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Wirbelsäulen-OPsNeues System bei

Schnellere Heilung, weniger Schmerzen

Neues Schrauben-StabSystem bei Wirbelsäulen-OPs

Rückenschmerzen sind ein häufiges Krankheitsbild in unserer immer älter werdenden Gesellschaft. Meistens lassen sich diese konservativ behandeln. Dennoch haben operative Eingriffe an der Wirbelsäule in den vergangenen Jahren zugenommen. Es gibt eine Vielzahl von möglichen Eingriffen, die Nervenstrukturen entlasten. Schrauben-Stab-Systeme können hierbei helfen, Fehlstellungen zu korrigieren und Gefügelockerungen zu stabilisieren.

Die menschliche Wirbelsäule, auch Rückgrat genannt, dient vor allem der Stabilisierung von Kopf, Oberkörper und somit dem aufrechten Gang. Hauptverantwortlich für diese Funktion einer zentralen Stütze sind die Wirbelkörper. Diese sind auf Grund ihrer Bauweise besonders widerstandsfähig und bruchfest gegen von oben nach unten gerichtete Kräfte, so zum Beispiel bei Sprüngen, beim Treppensteigen oder beim Gehen. Die zur Wirbelsäule gehörenden Weichgewebe (Muskeln, Bänder, Sehnen) und Gelenke dienen der dynamischen Stabilität beziehungsweise der Begrenzung einwirkender Drehkräfte.

Um Stoßkräfte sanft abzufedern, sind zwischen den Wirbelkörpern „Stoßdämpfer“, die Bandscheiben, eingefügt. Gemeinsam mit den Wirbelgelenken ermöglichen sie Dreh-, Streck- und Beugebewegungen des Rumpfes. Die Bandscheibe besteht aus einem äußeren Faserring und einem zentralen Gallertkern.

Die instabile Wirbelsäule

Instabilitäten an der Wirbelsäule äußern sich durch hartnäckige Symptome wie einschießende Rückenschmerzen vor allem morgens beim Aufstehen oder nachts beim Umdrehen, ebenso bei längerem Stehen oder beim Tragen schwerer Gegenstände und bei vorgebeugten Tätigkeiten. Teilweise strahlen die Beschwerden in das Gesäß oder in die Oberschenkelrückseite

aus. Fehlstellungen an der Wirbelsäule können eine Verschiebung der Wirbel gegeneinander oder Verbiegungen zur Seite oder nach vorne sein. Im schlimmsten Falle führen sie zu einem Verlust der aufrechten Haltung. Diese Patienten gehen vornüber geneigt oder sind gezwungen, sich an Krücken oder am Rollator abstützen zu müssen.

Wann wird operiert?

Wenn die Beschwerden nicht mehr durch konservative Maßnahmen wie Krankengymnastik, Rückenschule und Muskelaufbau beherrschbar sind und die Diagnostik mittels Röntgen und MRT entsprechende Veränderungen zeigt, ist eine operative Behebung der Instabilität oder Fehlstellung mittels „Versteifung“ eine für den Patienten sinnvolle Behandlung. Dann ist abzuwägen, in welchem Ausmaß und über welchen operativen Zugang die Operation erfolgen soll.

Nach der Operation

Das Implantat ist sofort belastbar und stabilisiert die Wirbelsäule. In der Regel dürfen Sie direkt nach der Operation aufstehen. Generell sollten in den ersten Wochen große Belastungen der Lendenwirbelsäule wie schweres Heben, Drehbewegungen und/oder ruckartige Bewegungen vermieden werden, um eine optimale Einheilung des Implantats zu ermöglichen.

Versteifung an der Lendenwirbelsäule

„Versteifung“ ist letztlich nur der letzte aber namensgebende Schritt dieser stabilisierenden Methode, die eine Wiederherstellung der normalen Wirbelsäulenform und ein Zusammenwachsen der so korrigierten Wirbelsäule erreichen soll. Um eine gute Korrektur zu erreichen, wird die Bandscheibe zwischen den betroffenen Wirbelkörpern komplett entfernt und der Platz zwischen den Wirbeln durch einen Platzhalter (sogenannter Cage) ersetzt. Der Platzhalter wächst dann innerhalb von drei bis sechs Monaten ein und „versteift“ die Wirbel in diesem Bereich.

Dynamische Stabilisierung

Bei dem sogenannten „Dekompressionseingriff“ werden die bedrängten Nervenfasern von ihrem Druck entlastet. Das Ausmaß des Eingriffs hängt von den besonderen Bedingungen beim jeweiligen Betroffenen ab. Um dauerhaft eine erneute Verengung des Wirbelkanals zu vermeiden, werden die betroffenen Anteile der Lendenwirbelsäule entlastet und bewegungserhaltend stabilisiert.

Durch den einzigartigen Federmechanismus des Implantats wird der betroffene Bereich effektiv stabilisiert, ohne ihn zu versteifen. Rückenschmerzen können somit wirksam und nachhaltig gelindert werden.

Die dynamische Stabilisierung kann bei bestimmten Krankheitsbildern also eine Alternative zur Wirbelsäulenversteifung mit starrem Schrauben-Stab-System und Cage (Platzhalter im Bandscheibenfach) darstellen. Sie korrigiert Überbeweglichkeiten, stabilisiert das lockere Segment und entlastet somit Bandscheibe und Facettengelenke (kleine Wirbelbogengelenke), ohne die Beweglichkeit des Segments komplett aufzuheben.

Neues Schrauben-Stab-System

Ein internationales Expertenteam hat in Zusammenarbeit

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Dynamische Stabilisierung eines Segments

mit Privatdozent Dr. med. Ralph Greiner-Perth, langjähriger Leiter der Wirbelsäulenchirurgie im Zentrum für Orthopädie und Neurochirurgie, ein SchraubenStab-System entwickelt, welches alle Optionen der Versteifung und der dynamischen Stabilisierung vereinigt, sozusagen „aus drei mach eins“.

In eine sogenannte Pedikelschraube mit polyaxialem Schraubenkopf können sowohl ein fester Stab aus Titan, ein etwas flexibler Stab aus Kunststoff (PEEK – Polyetheretherketon) oder ein Federmechanismus eingebracht werden. Der Pedikel, auch Wirbelfuß genannt, ist die Verbindung zwischen Wirbelkörper und Wirbelbogen.

An den festen Titanstab können in Reihe mehrere Federkomponenten angeschraubt werden. Bisher war es für die

Ein Segment versteift, ein Segment dynamisch stabilisiert

Mediziner nicht möglich, verschiedene Verbinder gleichzeitig einzusetzen. Mit dem neuen System ist es nun möglich, in einer Operation an der Wirbelsäule Segmente zu versteifen und Nachbarsegmente dynamisch zu stabilisieren. Somit kann auf die jeweilige krankhafte Veränderung im Segment individuell eingegangen werden. Funktionierende Bandscheiben müssen somit nicht „geopfert“ werden. In der Summe reduzieren sich dadurch die Operationszeiten. Wir haben festgestellt, dass die individuelle Anpassung der Stabilisierungstechnik die Anzahl und das Ausmaß der Versteifungen reduziert und die Zufriedenheit der Patienten, aber auch des Operateurs, im Vergleich zu nur versteifenden Operationen deutlich höher ist.

Seit April 2020 kommt das neue System in der Klinik

Zwei Segmente versteift, ein Segment dynamisch stabilisiert

Münchberg zur Anwendung, nachdem es zuvor alle Zulassungstests durchlaufen hat.

Ausblick

Pro Jahr werden in Münchberg circa 600 bis 700 Wirbelsäulenoperationen durchgeführt. Bei etwa 300 der Operationen wird eine Stabilisierung oder Versteifung notwendig. Oft bietet eine stabilisierende Operation gute Erfolgschancen, ohne hierbei alle betroffenen Wirbelsäulensegmente versteifen zu müssen. Durch diese wird der Bedarf an Schmerzmitteln reduziert und der Heilungsprozess beschleunigt – die Menschen kehren schneller in ihren gewohnten Alltag zurück.

Dr. med. Dirk Wiese, Chefarzt Orthopädische Abteilung, Klinik Münchberg

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