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Interview M. Schlumberger

Qualität kehrt zurück

Wachstumswerte stehen vor Problemen, Kryptos kommen nicht ins Portfolio, so Investment-Experte Manfred Schlumberger. Optimistisch ist er hingegen für profitable Value-Unternehmen.

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HARALD KOLERUS

Er ist für seine kritischen Kommen tare bekannt. So schrieb der Anla gespezialist von StarCapital, Man fred Schlumberger, im Februar: „Bei unprofitablen Technologiewerten und den hochgehypten Kryptowährungen entweicht schlagartig die heiße Luft.“ Wo andere sich im Schönreden üben, spricht Schlumberger eben Tacheles. Deshalb befragte das GELD-

Magazin den Experten zu seiner Einschätzung von Wirtschaftslage und Investmentchancen nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs.

Die gute Nachricht vorweg: Er geht zwar von einer abgebremsten Konjunkturentwicklung aus, die Wahrscheinlichkeit einer globalen Rezession hält er aber für gering.

Und die gute Nachricht für Börsianer lautet: Alternativen zu Aktien gibt es kaum, wobei der Energiesektor, Rohstoffe und Value seine Favoriten sind.

Börse und Wirtschaft sind heute mit enormem „Störfeuer“ konfrontiert: Ukraine-Krieg, Corona, hohe Energiepreise, Inflation, Lieferschwierigkeiten. Wie geht es jetzt weiter?

Natürlich sind jetzt alle Augen auf die humanitäre Katastrophe in der Ukraine gerichtet. Wirtschaftlich betrachtet bedeutet der Krieg ein Anheizen der Energiepreise, was zu einer Steigerung der Inflation führt. Das schlägt sich mit Sicherheit wiederum in weniger Wirtschaftswachstum nieder. An eine globale Rezession, von der manchmal zu lesen ist, glaube ich allerdings nicht. Vor dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs bin ich von einem sehr starken Wirtschaftswachstum im zweiten und dritten Quartal ausgegangen, nämlich aufgrund des Auslaufens der Corona-Maßnahmen und dem damit verbundenen Schub im Dienstleistungssektor. Nun glaube ich, dass wir in den USA und Europa kein starkes, aber immer noch gutes Wachstum sehen werden.

Aber wie lässt sich das erklären: Die Welt wird von einem brutalen Krieg erschüttert, Corona ist noch nicht ganz verdaut - und dennoch bleibt die Rezession aus?

Die Weltwirtschaft wurde bereits vor der Eskalation in der Ukraine von der CovidPandemie getroffen, das ist zweifellos richtig. Es handelt sich hierbei allerdings um ein Angebotsproblem bzw. um gestörte Lieferketten. Die Nachfrage ist ja da, nachdem in den Vereinigten Staaten bereits Vollbeschäftigung herrscht und auch in Europa das annähernd der Fall ist. Das Einkommen und die Vermögen vieler Menschen haben nicht gelitten, ich meine sogar, dass während der Pandemie viel Geld gehortet und auf die hohe Kante gelegt worden ist. Der entscheidende Punkt lautet, dass früher oder später das Geld wieder in den Wirtschaftskreislauf zurückfließen wird. Daran sollte auch der Krieg nichts ändern.

Sie haben bereits die Inflation angesprochen, wie lange bleiben die Preise hoch? Wie reagieren die Notenbanken?

Ich hatte früher schon einmal kommentiert: Die Inflation ist gekommen, um zu bleiben. Das gilt jetzt erst recht, allerdings auf noch höherem Niveau als zuvor gedacht. Die Fed hat signalisiert, dass die Wirtschaft stark genug ist, um Zinserhöhungen auszuhalten. Für dieses Jahr wurden vor Ausbruch des Kriegs mehrere Zinserhöhungen der Fed prognostiziert - bis zu fünf an der Zahl. Ich meine aber, dass nicht so heiß gegessen wie gekocht wird. Ja, es wird bis zum Spätsommer Erhöhungen geben, allerdings in kleinen Schritten, bei einer schwachen Konjunktur könnte man dies dann auch früher als geplant wieder beenden.

Sie haben in einem Kommentar im Februar ein mögliches Quantitative Tightening der Fed als „puren Horror“ bezeichnet. Was hat sich seither getan?

Quantitative Tightening, also der Nettoverkauf von Anleihen, würde zwangsläufig mit

einer Liquiditätsverknappung einhergehen. Aber auch bei diesem Thema wird sehr vorsichtig vorgegangen, um mögliche Schocks zu vermeiden. Quantitative Tightening würde frühestens erst Mitte des heurigen Jahres einsetzen und auch dann wiederum nur in kleinen Schritten.

Und wie agiert jetzt die EZB in diesem schwierigen Umfeld?

Noch vorsichtiger. Sie wird weniger und irgendwann gar keine Anleihen mehr kaufen. Das erfolgt in homöopathischen Dosen, ebenso wie eventuelle Zinsschritte. Vielleicht könnte heuer eine Erhöhung von einem Viertelprozentpunkt erfolgen - aber selbst das halte ich für unwahrscheinlich. Die Bilanz tatsächlich abzubauen, wäre für die EZB zu riskant, sie hat ja mehrere Aufgaben zu erfüllen, etwa die Stabilität der Euro-Zone sicherzustellen.

Wechseln wir jetzt zur Anlagestrategie: Wie sollten sich Anleger in diesen turbulenten Zeiten wappnen?

Flexibilität und ein gewisser Cash-Bestand sind anzuraten, um auf mögliche günstige Kaufgelegenheiten reagieren zu können. An Aktien führt in der gegenwärtigen Situation kaum ein Weg vorbei, Rohstoffe zur Diversifizierung des Portfolios können dabei nicht schaden. Prinzipiell rücken profitable Value-Werte weiter in den Vordergrund, ich denke aufgrund der hohen Preise vor allem an Aktien aus dem Grundstoff-, Versorger- und Energiesektor. Das gilt natürlich nur, wenn sie nicht direkt von russischen Lieferungen abhängig sind.

Aber denken sich das nicht alle Investoren, was zu einer Überbewertung der Energie-Titel führen könnte?

Kurzfristige Übertreibungen und anschließende Korrekturen sind nicht ausgeschlossen. Tatsächlich sind solche Aktien aber günstig bewertet, sie weisen fast alle ein einstelliges KGV auf. Aus meiner Sicht bieten Energie- und Rohstoffaktien auf Sicht von zwölf Monaten das größte Potenzial.

Weniger optimistisch sind Sie für Technologie- und Wachstumswerte, warum?

Konzerne wie Amazon, Apple oder Alphabet verdienen sehr viel Geld, sie haben mit steigenden Zinsen wenig Probleme. Bei unprofitablen hochverschuldeten Unternehmen, häufig aus dem Technologiesektor, schlagen sich höhere Zinsen aber unmittelbar auf der Kostenseite nieder. Deshalb bin ich bei solchen Titeln vorsichtig, sie haben noch schwierige Zeiten mit einer tendenziellen Underperformance in den kommenden sechs bis neun Monaten vor sich. Ende des Jahres könnte die Bewertung dann wieder besser aussehen. beträgt null. Das ist zwar auch bei Papiergeld der Fall, hier bürgen aber Zentralbanken bzw. Staaten für den Wert. Das ist bei Bitcoin und Co. nicht so, deshalb haben Kryptos in unseren Portfolios keinen Platz.

www.starcapital.de

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ZUR PERSON

Dr. Manfred Schlumberger ist seit 2019 Vorstand und Leiter des Portfoliomanagements bei StarCapital. 2017 bis 2018 war er Vorstand und Co-Leiter Portfoliomanagement des Unternehmens. Zuvor war er in mehreren namhaften Finanzinstitutionen tätig, so als Chief Investment Officer bei der Berenberg Bank, 2001 bis 2016 als Sprecher der Geschäftsführung bei BHF TRUST und 1994 bis 2001 als Generalbevollmächtigter bei der Frankfurter Volksbank. Schlumberger absolvierte erfolgreich das Studium der Wirtschaftswissenschaften mit Abschluss als Diplom-Ökonom, Promotion zum Dr. rer. pol.

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