? Und seit wann und warum wurde er von einer teuflischen Gestalt begleitet, die je nach Zeit und Ort unterschiedliche Namen angenommen hat, die wir aber heute als Krampus 1 kennen? Es ist nicht leicht, eine klare, eindeutige und überzeugende Antwort auf diese Fragen zu finden. Zu diesem Thema sind die unterschiedlichsten Theorien 2 aufgestellt worden, die mehr oder weniger dokumentiert und glaubhaft, in einigen Fällen aber ganz und gar verstiegen sind 3. Man gewinnt den Eindruck, dass sich in der Suche nach dem Ursprung dieses Brauchs mehr als in anderen Fällen die kulturellen Tendenzen der jeweiligen Zeit widerspiegeln. Ein anschauliches Beispiel hierfür ist die 1835 von Jakob Grimm formulierte Hypothese, die 1853 von Karl Weinhold übernommen und während des gesamten 20. Jahrhunderts von vielen anderen rezipiert wurde: Jakob Grimm führte die Bräuche vom 5. und 6. Dezember auf vorgeschichtliche, heidnische und germanische Winterkulte zurück, in denen die Gestalt des heiligen Nikolaus relativ spät auftritt, und das infolge des Einschreitens der Kirche, die die Kontrolle übernehmen will. Eine faszinierende Theorie, die aber ganz und gar vom Klima der Hochromantik und der nationalistischen Atmosphäre durchtränkt ist. Die heute glaubwürdigste These, wonach dieser Brauch im Umfeld der Kirchenschulen erwachsen ist, wird in der vorliegenden Publikation im Beitrag von Herlinde Menardi dargelegt, auf den ich zu ausführlicheren Angaben verweise. Ich dagegen will mich in meinem Beitrag mit dem „offiziellen“ heiligen Nikolaus beschäftigen, mit seiner Verehrung, seinen Legenden und deren Darstellung, besonders in Südtirol und in

Bozen 4. Dabei gehe ich auf einige relevante Beispiele ein, besonders auf die in den Legenden geschilderte Beziehung zum Teufel. Es sei aber bemerkt, dass ich mit dieser meiner Arbeit keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebe. Beim heiligen Nikolaus – dem heiligen Nikolaus von Bari – handelt es sich um einen überaus komplexen, vielschichtigen Heiligen. Sein Leben und seine Wunder, seine Darstellung in Bildern und Legenden, die Verbreitung seines Kults und die Rezeption im byzantinischen Orient wie im europäischen Abendland, sein „Eingang“ in die Welt der Folklore und der volkstümlichen Überlieferungen, aber auch sein Auftritt in vielen Theaterstücken und Kinderbüchern sind nur einige der vielen interessanten Elemente, die sich um die Figur des heiligen Nikolaus ranken. Und dieses Interesse hat nicht nur eine überreiche Literatur hervorgebracht, sondern auch dazu geführt, dass er sich zu einem viel verbreiteten, bis heute noch ungemein populären Heiligen entwickelt hat. In Wirklichkeit handelt es sich beim heiligen Nikolaus von Bari um die Verschmelzung von zwei historischen Personen: dem Bischof Nikolaus von Myra 5 , der um die Mitte des 4. Jahrhunderts gelebt hat, und dem Abt Nikolaus von Sion (einem Ort in der Nähe von Myra), der Bischof in Pinara war und von etwa 480 bis 564 lebte. Schon im 6. Jahrhundert werden diese beiden Gestalten in den Quellen miteinander verquickt. In einer ersten Erzählung wird zum Beispiel von der Praxis de stratelatis berichtet, vom Eingriff des Heiligen zugunsten von drei zu Unrecht zum Tode verurteilten Feldherren: Nikolaus erscheint ihren Verfolgern im Traum und droht ihnen die schrecklichsten Strafen an, wenn sie sie nicht befreien. Die drei Feld-

herren hatten sich an den Heiligen gewandt, da sie Nikolaus’ wundertätigen Eingriff zugunsten von drei Soldaten miterlebt hatten, die ebenfalls ungerechterweise angeklagt worden waren. Dieses Wunder sollte sich in den orientalischen Heiligenlegenden immer allergrößter Beliebtheit erfreuen. Um das Jahr 710 dagegen verfasst Michel Archimandrit eine erste Lebensbeschreibung des heiligen Nikolaus, auf die alle nachfolgenden Nikolauslegenden zurückgreifen sollten. Im 10. Jahrhundert dagegen erfolgt mit der Vita compilata, der auch ein reiches Verzeichnis der zu Lebzeiten und nach dem Tod gewirkten Wunder beiliegt, die endgültige Verschmelzung der beiden Heiligen und ihrer Wunder zu einem einzigen Sankt Nikolaus. Und in der Folge werden dem Heiligen immer mehr Schriften, Erzählungen und Legenden gewidmet. Eine besondere Rolle wird ihm in der Legenda aurea zugestanden, einer in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts vom Dominikaner Jacobus de Varagine zusammengestellte Sammlung von Heiligenlegenden, die in Europa zur Quelle und Grundlage der späteren Kunstwerke werden sollte. In dieser umfangreichen Literatur spiegelt sich die stürmische Verbreitung der Nikolausverehrung wider: Sie reichte im byzantinischen Orient bis nach Russland, wo der Heilige sogar Gott gleichgestellt und zur vierten Person der Dreifaltigkeit erhoben wurde; und sie griff auf das ganze europäische Abendland über, wo der Nikolauskult anfangs von der Prinzessin Theophanu von Konstantinopel, seit 972 Gemahlin des römisch-deutschen Kaisers Otto II., und in der Folge von geistlichen Ritterorden wie den Johannitern gefördert wurde. Einen ansehnlichen Auftrieb erfuhr die Verehrung des Heiligen sicher nach der 1087 erfolgten Überführung


[1] St. Nikolaus, byzantinische Mosaikikone, 9.–10. Jh., Aachen-Burtscheid, Pfarrkirche St. Johann

[2] Leonhard von Brixen, St. Nikolaus, 1459, Taisten, Kirche St. Georg

seiner Gebeine von Myra nach Bari. Die apulische Stadt war 1071 von den Normannen erobert worden, und wahrscheinlich ist auch normannischen Rittern und Pilgern die Verbreitung des Nikolauskults über ganz Mittel- und Nordeuropa zu verdanken. An der Überführung der Gebeine – in Wirklichkeit handelte es sich um einen Diebstahl – waren 62 oder 63 Personen aus Bari beteiligt, die sich gegen Mitte März 1087 nach Lykien (in der heutigen Türkei) begaben und zwischen dem 20. April und dem 9. Mai mit der kostbaren Beute wieder in ihre Heimatstadt zurückkehrten. Diese Expedition hatte sich als „notwendig“ erwiesen, nachdem sich die christliche Kirche mit dem morgenländischen Schisma 1054 in eine römisch-katholische und eine orthodoxe Kirche aufgespalten hatte und die verehrten Gebeine des Heiligen nicht in den Händen der Orthodoxen bleiben sollten. Sie war auch „dringlich“ geworden, um den Venezianern zuvorzukommen, die ein ähnliches Unternehmen im Auge hatten. Darüber hinaus darf man auch nicht vergessen, dass Reliquien immer große Scharen von Pilgern anzogen und somit auch finanziell einträglich waren. Die nach Bari gebrachten Gebeine des heiligen Nikolaus werden bis heute noch in der ihm geweihten Basilika aufbewahrt.

Die Hochschätzung und Beliebtheit dieser Reliquien sind die wichtigsten Voraussetzungen zur kapillaren Verbreitung der Nikolausverehrung. Wir modernen Menschen können uns heute kaum noch vorstellen, welche Bedeutung die Heiligenreliquien angesichts ihres thaumaturgischen und Trost und Hoffnung versprechenden Werts für die volkstümliche Frömmigkeit hatten – auch wenn die Reliquienverehrung im Grunde weder aus der römischen und noch viel weniger aus der orthodoxen Kirche verschwunden und auch in anderen Religionen, wie zum Beispiel dem Buddhismus und dem Islam 6, fest verankert ist. Der Körper des heiligen Nikolaus wies außerdem eine Eigentümlichkeit auf. Unmittelbar nach dem Tod entströmte ihm eine Flüssigkeit, ein als Myron, Myrrhe oder Manna bezeichnetes wundertätiges Salböl, das von den Pilgern mit einem Schwamm aufgenommen und vor allem als Mittel gegen Sturm und Unwetter verwendet wurde. Das Ausschwitzen von wundertätigen Flüssigkeiten, das Ausströmen wonnig-paradiesischer Düfte (daher das Motto „im Geruch der Heiligkeit sterben“) oder die Unverweslichkeit der Körper nach dem Tod sind Begebnisse, die die Gläubigen in Massen anziehen (und die von der Kirche umsichtig verwaltet werden); denn sie


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[3] Nikolauslegende, Das Säuglingswunder, Sonnenburg, Stiftskrypta

überschreiten die Demarkationslinie zwischen dem Leben und dem Tod und bieten konkrete Hoffnungen, für die Gegenwart wie für die Zukunft 7. Die Popularität des Heiligen hängt auch damit zusammen, dass er – angesichts der zahllosen ihm zugeschriebenen Wunder – von vielen Gruppen zum Schutzheiligen erwählt wurde. So gilt Nikolaus unter anderem als Schutzpatron der Angeklagten, der Verfolgten und der Gefangenen (Stratelatenwunder), der Jungfrauen, der Verliebten und der heiratswilligen Personen (Wunder der Mitgiftspende), der Seefahrer, der Wanderhändler und der Fischer (Stillung des Seesturms), der Seehändler, der Bäcker (Kornwunder), der Apotheker, der Ölhändler und der Kerzenfabrikanten (Bekämpfung der Diana), der Bankiers und der Geldverleiher (Bestrafung und Begnadigung eines Betrügers), der Kinder (Erweckung eines Jungen), der Scholaren, der fahrenden Schüler, der Wirte und der Fleischer (Auferweckung der getöteten Scholaren 8) und vieler anderer. Zugleich werden auch viele Abbildungen geschaffen – was zur weiteren Verbreitung des Nikolauskults beiträgt. In der byzantinischen Kunst sind natürlich die Ikonen besonders beliebt. Die ältesten stammen aus dem Katharinenkloster am Berg Sinai und werden im 7.–8. Jahr-

hundert geschaffen. Das ikonografische Stereotyp „mit etwas langem Gesicht, hervortretendem, rundlichem Schädel, kahlen Schläfen, nur einer Locke mitten auf dem Kopf und einem weißen, abgerundeten Bart“9 setzt sich vom 11. Jahrhundert an durch und wird zum Vorbild der in der Folgezeit entstandenen orientalischen Porträts des Heiligen [Abb. 1]. Die Reliquientranslation zieht auch im Abendland eine reiche Produktion von Andachtsbildern nach sich, zu denen sehr bald auch Legendenzyklen kommen. Auf den bedeutenden Zyklus in der Cappella di Sant’Eldrado in der Novalesa (Ende 11. Jahrhundert) folgen viele weitere Beispiele in ganz Europa. Sie erreichen einen Höhepunkt im 14. und 15. Jahrhundert, bestehen aber auch im 17. und 18. Jahrhundert fort, obwohl der offizielle Nikolauskult allmählich abklingt. Der heilige Nikolaus bekommt nun abendländische Züge. Er wird als römisch-katholischer, bärtiger Bischof mit Mitra und Krummstab abgebildet [Abb. 2]. Im Gegensatz zu den Darstellungen aus byzantinischem Bereich, auf denen vor allem seine Wirkung als erfolgreicher Wundertäter unterstrichen wurde, werden im Abendland besonders seine Menschlichkeit und sein Mitgefühl hervorgehoben. In Südtirol gibt es an die 40 dem heiligen Nikolaus geweihte Kirchen, bei der Hälfte han-

delt es sich um Pfarrkirchen. Diese hohe Anzahl an Patrozinien wird nur von der Jungfrau Maria übertroffen – weshalb man sich über die vielen ihm gewidmeten Kunstwerke nicht zu wundern braucht. Der heilige Nikolaus wird allein oder gemeinsam mit einem oder mehreren anderen Heiligen dargestellt, manchmal auch als einer der Vierzehn Nothelfer, die in heiklen Lebenslagen, vor allem bei Krankheit, angerufen wurden. Und es finden sich Darstellungen jeder Art: Leinwandgemälde und Wandmalereien, Reliefs und Statuen aus Stein und Holz und hölzerne Flügelaltäre, aber auch Kirchenfenster (Pfarrkirche Partschins, 1908), Dekorationen auf Kirchenglocken (St. Nikolaus in Ulten 1764, Terenten 1605, St. Lorenzen 1612) ebenso wie Stickereien. Auf der schönen, in der Abtei Marienberg bei Burgeis aufbewahrten Stola aus der Zeit um 1160 tritt er zum Beispiel gemeinsam mit 15 Heiligenfiguren auf, die unter Arkaden wiedergegeben und durch ihren Namen in Majuskeln identifiziert werden. Dem heiligen Nikolaus waren der Überlieferung nach die heute nicht mehr vorhandene Krypta des Brixner Doms (um 1050–1065) und ein Altar in der Krypta des Stifts Sonnenburg geweiht, wo wahrscheinlich seine Reliquien aufbewahrt wurden. Von den Fresken, die einst diesen Raum schmückten, hat sich in der nörd-


[4] St. Nikolaus, Meran, Pfarrkirche St. Nikolaus

[5] Bozen, Nikolauskirche, Ansichtskarte, um 1940

lichen Lünette das Säuglingswunder erhalten: An den Fasttagen der Woche, mittwochs und freitags, verweigerte Nikolaus als Säugling die Brust der Mutter [Abb. 3]. Bei dieser Szene, einem im frühen 13. Jahrhundert von einem vorzüglichen spätromanischen Künstler geschaffenen Werk, handelt es sich um eine der ältesten Darstellungen dieses Wunders, das sich im Abendland herausgebildet hat, während es in der byzantinischen Welt unbekannt ist. Im Laufe des 14. Jahrhunderts setzt ein wahrer Bauboom ein, der zur Errichtung großer, reich mit Steinplastiken geschmückter Kirchen führt. Ein schönes Beispiel findet sich am Dom von Meran, der Nikolaus geweiht ist. Das Standbild in natürlicher Größe, eine Sandsteinstatue mit Farbspuren, zeigt einen lächelnden und segnenden, mit Mitra und Krummstab angetanen Bischof, fast einen Prototyp des „klassischen“ Nikolaus [Abb. 4]. Auch in Bozen hatte sich südlich der Pfarrkirche eine dem heiligen Nikolaus dedizierte Kirche befunden [Abb. 5]. Dieser mittelalterliche, 1180 geweihte Bau erlitt bei Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg schwerste Schäden und wurde in den Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts abgerissen. Bei der Demolierung 10 ging unter anderem auch die

[6] Bozen, Dominikanerkirche, Johanneskapelle

zwischen 1765 und etwa 1770 von Carl Henrici geschaffene Deckenmalerei verloren, die den Heiligen Nikolaus aus Fürbitter der Seefahrer 11 gezeigt hatte. Die Wahl für dieses Thema, das sich auf die wundersame Rettung von Schiffsleuten aus Seenot bezieht, hängt mit der Lage der Kirche in der Nähe des Eisacks zusammen, der damals nördlicher als heute verlief. Das Nikolauspatrozinium sollte daher die Stadt vor den vielen Überschwemmungen schützen, die den Bozner Talkessel vor den im 18. und 19. Jahrhundert durchgeführten Arbeiten zur Flussregulierung heimsuchten. In der nahen Dominikanerkirche wird der Nikolauslegende in dem 1329 in der Johanneskapelle geschaffenen Malereizyklus eine prestigeträchtige Rolle zugestanden [Abb. 6]. Die Fresken sind von zwei giottesken Malern aus dem Veroneser Raum geschaffen worden, und es finden sich klare Bezüge auf die Wandmalereien in der Scrovegni-Kapelle in Padua. Der Malereizyklus umfasst die Legende des Täufers und des Evangelisten Johannes, Szenen aus der Marienlegende und eben auch aus der Nikolauslegende, die sich links des Altars befinden. Die Wandmalereien in der Johanneskapelle sind vielen profunden Studien unterzogen wor-


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[7] zweiter Meister der Dominikaner, Nikolauslegende. Die Stillung des Seesturms, Bozen, Dominikanerkirche, Johanneskapelle

den, sodass sie heute mit fast absoluter Sicherheit auf das Jahr 1329 datiert und auch stilistisch eingeordnet werden können 12. Belegt ist auch, dass die Kapelle im frühen 14. Jahrhundert im Auftrag von Bambo de’ Rossi, einem reichen, aus Florenz vertriebenen und im Dienst der Grafen von Tirol stehenden Bankier, als Familiengruft errichtet wurde. Bambo wurde hier 1318 bestattet, sein Sohn Vannino im Jahr 1324. Vanninos Sohn Boccione 13, Zollpächter in Bozen und Vertrauensmann der Landesfürstin Margarete Maultasch, gab die malerische Ausschmückung der Kapelle in Auftrag. Dass die Marienlegende zum Thema der Fresken gewählt wurde, geht auf die besondere Verehrung der Dominikaner für die Jungfrau Maria zurück. Der doppelte Johanneszyklus dagegen ist mit der Erinnerung an Vannino und das Patrozinium der Stadt Florenz zu erklären. Lange Zeit hinweg glaubte man, auch den Nikolauszyklus auf ein Familienmitglied der de’ Rossi mit diesem Namen zurückführen zu können, aber Gustav Pfeifer hat diese Vermutung angesichts seiner umfassenden genealogischen Studien ausgeschlossen 14. Die Vorrangstellung, die der Nikolauslegende in der Bozner Kapelle zukommt, dürfte dagegen mit der Rolle des Heiligen als Vermittler im Jen-

[8] zweiter Meister der Dominikaner, Nikolauslegende. Die Mitgiftspende an die drei armen Jungfrauen, Bozen, Dominikanerkirche, Johanneskapelle

seits zusammenhängen: In der Tat sind die ihm gewidmeten Bilder und Zyklen besonders oft in etwas abseitigen Räumen anzutreffen, in denen Totenfeiern zelebriert wurden 15. Dies gilt zum Beispiel für die Johanneskapelle, die zwischen dem Kirchenchor und der Sakristei als Begräbnisstätte der de’ Rossi/Botsch angelegt wurde. Diese Vermutung wird auch durch die Tatsache bekräftigt, dass dieselbe Familie kurz nach der Mitte des 14. Jahrhunderts ebenfalls in der Dominikanerkirche, aber an der östlichen Seite und in der Nähe des Eingangs, eine größere, ausschließlich dem heiligen Nikolaus geweihte Grabkapelle errichten ließ. Zur Ausschmückung wurde der berühmte Paduaner Künstler Guariento nach Bozen berufen. Er schuf hier höchstwahrscheinlich einen umfassenden Zyklus zur Nikolauslegende, von dem wir aber nichts wissen: Die Kapelle wurde nach der 1785 von Kaiser Joseph II. angeordneten Klosteraufhebung im Jahr 1820 abgerissen 16. Der Freskenzyklus in der Johanneskapelle besteht aus drei übereinanderliegenden Registern mit jeweils zwei Szenen. Es sind von oben links: Nikolaus stillt einen Seesturm, Nikolaus stattet drei arme Mädchen mit einer Mitgift aus, Die Befreiung des Mundschenks, Wunder der drei Soldaten, Tod des Heiligen, Bestattung

des Heiligen. Die dargestellten Szenen sind der Legenda aurea entnommen, mit Ausnahme des Wunders der drei Soldaten, das in dieser Sammlung nicht zu finden ist. Das erste Wunder spielt – wie in der schon erwähnten Nikolauskapelle – auf die hochwassergefährdete Lage der Kirche an [Abb. 7]. Das zweite Wunder erfreut sich im Abendland größter Beliebtheit, zeugt es doch von der Menschlichkeit und der Bescheidenheit des Heiligen: Nikolaus schenkt drei armen jungen Mädchen, denen – da ihr Vater sie nicht standesgemäß verheiraten kann – ein Leben als Prostituierte droht, drei goldene Kugeln, und er tut es nächtlicherweile, um nicht erkannt zu werden 17 [Abb. 8]. Dieses Wunder ist so häufig wiedergegeben worden, dass die drei goldenen Kugeln zum Identifikationselement auf Einzeldarstellungen geworden ist. Auch im Wunder von der Befreiung des Mundschenks stehen die menschlichen Elemente des Heiligen im Vordergrund, der immer bereit ist, den Menschen bei ihren Alltagsproblemen beizustehen. Ein Kind namens Adeodatus, der Sohn eines dem heiligen Nikolaus sehr devoten Mannes, war von den Agarenern entführt und zum Dienst als Mundschenk ihres Königs gezwungen worden. Auf Fürbitte des Heiligen er-


[9] zweiter Meister der Dominikaner, Nikolauslegende. Die Befreiung des Mundschenks, Bozen, Dominikanerkirche, Johanneskapelle

[10] zweiter Meister der Dominikaner, Nikolauslegende. Die Rettung der drei Soldaten, Bozen, Dominikanerkirche, Johanneskapelle

hob sich ein Sturm, der den Jungen entführte und am Portal der Nikolauskirche absetzte, wo seine Eltern ein großes Fest feierten, zur Freude aller 18. Der Sturm wird hier mit der Abbildung des im Flug herankommenden Heiligen wiedergegeben [Abb. 9]. Recht ungewöhnlich ist die nachfolgende, in der Legenda aurea fehlenden Szene mit dem Stratelatenwunder, auf der nur der erste Teil der Praxis de stratelatis wiedergegeben wird, dem wie erwähnt ältesten unter den dem Heiligen zugeschriebenen Wunder. Diese Darstellung ist besonders im Orient recht verbreitet, wahrscheinlich, weil sie sich in Myra abspielt. Dass der Künstler sie zumindest teilweise in den Freskenzyklus der Johanneskapelle einfügt, kann als Beweis dafür angesehen werden, dass ihm außer der Legenda des Jacobus de Varagine auch andere literarische Quellen oder bildliche Darstellungen des heiligen Nikolaus bekannt waren. Eine „Kurzfassung“ dieser Legende findet sich auch in der um 1308–1310 von Künstlern aus dem Giotto-Kreis ausgemalten Nikolauskapelle in der unteren Basilika in Assisi, und sie wird auch in nachfolgende Darstellungen übernommen 19: Nikolaus hält das Henkerschwert auf, mit dem der erste der drei Soldaten enthauptet werden soll; die drei waren im Gefolge der Feldherren Nepotianus, Ursus und Apilio nach Myra gekommen, aber verleumdet und vom korrupten Gouverneur

Eustaz zum Tode verurteilt worden [Abb. 10]. Der Bozner Zyklus wird mit der Darstellung des heiligen Nikolaus auf dem Totenbett abgeschlossen. Er ist von seinen Jüngern umgeben, während seine Seele von Engeln in den Himmel getragen wird, wo der segnende Christus sie erwartet [Abb. 11]. Auf der letzten, teilweise verloren gegangenen Szene wird die Bestattung des schon im Marmorgrab liegenden Heiligen in Anwesenheit der kirchlichen Würdenträger wiedergegeben [Abb. 12]. Die flehenden Gläubigen rechts, unter denen eine heftig gestikulierende Frau mit nach vorn ausgestreckten Händen auffällt, ist dagegen mit dem Wunder von der Ausschwitzung des wundertätigen Salböls in Verbindung zu bringen, das Massen von Kranken und Leidenden anzieht [Abb. 13]. Der hohe Stellenwert, der diesen zwei Todesszenen beigemessen wird (in der Legenda aurea werden ihnen nur wenige Zeilen gewidmet), und ihre Platzierung in der Nähe des Altars wie auch der Gräber der Auftraggeber bekräftigen die Vermutung, dass die Aufnahme des heiligen Nikolaus in den Zyklus der Johanneskapelle in direktem Zusammenhang mit der Bestimmung der Kapelle als Grablege steht. Um noch einmal auf die erste Szene zurückzukommen: Auf den vom Sturm geblähten Schiffssegeln sind zwei kleine geflügelte Teufel zu erkennen [Abb. 14]. Es handelt sich um die Verkörperung der Macht des Bösen, das vom


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[11] zweiter Meister der Dominikaner, Tod des heiligen Nikolaus, Bozen, Dominikanerkirche, Johanneskapelle

[12] zweiter Meister der Dominikaner, Bestattung des heiligen Nikolaus, Bozen, Dominikanerkirche, Johanneskapelle

[13] zweiter Meister der Dominikaner, Bestattung des heiligen Nikolaus, Detail, Bozen, Dominikanerkirche, Johanneskapelle

[14] zweiter Meister der Dominikaner, Nikolauslegende. Die Stillung des Seesturms, Detail, Bozen, Dominikanerkirche, Johanneskapelle


[15] Klerant, Nikolauskirche, Apsis

segnenden Nikolaus bezwungen wird. In der Johanneskapelle finden sich keine weiteren diesbezüglichen Hinweise, aber in der Nikolauslegende wird der Heilige oft dem Dämon gegenübergestellt. In der Stadt Plakoma in Lykien bitten die Einwohner um Hilfe, um eine von Teufeln befallene Zypresse zu fällen, die für die sich ihr nähernden Personen tödlich ist. Der heilige Nikolaus ergreift eine Axt und löst das Problem. In einigen Fassungen dieser Legende wird Artemis, die antike Göttin des Waldes, aus ihrem Tempel verjagt – und schwört Rache: Sie verkleidet sich als fromme Frau, übergibt allen nach Myra reisenden Pilgern ein Öl für die Lampen am Grab des Heiligen, das in Wirklichkeit auf Wasser und Steinen brennt. Nikolaus warnt die Pilger und fordert sie auf, das Öl ins Meer zu gießen: Die ganze Wasseroberfläche steht plötzlich in Flammen, und es verbreitet sich ein ekelerregender Rauch. In Arnabanda dagegen vertreibt er einen Teufel von der einzigen im Ort vorhandenen Wasserquelle und auferweckt den Sohn eines ihm ergebenen frommen Mannes, der von einem als bettelnder Pilger verkleideten Teufel entführt und erwürgt worden war. Diese Szenen, in denen Teufel auftreten, erfreuten sich keiner großen Beliebtheit:

[16] Maler aus dem Umkreis des Leonhard von Brixen, Zerstörung des Dianatempels, Klerant, Nikolauskirche

Zwei aber finden sich in der Apsis der Kirche in Klerant bei Brixen. Ein stark von Meister Leonhard von Brixen geprägter Maler hat hier um 1470–1480 einen lebendigen, zwölf Episoden umfassenden Freskenzyklus 20 [Abb. 15] geschaffen, der sich durch große Detailfreude, minutiöse, von Inschriften erläuterte Beschreibungen und fantasievolle Landschafts- und Architekturdarstellungen auszeichnet. Meister Leonhard ist an seinem sehr belehrend-narrativen Stil zu erkennen, er will den Gläubigen die heiligen Begebnisse erklären und beschreibt und veranschaulicht sie peinlich genau, aber mit großer Schlichtheit. Am Apsisgewölbe der Nikolauskirche in Klerant fallen zwei prachtvolle Teufelsgestalten auf. Der erste Teufel tritt in der Legende von der Vertreibung der Artemis und der Zerstörung ihres Tempels auf [Abb. 16]. Es handelt sich, wie schon gesagt, um eine Variante der Vertreibung der Dämonen aus der Zypresse in Plakoma. Die Darstellung in Klerant ist sehr wirkungsvoll: links der Tempel mit Türmen seitlich der Fassade, links der mit dem Namen Diana bezeichnete Teufel (als römische Diana tritt die griechische Göttin Artemis auch in der Legenda Aurea auf), rechts der ebenfalls durch seinen Namen identifizierte Heilige, hinter ihm seine Anhänger.

Vom Tempelportal zieht sich eine große Schriftrolle mit der Aufschrift „Dianas, du böser geist, fleuch aus diesem haus im nahm ihus“ bis zum Antlitz des Heiligen hin. Diese Darstellung ist besonders aus zwei Gründen sehr interessant: Um den Teufel zu vertreiben, streckt Nikolaus wie in einer beschwörenden Geste den Krummstab nach vorn, und der Dämon/Diana entspricht voll und ganz dem Bild, das man sich im 15. Jahrhundert vom Teufel machte: krumme Hörner, vorstehende Zähne, ein missgestaltetes Antlitz, Fledermausflügel, krallige Hände und Füße. In Höhe des Knies und des Gesäßes sind weitere zwei Gesichter mit großen Zähnen zu erkennen. Diese „Vermehrung“ der Teufelsgesichter ist ebenfalls ein typisches Stilelement in der Ikonografie des 15. Jahrhunderts, besonders in der mitteleuropäischen Gotik: Sie verweist auf seine Ambiguität und seine Rolle als Verführer und unterstreicht zugleich die bestialische Seite des menschlichen Wesens 21. Die Gestalt ist auch mit einem Krummsäbel mit großer Parierstange und reich geschmücktem Futteral [Abb. 17] ausgestattet; denn bekanntlicherweise hat der Teufel mit den Türken zu tun. Eine identische Figur tritt in der Szene von der Erweckung eines Jungen auf, der von einem als Pilger verkleideten Teufel entführt


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[17] Maler aus dem Umkreis des Leonhard von Brixen, ZerstÜrung des Dianatempels, Detail mit dem Dämon Diana, Klerant, Nikolauskirche


[18] Maler aus dem Umkreis des Leonhard von Brixen, Erweckung des vom Teufel erwürgten Jungen, Klerant, Nikolauskirche

und erwürgt worden war. Der Dämon krallt sich dem Unglückseligen an den Hals, aber auch diesmal kann der Heilige des Schlimmste vermeiden [Abb. 18]. Auf den Fresken in Klerant treten deutlich sowohl die schon im frühesten Mittelalter eingetretene Umwandlung der ehemaligen Waldgöttin in eine teuflische Kreatur als auch die direkte Beziehung zwischen dem Teufel und dem heiligen Nikolaus in Erscheinung. Einige Gelehrte vertreten die Ansicht, dass gerade Geschichten und Bilder wie diese hier in Klerant dazu geführt haben, dass der heilige Nikolaus als Geschenkebringer von einem schreckenerregenden, aber vom Heiligen beherrschten Dämon begleitet wird. Gewiss, der heilige Nikolaus beschützt die Kinder, er verhindert, dass sie entführt werden und ihnen Unheil angetan wird. Aber der Teufel/Krampus hält uns vor Augen, dass das Böse immer präsent ist, dass es besiegt, aber nicht ausgemerzt ist. So bekommen ein Nikolausspiel oder ein Nikolausumzug eine tiefe symbolische Bedeutung und einen belehrenden Wert. Im Freskenzyklus in Klerant fehlt dagegen die Szene vom Gastwirt, der die drei Scholaren, die auf dem Weg nach Athen bei ihm logieren, tötet, ihre Leichen zerstückelt und in einem Salzfass einpökelt. Es handelt sich um eine in Frankreich entstandene Legende, die schon im frühen 11. Jahrhundert im Liber Sancti Godehardi 22 veröffentlicht wird. Mehrere Gelehrte vertreten die Ansicht, dass Nikolaus’ Rolle als Beschützer der Kinder auf diese Erzählung zurückzuführen ist und dass er vom Wunder der Mitgiftspende

seine Aufgabe als Gabenbringer übernommen hat. Diese schauerliche Geschichte hat in ganz Mittel- und Nordeuropa Verbreitung gefunden, nicht aber im Alpenraum – wohl auch, weil sie in der Legenda Aurea nicht angeführt wird. Jacobus de Varagine hat sie wahrscheinlich absichtlich weggelassen, da er – wie er selbst erzählt – es vermieden hat, in seine Sammlung übermäßig fantasiereiche Geschichten aufzunehmen. Die Fresken in Klerant stellen angesichts der vielen Szenen und der privilegierten Lage über dem Hochaltar der Kirche und seitlich davon zweifellos das bedeutendste (wenn auch nicht einzige 23) Zeugnis der Rolle dar, die dem heiligen Nikolaus im 15. Jahrhundert in dieser Gegend zuerkannt wurde. Aber Nikolausdarstellungen erfreuen sich, wie gesagt, auch in der Folgezeit großer, unablässiger Beliebtheit, zumindest bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Nach der strengen, vom Zweiten Vatikanischen Konzil vorgenommenen Revision des Heiligenkults ist Nikolaus zu einem „fakultativen Heiligen“ deklassiert worden, dessen Verehrung den Gläubigen freigestellt ist. Im Artikel 220 der Stundenliturgie wird empfohlen, dem Gemeinwohl oder einer wahren Ergebenheit der Gemeinde und nicht nur deren Vorsitzendem Rechnung zu tragen, um festzulegen, ob ein fakultativer Heiliger zu feiern sei oder nicht. In diesem Sinn haben wir den Wunsch aller interpretieren wollen und hier, wenn auch in sehr knapper Form, die jahrhundertelange Geschichte des heiligen Nikolaus von Bari erzählt.


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1 Die finstere Gestalt, die den heiligen Nikolaus als Gabenbringer am 5. Dezember, dem Vorabend seines Namensfestes, beim Gang von Haus zu Haus begleitet, ist je nach zeit und kulturell-territorialem Umfeld unter verschiedenen Namen bekannt: Außer Krampus wird er auch als Klaubauf bezeichnet, als Knecht Ruprecht, Schwarzer Peter, Belzebock, Bartel, Semper, Hans Muff, Hans Trapp und so weiter, vgl. W. MEzGER, Sankt Nikolaus. Zwischen Kult und Klamauk, Ostfildern 1993, S. 155 und den Beitrag von H. Menardi in der vorliegenden Publikation. 2 Die wichtigsten Theorien werden in der Publikation von Mezger (siehe vorausgegangene Anmerkung) von S. 43 bis S. 58 angeführt. 3 Eine Theorie aus jüngster zeit findet sich bei K . SCHUNERT, Vom Weltenrichter zum Weihnachtsmann. Neue Erkenntnisse zur Identität der NikolausBrauchgestalt und zur Entstehung des Gabenbrauches, Oldenburg 2005; der Autor wagt eine kühne These und leitet den heiligen Nikolaus als Geschenkebringer von der mittelalterlichen Ikonografie des Christus der Apokalypse her. 4 Bei meinen Recherchen habe ich außer auf die an Informationen und Gedankenanstößen reiche, oben zitierte Arbeit von Mezger auch auf den reichhaltigen Katalog von M. BACCI (Hrsg.), San Nicola. Splendori d’arte d’Oriente e d’Occidente, Italia 2006, zurückgegriffen, der zur Ausstellung im Castello Svevo in Bari erschienen ist. zur Vertiefung dieses Themas verweise ich auf diese beiden Arbeiten und die entsprechende, dort angeführte Literatur. Das Thema ist außergewöhnlich komplex und vielschichtig, sodass ich mich notwendigerweise auf eine synthetische, zusammenfassende Behandlung beschränken muss. 5 Die Stadt Myra liegt in Lykien, in der heutigen Türkei. 6 Interessante Gedankenanstöße zum vielseitigen Thema der Reliquien finden sich bei C . FREEMAN, Sacre reliquie, Torino 2012, aber auch in der leicht verständlichen, aber gut dokumentierten Arbeit von P. MANSEAU, La bottega delle reliquie. Viaggio tra i corpi sacri del mondo, Roma 2011. 7 Grundlegend bleibt in diesem zusammenhang P. C AMPORESI, La carne impassibile, Milano 1983. 8 MEzGER, Sankt …, op. cit., S. 59–102, führt die verschiedenen Wunder und die mit ihnen verbundenen Patrozinien an. 9 BACCI, San Nicola …, op. cit., S. 61. 10 Erhalten ist dagegen der Hochaltar der Kirche, der sich heute über dem Eingang zur Gnadenkapelle im Bozner Dom befindet, ein Werk des Pustertaler Bildschnitzers Josef Konrad Wieser aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Vgl. A . BACCHI, L . GIACOMELLI, Altarbaukunst und Bildhauerei im Bozen des 18. Jahrhunderts, in: Bozen 1700–1800. Eine Stadt und ihre Kunst, Katalog der Ausstellung in Bozen, Cinisello Balsamo 2004, S. 139–153, Abb. 22. 11 Eine Fotografie, die sich in der Stiftung N. Rasmo-A. von zallinger in Bozen befindet, wird bei M. BOT TERI, Carl Henrici: ein Maler, eine Stadt, in: Bozen 1700–1800 … op. cit., S. 203, Abb. 12 veröffentlicht. 12 zum Trecento in Bozen vgl. A . DE MARCHI, T. FRANCO, S. SPADA PINTARELLI (Hrsg.), Trecento. Gotische Maler in Bozen, Katalog der Ausstellung in Bozen, Trento 2000; Atlas. Trecento. Gotische Maler in Bozen, Trento 2002; A. DE MARCHI, T. FRANCO, S. SPADA PINTARELLI (Hrsg.), Trecento. Gotische Maler in Bozen, Tagungsberichte (Bozen, 19. Oktober 2002), Trento 2006.

13 Die de’ Rossi übernahmen aus der Entstellung des Namens Boccione ihren vor Ort üblichen zunamen Botsch. 14 G. PFEIFER, „Neuer“ Adel im Bozen des 14. Jahrhunderts. Botsch von Florenz und Nikolaus Vintler, „Pro civitate Austriae“, N. F., VI (2001). 15 A . M. LIDOV, „Il dio russo“. Culto e iconografia di san Nicola nell’antica Russia, in: BACCI, San Nicola …, op. cit., S. 77–88, bes. S. 83. 16 In Wirklichkeit hatten sich nach der Demolierung über dem Kirchengewölbe und an der Gegenfassade der Kapelle einige Fresken erhalten (aber keine der dem heiligen Nikolaus gewidmeten Szenen), die aber dann im zweiten Weltkrieg durch Bombenschäden gänzlich verlorengingen. zu diesem Thema siehe T. FRANCO, Nikolauskapelle und erstes Joch links, in: Atlas. Trecento, op. cit., S. 111–134. 17 Auch in Südtirol wird das Wunder von den drei Jungfrauen am häufigsten wiedergegeben. Erinnert sei zum Beispiel an das große, im ausgehenden 14. Jahrhundert geschaffene Wandgemälde in der Georgskirche in Schenna. 18 J. DA VARAGINE, Leggenda aurea, Firenze 1985, 2 Bde., I, S. 30. 19 zum Beispiel in der Cappella Galletti in Vittorio Veneto (um 1460–1470). 20 Dies die Szenen in Klerant: Das Säuglingswunder; die Mitgiftspende an die drei armen Jungfrauen; Nikolaus schenkt sein Hab und Gut den Armen; das Kornwunder; die Vertreibung der Artemis; die Befreiung von drei Gefangenen und die Rettung von drei zum Tode Verurteilten (Praxis de stratelatis); die Legende vom christlichen Betrüger; die Erweckung des vom Teufel erwürgten Jungen; die Stillung des Seesturms; der Tod des Heiligen. Vgl. E. THEIL , St. Nikolaus in Klerant bei Brixen, Bozen 1971; L . ANDERGASSEN, Südtirol. Kunst vor Ort, Bozen 2002, S. 181; Kirchen und Kapellen der Pfarreien St. Andrä und Afers, Passau 2005. 21 zur Ikonografie des Teufels vgl. M. COSSET TO, Toifl, Krampus, Dossier der zeitschrift Storiae, Jg. 8, Dezember 2010. 22 Das in Hildesheim verfasste Buch befindet sich heute im British Museum in London. Hinsichtlich der verwickelten Frage der Beziehung zwischen der Legende der drei vom Gastwirt getöteten Scholaren und der Tradition des heiligen Nikolaus verweise ich auf die Arbeit von Mezger, besonders auf die Seiten 95–128. 23 Unter den im 15. Jahrhundert in Südtirol geschaffenen Nikolausdarstellungen möchte ich wenigstens folgende Werke erwähnen: die vier Geschichten am Triumphbogen der Kirche in Durnholz aus den ersten Jahren des 15. Jahrhunderts, in denen das Mitgiftwunder wörtlich von der gleichen Szene in der Johanneskapelle in Bozen übernommen wird; die zur gleichen zeit entstandenen Wandmalereien in St. Nikolaus in Rojen; die wenig später geschaffenen Fresken in St. Nikolaus in Stegen, die Johannes von Bruneck zugeschrieben werden; eine schöne Nikolausdarstellung von Leonhard von Brixen in der Georgskirche in Taisten (um 1460). Noch auf das 14. Jahrhundert ist dagegen das Fresko in der Georgskirche in Schenna zu datieren. Im Lande finden sich auch viele plastische Darstellungen des Heiligen, so zum Beispiel eine von Hans Harder geschnitzte Büste in der Pfarrkirche Sterzing und ein Heiliger Nikolaus am Flügelaltar in Dreikirchen, der Hans Klocker zugeschrieben wird.


Bildnachweis Menardi 1–4, 6–7 Wolfgang Pfaundler, Innsbruck 5 Emanuela Diodà, Bozen 8 Tiroler Volkskunstmuseum, Innsbruck Demetz Luca Pedrotti, Bozen Hübler/Wohlgemuth Abbildung nach K. M. Mayr (Hg.), Karl Wohlgemuth. Selbstbiographie, in „Jahrbuch für Geschichte, Kultur und Kunst, 1931–1934“, Bozen 1934. Hübler/Masken Stadtmuseum Bozen, Christian Prantl Cossetto Scans von Lanarepro, Lana 3 Privatsammlung 4 nach W. Mezger, Sankt Nikolaus. Zwischen Kult und Klamauk, Zur Entstehung, Entwicklung und Veränderung der Brauchformen um einen populären Heiligen, Stuttgart/Ostfildern 1993 Spada Pintarelli 1–2 nach W. Mezger, Sankt Nikolaus. Zwischen Kult und Klamauk, Ostfildern 1993 3 nach H. Stampfer, Th. Steppan, Die romanische Wandmalerei in Tirol: Tirol-Südtirol-Trentino, Regensburg 2008 6–14 M. Pintarelli, Bozen 15–18 Foto ARO, Bozen



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