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Chefarzt für Spezielle Wirbelsäulenchirurgie, Shadi Shararah, im Porträt
Gelebter Kindheitstraum
Chefarzt für Spezielle Wirbelsäulenchirurgie, Shadi Shararah, im Porträt.
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(Text + Bild: Stefan Pfister)
Es ist eine bemerkenswerte Geschichte: Wir schreiben das Jahr 1995. In Essen betritt ein arabischstämmiger junger Mann aus Jerusalem die Universität, mit dem festen Willen, in der Bundesrepublik Medizin zu studieren. Ohne ein Wort Deutsch zu sprechen. Mit Träumen im Kopf, einem jordanischen, gleichwohl herausragenden Abi-Zeugnis im Gepäck und einem großen Ziel vor Augen.
„Soweit ich mich erinnern kann, wollte ich immer Arzt werden. Schon in der Grundschule. Warum weiß ich nicht. In meinem Kopf war nur Medizin!“ Mit glänzenden Augen und sanftem Lächeln berichtet Shadi Shararah von den Anfängen seiner Karriere, die ihn bis zum Chefarzt im Leopoldina-Krankenhaus geführt hat. Es ist ein Kindheitstraum, der wahr wurde und den er seit vielen Jahren leben darf. Es klingt fast wie ein Märchen aus 1001 Nacht.
Denn heute leitet der 43-Jährige die Abteilung für Spezielle Wirbelsäulenchirurgie. Mit seinen Mitarbeitern führt er pro Jahr knapp 1.200 stabilisierende Operationen durch; teils hochkomplexe Eingriffe bei Patienten mit mehreren Erkrankungen. Eine herausfordernde Tätigkeit, mit drei bis vier OPs am Tag, die ihm vieles abverlangt. Dankbar ist er besonders seinem Team. „Wie bei einem Orchester läuft alles perfekt aufeinander abgestimmt. Es ist ein eingespieltes Team. Das macht mich stolz und glücklich.“
Sein Glück hat Shararah in Deutschland gefunden. Die lange Reise, die in Jerusalem begann, wo er in einer sehr liberalen Familie aufwuchs, führte ihn zunächst ins Ruhrgebiet. Dort stand für den 18-Jährigen die fremde Sprache im Fokus: Ein halbes Jahr paukte er in Essen intensiv Deutsch. Doch das reichte immer noch nicht fürs Studium. Da sein Abitur so nicht anerkannt wurde, musste er einen weiteren Kurs zur Angleichung an die deutsche Hochschulreife absolvieren. Hierzu wechselte er an die Uni Greifwald. Was sich später noch als weiteres Glück erweisen sollte. Als Bester seines Kurses öffnete sich nun die Tür zur lange ersehnten Medizin-Welt: Er bewarb sich um einen Studienplatz und wurde in Würzburg angenommen.
Damit begann eine wunderbare Zeit. „Das Studium hat mir richtig Spaß gemacht“, sagt er voller Freude. Nach dem Abschluss trat er seine erste Stelle 2003 an: in der Unfallchirurgie am Leopoldina-Krankenhaus. Später wechselte er in seine heutige Abteilung, deren leitender Arzt er 2012
wurde und die er seit dem Vorjahr als Chefarzt führt. „Es lief immer alles positiv“, meint Shararah. Auch wenn er gesteht, dass es manchmal nicht einfach war. Besonders auch für seine Eltern. Fünf lange Jahre sahen sie ihn nicht. „Das war für sie eine harte Zeit. Damals gab es noch kein Social Media, und die Telefonate waren sehr teuer“. Als er das erste Mal zurückkehrte, war die Freude bei der recht großen Familie überschwänglich. „Alle wollten mich sehen und ich war die drei Wochen nur unterwegs.“ Seitdem versucht er wenigstens einmal jährlich einen Besuch daheim einzuplanen.
Wobei er Jerusalem zwar als Heimat, aber nicht als sein Zuhause betrachtet. „Wenn ich mit dem Flieger in Frankfurt lande, fühle ich mich sofort zuhause“, so Shararah. Seit 24 Jahren lebt er hier, mit Deutschland verbindet ihn Studium, Beruf und eine ei-
„Es lief immer alles positiv“
gene Familie mit zwei Kindern. Seine Frau hat er im Übrigen während seines Abiturs in Greifswald kennengelernt. In Schweinfurt ist Someia Shararah als Frauenärztin bekannt.
Weil beide Mediziner sind, fällt vieles leichter, ist das Verständnis für Berufliches einfacher; seien es nun längere Arbeitstage, Sonntagsarbeit oder komplizierte medizinische Fälle, die den Chefarzt auch zuhause noch beschäftigen. „Man nimmt natürlich die Arbeit ein Stück weit mit nach Hause. Und wenn etwas belastend ist, dann bespricht man sich schon einmal. Das kann sehr erleichternd sein“, erklärt Shadi Shararah.
Wie schaltet er von der Arbeit ab? Erstens beim Kochen mit der Familie, einem Ritual, das ihm sehr wichtig ist; zweitens bei der Gartenarbeit: Bei Rosen, Rasen, Bäumen und Pflanzen „kann ich locker auch mal sechs Stunden verbringen“; und drittens beim Sport, vor allem mit Joggen und im Fitnessstudio. Damit hat der Chefarzt seine Rückenschmerzen sehr gut in den Griff bekommen. Weil 85 Prozent aller Wirbelsäulenerkrankungen muskulär bedingt sind, lautet sein Tipp an alle mit „Rücken“: „Die Stärkung der Muskulatur ist das A und O. Mindestens einmal die Woche, das reicht schon. Dazu das Körpergewicht im Griff halten. Das ist die halbe Miete!“ Empfehlenswert sind seiner Meinung zufolge auch Walking, Schwimmen oder Fahrradfahren, zusätzlich etwas Gerätetraining.
Hat er nach so einem aufregenden Leben noch einen Wunsch, privat oder beruflich? „Ich bin wunschlos glücklich. Und ich würde alles wieder so machen.“