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EDITION LEIPZIGER WESTEN
EDITION LEIPZIGER WESTEN
Schulgeschichten
Schul-
Heft 2 Zeitzeugen aus verschiedenen Epochen berichten in diesem zweiten Band über ihre Schulerlebnisse in Gundorf und Böhlitz-Ehrenberg.
geschichten Heft 2
Mit Beiträgen von Gertraude Palm, Siegfried Kehler, Dieter Fröhlich, Anita Peterhänsel, Roland Hinniger, Gerhard Wittenberger, Elfriede Böker, Jürgen Panitz, Uta Jahnke, Norbert Langer, Frank Grommeck und Denis Achtner.
ISBN 978-3-944992-22-8
WERBEAGENTUR KOLB FÖRDERVEREIN ORTSGESCHICHTE BÖHLITZ-EHRENBERG E. V.
WERBEAGENTUR KOLB FÖRDERVEREIN ORTSGESCHICHTE BÖHLITZ-EHRENBERG E. V.
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Schule Gundorf, September 1924, Schulausflug zur Bastei
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INHALT Gertraude Palm
Erinnerungen an meine Schulzeit 7 Siegfried Kehler
Schulgeschichten aus den Jahren 1937–1945 9 Dieter Fröhlich
Mein Werkunterricht 14 Anita Peterhänsel
Meine Schulzeit ab 1938 17 Roland Hinniger
Meine Schulzeit zwischen 1939 und 1947 19 Gerhard Wittenberger
Schuleindrücke aus der Nachkriegszeit 23 Elfriede Böker
Unser Klassenlehrer Karl Berge 25 Jürgen Panitz
Die Grundschule Böhlitz-Ehrenberg 27 Uta Jahnke
Einschulung 1951 in die Gundorfer Schule 31 Norbert Langer
Meine Zeit als Lehrer und Direktor in Böhlitz-Ehrenberg 33 Denis Achtner
Schul-Ausflüge, Wandertage und Klassenfahrten 46 Anhang 53
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SCHULGESCHICHTEN D IETER F RÖHLICH
Mein Werkunterricht en Kinderschuhen entD wachsen, jetzt Jugendli-
ginn des ersten Werkunterrichtes musste noch ein gehobeltes Brett, Länge etwa 130 cm und Breite 30 cm von einer Tischlerwerkstatt erworben werden. An jedem Werkunterrichtstag wurde dieses Arbeitsbrett, wir nannten es auch Helling, mit zur Schule genommen. Und so liefen an diesem Tag von allen Richtungen kommend die Jungens mit ihrem Arbeitsbrett unter dem Arm in Richtung Schule.
cher, befriedigte das einfache Spielen nicht mehr. Die Freizeitbeschäftigung sollte sinnvoller werden und eine Möglichkeit war das Basteln. Ausschneidebögen waren in Fachgeschäften erhältlich, Mes- Dieter Fröhlich ser, Schere und Leim vorhanden. verbrachte seine Kindheit in Was konnte nicht alles gefertigt Böhlitz-Ehrenwerden: Flugzeuge, Burgen, Häu- berg. Heute lebt ser, die zu Städten wurden und er in Sonneberg vieles mehr. Ich habe ausgeschnitten, gefalzt und geleimt. Auch Laubsägeas Produkt, das wir im Werken herVorlagen waren erhältlich. Diese wurden stellen sollten, war ein Modellseauf Sperrholz aufgebügelt, ausgesägt und je gelflieger vom Typ »Jungvolk« aus Sperrnach Motiv auch bunt bemalt. Die notwen- holz, Leisten und Bespannpapier. Davor digen Werkzeuge, wie Laubsäge, Drillboh- hatten wir bereits aus Packpapier, Wellrer, Hammer, Zange, Feile gab es auch in pappe und Leisten flugtaugliche, fliegerFachgeschäften oder sie waren Weih- ähnliche Gebilde hergestellt und nun benachtsgeschenke. gannen wir mit der Herstellung eines Segelfliegers ganz aus Holz. it Eintritt in die Mittelschule 1941 Der Werkraum befand sich im Keller hatten wir das Fach Werkunter- der Schule und an der Fensterreihe stanricht, auch Werken genannt. Unser Klas- den Werkbänke mit Schraubstöcken. Zum senlehrer Herr Hoese war gleichzeitig Unterrichtsbeginn wurde das benötigte auch der Fachlehrer dafür. Die Mädels Werkzeug ausgeteilt, das waren u. a. Feinhatten parallel das Fach Nadelarbeit oder säge, Laubsäge, Raspel, Feile, Schneidlade, Handarbeit bei Frau von Mosch. Maße, Sandpapier und Holzleim... Die Praktiker in der Klasse freuten sich Jeder Schüler hatte seinen Arbeitsplatz besonders auf das Werken – und vor Be- und nach der Verteilung des Materials
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BÖHLITZ-EHRENBERG 1937–1945 konnte begonnen werden. Weil der Werkunterricht uns Schüler interessierte und die Grundlage bereits – wie eingangs erwähnt, vorhanden war – möchte ich versuchen, den Arbeitsablauf zur Herstellung des genannten Segelfliegers zu schildern. erstes erfolgte die Fertigung des AlsRumpfes. Vorn war der oval geformte
Kopf aus ca. 5 mm dickem Sperrholz und in einer ausgesägten Nut wurde die Kielleiste eingeleimt. Seitlich rechts und links war je eine weitere Leiste angebracht. Diese drei Leisten bildeten dann mit eingepassten und verleimten Zwischenstücken in der Höhe und Breite den Rumpf. Im hinteren Bereich war noch das Seitenruder eingefügt. Bearbeitet und eingespannt wurde alles auf der Helling. Auf dem hinteren Rumpfteil wurde noch das extra angefertigte Höhenruder festgeleimt und damit war der Rumpf fertig. Nun ging es an die Herstellung des Flügels. Er bestand ebenfalls aus Holzleisten und seine Form erhielt er durch Spanten. Die einzelnen Spanten waren aus dünnem Sperrholz, etwa einen Millimeter dick. Die Form der Spanten wurde auf dem einen Millimeter (!) dicken Sperrholz aufgezeichnet und grob mit einer Schere ausgeschnitten. Dann wurden die benötigten Spanten als Packen in einen Schraubstock gespannt und mit Raspel und Feile bearbeitet, bis sich die genaue Form ergab. Die Spanten erhielten kleine Nuten für das Montieren der Verbindungsleisten. Die Herstellung des Flügels war schon recht kompliziert, aber er wurde geschafft. Nach der Montage musste er rechts und links noch eingesägt und leicht geknickt
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und geleimt werden. Auch dieses wurde auf der Helling vorgenommen. Voraussetzung für alle Arbeiten war die gute Verleimung, denn die verleimten Teile standen unter Spannung. Nach der Fertigstellung des Modellfliegers im Rohbau wurde mit feinkörnigem Sandpapier nachgearbeitet. Dann erfolgte das Bespannen mit Bespannpapier. Reichlich zugeschnitten, wurde es im Wasserbad eingeweicht und nass auf Rumpf und Flügel aufgelegt. Mit dem Trocknen des Papiers straffte dieses sich. Die Bespannung wurde gesäubert und der fertige Modellflieger musste noch ausgetrimmt werden. Dann konnte der Start beginnen. Probefliegen erfolgte auf dem hinteren Schulhof und unter den Schülern wurden Vergleiche angestellt, welcher Modellflieger besser und weiter flog. Dazu wären wir gern nach Taucha gefahren und hätten unsere Flugmodelle vom Schwarzen Berg gestartet, aber dazu kam es nicht. Unsere Parallelklasse, die erste Mittelschulklasse, war uns da voraus. Deren Schüler bauten bereits den größeren Modellflieger vom Typ »Baby« und konnten nach dessen Fertigstellung diesen auf dem Schwarzen Berg erproben. wurde dann nicht D ermehrWerkunterricht weitergeführt, die häufigen
Alarme mit ausgefallenen Schulstunden waren vielleicht die Ursache und andere Fächer waren wichtiger. Für mich war die Beziehung zum Werkstoff Holz geblieben und zu Hause wurde noch manches Stück gebastelt. Ein guter Partner für den Erwerb der Materialien war der Bastlerladen von Oberingenieur Arno Ikier in der Schützenstraße, Nähe Haupt-
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SCHULGESCHICHTEN
Karl Berge inmitten seiner Schüler
stehen und die Schönheit der Sprache in der klassischen Literatur zu lieben. Grammatik und Ausdruck waren bei Herrn Berge Mittel zum Zweck: Man musste diese Fächer lernen, um unsere Sprache und Literatur zu verstehen, zu benutzen und zu lieben. Unsere Schule hatte auch eine große Schülerbibliothek. Herr Berge hatte immer ein offenes Ohr und einen guten Rat, wenn wir mit einem geliehenen Buch zu ihm kamen. Sein Biologieunterricht war geprägt von Wissenserwerb durch Anschauung. Mit dem Biologieraum bot unsere Schule sehr gute Voraussetzungen. Außerdem verlangte er in seinen Fächern eine vorbildliche Heftführung, was für unsere Jungen oft zu schwierig war. »Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser!« war ein beliebter Spruch, den er oft zitierte. Und er kontrollierte immer! Nur im Schulgarten – wir hatten in der 7. Klasse noch eine Stunde – bewies uns Herr Berge, dass man sich bei der Arbeit auch mal richtig schmutzig machen kann.
Er war in der 7. und 8. Klasse auch unser Klassenlehrer. arl Berge war bei uns Schülern nicht K nur geachtet und verehrt, er war auch eine Art Ersatzvater – gütig und verständnisvoll. Einige hatten durch den Krieg den Vater verloren. Unser Lehrer Berge stand allen hilfreich zur Seite, besonders dann, als es darum ging, den passenden Beruf zu wählen. »E., du willst Lehrerin werden? Überlege es dir gut! Das mit den pädagogischen Räten fängt jetzt erst an!«, sagte er ihr. Später merkte sie, er hatte Recht, wie immer! E. ist Lehrerin geworden. Aber vieles, sehr vieles, was sie damals von ihrem Lehrer, Herrn Berge, gelernt hat, hat sie versucht, genauso wie er an ihre Schüler und an die eigenen Kinder weiterzugeben. Jeder von uns hatte ähnliche unauslöschliche Erlebnisse, die ihn ein Leben lang prägten und dafür sind wir unserem Lehrer Herrn Berge bis auf den heutigen Tag sehr dankbar.
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BÖHLITZ-EHRENBERG 1949–1957
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J ÜRGEN PANITZ
Die Grundschule Böhlitz-Ehrenberg ir waren eine Klasse von vielen in W diesem 1902 errichteten Schulgebäude mit Turnhalle, Aula, Fachunterrichtsräumen und sogar einem öffentlichen Wannenbad. Der Schulhof war weiträumig, die ersten Schuljahre trennte ein mit verschließbarer Pforte versehener Teil das Gelände zur Turnhalle hin ab. Es gab sowohl für die Schule einen Hausmeister als auch für die Turnhalle. Beide hatten in den Schulbauten auch ihre Wohnung. Die Turnhalle war aber nicht nur Wohnung, sondern eine Residenz für die schon etwas ältere Frau Loricke, die von hoch oben, der ihrer Wohnung angeschlossenen zur Halle offenen Galerie, alles über-
schauen konnte und eingriff, wenn den Geräten Schaden drohte oder diese nicht wieder ordentlich abgestellt wurden. Auch Herr Birkmann, der Schul-Hausmeister, war eine Respektsperson. Zumeist genügte ein energisches Kläffen seines winzigen Hundes, um Übeltäter zu bremsen. So wurde man auch angekündigt, wenn man zu spät zum Unterricht kam. Schulhof befand Aufsichdemaucheigentlichen die Jungen-Toilette, ein
separater Flachbau, der fürchterlich stank. Die benachbarte alte Eiche trennte den vorderen von dem hinteren Teil des Schulhofes. Im vorderen Teil wurden zu
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SCHULGESCHICHTEN
rern wurden 70 bis 80 Lehrer und Horterzieher und rund 1 400 Schüler besuchten die Schule. Da der Gemeinderat offenbar keine Beziehungen zum Politbüro der SED hatte, blieb Böhlitz-Ehrenberg eine weitere Schule versagt. So gingen wir zum Zwei-Schichtsystem über. Die erste Schicht war von 7.30 Uhr bis 13.15 Uhr, die zweite Schicht begann 13.30 Uhr und endete gegen 18.00 Uhr. Auch um 17.00 Uhr wurden noch Deutsch oder Biologie erteilt. hatten eine schöne Aula im W ir2. Stock der Schule. Fast das ganze
Schuljahr über stand sie leer. So entschied ich, aus der Aula werden zwei Unterrichtsräume. Ich wurde angefeindet, weil dieses Stück Schulkultur beseitigt wurde. Andere klopften mir auf die Schulter, denn zwei Zimmer brachten etwas Entlastung.
Schulhäuser im Verlauf der Zeit
gehörten strenge Winter Bekanntlich zu den erklärten Feinden des Sozia-
lismus. Ich konnte dem nur zustimmen. Die Heizungsrohre (Dampfheizung) waren Jahrzehnte alt, die Rohre porös und die Ventile kaum funktionsfähig. Der Hausmeister kontrollierte fast täglich die Zimmer und dichtete Schadstellen mit Isolierband ab. Im Mittelteil der Schule herrschten subtropische Temperaturen, in anderen Zimmern – vornehmlich im Westflügel – froren Schüler und Lehrer. Die Lösung war schnell gefunden. Nach zwei Unterrichtsstunden fanden Wanderungen von der Kälte in die Wärme und umgekehrt statt. Dann kam die Erlösung, die Schule erhielt eine neue Heizung (auf Jahreszahlen verzichte ich, da mein Ge-
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BÖHLITZ-EHRENBERG 1952–1992 dächtnis nicht mehr hundertprozentig funktioniert...). Uns stand aber eine weitere Prüfung bevor. Zu Beginn der Heizperiode sollte alles in Ordnung sein. Trotz Planwirtschaft klappte dies nicht. 1 400 Schüler wurden ausgelagert. Der Hauptteil der Schüler fuhr am Vormittag und am Nachmittag mit Sonderstraßenbahnzügen in die Leutzscher Schule. Der »Rest« wurde auf Betriebe und Schrebergärten-Gaststätten verteilt. Selbstverständlich kam es zu Störungen, sie wurden jedoch »operativ« gelöst. Frau Niese, meine 1. Stellvertreterin, saß fast täglich von 18.00 bis 21.00 Uhr in der kalten Schule mit zwei weiteren Kollegen und mir und erstellte Notpläne. Wichtig ist meines Erachtens, Folgendes zu bemer-
Wandmalereien in den Gängen des Schulgebäudes
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ken: Es fiel wenig Unterricht aus und es wurde Fachunterricht durch die betreffenden Fachlehrer erteilt. Rethorische Frage an mich: »Wie haben wir das geschafft?« Meine Antwort: Es ist fast unerklärbar. Eines ist aber klar: Alle Lehrer und auch die Schüler leisteten Hervorragendes. ich heute zuweilen durch die W enn Schule gehe, stelle ich kaum Ver-
änderungen fest. Auch damals gab es gut ausgestaltete Fachunterrichtsräume, viele Zimmer waren frisch gemalert, andere dagegen schrien nach Farbe – auch heute. Es gab sogar Gardinen an den Fenstern. Die Mehrzahl der Räume war liebevoll – auch niveauvoll – durch Lehrer und Schüler verschönert worden. Herr Barthel,
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Das Lehrerkollegium der 1970er Jahre 1. Reihe v. l.: Fr. Dufke, Fr. Jetschel, Fr. Heinze, Fr. Teichert, Fr. Schmidt, Fr. Preuß, Fr. Paschke, Fr. Rudolph, Fr. Haugk, Fr. Blumtritt, Fr. Stahnke 2. Reihe v. l.: Fr. Steinkopf, Fr. Raupach, Fr. Gutte, Fr. Tamme, Fr. Schneider, Fr. Muster, Fr. Laue, Fr. Lange, Fr. Zschach, Fr. Niese, Fr. Walter, Fr. Bauriegel 3. Reihe v. l.: Fr. Bauer, Fr. Seidel, Fr. Elsner, Hr. Swantusch, Hr. Teichmann, Hr. Böhme, Hr. Langer, Hr. Schindler, Hr. Barthel, Fr. Seuß, Fr. Hoffmann
»Besondere Vorkommnisse» tendierte. Daran knüpfe ich an. Dem Schicksal sei Dank. Es gab an der Böhlitz-Ehrenberger Schule sehr wenige. Selbstverständlich sieht man das heute aus einem anderen Blickwinkel als vor zwei oder drei Jahrzehnten. Damals bedeutete das Kritik von vielen Seiten, Kontrollen, Aussprachen, Berichte schreiben u. ä. – also Unruhe, und das ist Gift für eine ordentliche pädagogische Arbeit.
E den geöffnet und die Schüler ströms war gegen 7.15 Uhr, die Portale wur-
ten ins Schulhaus. Ich saß noch an meinem Schreibtisch. Aufgeregt kam eine Kollegin zu mir. »Kollege Langer, kommen Sie bitte sofort zum Treppenaufgang A«. Nichts Gutes ahnend, lief ich dorthin. Mindestens 30 Schüler standen grienend vor einem Bild. Es zeigte die typische Silhouette von Moskau, überzogen mit
einem Flammenmeer. Darunter stand »Moskau, du bist wunderschön, doch eines Tages wirst du untergehen«. Das war starker Tobak. Den »Künstler«, er war Schüler einer 8. Klasse, konnten wir selbst ermitteln. Die Eltern zeigten sich einsichtig (ob geschauspielert oder echt, das wusste man nie). Der Schüler ging weitere zwei Jahre in unsere Schule und absolvierte danach die Berufsausbildung mit Abitur. Selbstverständlich gab es eine für ihn nicht angenehme Aussprache. Balsam war sicherlich – so vermutete ich – dass er als kleiner Held durch Klassenkameraden gefeiert wurde. zuvor: Frau Palm, meine SchulJ ahre sekretärin, betrat mein Zimmer und meldete zwei Herren, die mich zu sprechen wünschten, an. Aus ihrem Tonfall und ihrer Mimik konnte ich ahnen, von welcher Fakultät sie waren. Sie erkundig-
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BÖHLITZ-EHRENBERG 1952–1992 ten sich sehr höflich, ob ich ältere Schüler kenne, die sich für Elektronik interessieren bzw. sich damit beschäftigen. Meine lakonische Antwort: »Selbstverständlich, da gibt es einige«. Nach einigem Hin und Her erfuhr ich den Grund. In der Nähe der Schule muss ein kleiner Sender arbeiten. Anwohner hätten sich beschwert, dass Rundfunk- und Fernsehsendungen gestört wurden. Bei diesen Worten lief es mir heiß und kalt den Rücken hinunter. Das war ich mit einer Reihe von Jungen. Neben Mathematik erteilte ich Physik. In der 10. Klasse gab es das Thema »Elektromagnetische Wellen«. Ich ging immer davon aus, dass Anschauung der beste Weg zur Erkenntnis ist. Also zeigte ich ihnen an einfachen Geräten (z. B. Spulen, Kondensatoren, Widerständen, Antennen, Lautsprechern…), wie Sender bzw. Empfänger gebaut werden. Ausprobiert wurde das nachmittags. Selbstverständlich konnten wir keine Musik oder Sprache modulieren, aber Geräusche ließen sich senden und empfangen. Auch dies war selbstverständlich untersagt. Ich stellte mich dumm. Doch meine »Dummheit« wurde anscheinend akzeptiert. Somit ging der Kelch an mir vorüber.
WANDERFAHRTEN gehören zum Leben W anderfahrten der Schule. Sie sind, gemessen am
Unterricht, recht unbedeutend, aber nicht für die Schüler, es bleiben für sie nachhaltige Erinnerungen. Ich gewann immer den Eindruck, dass der Zielort – ob engere oder erweiterte Heimat bzw. Ausland –
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eine untergeordnete Rolle darstellten. Entscheidend waren die sozialen Erlebnisse. Sagen wir es in der Schülersprache: »Es muss was los sein«. Der Lehrer sieht das anders. Er hat eine ungeheure Verantwortung. Das belastet und zerrt an den Nerven. Eine Wanderfahrt erwähne ich an erster Stelle. Sie war für unsere Schule außergewöhnlich. Ich meine, auch für viele andere Schulen. Nach Abschluss der schriftlichen und mündlichen Prüfungen war es an unserer Schule üblich, noch ein bis zwei Wochen gemeinsam in einem Zeltlager oder einer Jugendherberge zu verbringen. Es galt die Devise »Erst die Arbeit und dann das Vergnügen«. Und heute? Diesen kleinen Nadelstich erlaube ich mir. Nun zu dieser Fahrt. Herr Wiesner – jetzt Schulleiter der Böhlitz-Ehrenberger Grundschule – war Klassenleiter einer 10. Klasse. Er kam mit einer kühnen Idee zu mir und sagte: »Ich möchte mit meiner Klasse nach Mecklenburg, aber nicht mit der Bahn, sondern mit Mopeds«. Dieses Gefährt hatten damals viele 16-Jährige. Ich sollte dazu meinen Segen erteilen. Mir wurde mulmig. Ich hatte aber Vertrauen zu ihm, weil ich wusste, dass er seine Mädchen und Jungen »im Griff« hatte. Ohne ein vertretbares Risiko ist fast nichts möglich. Also wurde der Segen erteilt. Eltern brachten das Gepäck zum Zielort und auf ging die Fahrt. In diesen Tagen kam mir oftmals der Gedanke: »Hoffentlich geht alles gut». Es ging gut. als Direktor kaum GelegenI chheit,hatte mit einer Klasse auf Wanderfahrt zu gehen. Das war Sache der Klassenleiter. Eine Klassenleiterin hatte langfristig
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SCHULGESCHICHTEN
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D ENIS A CHTNER
Schul-Ausflüge, Wandertage und Klassenfahrten WINTERZEIT – SCHÖNE ZEIT
wiesen. Danach war Dauerrodeln angesagt. Ich stellte mich an einen Baum, der am edingt durch leichte Schneefälle wur- Hügel stand, um eventuelle Unfälle zu verde der Wandertag der Klasse 1d kurz- meiden. Es stellte sich heraus, dass ich fristig für den 24. Januar 1984 von 9.00– allerhand Arbeit bekam, um die ankommenden Schlitten von 12.00 Uhr angesetzt. dem Baum fernzuhalten. Mit dieser für die Zwischendurch gestalKinder erfreulichen teten wir eine SchneeNachricht kam mein ballschlacht und ZielSohn nach Hause. Er werfen. Als Belohnung sagte, dass sich auch für alle Kinder gab es Eltern an dem WanÄpfel, Kekse und Bondertag beteiligen könbons. nen. Ich entschloss Gegen 11.15 Uhr mich, mit der Klasse ging es wieder in Richden Wandertag zu getung Schule. Jetzt stellstalten. ten sich die ersten ErPünktlich ging es in müdungserscheinungen Doppelreihe, die Kinbei den Kindern ein. Der der den Schlitten zieHeimweg muss wohl hend, in Richtung Gunnun einige Meter länger dorfer Park. geworden sein. Einige Der Hinweg war Winterlicher Ausflug Schüler hatten großen durch Freude und Spaß kurzweilig. Am RodelHunger, andere Schüler berg angekommen, wurden die Kinder freuten sich schon auf die Mittagsruhe. Ich durch die Klassenleiterin, Frau Teichert, glaube es war ein gelungener Wandertag. über das Verhalten am Rodelberg eingeRobert Achtner (aus unserem Gruppenbuch)
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BÖHLITZ-EHRENBERG 1983–1989
BESUCH BEI UNSERER PATENBRIGADE
WANDERTAG ZUM AUSSICHTSTURM
(aus unserem Gruppenbuch)
(aus unserem Gruppenbuch)
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Patenbrigade arbeitet im VEB ir gingen morgens los. Alle hatten U nsere Piano-Union Leipzig. Es ist die Ab- W sich gut vorbereitet. Wir wanderteilung Absatz. Am 16.12.1983 besuch- ten durch den Wald, kamen auf eine ten wir sie. Anlässlich des Pioniergeburtstages hatten die Mitglieder der Brigade für uns eine Kaffeetafel vorbereitet. Nachdem wir uns gestärkt hatten, führten wir unser Programm mit Liedern, Tänzen und Gedichten auf. Die Frauen und Männer freuten sich. Anschließend erzählte uns Herr... (Name fehlt – A. d. R.) etwas über den Betrieb und wohin die Klaviere exportiert werden. Er zeigte uns auch ein Klavier, das dort hergestellt wurde. Dann wurde der Patenschaftsvertrag unterschrieben. Zum Schluss tauschten wir noch Geschenke aus und verabschiedeten uns herzlich.
große Wiese mit einem schönen Spielplatz und einem Teich. Wir legten unsere Beutel ab und rannten zum Teich. Viele Frösche waren dort im Schilf. Wir versuchten, welche zu fangen, aber sie waren schneller als wir. Wir hatten kein Glück Dann gingen wir weiter zum Scherbelberg. Frau Teichert stellte uns Aufgaben. Wer sie richtig gelöst hatte, durfte auf den Turm gehen. Danach packten wir unsere Beutel aus und frühstückten. Wir hatten großen Hunger. Auf dem Rückweg ging es noch einmal über die Lügenbrücke und den Spielplatz nach Hause. Als wir in der Schule ankamen, waren wir alle sehr müde, doch es war ein sehr schöner Wandertag. Aussichtsturm im Rosental
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Schulgeschichten
Schul-
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Mit Beiträgen von Gertraude Palm, Siegfried Kehler, Dieter Fröhlich, Anita Peterhänsel, Roland Hinniger, Gerhard Wittenberger, Elfriede Böker, Jürgen Panitz, Uta Jahnke, Norbert Langer, Frank Grommeck und Denis Achtner.
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