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Jasper Johns –Der Künstler als Sammler

30.09.2023 – 04.02.2024

Jasper Johns (*1930) gehört zu den bedeutendsten US-amerikanischen Künstlern des 20. Jahrhunderts. In den 1950er-Jahren revolutionierte er die Malerei mit seinen Bildern der amerikanischen Flagge und von Zielscheiben. Seine Werke wurden zum Vorläufer der Pop-Art. Weit weniger bekannt ist Johns’ Tätigkeit als Sammler, vor allem von Zeichnungen. Das Kunstmuseum Basel gewährt nun erstmals und exklusiv einen tiefen Einblick in diese einzigartige Künstlersammlung.

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Die Sammlung von Jasper Johns veranschaulicht seine Leidenschaft für das Medium der Zeichnung in all seinen Facetten. Mit der Neugier des Künstlers und dem Gespür eines Connaisseurs hat Johns über Jahrzehnte herausragende und besondere Zeichnungen erworben. In seiner Sammlung findet das anonyme Selbstporträt eines Jungen, entstanden Mitte des 20. Jahrhunderts in den USA, einen überraschenden Nachbarn in einem Selbstbildnis von Paul Cezanne, einem der einflussreichsten französischen Künstler des späten 19. Jahrhunderts. Handstudien von Käthe Kollwitz finden ein Echo über mehrere Epochen in Zeichnungen von Johann Heinrich Füssli und Bartolomeo Passarotti und in einem Handabdruck von Marcel Duchamp.

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Die Sammlung ist Ausdruck von Jasper Johns’ Blick auf die Kunstgeschichte und seines ganz eigenen Gespürs für künstlerische Verwandtschaften über die Jahrhunderte hinweg. Schwerpunkte bilden dabei französische Zeichnungen des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts sowie US-amerikanische Positionen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Paul Cezanne, Pablo Picasso und Willem de Kooning stehen stellvertretend für Künstler, von denen Johns besonders umfangreiche Konvolute zusammentragen konnte.

Zugleich ist Johns’ Sammlung das Porträt des sozialen Gefüges eines langen Künstlerlebens: Der grösste Teil der Werke kam durch Geschenke und den Tausch mit befreundeten Künstler:innen in seinen Besitz. Dies sind vorab Robert Rauschenberg, John Cage und Merce Cunningham, aber auch Künstler:innen einer älteren Generation wie Louise Nevelson, Barnett Newman und Franz Kline. Hinter vielen Werken stecken Geschichten von persönlichen Begegnungen, Allianzen, Wertschätzung und familiären Momenten wie Geburtstage oder Weihnachten. Das bezeugen die auf zahlreichen Blättern vorhandenen Widmungen.

Der menschliche Körper im Fokus

Die Ausstellung im Kunstmuseum Basel | Neubau zeigt eine fokussierte Auswahl von 103 Zeichnungen von 47 Künstler:innen aus der Sammlung von Jasper Johns. Als Ausgangspunkt dient das Thema des menschlichen Körpers, dem sich ein Grossteil der Werke widmet, mit einem besonderen Schwerpunkt auf Porträts. Bei vielen Leihgaben liegt die Aufmerksamkeit zudem auf dem künstlerischen Arbeitsprozess. Insgesamt versammelt die Ausstellung eine grosse Vielfalt an zeichnerischen Ausdrucksmöglichkeiten vom 16. bis 21. Jahrhundert. Dazu gehören Collagen, Skizzen, beiläufig wirkende Kritzeleien, ausgereifte Studien und malerische Kompositionen, aber auch Musiknotationen.

«Im Vergleich mit Gemälden sind die besten Zeichnungen tendenziell prägnanter, nüchterner, schematischer, nackter, näher am Gedanken, näher an der treibenden Kraft, aus der sie hervorgehen.»

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Dass diese Ausstellung in Basel stattfindet, ist der langen und engen Beziehung des Künstlers zum Kunstmuseum Basel zu verdanken. Seit 1968 haben Kuratoren wie Carlo Huber, die Direktoren Franz Meyer und Christian Geelhaar sowie Dieter Koepplin als Leiter des Kupferstichkabinetts intensiv mit Johns zusammengearbeitet und eine eindrückliche Sammlung seines Werkes aufgebaut. Auch den heutigen Direktor Josef Helfenstein verbindet seit seiner Tätigkeit in den USA eine langjährige Freundschaft mit dem Künstler. ◀

Fotografieren heisst, Wahrnehmung zu rahmen. Im Betrachten von fotografischen Bildern stellt sich zudem die Frage, wessen Blick repräsentiert wird. Carrie Mae Weems (*1953), eine der einflussreichsten US-amerikanischen Künstlerinnen, verhandelt Fragen in Bezug auf diese Blickbeziehung vor dem kulturellen und sozialen Hintergrund ihres Herkunftslandes und dessen Geschichte.

Seit der Kitchen Table Series, die Weems in den 1990erJahren zu grosser Bekanntheit verhalf, ist die Künstlerin oft selbst Modell ihrer Fotografien. Häuslich anmutende Szenen an einem von einer Hängelampe beleuchteten Holztisch zeigen sie, wie sie abwechselnd als Mutter, Tochter und Liebhaberin mit anderen Personen interagiert. Weems’ Bilder dürfen aber nicht nur als Ausdruck feministischer Kritik an traditionellen weiblichen Rollenbildern verstanden werden. Sie zeigen auch eine Lücke auf, die die Künstlerin stets beschäftigt: BIPoC–Black, Indigenous, and other People of Color– werden historisch betrachtet in für gewöhnlich negativ aufgeladenen Kontexten bildwürdig. Dies führt dazu, dass sich nicht weisse Menschen mit den Kunstwerken nicht gleichermassen identifizieren können, weil sie sich selbst und ihre Erfahrungen nicht darin erkennen. In Museen in und ausserhalb den USA sind Schwarze Künstler:innen ausserdem unterrepräsentiert. So drängt sich in Weems’ Werken auch immer wieder die Frage nach der Rolle des Museums als öffentliche Institution auf: Welche Öffentlichkeit wird im Ausstellungsraum angesprochen?

In der Serie Museums (2006 bis heute) besucht Weems Orte, an denen Kunst präsentiert wird, die das grösste Publikum erreicht: das Philadelphia Museum of Art, die Tate Modern in London, der Louvre in Paris. Sie bleibt jeweils vor dem Gebäude stehen, sodass die emblematischen Architekturen der Museumsgebäude auf den grossformatigen Schwarz-Weiss-Fotografien wie monumentale Bühnenbilder wirken, die eher bedrohlich als einladend wirken. Die dramatisch in Schwarz gehüllte Silhouette, von der wir nur die Rückenansicht sehen, steht wie ein Fremdkörper in der Landschaft und erinnert daran, dass die meinungsmachenden Institutionen nicht alle Körper gleichermassen aufnehmen.

Ein weiterer Strang, der sich durch Weems’ Schaffen zieht, ist die Auseinandersetzung mit historischen Fotografien. Für The Hampton Project rekontextualisierte Weems Aufnahmen der Fotografin Frances B. Johnston, die im Hampton Institute entstanden sind, der ersten Schule für die Schwarze und indigene Bevölkerung in den USA. Zeigen die Originalaufnahmen die nach weisser Mode zurechtgemachten Schüler:innen in gekünstelt wirkenden Posen, wird in Weems’ Installation das gewaltvolle Ausmass der assimilationistischen Mission dieses Projekts betont.

Mit der Geschichte von Aneignung, Verdrängung und der Ausweitung der Sklaverei in Nordamerika beschäf- tigte Weems sich für The Louisiana Project (2003), einer Serie, bestehend aus Foto- und Videoarbeiten. In der dazu gehörigen Serie Missing Link trägt sie Anzüge und Tiermasken, die im 19. Jahrhundert an der Mardi-Gras-Parade in Louisiana als animalistische Karikaturen der Schwarzen lokalen Bevölkerung die Überlegenheit der weissen Elite manifestieren sollten. Weems' eigene Identität und Hautfarbe bleiben dabei verborgen, die weissen Handschuhe maskieren auch das letzte Stück ihres Körpers.

Im Kampf gegen Diskriminierung spielen kulturelle Teilhabe und Bildung eine zentrale Rolle. Weems vermittelt dies in Land of Broken Dreams: A Case Study (2021): Ein Wohnzimmer voller Devotionalien erinnert an den militanten Arm des Civil Rights Movement in den 1960er-Jahren. Damals bot ein Community-Projekt Kindern im segregierten Chicago neben kostenlosen Mahlzeiten auch kulturelle und akademische Alternativen zu den einseitigen Curricula. Gehen die Ausstellungsbesucher:innen der Einladung nach, auf den Möbeln Platz zu nehmen, denken sie dabei vielleicht auch über den Raum des Kunstmuseums nach, das als öffentliche Institution vom Kanton einen Bildungsauftrag hat. ◀

Aïcha Revellat ist Kunsthistorikerin und Doktorandin bei eikones – Zentrum für die Theorie und Geschichte des Bildes in Basel.

Iwan Baan gilt als einer der bedeutendsten Fotografen unserer Zeit für Architektur und die gebaute Welt. In eindrücklichen Bildern dokumentiert er das Wachstum globaler Megacities ebenso wie traditionelle oder informelle Bauten und die Werke bekannter zeitgenössischer ArchitektInnen, darunter Rem Koolhaas, Herzog & de Meuron, Kazuyo Sejima und Tatiana Bilbao. Ab dem 21. Oktober 2023 widmet das Vitra Design Museum dem niederländischen Fotografen die erste umfassende Retrospektive. Die Ausstellung zeigt mit dem breit angelegten Werk des Fotografen ein Panorama der Architektur des frühen 21. Jahrhunderts in ihren urbanen und sozialen Zusammenhängen.

Über die letzten 30 Jahre hat die rasante Verbreitung der digitalen Medien die Welt der Fotografie und Architektur von Grund auf verändert. Bilder neuer Gebäude werden heute in Echtzeit übermittelt, begleiten den Aufstieg von ArchitektInnen, beeinflussen den gestalterischen Prozess und machen Architektur – zumindest

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Zur Ausstellung erscheint eine umfangreiche Publikation. 600 Seiten, ca. 680 Bilder, 59.00 € | www.design-museum.de/shop design-museum.de visuell – überall und jederzeit verfügbar. Baan weiss Gebäude perfekt ins Bild zu setzen, fängt aber auch die Momente ein, in denen Architektur lebendig wird – wenn aus Plänen Gebäude werden, wenn die Bauarbeiter eine Pause machen, wenn Menschen ein- oder ausziehen. Durch Baans dokumentarischen Blick sind viele ikonische Bilder der letzten 20 Jahre entstanden – von den «offiziellen» Porträts architektonischer Wahrzeichen bis hin zu Fotos eines durch den Wirbelsturm Sandy ins Dunkel getauchten Manhattan.

Die Ausstellung zeigt Beispiele aus allen Bereichen von Baans Schaffen, darunter auch Filmmaterial und wenig bekannte Bilder informeller Bauten in aller Welt, vom chinesischen Runddorf bis zur äthiopischen Felsenkirche, von im Eigenbau entstandenen Etagenhäusern in Kairo bis hin zum Torre de David in Caracas. «Wichtig ist das Erzählen», sagt Iwan Baan. «Und das ist sehr intuitiv und fliessend. Mir geht es weniger um zeitlose Bilder grosser Architektur als um den spezifischen Zeitpunkt, um den Ort und die Menschen dort.» ◀

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