INTERVIEW . Gerhard Winzer, EAM
Ein gutes Aktienjahr Zu Ende des Pandemiejahres 2020 zeigt sich aufgrund großzügiger fiskali scher Rettungspakete und erster Impfstoffe eine Entspannung der Lage. Wir sprechen mit Gerhard Winzer über seine Erwartungen an das Jahr 2021. MARIO FRANZIN
D
ie Corona-Krise führte heuer an
gelöst wurde, erholen sich die Märkte nach
den Börsen zu extrem hohen Kurs-
externen Schocks in der Regel wieder relativ
schwankungen. In Summe jedoch
rasch. Das haben wir z.B. auch nach der
verlief das Jahr eigentlich ganz zufriedenstellend.
So
mancher
letzten Ölkrise 1979/1980 gesehen.
Marktteilnehmer
fürchtet zwar momentan eine Überbewer-
Auf der einen Seite war es für die Wirt-
tung an den Börsen und damit eine Korrek-
schaft zwar sehr hilfreich, durch die
turgefahr, doch wer über den Tellerrand –
großzügige Fiskalpolitik unterstützt zu
sprich in das nächste Jahr blickt – könnte
werden. Wie kommen die Staaten aber
durchaus positiv überrascht werden. Wir
nun wieder aus den stark angestiegenen
sprechen mit Gerhard Winzer über die Chancen und Gefahren für Anleger im Jahr 2021.
Verschuldungen heraus? Die Geld- und Fiskalpolitik reagierte schnell
Seit Anfang November erholten sich die
alwirtschaft. Damit steigen die Staatsschul-
Börsen wieder deutlich. Zum Teil notie-
den der OECD-Staaten um etwa 20 Prozent-
ren sie sogar auf Allzeithochs oder knapp
punkte zum BIP – die Reaktion war zugege-
und entschieden. Das war wichtig für die Re-
Für Krisen aufgrund externer Schocks ist eine rasche Erholung typisch.
8 . GELD-MAGAZIN – Jänner 2021
benermaßen dramatisch, aber auch richtig.
Das Jahr 2020 lief tatsächlich in Summe er-
Was die Finanzierung der Schulden unter-
staunlich gut – anders als man erwarten
stützt, sind extrem niedrige reale Renditen
konnte. Mit den richtigen Fonds wurde so-
bei den Staatsanleihen. In Österreich liegen
gar ordentlich Geld verdient. So legte z.B.
z.B. die Realzinsen bei etwa minus zwei Pro-
unser Erste WWF Stock Environment seit
zent. Mit zunehmender Erholung der Wirt-
Jahresbeginn um 66 Prozent zu, nachdem er
schaft wird auch die Inflation anziehen, was
2019 bereits um rund 50 Prozent gestiegen
die realen Renditen vorerst weiter senken
ist. Ähnlich gut erging es auch Fonds mit
wird. Man sieht auch in den USA, wie sich
den Themen Technologie, Neue Energien
die Federal Reserve durch Änderung der
und Nachhaltigkeit. Verloren haben hinge-
geldpolitischen Richtlinien auf anhaltend
gen Börsen, die stark von zyklischen Werten
niedrige Zinsen bei gleichzeitig lockerer
dominiert sind, wie Österreich oder Osteur-
Handhabung des Inflationsziels einstellt.
opa, sowie in Ländern, die tiefe Krisen durchmachen, wie z.B. die Türkei. Hinter-
Wie groß ist die Gefahr, dass angesichts
grund ist die durch die Corona-Krise indu-
explodierender Schulden (z.B. in Italien)
zierte tiefe Rezession im 2. Quartal, aus der
wieder eine Eurokrise entsteht?
aber infolge umfangreicher Fiskalpakete –
Das bleibt zwar ein heißer Ritt, aber ich bin
das erste wurde in den USA bereits am 23.
optimistisch, dass es hier zu keiner ausge-
März umgesetzt – im Sommer wieder eine
wachsenen Krise kommen wird. In der EU
rasche Erholung folgte. Die Börsen nahmen
unterstützt die EZB mit Anleihenkaufpro-
diese positive Entwicklung seit Mitte März
grammen und als Game Changer die zuneh-
wieder vorweg. Im Gegensatz z.B. zur Re-
mende
zession nach der Lehman-Krise, die durch
schulden zur Staatenfinanzierung – die Zin-
strukturelle Probleme im Finanzbereich aus-
sen werden auf sehr tiefem Niveau gehalten,
Vergemeinschaftung
der
Staats-
Credit: beigestellt
Gerhard Winzer, Chef-Volkswirt bei der Erste Asset Management GmbH
darunter. Ist die Euphorie überzogen?