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Interview Jason Guthrie
Transparenz schadet nicht
Regulierungen werden nicht den Untergang sondern den Beginn der Massentauglichkeit von Kryptowährungen einläuten. Jason Guthrie, Head of Digital Assets bei WisdomTree Europe, teilt diese Einschätzung.
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MORITZ SCHUH
Herr Guthrie, wir beobachten zunehmend wieder eine Verunsicherung auf den traditionellen Märkten, erwarten Sie ein baldiges Übergreifen auf den Kryptomarkt?
Wir leben in einer sehr globalisierten Welt, was wir am Covid-Ausverkauf im letzten Jahr wieder deutlich sehen konnten. In Momenten, in denen allgemeine Panik ausbricht, versuchen Investoren aus allem, was sie halten, rauszukommen. Der Abverkauf am Kryptomarkt fiel deshalb so heftig aus, da es im Vergleich zu denjenigen die aus praktischen Gründen, wie grenzüberschreitenden Überweisungen, Kryptowährungen halten, immer noch viele mit reiner Investitionsperspektive gibt. Das erhöhte den negativen Einfluss auf den Preis, als es zu einer Panik auf den Märkten kam. Was ich im letzten Jahr jedoch interessant fand, war das relative Tempo, mit dem sich die Märkte anschließend erholten. Es dauerte nur rund sechs Wochen, bis Bitcoin und Co. wieder ihr Vorkrisenniveau erreichten, beim S&P 500 hingegen waren es vier oder fünf Monate.
Selbst wenn Investoren ihre Lehren aus der letztjährigen Panik gezogen haben, steigende Konsumausgaben, höhere Inflationsraten und Zinsanstiege können doch nach wie vor Effekte haben – oder?
Bitcoin und Kryptowährungen insgesamt sind neu, es liegt in der Natur der Sache, dass es immer noch ein gewisses Maß an Spekulation gibt – vor allem, was die Verbreitung in der Masse angeht. Man denke nur an das Internet im Jahr 1997, auch da konnte niemand vorhersagen, dass einmal Unternehmen wie Google, Amazon oder Facebook existieren werden. Warum wir zunehmende Investitionen in dem Bereich sehen, ist eine Frage darüber, unter welchen Umständen Investoren Krypto als ein relevantes Asset in ihrem Portfolio anerkennen. Das muss kein direkter Tausch sondern kann auch einfach eine andere Gewichtung der vorhandenen Anlagen sein. Hier hat und wird das makroökonomische Umfeld einen großen Einfluss haben. Wie effektiv sich Bitcoin als Inflationsschutz eignet, konnte zwar noch nie getestet werden, da es Bitcoin zu Zeiten von Inflation bisher noch nicht gab. Fakt ist aber, dass Bitcoin inflationsresistente Eigenschaften, wie sein festes Angebot, aufweist. Auch Zinserhöhungen wirken sich in der Regel auf Vermögenswerte aus und sind ein Faktor, der Investoren auf die
Suche nach Alternativen und typischerweise in Rohstoffe, Bargeld, oder eben Kryptowährungen treibt. Sich ändernde makroökonomische Bedingungen sind typischerweise ein Zeitpunkt an dem Anleger neue Assetklassen ins Auge fassen. Menschen, die sich bei etwas, das sie besitzen, unter Druck gesetzt fühlen, sind meiner Erfahrung nach am meisten motiviert, sich nach anderen Möglichkeiten umzusehen. Die eigentliche Frage ist also nicht, wie Bitcoin auf solche Veränderungen reagiert, sondern vielmehr, wie er von Anlegern betrachtet wird, wenn Aktienbewertungen hoch erscheinen und festverzinsliche Wertpapiere in einem Umfeld steigender Zinssät-
ze eine schlechte Investition sind. Wenn dies zu erhöhter Nachfrage führt, wird sich das im Preis widerspiegeln.
Um das untersuchen zu können, dürfen ausufernde Regulierungen dem jedoch nicht vorzeitig einen Riegel vorschieben. Wie hoch schätzen Sie dieses Risiko ein?
Es ist schwierig, sich ein klares Bild davon zu machen, was wirklich geplant wird. Ich denke niemand, mit Ausnahme von China, will irgendeine Art von Komplettverbot umsetzen. Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens, wenn man Krypto einschränken wollte, müsste man praktisch das Internet zensieren. Keine große Volkswirtschaft hat den Drang, das zu tun. Der zweite Grund ist, dass man gegen sehr viele alltägliche Bürger durchgreifen müsste. Die FCA hat diesbezüglich eine Umfrage durchgeführt, und herausgefunden, dass mehr als 20 Prozent der Befragten in irgendeiner Weise Krypto-Exposure haben. Das ist eine von fünf Personen, die man ins Visier nehmen müsste. Es geht also viel eher darum, Aktivitäten so weit wie möglich unter das Dach bestehender Regulierungen zu bringen, aber das bedeutet nicht, dass der komplette Kryptospace unterdrückt werden wird. Die Regulierungsbehörden müssen dennoch vorsichtig sein, wie sie das umsetzen. Sie haben nämlich nur Macht, solange sie diese unter Androhung von Geld- oder Gefängnisstrafen auch durchsetzen können. Wenn ein Unternehmen nicht mehr in ihrem Zuständigkeitsbereich angesiedelt ist, ist das sehr schwer zu bewerkstelligen. Ein Amerikaner, der dann Zugang zu DeFi-Krediten haben will, wird diesen über das Internet trotzdem bekommen, selbst wenn das Unternehmen nicht in den USA ansässig ist. Ich sehe viel eher, dass die
Regulierungsbehörden sich auf eine Lösung zubewegen, die ihnen Kontrolle gibt, aber auch Innovation in ihrem Zuständigkeitsbereich fördert. Das ist, wenn man so will, der kritische Punkt, wie hart sie wirklich durchgreifen können. Man hat erkannt, dass es sich um eine wichtige Technologie handelt, die von den Menschen gewünscht wird. Das heißt aber nicht, dass man von der Branche kein hohes Maß an Transparenz, Offenlegung und Verbraucherschutz erwarten darf. Ich betrachte Regulierung daher als notwendig und hilfreich für die Akzeptanz von dezentralem Krypto-Finanzwesen, weil ein großer Teil dieser Akzeptanz aus dem Vertrauen in das System und die Unternehmen, die es darin gibt, kommen wird. Regulierung spielt dafür eine große Rolle. Man braucht das System also nicht zu bekämpfen, um ein besseres System zu schaffen.
Aber ist der Ansatz, etwas Neues und Innovatives in einen bestehenden und veralteten Rechtsrahmen einzupassen, nicht potenziell schädlich für das Wachstum neuer Technologien?
Ich stimme zu, dass es unsinnig ist, etwas völlig Neues in ein altes System einzupassen, das nicht auf Innovation ausgelegt ist. Heißt das aber, dass alle Absichten der alten Regeln keinen Sinn machen? Es wird alles auf die Details ankommen, wie diese umgesetzt werden. Ich denke, dass sich viele der bisherigen Geschäftsmodelle und -praktiken ändern werden, und das kann für viele Unternehmen ein ziemlicher Schock sein. Einige werden diesen erzwungenen Wandel wahrscheinlich auch nicht überleben. Es kann sein, dass eine ganz neue Welle von Unternehmen auf den Markt kommt, die sich besser an die Vorschriften halten und besser damit umgehen können. Innovation, beispielsweise bei der Kreditvergabe, wird sich also fortsetzen, das Risiko besteht jedoch, dass viele der bestehenden Akteure aufgrund von Regulierung aus der Branche aussteigen.
Könnte das nicht auf Kosten von KryptoGrundwerten und potenziellen Effizienzgewinnen gehen, wenn man sich den Vorgaben kapitulierend hingibt? ZUR PERSON
Jason Guthrie ist Head of Digital Assets bei WisdomTree in Europa. Guthries Verantwortungsbereich umfasst in diesem Segment die Markteinführung neuer sowie die Optimierung bestehender Produkte, das Vorantreiben assoziierter Vertriebsstrategien und das Aufklären von Kunden über Kryptowährungen in Bezug auf deren Engagement in diese Anlageklasse. Zuvor war Guthrie vier Jahre lang Leiter des Bereichs Capital Markets bei WisdomTree in Europa. Bevor er zu WisdomTree kam, war Guthrie im ETF-Bereich der Deutschen Bank tätig sowie als Investment Executive bei der Macquarie Bank in Sidney. Jason Guthrie hat einen Bachelor of Commerce (Finanzen) von der Macquarie University in Sydney. Je nachdem, wie effizienzsteigernd eine Technologie im Vergleich zu den Kosten ist, die man ihr aufbürdet, wird es immer eine gewisse Zahl an Unternehmen geben, die auf ihr aufbauen, und andere, die das nicht tun. Wir sprechen hier jedoch auch von Internetunternehmen, die prinzipiell an vielen Orten existieren können. Etwas Innovatives, das irgendwo Effizienz liefert und besser ist, als das, was man in einer anderen Rechtsordnung hat, wird auch dort bald nachgefragt werden. Wir sehen bereits kleine Länder, die Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel einführen oder einführen wollen. Die Vorstellung, dass dies aufgrund der Entscheidung eines anderen Landes aufhören wird, ist lächerlich.
Warum fürchtet sich der Markt dann so sehr vor Regulierung?
Hier gibt es viele Nuancen, das ist keine Frage der Regulierung oder Nicht-Regulierung. Ich denke, die Branche tut sich selbst keinen Gefallen, wenn sie auf die Einbindung der Behörden immer negativ reagiert. Sicherlich können die Regulierungsbehörden immer transparenter sein und es könnte immer einfacher sein, mit ihnen zu arbeiten, aber sie erfüllen eine wichtige und komplexe Aufgabe. Man tut sich keinen Gefallen, wenn man sich an den Unterton des Libertarismus oder des Kampfes gegen die Institutionen anlehnt. Ein riesiger Teil der Bevölkerung lebt und existiert in einem regulierten Umfeld, wenn man zu diesen Nutzern Zugang haben will, muss man mit ihnen zusammenarbeiten, um die bestmöglichen Ergebnisse für alle zu erzielen. Es geht nicht darum, etwas Alternatives zu schaffen, das sich völlig vom bestehenden System und den Institutionen abgrenzt oder gar versucht diese in Brand zu setzen. Leute, die sich darüber aufregen, dass Regulierung Kryptowährungen umbringen wird oder die Idee unterstützen, dass wir keine Regulierung brauchen, sind meiner Ansicht nach genauso schädlich, wie Leute, die ein komplettes Verbot von Kryptowährungen fordern. Die Zukunft der Branche wird höchstwahrscheinlich irgendwo in der Mitte dieser beiden Standpunkte liegen. www.wisdomtree.eu