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Interview mit Gerhard Winzer

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Ein gutes Aktienjahr

Zu Ende des Pandemiejahres 2020 zeigt sich aufgrund großzügiger fiskalischer Rettungspakete und erster Impfstoffe eine Entspannung der Lage. Wir sprechen mit Gerhard Winzer über seine Erwartungen an das Jahr 2021.

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MARIO FRANZIN

Gerhard Winzer, Chef-Volkswirt bei der Erste Asset Management GmbH

Für Krisen aufgrund externer Schocks ist eine rasche Erholung typisch.

Die Corona-Krise führte heuer an den Börsen zu extrem hohen Kursschwankungen. In Summe jedoch verlief das Jahr eigentlich ganz zufriedenstellend. So mancher Marktteilnehmer fürchtet zwar momentan eine Überbewertung an den Börsen und damit eine Korrekturgefahr, doch wer über den Tellerrand – sprich in das nächste Jahr blickt – könnte durchaus positiv überrascht werden. Wir sprechen mit Gerhard Winzer über die Chancen und Gefahren für Anleger im Jahr 2021.

Seit Anfang November erholten sich die Börsen wieder deutlich. Zum Teil notieren sie sogar auf Allzeithochs oder knapp darunter. Ist die Euphorie überzogen?

Das Jahr 2020 lief tatsächlich in Summe erstaunlich gut – anders als man erwarten konnte. Mit den richtigen Fonds wurde sogar ordentlich Geld verdient. So legte z.B. unser Erste WWF Stock Environment seit Jahresbeginn um 66 Prozent zu, nachdem er 2019 bereits um rund 50 Prozent gestiegen ist. Ähnlich gut erging es auch Fonds mit den Themen Technologie, Neue Energien und Nachhaltigkeit. Verloren haben hingegen Börsen, die stark von zyklischen Werten dominiert sind, wie Österreich oder Osteuropa, sowie in Ländern, die tiefe Krisen durchmachen, wie z.B. die Türkei. Hintergrund ist die durch die Corona-Krise induzierte tiefe Rezession im 2. Quartal, aus der aber infolge umfangreicher Fiskalpakete – das erste wurde in den USA bereits am 23. März umgesetzt – im Sommer wieder eine rasche Erholung folgte. Die Börsen nahmen diese positive Entwicklung seit Mitte März wieder vorweg. Im Gegensatz z.B. zur Rezession nach der Lehman-Krise, die durch strukturelle Probleme im Finanzbereich ausgelöst wurde, erholen sich die Märkte nach externen Schocks in der Regel wieder relativ rasch. Das haben wir z.B. auch nach der letzten Ölkrise 1979/1980 gesehen.

Auf der einen Seite war es für die Wirtschaft zwar sehr hilfreich, durch die großzügige Fiskalpolitik unterstützt zu werden. Wie kommen die Staaten aber nun wieder aus den stark angestiegenen Verschuldungen heraus?

Die Geld- und Fiskalpolitik reagierte schnell und entschieden. Das war wichtig für die Realwirtschaft. Damit steigen die Staatsschulden der OECD-Staaten um etwa 20 Prozentpunkte zum BIP – die Reaktion war zugegebenermaßen dramatisch, aber auch richtig. Was die Finanzierung der Schulden unterstützt, sind extrem niedrige reale Renditen bei den Staatsanleihen. In Österreich liegen z.B. die Realzinsen bei etwa minus zwei Prozent. Mit zunehmender Erholung der Wirtschaft wird auch die Inflation anziehen, was die realen Renditen vorerst weiter senken wird. Man sieht auch in den USA, wie sich die Federal Reserve durch Änderung der geldpolitischen Richtlinien auf anhaltend niedrige Zinsen bei gleichzeitig lockerer Handhabung des Inflationsziels einstellt.

Wie groß ist die Gefahr, dass angesichts explodierender Schulden (z.B. in Italien) wieder eine Eurokrise entsteht?

Das bleibt zwar ein heißer Ritt, aber ich bin optimistisch, dass es hier zu keiner ausgewachsenen Krise kommen wird. In der EU unterstützt die EZB mit Anleihenkaufprogrammen und als Game Changer die zunehmende Vergemeinschaftung der Staatsschulden zur Staatenfinanzierung – die Zinsen werden auf sehr tiefem Niveau gehalten,

womit die Staatsverschuldungen vorerst kein Problem darstellen sollten. Auch der Markt schätzt dies so ein, wie man an den derzeit niedrigen Renditen italienischer Staatsanleihen ablesen kann. Die Probleme der Eurozone waren auch lange Zeit ein Problem der Unterschiede. Heute haben sich die Lohnstückkosten weiter angeglichen, womit die Ausgangslage besser geworden ist.

Nun zu 2021, welche Chancen sehen Sie in diesem Jahr für Anleger?

Ich denke, dass sich die zyklische Erholung, die wir bereits seit November sehen, fortsetzen wird. Damals wurde erstens einiges an Unsicherheit durch die US-Wahlen aus dem Markt genommen – die Demokraten haben gleichzeitig den Senat nicht gewonnen, womit Steueränderungen unwahrscheinlich geworden sind. Erste Konturen zeigen sich auch im Kabinett, z.B. mit der ehemaligen Fed-Chefin Janet Yellen als Finanzministerin und damit eine auf Jahre hinaus expansive Geldpolitik. Das lässt weiter Positives für die Märkte erwarten. Der zweite Grund für die Erholung waren gute Nachrichten von der Impfstoffseite her. Mit Pfizer/ BioNTech, Moderna und AstraZeneca publizierten drei Pharmafirmen positive Phase III-Studiendaten, wonach erwartet werden kann, dass im Jänner 2021 gleich drei Impfstoffe verfügbar sein werden. In Großbritannien hat man bereits begonnen, zu impfen. Zwar rechne ich für das vierte Quartal 2020 in Europa mit einer abermaligen Schrumpfung des BIP, aber im Gesamtjahr 2021 ist wieder mit einer Normalisierung der Mobilität und einer deutlichen Erholung der Wirtschaft zu rechnen. Ich erwarte hier ein globales Gewinnwachstum von knapp 30 Prozent. Die gute Entwicklung zyklischer Aktien sollte daher vorerst andauern, womit europäische – auch die österreichische – und japanische Börsen besser gehen sollten als jene der USA. Denn erstens sind dort weniger zyklische Werte gelistet und zweitens dürfte der Dollar aufgrund einer sinkenden Save Hafen-Nachfrage eher schwächer tendieren. Prinzipiell sollte man 2021 mit Aktien deutlich besser aufgestellt sein als mit Anleihen – hier erwarte ich am ehesten bei Unternehmens- und Emerging Markets-Anleihen positive Renditen.

Wo sehen Sie noch Risiken in 2021?

Was man in jedem Fall im Auge behalten sollte, ist die Entwicklung beim Coronavirus. Wir wissen, dass Pademien wellenförmig ablaufen. Sollte z.B. der Impfstoff nicht wirken, sind weitere starke Infektionswellen zu erwarten. Auch besteht das Risiko, dass sich viele Menschen nicht impfen lassen und damit die Pandemie prolongiert wird. Und nicht zuletzt bleibt zu hoffen, dass das Virus stabil bleibt, sodass die Impfungen weiterhin wirksam sind.

Werden wir 2021 bereits mit höherer Inflation zu kämpfen haben bzw. besteht dann die Gefahr, dass die Zentralbanken wieder restriktiver werden?

Das ist der zweite Punkt, auf den ich als Risiko zu sprechen kommen will. Hier muss man beobachten, wie die Geld- und Fiskalpoltik weiter zusammenspielen wird – ich denke, das wird 2021 weiter gut funktonieren. Auf Unternehmensebene werden zwar Firmenpleiten zunehmen, wenn die Unterstützungspakete zurückgefahren werden, aber ich denke, das wird nicht so dramatisch ausfallen, als dass die Erholung insgesamt gefährdet wäre. Die Rolle des Staates wird hier für den weiteren Verlauf sicher sehr wichtig sein. Trotz einer guten Wachstumsentwicklung erwarte ich für 2021 in Europa eine anhaltend niedrige Inflation, weil sich der Arbeitsmarkt nur schrittweise verbessern wird. Ein Bremsen der Zentralbanken wird voraussichtlich sogar die nächsten fünf Jahre nicht möglich werden. Bei Staatsanleihen könnten wir 2021 möglicherweise dennoch einen moderaten Renditeanstieg sehen.

Aktien sollten 2021 aufgrund erwarteter Gewinnanstiege eine gute Entwicklung zeigen.

ZUR PERSON

Gerhard Winzer ist seit März 2008 bei der Erste Asset Management tätig. Bis März 2009 war er Senior Fondsmanager im Bereich Fixed Income Asset Allocation, seit April 2009 ist er Chefvolkswirt. Er hat einen HTL-Abschluss und studierte an der Universität Wien Volkswirtschafts- und Betriebswirtschaftslehre mit speziellem Fokus auf Finanzmärkte. Er ist CFA-Charterholder und war von 2001 bis 2003 Teilnehmer des Doktoratsprogramms für Finanzwirtschaft im Center for Central European Financial Markets in Wien. Von Juli 1997 bis Juni 2007 war er in der CAIB, Bank Austria Creditanstalt, UniCredit Markets & Investment Banking im Research tätig. Die letzte Position war Direktor für Fixed Income/FX-Research und Strategie. Von Juli 2007 bis Februar 2008 verantwortete er die Asset Allocation im Research der Raiffeisen Zentralbank (RZB).

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