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Erfahrungbericht Schmerzpatienten

Dem Schmerz die Stirn bieten

Hand aufs Herz, wenn Sie zum Arzt gehen, haben Sie die Erwartung, dass Ihnen geholfen wird. Oft genug ist das ja zum Glück auch so. Der Bruch wird gerichtet, Gefäßverengungen per Stent erweitert, der Blutdruck medikamentös eingestellt. So soll es sein…

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Was aber, wenn keiner Ihnen helfen kann? Wenn auch der 10. Facharzt und Spezialist dem Grund für Ihre Schmerzen nicht auf die Spur kommt? Schmerzpatienten ist diese Geschichte oft genug allzu bekannt. Ihr Leiden dauert mitunter schon jahrelang und der Schmerz ist zum eigenständigen Krankheitsbild geworden. D. h. eine evtl. ursprünglich vorhandene Ursache für den Schmerz, etwa eine Verletzung, ist längst abgeheilt, der Schmerz jedoch geblieben. Zwischen 8 und 10 Jahre sind Betroffene auf der Suche nach der richtigen Therapie. Etwa 8 Millionen Menschen leiden in Deutschland unter chronischen Schmerzen und werden davon in ihrem Alltag massiv beeinträchtigt – sowohl körperlich, aber auch seelisch und im sozialen Bereich. Denn dauernde Schmerzen zermürben.

Beate Neeb

Hans-Jürgen Muffert

So ging es auch Beate Neeb und Hans-Jürgen Muffert. Beide litten jahrelang, ehe sie Hilfe fanden. Sie nehmen und nahmen an der multimodal ausgerichteten Schmerztherapie, wie sie an der Klinik für Spezielle Schmerztherapie unter der Chefärztin Dr. Jutta Albrecht am Leopoldina-Krankenhaus in Schweinfurt durchgeführt wird, teil. Medizin & Menschen hat mit beiden gesprochen. Zunächst erfolgte eine ausführliche ärztliche Untersuchung und Aufarbeitung des Verlaufes der Schmerzerkrankung, anschließend wurden beide in die tagesstationären Therapieprogramme der Klinik aufgenommen. In den Gruppen der Tagesklinik werden bis maximal acht Patienten teilstationär behandelt. Sie sind nur tagsüber in der Klinik und abends sowie an den Wochenenden zu Hause. Damit bleibt der Kontakt zum persönlichen Umfeld erhalten und die erlernten Schmerzbewältigungsstrategien können auch im Alltag erprobt werden.

Das interdisziplinäre Behandlungsteam hat jahrelange Erfahrung mit Schmerzpatienten und besteht aus medizinischen Schmerztherapeuten, Psychologen, Physiotherapeuten, Co-Therapeuten und Pflegekräften. Neben der Linderung der Schmerzen liegt der Fokus darauf, dass die Patienten lernen, mit dem Schmerz anders umzugehen. Sowohl Beate Neeb als auch Hans-Jürgen Muffert begrüßen, dass vor allem das Erlernen eines neuen Umgangs mit dem Schmerz zentrales Element der Therapie ist. „Ich habe erkannt, dass ich mit meiner Krankheit anders umgehen muss“, sagt Muffert. „Das Wichtigste“, so auch Neeb „ist, dass man Handwerkszeug erlernt, das einem ermöglicht, sich dem Schmerz nicht mehr hilflos ausgeliefert zu fühlen. Und man muss von der Vorstellung wegkommen, dass „einem geholfen“ wird und man als Patient eine rein passive Rolle einnimmt“,

„Ich habe erkannt, dass ich mit meiner Krankheit umgehen muss.“

Foto: vm.photodesign

Was ist chronischer Schmerz?

Im Gegensatz zu akutem Schmerz, der eine natürliche Warnfunktion für den Körper darstellt, ist der chronische Schmerz eine eigenständige Erkrankung. Die Ursachen chronischer Schmerzerkrankungen sind vielfältig, gemeinsam ist ihnen jedoch, dass die Ursache meist nicht eindeutig festgestellt oder beseitigt werden kann. Ab drei bis sechs Monaten Dauer, aber auch wenn sie immer wiederkehren, können Schmerzen chronisch werden.

so Neeb weiter. „Richtig“, bestätigt auch Muffert, „gefordert ist der Wille, dem Schmerz aktiv gegenüberzutreten, ihn zwar in seiner Existenz zu akzeptieren, aber ihm dennoch gegenüberzutreten. Sein Leben wieder selbst zu bestimmen und nicht dem Schmerz das Ruder zu überlassen“. Das ist harte Arbeit, die die Patienten der Schmerzklinik bei schmerzlindernder und bewegungsfördernder Krankengymnastik ebenso angehen wie bei psychotherapeutischen Einzel- und Gruppengesprächen und beim Erlernen von Entspannungstechniken. Die medikamentöse Schmerzbekämpfung ist zwar Teil des Programms, aber nur ein kleiner Baustein. „Oft ist es sogar Ziel der Patienten, die im Laufe der Jahre immer höher gewordene Dosis und Menge an Schmerzmitteln wieder zu senken“, so weiß Frau Dr. Albrecht zu berichten. Denn auch das beste Medikament hat eben auch Nebenwirkungen und Risiken.

Folgen chronischer Schmerzen:

Die Folgen chronischer Schmerzen beeinträchtigen die Lebensqualität in vielen Bereichen. Die Energie und Leistungsfähigkeit nehmen ab, und oft wird u. a. durch begleitende Schlafstörungen ein Teufelskreis in Gang gesetzt. Dies führt dazu, dass gerade noch Zeit für die Alltagsverpflichtungen bleibt und Freizeitaktivitäten zu kurz kommen. Auch bleibt immer weniger Energie für soziale Kontakte und Freunde – was oft von der Umwelt nicht verstanden wird. So empfinden viele Betroffene einen steigenden Belastungsdruck, Folge ist zunehmende Erschöpfung. Sie ziehen sich mehr und mehr zurück und die Lebensqualität sinkt.

„Wir möchten die Patienten mit verschiedenen Strategien zur Schmerzbewältigung ausstatten“, so die Chefärztin, „und so zur Verbesserung der Lebensqualität und Leistungsfähigkeit beitragen.“ Dass dies oft ein steiniger Weg ist, ist klar, aber sowohl Beate Neeb als auch Hans-Jürgen Muffert ziehen nach einigen Monaten der Erprobung im Alltag eine positive Bilanz: „Natürlich ist es im täglichen Leben nicht immer einfach, das im Programm erlernte umzusetzen“, so meinen beide, „aber manchmal hilft auch schon wenig und vor allem einfach die Erfahrung, dass man dem Schmerz nicht mehr hilflos ausgeliefert ist.“

Mehr Informationen in unserer Mediathek auf: www.leopoldina.de

Klinik für Spezielle Schmerztherapie

Chefärztin: Dr. med. Jutta Albrecht

Sekretariat: Sylvia Geiß

Telefon 09721 720-6405 Fax 09721 720-2935 E-Mail schmerzklinik@leopoldina.de

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