6 minute read

Den Start ins Leben erleichtern. Kinderintensivstation

Den Start ins Leben erleichtern.

Die Kinderintensivstation behandelt jährlich rund 450 Patienten – vom extremen Frühchen bis zum Jugendlichen. Zwei Kinderkrankenschwestern erzählen von ihren Erfahrungen. (Text: Stefan Pfister)

Advertisement

Klein und verletzlich: Manche Frühgeborenen wiegen nur 500 Gramm bei der Geburt.

Bange Wochen, im Extremfall sogar Monate, erleben Eltern, wenn ihr Kind weit vor dem Geburtstermin zur Welt kommt. Bis ein Frühchen aus dem Leopoldina-Krankenhaus entlassen werden kann, wird es auf der Kinderintensivstation, gleich neben der Mutter-Kind-Station, versorgt. Manche der kleinen Patienten sind so leicht wie zwei, drei Packungen Butter. Doch die kleinen Patienten sind bei ihren Startschwierigkeiten ins Leben nicht allein. Sie werden begleitet von einem erfahrenen Team, dem Lisa Kennedy und Heidi Moser angehören. Beide sind Kinderkrankenschwestern mit Weiterbildung in der Pädiatrischen Intensiv- und Anästhesiepflege. Kennedy ist mit Unterbrechung seit 2011 am Leopoldina beschäftigt, Moser hat bereits 1975 ihren Dienst am damaligen Städtischen Krankenhaus begonnen. Im Gespräch berichten sie von ihrer täglichen Arbeit, besonderen Herausforderungen und davon, wie ihnen die Schicksale der Frühchen, Mehrlinge und älteren Kinder ans Herz gehen.

M&M: Welche Altersgruppen werden auf der Kinderintensivstation behandelt? Lisa Kennedy: Wir behandeln Frühgeborene, Kinder, aber auch junge Erwachsene im Alter von bis zu 18 Jahren. Unsere Hauptpatienten sind zu 90 Prozent Frühchen und kranke Neugeborene.

Wann genau wird ein Kind zu Ihnen verlegt?

Lisa Kennedy: Zu uns kommen Frühgeborene, die vor oder bis zur 36. Schwangerschaftswoche zur Welt kommen. Babys, die bei der Geburt unter 2.300 Gramm wiegen, kommen ebenfalls zu uns.

Heidi Moser: Bei älteren Kindern gehen meist neurochirurgische Eingriffe voraus, nach Unfällen oder bei schweren inneren Erkrankungen. Andere kommen nach Krampfanfällen, Verbrennungen, Vergiftungen oder mit Diabetes zu uns.

Ist Ihr Team bereits bei der Geburt im Einsatz?

Lisa Kennedy: Bei Kaiserschnitten und Entbindungen mit der Saugglocke sind wir im Kreißsaal dabei, mit Assistenzarzt und

„Je kleiner die Frühchen sind, desto häufiger treten Komplikationen auf“

Heidi Moser

Schwester; ebenso bei Frühchen vor der 36. Woche. Wenn alles gut läuft und das Kind z. B. kein Frühchen ist, übergeben wir der Hebamme das Kind. Bei Geburten vor der 32. Woche ist zusätzlich ein Oberarzt vor Ort. Abhängig davon, wie es dem Frühchen geht, machen wir eine Erstversorgung. Auch bei Notfällen und Komplikationen kommen wir zur Entbindung.

Wie sieht die weitere Arbeit aus?

Heidi Moser: Je kleiner die Frühchen sind, desto häufiger besteht die Gefahr von Komplikationen, vor allem Hirnblutungen. Deshalb versuchen wir uns bei den extrem Kleinen in den ersten Tagen mit diagnos-

tischen Untersuchungen zurückzuhalten. Muss ein Kind reanimiert oder ein Neugeborenes beatmet werden, dann sieht es anders aus. Die Behandlung entscheidet sich immer von Fall zu Fall.

Sicherlich sind die Eltern voller Sorge. Wie können Sie diese unterstützen?

Lisa Kennedy: Viele Mütter haben einen Schock oder ein Trauma nach der Frühgeburt. Da liegt ihr sehr kleines Kind im Inkubator, mit vielen Kabeln. Dieser Anblick ist schwer zu ertragen, das löst Ängste aus. Wir versuchen, die Eltern früh in die Pflege einzubinden, sofern das medizinisch möglich ist. Und sei es nur, dass sie ihr Kind halten… Oder wir bieten das sogenannte „Känguruen“ an: Mit dieser Methode können sie ersten Körperkontakt aufnehmen. Ein besonders großer Vorteil ist natürlich die räumliche Nähe zu unserer Wochenstation.

Heidi Moser: Für werdende Mütter, deren Geburtstermin sich vor der 32. Woche abzeichnet, bieten wir bereits pränatale Pflegegespräche an. Bei uns gibt es keine Besuchszeiten, die Eltern dürfen rund um die Uhr kommen. Mütter, die schon einige Tage bei uns sind, werden in die Pflege mit eingebunden und darüber aufgeklärt, was mit ihrem Kind passiert. Wenn Mütter vor ihrem Kind entlassen werden, können die, die weiter weg wohnen, vorübergehend im Elternzimmer im La Casa nebenan wohnen.

An welche Extremfälle erinnern Sie sich besonders? Lisa Kennedy: An ein Frühchen, das keine 500 Gramm wog. Es kam in der 24. Woche zur Welt. Ein sehr kritischer Fall, es gab viele Komplikationen. Zum Glück hat es die Kleine geschafft und ist nach etwa einem halben Jahr entlassen worden.

Heidi Moser: Ich erinnere mich an eine Frühgeburt vor langer Zeit, in der 24. Woche; später stellte sich heraus, dass es sogar die 23. war. Der Junge ist heute 25 Jahre alt und hat sich gut Lisa Kennedy und Heidi Moser im Elternzimmer auf der Kinderintenentwickelt. sivstation. Hierher können sich können sich Mütter und Väter zurückziehen, wenn sie mal Ruhe und Zeit für sich brauchen. Foto: Stefan Pfister Wann wird ein Frühgeborenes normalerweise entlassen? Lisa Kennedy: Grob gesagt: meist zum tere Entwicklung der Kinder? eigentlichen Geburtstermin. Wir haben aber Fälle, die acht Monate hier sind. Vorausset- Heidi Moser: Von den schlecht verlaufezungen für eine Entlassung sind, dass das nen Fällen erfahren wir kaum etwas. Die, Kind unter anderem selbstständig trinkt, die wir in Erinnerung behalten, sind meist dass es zunimmt, nicht weniger als 2.300 jene, bei denen es gut ausgeht. Von diesen Gramm wiegt und seine Temperatur eigen- bekommen wir Dankeskarten oder Weihständig halten kann. nachtsgrüße. Manchmal schauen sie bei Heidi Moser: Eine unserer wichtigsten Aufgaben nach der Geburt ist die Anleitung Lisa Kennedy: Das Schöne für uns ist, wenn der Eltern zur entwicklungsfördernden sich die Frühchen gut entwickeln und wir Pflege des Kindes. Vor der Entlassung sind davon erfahren. Man baut schließlich eine die Mütter informiert und wissen was zu Beziehung zu ihnen auf, wenn sie Monate tun ist. Wenn es nötig ist, werden die Eltern bei uns sind. Und auch zu den Eltern, für die auch danach nicht alleine gelassen. Es gibt unsere Station in dieser Zeit zum zweiten zwei Nachsorgeprogramme: Harl.e.kin und Zuhause wird. Bunter Kreis. Erhalten Sie Rückmeldungen über die weiuns vorbei. Wie nahe gehen Ihnen diese Schicksale?

Heidi Moser: Mich belasten besonders die größeren Kinder und Jugendlichen mit schweren Erkrankungen. Zu sehen, wie sie aus dem normalen Leben gerissen werden.

Die erste Zeit verbringen die Frühchen im warmen Inkubator. Ihre Vitalfunktionen werden dabei dauerhaft überwacht. Foto: Stefan Pfister

Lisa Kennedy: Vor einigen Jahren war ein Achtjähriger nach einem Unfall mit einem Auto mehrere Wochen bei uns. Er wurde intubiert und alle dachten, er wird ein Pflegefall. Nach einem halben Jahr kam er zu uns, laufend und wieder gesund. Da hatten wir alle Gänsehaut und waren total glücklich. Solche Rückmeldungen sind wunderbar für unser Team. Denn so merken wir im Alltag wieder, welch wichtige Arbeit wir eigentlich verrichten.

Känguruen fördert die Entwicklung der Frühgeborenen und die Bindung zu den Eltern.

Kinderintensivstation Die Kinderintensivstation ist der Klinik für Kinder und Jugendliche zugeordnet. Hier werden alle pädiatrischen Intensivpatienten, vom Frühgeborenen bis zum jungen Erwachsenen, behandelt. Unter der Leitung von Chefarzt Dr. med. Johannes Herrmann stellt ein Team von intensivmedizinisch ausgebildeten Ärzten, Neonatologen und Kinderintensivschwestern die ärztliche und pflegerische Versorgung sicher. Jährlich werden ungefähr 450 Patienten auf der Station intensivmedizinisch betreut.

Frühchen – Nachsorge und Angebote Harl.e.kin Die Harl.e.kin Nachsorge für früh- und risikogeborene Kinder und ihre Familien ist ein Angebot der Kinderklinik im Leopoldina-Krankenhaus und der Caritas-Frühförderstelle. Die Mitarbeiterinnen kommen je nach Erfordernis zu Hausbesuchen und unterstützen die Eltern in vielfältiger Hinsicht: etwa bei Fragen in der Pflege und Versorgung und zum Umgang mit dem Kind. Die Nachsorge ist kostenfrei.

Kontakt: Margit Jäcklein (Koordinatorin) Tel. (0 93 82) 31 54 84 E-Mail info@harlekin-schweinfurt.de Internet www.harlekin-schweinfurt.de Der Bunte Kreis Der Bunte Kreis im Leopoldina-Krankenhaus ist ein Nachsorgeangebot für Familien mit frühgeborenen, chronisch oder schwerkranken Kindern (finanziert durch die Krankenkassen). Das sozialmedizinische Team besteht aus Kinderkrankenschwestern, Psychologen, Sozialpädagogen und Kinderärzten. Es berät und begleitet Betroffene in der Übergangszeit nach einer intensivmedizinischen Behandlung vertraulich und fachkompetent.

Kontakt: Aynur Scheuring, Tel. (0 97 21) 720-3316 E-Mail bunterkreis@leopoldina.de Internet www.bunter-kreis-deutschland.de

Foto: vm.photodesign Elterncafé Das Angebot eines Cafés der Kinderintensivstation richtet sich an Eltern mit ehemaligen Frühgeborenen und kranken Neugeborenen sowie an Eltern, deren Kinder noch auf der Station liegen. Hier haben sie Gelegenheit, sich untereinander und mit Fachpersonal auszutauschen. Jeden ersten Mittwoch im Monat von 15 bis 17 Uhr im Gymnastikraum der Physiotherapie (Gebäude B, 1. UG).

Kontakt: Tel. (0 97 21) 720-3318 E-Mail cneubauer@leopoldina.de

Klinik für Kinder und Jugendliche

Chefarzt: Dr. med. Johannes Herrmann

Telefon Fax E-Mail 09721 720-3312 09721 720-2959 kinderklinik@leopoldina.de

This article is from: