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Billeder Heimatblatt 2011
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Billeder Heimatblatt 2011
www.heimathaus-billed.de
Herausgegeben von der HOG Billed www.billed.de
Billeder Rentner beim Kartenspiel im Haus der Heimat. Eins.: Hans Martini Während der Hauptversammlung der HOG Billed am Pfingstsonntag 2011 in der Gaststätte der Rintheimer Sporthalle
Geschenktipp! für Billeder, Banater und alle Blasmusikfans Hörproben unter: www.heimathaus-billed.de/cd2 - Sie werden die Ohren spitzen! Bestellungen bei Jakob Muttar: j.muttar@web.de oder Tel. 0721/784177 (Preis pro CD: 16.- € zzgl. Versand)
„Gruß aus der Heimat“ - die neue CD 2 unserer „Blech“ Auch die Lieder dieser CD2 gehörten zum Repertoire der alten Billeder und Banater Blechblaskapellen. Die Noten von damals sind unter der musikalischen Leitung von Prof. Anton Hollich aufwendig restauriert worden. Diese „Stücke“ sind nicht nur ein Denkmal für die legendäre „Blech“, sie wurden inzwischen vom SWR4, vom Bayerischen Rundfunk und von Radio Temeswar gesendet.
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Billeder Heimatblatt 2011 Dezember 2011 | 24. Ausgabe
Inhalt 3 Vorwort, W. Gilde 4 Brauchtum und Tradition 18 Ansprache von Ralf Gilde 20 Heimattage Temeswar, E. Martini 23 Heimattage in Bühl, K. Klein 32 Allerheiligen, P. Neumann 36 Begegnungen 36 Innenstaatssekretär in Billed, P. Krier 38 Team 29 der Allgäu-Orient-Rally 41 Urlaub 2011 in Billed, V. u. J. Prutean 49 Das Fest der Gemeinde, J. Freer 50 Karlsruher in Hamburg, I. Triess 53 Banater Rückwanderer, E. Martini 58 Seniorentreffen 2011, J. Muttar 60 Rückblick 71 Beim Ackern, P. Krier 76 Bäuerlicher Heiratsvertrag 85 Mit Anna Romana, H. Neumayer 90 Aus meiner Erinnerung, M. Knöbl 93 Wenn ein Jahr zur Neige geht, M. Knöbl 94 Werbesprüche, J. Herbst 96 Dichtung - Dialekt 108 Leistung und Würdigung 108 50. Todestag der Hildegardis Wulff 110 In memoriam Josef Wild, E. Martini 112 Margarethe Weber ist 90 ! 114 Johann Gehl mit 85, E. Martini 116 Neue CD, I. Holzinger-Fröhr und M. Giel 118 Statistik 118 Selbständige, J. Herbst 144 Inhaltsverzeichnis
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Heimattag der Billeder 2011, Hans Rothgerber
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Sommerfest in Karlsruhe, Melanie Müller
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Schlachtfest, Adam Tobias
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Besuch in Billed, Klaus Rennert
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Banater Rückwanderer, Elisabeth Martini
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Die von Billeder Mädchen besuchten Klosterschulen, Margarethe Weber 60 Jahre Baraganverschleppung
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Impressum Herausgeber: Heimatortsgemeinschaft Billed e.V. | www.billed.de | heimathaus-billed.de Redaktion: Elisabeth Martini | Layout, Grafik und Satz: Hans Rothgerber | Druck: diedruckerei.de Fotos Umschlag: Roswitha Csonti
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Unser Heimatblatt
Grundsätzlich wird das „Billeder Heimatblatt“ allen Landsleuten kostenlos zugestellt. Da wir jedoch für den Druck und den Versand je Buch 10 € leisten müssen, bitten wir Sie, soweit es möglich ist, eine Spende auf das Konto der HOG Billed, Nr. 111 791 Volksbank Karlsruhe, BLZ 66190000 zu überweisen. Ein entsprechender Überwei sungsschein ist beigelegt. Wir erwarten keine Spende von Landsleuten mit geringer Rente, von Arbeitslosen, Spätaussiedlern der letzten zwei Jahre und von den Landsleuten aus Billed. Wir freuen uns, dass wir Ihnen unser Heimatblatt als Zeichen unserer Verbundenheit übermitteln können. Wir bitten jedoch um Verständnis dafür, dass wir wohlsituierten Landsleuten ohne Ge genleistung die nächste Ausgabe nicht mehr zusenden können. Viele Überweisungen auf unser Konto kön nen wir nicht einordnen. Daher unsere Bitte: Schreiben Sie auf den Überweisungsschein Vorname (auch der Ehefrau), Familienname und Ortschaft, Zweck.
In eigener Sache
Neuangekommene und Landsleute, deren Anschrift sich geändert oder in deren Familien ein Ereignis (Geburt, Hochzeit, Todesfall) stattgefunden hat, bitten wir um Mitteilung an Josef Herbst Freiligrathweg 14 76571 Gaggenau Tel.07225/76041, josef.herbst@billed.de Ihre Meinungen und Äußerungen zum Hei matblatt, Ihre Vorschläge und Ideen richten Sie bitte an die Redaktion: Elisabeth Martini Kronenstraße 36 76133 Karlsruhe Telefon 0721/379214 Druckfehler, Änderungen und Irrtümer vor behalten. Autorenbeiträge sind namentlich gekennzeichnet und die inhaltliche Verantwortung liegt bei diesen. Die Redaktion dankt allen diesjährigen Mitarbeitern für ihre Beiträge und Bilder und möchte gleichzeitig alle Landsleute auffordern, Artikel bzw. Anregungen für das „Heimatblatt“ auch im nächsten Jahr zu senden.
Der Vorstand der HOG Billed
Gewählt am 11.06.2011 bei der Hauptversammlung in der Rintheimer Sporthalle in Karlsruhe Ehrenvorsitzender: Peter Krier Vorsitzender: Werner Gilde, Tel. 0721-863891 Stellvertreter: Josef Herbst, Tel. 07225-76041, Email: josef.herbst@billed.de Alfred Herbst, Tel. 0721-867834 Schriftführer: Adelheid Müller, Tel. 0721-1331547 Kassenwart: Jakob Muttar, Tel. 0721-784177, Email: J.Muttar@web.de Beisitzer: Elisabeth Martini, Tel. 0721-379214 Johann Rothgerber, Tel. 0721-9613750 Hans Herbst, Tel. 07225-77233, Email: Hans.Herbst@billed.de Adam Tobias, Tel. 0721- 865315, Email: EA.Tobias@web.de Ralf Gilde
Vorwort
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Liebe Landsleute, liebe Freunde! Schon in wenigen Tagen taucht in den Strom der Zeit auch das Jahr 2011 ein. An jedem Jahresende sind wir uns mehr als sonst der dahineilenden Zeit bewusst, in der wir leben. Zu so einer Zeit um die Jahreswende fassen wir nicht nur gute Vorsätze, was wir alles im kommenden Jahr tun wollen, sondern wir ziehen auch Bilanz darüber, was wir im Jahr, das unwiderruflich vergangen ist, erreicht haben. Unser Heimatblatt ist sozusagen der Schlussbericht über die verschiedenen Aktivitäten im Laufe des zu Ende gehenden Jahres. Wir bemühen uns, Chronisten unserer Zeit zu sein und in Bildern und Berichten die Atmosphäre der verschiedenen Veranstaltungen festzuhalten. Wir Billeder können voll Stolz auf ein erfülltes Jahr zurückblicken: auf unser Billeder Heimattreffen, auf die Aktivitäten der Trachtengruppe und der Blasmusik, das Seniorentreffen in Karlsruhe, verschiedene Klassen- und Jahrgangstreffen, Herbstfest in Nürnberg, Städtereise, Schlachtfest Frankenthal, auf die Arbeit des Deutschen Forums in Billed. Wir hatten einen schönen Heimattag an Pfingsten in Karlsruhe. Die Trachtengruppe kann auf ein sehr erfolgreiches Jahr zurückblicken. Es ist uns gelungen, die zweite CD „Gruß aus der Heimat“ zu produzieren. In Karlsruhe haben zwei Seniorentreffen stattgefunden, welche sehr gut besucht waren. Das Herbstfest in Nürnberg und das Schlachtfest in Frankenthal wurde von vielen Billedern, aber auch anderen Landsleuten besucht. In unserem Heimathaus in Billed haben viele Gäste ihren Kurzurlaub verbracht. Anhand der Berichte, die einen Querschnitt durch unser Billed oder der neuen Heimat widerspiegeln, mögen Sie sich bitte selbst ein Bild verschaffen. Damit unser Heimatblatt weiter erscheinen kann, sind wir auf die Mitarbeit aller Billeder angewiesen. Bitte senden Sie Ihre Beiträge an die Redaktion. Wir hoffen, dass uns wieder alle Leser des Heimatblattes mit einer Spende unterstützen.( Leider mussten wir feststellen, dass nicht alle Bezieher des Heimatblattes gespendet haben. Wir beabsichtigen in Zukunft nur jenen, die auch spenden, es zu zuschicken.) Bei allen, die an dieser Ausgabe mitgewirkt haben, möchte ich mich bedanken. Ich wünsche Ihnen also besinnliche Stunden zum Lesen des Heimatblattes und freue mich auf weitere Zusammenarbeit. Allen unseren Lesern und Landsleuten im In- und Ausland wünscht der gesamte Vorstand der Heimatgemeinschaft Billed e.V. ein frohes, friedliches und gesegnetes Weihnachtsfest und alles Gute für das Jahr 2012. Auf Wiedersehen zu Pfingsten in Ulm!
Werner Gilde, Vorsitzender der Heimatgemeinschaft Billed
Brauchtum und Tradition
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Umzug der Trachtenpaare durch KarlsruheNeureut: Es sind die Trachten und die Musik unserer Vorfahren, es ist das letzte lebendige Lebenszeichen von ihnen, das die Zeit überdauert hat.
Heimattag der Billeder 2011
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iesmal hatte ich den Eindruck, dass es mehr waren als letztes mal vor 2 Jahren. Aber Jakob Muttar an der Kasse schüttelt nur den Kopf: genau 253, und damit 18 weniger. Zum Heimattag kamen also ca. 10 Prozent der Billeder und seit Jahren sind das fast immer dieselben. Es sind die letzten, hartgesottenen Mohikaner, die dieses Treffen noch hochhalten. Ein Großteil wirkt dabei mit, sei es in der Trachtengruppe, im Chor, bei der Blasmusik, der Organisation oder sonstwo. Aber die Tatsache, dass viele Jugendliche darunter schon nicht mehr in Billed geboren sind, zeigt, wie tief die Erinnerung an die alte Dorfgemeinschaft noch in unserem Bewusstsein verankert ist. Wenn die Trachtenpaare mit der Blaskapelle durch Karlsruhe-Neureut marschieren
Hans Rothgerber
muß ich immer an unsere Vorfahren denken: denn es sind ja ihre Trachten, ihre Musik und ihr Brauchtum, sozusagen das Letzte, was von ihnen lebendig übriggeblieben ist. Die Heimattreffen sind ein Film den man, bis auf unbedeutende Rollenwechsel, schon gesehen hat. Es sind Umzug, Gottesdienst, Ehrengäste, Ansprachen, Trachten, Blasmu sik. Es geht nicht um Abwechslung, Spaß oder Vielfalt, um die man als bundesdeutscher Freizeitgestalter bemüht ist, sondern um immer Dasselbe wie Erinnerung, Gedenken und am allerwichtigsten, um das „große Verzählen“ als Gruppenerlebnis. Es ist wie eine „letzte Abendmahl“ Inszenierung: wir haben unsere alte Heimat für eine bessere Zukunft geopfert. Den letzten Erlebnisgenerationen unserer Dorfgemeinschaft muß man allerdings ein
Brauchtum und Tradition Alibi bescheinigen: Sie wurden gedemütigt und ausgeplündert, den Verlust der Heimat konnten sie nie überwinden. Die Geschichte ist immer die Geschichte der Sieger. Minderheiten haben das Nachsehen, sie sind ein Spielball der Großen. Und sie kommen unter die Räder, mehr oder weniger brutal. So auch unsere Vorfahren, die, ohne sich auch nur einen Schritt von ihren Anwesen zu entfernen, aus freien Bauern zu Leibeigenen, zu Ungarn, zu Rumänen, zu Deportierten und zu Staatenlosen gestempelt wurden. Das Ende der Dorfgemeinschaft der Billeder Deutschen könnte man drastisch etwa so zusammenfassen: Nachdem Krieg, Deporta tion, Enteignung und Kommunismus ihr das Rückgrat gebrochen hatten, kam es zum Exodus. Es wurde ihr sozusagen das Fell abgezogen. Wäre es nicht so gekommen, wäre das Endergebnis vermutlich ähnlich ausgefallen - aber schmerzlos. Die Billeder Deutschen als Dorfgemeinschaft sind Geschichte. Wir können heute öffentlich nur noch an diese durch unseren Heimattag erinnern, einen Blumenkranz am Billeder Denkmal in Karlsruhe niederlegen. Die größten Verlierer dieser Geschichte sind die Generationen, deren Schicksal es war, den 2. Weltkrieg und seine Folgeerscheinungen unmittelbar erleben zu müssen. In diesem Zusammhang erinnere ich mich, aus der Zeit, als ich noch ein Kind war, an ein Brauchtum, die sogenannte Namenstag-Feier, Ende der 50er. Dazu trafen sich die näheren Verwandten und Nachbarn grundsätzlich abends nach der Arbeit. Innerhalb kürzester Zeit war die Gesellschaft beisammen. Jeder wusste genau wohin er gehörte, wann er zu kommen und zu gehen hatte - es waren rund 200 Jahre tief eingeprägte, nützliche sowie unnütze Sitten und Gebräuche.
5 Wie bei einer Vorstellung saß man in 2 Reihen im Kreis in der guten Stube um den aufgeräumten Tisch mit der Petroleumlampe, die älteren Frauen in Schwarz. Die Hausfrau reichte mehrmals Mehlspeise und belegte Brötchen. Vermutlich war es sogar Sitte, wie oft dies zu geschehen hatte. Einfach zulangen - undenkbar! Für die Männer gab es zusätzlich als Getränk den Spritzer, vom Hausherrn serviert. Das war ein Mischgetränk aus zwei Drittel selbstgemachtem Hauswein und einem Drittel Sodawasser. Alles nichts Besonderes, sollte man glauben. Doch war es eine ganz eigentümliche Art zu feiern. Nach einleitendem Neuigkeiten-Getratsche kam es zum großen Erzählen. Es ging um die Geschehnisse, die ihr Leben auf den Kopf gestellt hatten und die sie ihr ganzes Leben lang verfolgen und prägen werden: Krieg, Flucht, Russland-Verschleppung, Ent eignung, Baragan-Deportation, Auswande rung. Öffentlich durften sie darüber nicht reden, denn ihr kollektives Trauma war für die kommunistischen Täter freilich wie ein rotes Tuch. Ihre Geschichte als Opfer sollte weitestgehend vertuscht werden. So als wäre nichts geschehen. Am Namenstag jedoch saß man unter Vertrauten und konnte sein verbotenes Unheil auspacken. Gewöhnlich kamen mehrere Erzähler zu Wort. Sie hatten das Bedürfnis, ihre abgründigen Erlebnisse sich von der Seele zu reden. Allein über die abenteuer lichen Heimwege nach der Entlassung aus der Russlanddeportation (das kommunisti sche Rumänien weigerte sich anfangs, die halbtoten, wegen Krankheit und Unterernährung vorzeitig entlassenen Deportierten, also seine eigenen Staatsbürger, überhaupt zurück ins Land zu lassen) gab es abendfüllende, detaillerte Berichte. In der Runde wurde häufig still mit den Tränen gekämpft. Kommentare beschränkten sich meistens auf den lakonischen Satz: „Mer han was metge-
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mach“. Wie ein Amen gab es die Antwort darauf: „Ja, mer han was metgemach“. Heute würde man diese Art zu feiern auch Vergangenheitsbewältigung und Gruppen-Psy chotherapie nennen. Kurz vor Mitternacht war die Feier zu Ende. Einer machte den Anfang und wie auf ein Kommando machten sich alle - in Gedanken versunken - auf den Heimweg. Vielleicht froh und dankbar, noch am Leben und wieder zu Hause sein zu dürfen. Ihre Zeit ist Hitler, Stalin und Ceausescu über den Weg
Brauchtum und Tradition
gelaufen. Mehr Elend und Erniedrigung konnte man im Europa des 20. Jahrhunderts kaum erfahren und oft nicht überleben. Aber sie trugen ihr Kreuz ohne zu jammern. Das Rad der Geschichte hat sich inzwischen weiter gedreht. Eine Generation nach dem „Goldenen Zeitalter“ des Conducators ist Heimat für Millionen Jugendliche ein Ort, den man gern und schnell in Richtung Westen verlassen möchte. Die Heimat ist dort, wo man am besten Geld verdienen kann. Vielleicht sind wir der Zeit ein bisschen vo-
Brauchtum und Tradition
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Kettentanzeinlage vor dem Bahnübergang in Karlsruhe Neureut
raus. Die alte Dorfgemeinschaft würde uns heute wirtschaftlich, sozial und kulturell wahrscheinlich im Wege stehen. Und der harte Schnitt bringt letztendlich einen unverhofften Nebeneffekt. In diesem Sinne bemerkte Jürgen Stober, Ortsvorsteher von Neureut und einer unserer Ehrengäste in seiner Rede, dass auch viele Neureuter Bürger weggezogen sind. Die haben jedoch weder Heimattag, noch Heimatblatt, noch Heimatkapelle oder Trachtenpaare und auch sonst nicht viel Gemeinsames.
Für mich, als Angehöriger einer Generation, die nur das kommunistische Billed der Nachkriegszeit erlebt hat, als wäre es die sinkende Titanic, ist dieser Heimattag eine lebendige Hommage an unsere Vorfahren und insbesondere an die Verlierer-Generationen. An all diejenigen, denen die alte Heimat so viel bedeutet hatte und die ihren Verlust nie ersetzen konnten. Beim Anblick der Trachtenpaare, die mit der Blasmusik durch Karlsruhe-Neureut marschieren, würden sie sicherlich stolz sagen: „Es war jo soo scheen“!
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Brauchtum und Tradition
Die 9 Trachtenpaare sind nicht alle aus Billed. Es handelt sich eigentlich um die Trachtengruppe der Banater Schwaben Karlsruhe und ihre Auftritte mit den Trachten sind professionell.
Abholen der Ehreng채ste im Hof der Feuerwehrremise Karlsruhe-Neureut
Brauchtum und Tradition
Auch ihre Ahnen tranken gern den Sprudel: Sie nannten ihn Sodawasser und streckten damit sowohl den gelungenen als auch den missratenen Hauswein
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Brauchtum und Tradition
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Der Festtagsumzug auf dem Marsch in die Badnerlandhalle. Eine umfassende Dokumentation 端ber das Billeder Heimattreffen, weitere Fotos, Tonaufnahmen und Videos finden Sie im Internet unter http://heimathaus-billed.de/treffen2011 oder Gek端rzte URL: http://qr.de/billed2011 oder QR-Code rechts
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Brauchtum und Tradition
Kirchenchor in der St. Judas-Thaddäus Kirche mit dem Chor der Banater Schwaben Karlsruhe unter der Leitung von Hannelore Slavik. Links die Solistinnen Melitta Giel und Irmgard Holzinger-FrÜhr. Nicht im Bild Doris Slavik an der Kirchenorgel.
Brauchtum und Tradition
Festgottesdienst in der St. Judas-Thadd채us Kirche mit Heimatpriester Marius Frantescu
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Brauchtum und Tradition
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Einmarsch der Trachtenpaare in die Badnerlandhalle Ein Hรถhepunkt der Veranstaltung: Prof. Anton Hollich dirigiert die Trachtenblaskapelle
Ehrengast Josef Prunkl, Vorsitzender des Landesverbandes B-W der Landsmannschaft
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W채hrend der Ansprache von Schirmherr B체rgermeister Michael Obert Es gibt immer was zu besprechen! Werner und Heidi, die Organisatoren
Der Ortsvorsteher von Neureut J체rgen Stober bei seiner Ansprache
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Brauchtum und Tradition
Ein weiterer Höhepunkt des Heimattages ist die Vorstellung der neuen CD der Blech von Peter Krier (rechts am Rednerpult). Ausführlich erinnert er an den Ländler, der in Billed langsamer und gefühlvoller gespielt wurde als anderswo. Links im Bild Prof. Anton Hollich, der anschließend das Konzert der Trachtenblaskapelle Billed-Alexanderhausen dirigiert. Vor der Bühne die Trachtengruppe der Banater Schwaben Karlsruhe. Sie wird zu der Blasmusik Volks tänze aufführen.
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Ansprache von Ralf Gilde am Billeder Gedenkstein am Heimattag 2011
„Verzähl mol Ota...“ So oder so ähnlich fängt man ein Gespräch an, das sich zu einer der interessantesten Geschichtsstunden entwickeln kann. Ein Gespräch über die sogenannte Heimat, ein Gespräch über Krieg, Verschleppung und Unterdrückung, aber oftmals auch ein Gespräch über eine außergewöhnliche Gemeinschaft, über schöne und prägende Kindheitserlebnisse und ein Gespräch über Stolz und einen unbändigen Willen, sich nicht unterdrücken zu lassen. Liebe Festgäste, liebe Schwowe, liebe Billeder, was ist es, das die Billeder sich alle zwei Jahre aus ganz Deutschland, Europa und der Welt hier versammeln lässt? Was treibt die Leute aus dem, aus heutiger Sicht, kleinen Dorf Billed an, sich nach 24 Jahren, seit der Gedenkstein hier hinter mir eingeweiht wurde, immer noch gemeinsam zusammenzufinden? Ich denke, es ist die Erinnerung, die gemeinsamen Erlebnisse und Erfahrungen, die ein unzertrennliches Band zwischen allen Billedern erzeugt haben. So ist das Heimattreffen, wie wir es auch gestern wieder erlebt haben, ein Forum für den Austausch von Erlebnissen von früher und heute innerhalb der Generationen. Doch wie sieht es mit meiner, mit der jungen Generation aus? Eine Generation, die überwiegend außerhalb der Billeder Heimat geboren ist. Eine Generation, die keinen 2. Weltkrieg, keine Verschleppung, kein Baragan, kein Russland, keine Enteignung und keine Flucht und Auswanderung direkt miterlebt hat. Eine Generation, die sich aber mit Sicherheit früher oder später die Frage der eigenen Identität stellen wird und sich überlegt, wo denn die eigenen Wurzeln liegen. Wer sind wir und wo kommen wir her, wird in einem
zunehmend multikulturellen Deutschland in Zukunft wichtiger denn je. Aber auch unabhängig hiervon können wir alle, und das geht durch alle Generationen hinweg, viel aus den Erfahrungen und Erlebnissen, die in der alten Heimat gemacht wurden, lernen. Dies beginnt schon bei den frühen Siedlern, die im 18. Jahrhundert in unwirtlichem Sumpfgebiet eine blühende Oase des Getreideanbaus erschufen und geht weiter bis hin zu den schrecklichen Erlebnissen während und nach dem 2. Weltkrieg. Es zeigt uns doch aber eins, dass, egal wie ausweglos eine Situation erscheinen mag, mit Fleiß, Disziplin und Zuversicht und durch Anerkennung von Leistung in einer intakten Gemeinschaft Großartiges geleistet werden kann. Damit wir aber auch in Zukunft auf diese unschätzbaren Erfahrungswerte zurückgreifen können, ist es notwendig, dass unsere Kultur, unsere Herkunft und unser geschichtlicher Hintergrund aktiv an die junge Generation weitergegeben wird. Werdet also bitte nicht müde euren Kindern und Enkelkindern von früher zu erzählen, ihnen die schwowische Tradition, Sitten und Bräuche zu vermitteln. Nehmt auch mal wieder alte Bilder aus der Schublade, da ja bekanntlich Bilder mehr als tausend Worte sagen können. Als Vorbereitung auf diese Rede habe ich die Ansprachen am Billeder Gedenkstein der letzen zwei Jahrzente betrachtet. Vergleicht man meine Rede mit denen meiner Vorrednern, so fällt doch ziemlich rasch auf, dass ich keineswegs so großartig über die vergangene Zeit in der Heimat sprechen kann. Das ist zum einen verständlich, da ich dort nicht aufgewachsen bin und meine persönliche Heimat in Deutschland liegt und nicht im
Brauchtum und Tradition Banat und man doch in einem völlig anderen Umfeld aufwächst. Andererseits ist es aber auch schade, dass man doch so wenig über die Vergangenheit und den Ursprung der eigenen Familie weiß. Dabei sind die Erzählungen und die Informationen keinesfalls langweilig oder altbacken. Im Gegenteil kann jeder von uns daraus eine Menge für sein eigenes Leben und die eigene Zukunft lernen. Lasst uns folglich versuchen, ein Forum für den Austausch von Erlebnissen von früher und heute „zwischen“ den Generationen statt nur „innerhalb“ der Generationen zu schaffen. Ich muss aber auch daran denken, was wäre, wenn die Banater Gemeinschaft von all den Schrecken des 20. Jahrhunders verschont geblieben wäre. Wie sähe das Leben in Billed im Technologiezeitalter aus? Muss man sich vielleicht doch eingestehen, dass man im Banat keinesfalls den heutigen Lebensstandard hätte, den wir hier in Deutschland genießen können? Hätte die Arbeitssuche in den neuen hochtechnologisierten Branchen ein Dorf wie Billed nicht auch zerstört? Wäre man vielleicht auch ohne kommunistische Unterdrückung nach Deutschland ausgewandert? Ich habe keine Antwort auf diese hypothetischen Fragen, doch denke ich, dass es an der Zeit ist, die positiven Seiten zu betrachten, auch wenn diesen Schrecken und Leid voraus gingen. Heute ist aber auch vor allem ein Tag des Gedenkens. Gedanken über Vergangenes, Angehörige in der Heimat und der ganzen Welt. Wir denken vor allem an all die Billeder und Landsleute, die zu Hunderten dem 2. Weltkrieg zum Opfer gefallen sind, sei es als tapfere und überzeugte Soldaten, die für ihr Heimatland ihr Leben gaben oder als hilflose Zivilisten, als Deportierte und Verfolgte. Beschäftigt man sich mit der Banater Geschichte, so wird recht schnell deutlich, dass
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Ralf Gilde vor dem Denkmal der Billeder auf dem Karlsruher Hauptfriedhof viel zu oft vergessen wird, dass der Weltkrieg nicht nur Opfer auf russischer, englischer, französischer und amerikanischer Seite gefordert hat, sondern dass der Begriff „Opfer“ mit derselben Rechtfertigung auf unzählige Deutsche, vor allem die, die außerhalb der deutschen Grenzen lebten, angewendet werden kann. Doch was ich am schlimmsten finde, ist, dass ich mir, während ich das hier schrieb, Gedanken darüber machen musste, ob man das denn überhaupt sagen darf. Ob das politisch korrekt ist. Ob man das als Deutscher sagen kann und darf. Und das ist schon wirklich schade, um nicht zu sagen traurig. Wir müssen das ändern. Aber das geht nur, wenn die „Alten“ ihre Erlebnisse und Erfahrungen weitergeben, auf ihr Schicksal aufmerksam machen und dieses Wissen an unsere junge Generation weitergeben. Das ist nämlich ein Teil der deutschen Geschichte, der uns Jungen im Geschichtsunterricht in der Schule verschwiegen bleibt. Wenn wir uns hier auch noch in 20 Jahren zusammenfinden wollen, dann muss wieder mehr „verzählt werre“. „Verzähl mol, Ota, wie wor des damols...?“
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Brauchtum und Tradition
Im Hofe des AMG-Hauses. 200 Trachtenpaare aus 3 Ländern und 2 Blaskapellen werden von hier aus zum Domplatz marschieren. Rechts unten im Bild die Abteilung der Billeder.
Beim Höhepunkt der 10. Heimattage in Temeswar mit dabei
Elisabeth Martini (Frick)
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ei strahlendem Sonnenschein und zahlreicher Beteiligung aus dem In- und Ausland fanden vom 17. bis 19. Juni 2011 die 10. Heimattage der Banater Deutschen und die Deutschen Medientage in Temeswar statt. Eröffnet wurden sie traditionsgemäß von Dr. Karl Singer, der als Vorsitzender seit mehr als 2 Jahrzehnten die Geschicke des Demokratischen Forums der Deutschen im Banat leitet, und hatten als Motto: „Gemeinsam in Wort und Tat“. Gemeinsam wurden sie auch organisiert vom DFDB, dem Deutschen Forum der Banater Jugend und dem Funkforum e.V. Zur Eröffnung ließen die „Original Banater Dorfmusikanten“ aus München die rumänische Hymne und die Hymne der Banater Deutschen erklingen, wonach der BZ-Re-
dakteur Werner Kremm in humorvoll-locke rer Weise die zahlreichen Ehrengäste aus dem In- und Ausland vorstellte und diese reihum ihre Grußworte darbrachten. Da es keine Ortschaft mehr mit vielen deutschen Mitgliedern gibt, seien derartige Veranstaltungen besonders wichtig, unterstrich in seiner Rede Klaus Werner Johannis, Vorsitzender des DFDR. Dr. h. c. Susanne Kastner, Vorsitzende der Deutsch-Rumänischen Parlamentariergruppe im Bundestag, wies auf die wichtige Rolle der deutschen Minderheit Rumäniens als verbindendes Element zu Deutschland hin. Auch andere Ehrengäste bewerteten die Banater Deutschen als Brückenbauer, hoben die Bedeutung des Multiethnischen im Banat wie auch in Europa hervor.
Brauchtum und Tradition Peter Krier, Vorsitzender des Hilfswerks der Banater Schwaben in Deutschland und langjähriger Freund und Helfer der Deutschen im Banat, wies darauf hin, dass es beispielhaft in Europa ist, was der rumänische Staat und die Bundesregierung für die Minderheiten tun. Ovidiu Viktor Gant, Abgeordneter im rumänischen Parlament, behauptete, dass das DFDB nie eine Politik der Abgrenzung und des Separatismus praktiziert hat. In Anerkennung ihrer Verdienste für die Banater deutsche Gemeinschaft wurden hohe Auszeichnungen des DFDB und der StefanJäger-Preis verliehen, wonach ein ansprechendes Konzertprogramm stattfand. Das umfangreiche Kulturprogramm bot einen bunten banat-schwäbischen Reigen, denn
21 reihum traten die bekanntesten 14 Volkstanzgruppen aus Rumänien (Kreis Temesch, Karasch-Severin, Arad, Mehedint) auf wie auch die aus Deutschland (München, Esslingen, Singen) und Ungarn. Billeder schwäbische Volkstänze führte die Tanzgruppe „Billeder Heiderose“ auf, die auch ihre Partnergruppe, das ungarn-deutsche Ensemble aus Sulk, zu diesem Banater Volkstanzfest mitgebracht hatte. Reichen Beifall ernteten die Kleinsten: die 10 Paare des Nikolaus-Lenau-Kindergartens (Leiterin Marika Koch), aber auch die Hänschenklein-Tanzgruppen (Leiterin Brigitte Sokob), der hoffnungsvolle Nachwuchs für die von Edith Singer mit Erfolg geleiteten „Banater Rosmareiner“. Auch „Herbstreigen“, die Senioren-Tanz gruppe des DFDT und der „Temeswarer Lie-
Im Bild die Gruppe der Billeder auf dem Domplatz. Fotos: Hans Martini
Brauchtum und Tradition
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Im Bild die Gruppe der Billeder im Festzug auf dem Opernplatz derkranz“ boten beliebte Banater Volkstänze und Volkslieder, ernteten Beifall. Im Festsaal des Adam-Müller-GuttenbrunnHauses spielten die Rekascher und Münchner Blasmusik-Kapellen zum Tanz auf. Am frühen Samstagnachmittag auf dem Temeswarer Flughafen gelandet, hatten mein Mann und ich noch Zeit, unsere Sachen auszupacken und uns auf den Sonntag, den Höhepunkt und Abschluss der Heimattage vorzubereiten. Den Aufmarsch der über 200 Trachtenpaare aus den erwähnten 3 Ländern und der sie begleitenden 2 Blaskapellen leitete vor zahlreichem Publikum eine Andacht im Hofe des AMG-Hauses ein, vor allem ergreifend durch die leidenschaftlichen Worte von Ignatz Fischer, dem langjährigen und geschätztenVorsitzenden des Vereins der ehemaligen Russland-Deportierten. Nach der Andacht ging‘s zügig zu den Klängen der beiden Blasmusik-Kapellen
zum Domplatz, währenddessen unentwegt Kameras klickten, Menschen stehen blieben und staunten, das Alltäglich-Gewöhnliche innehielt, um das Außergewöhnliche zu würdigen. Nach kurzer Andacht und Segenserteilung im Dom marschierten alle – auch wir Zuschauer – Richtung Kathedrale, wo vor dem Denkmal der Opfer der Revolution von 1989 die Kranzniederlegung erfolgte und ein Moment des stillen Gedenkens. Danach ging‘s zurück zum Opernplatz, wo die einzelnen Tanzgruppen in schöner Folge eine Stunde lang wieder ihr Können unter Beweis stellten. Auch der letzte Walzer erfeute Teilnehmer und Zuschauer gleichermaßen und man ging erfreut und beglückt auseinander, mit der Gewissheit, ein bedeutendes Ereignis deutscher Kultur im Banat miterlebt zu haben. „Gemeinsam in Lied und Tanz“ könnte die Einschätzung der Schlussszene lauten.
Brauchtum und Tradition
Heimattage Baden-Württemberg 2011 in Bühl
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wischen Zwetschge und Zukunft“ lautete das Motto der diesjährigen Heimattage in Bühl. Vom 9. bis zum 12. September fanden die Landesfesttage statt, deren Höhepunkt der Landesfestzug bildete. Bereits am Abend zuvor steuerte die Tanzgruppe aus Singen einige Tänze erfolgreich zum Programm bei. Außer rund 100 Gruppen und Künstlern nahmen auch die Tanzgruppen des Kreisverbandes Karlsruhe und die Blasmusikkapelle Billed-Alexanderhausen an dem Landesfestzug teil, die einen Kirchweihzug darstellten. Bei herrlichem Wetter fanden sich viele begeisterte Schaulustige ein und so ging Fotos: Cornel Gruber
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Kerstin Klein
es mit der Kindertanzgruppe, der Erwachsenen-Tanzgruppe und der Blaskapelle im Marschschritt durch Bühl. Der Kirchweihstrauß, die Trachten und Hüte zogen viele Blicke der Bewunderung auf sich. Im Vorbeigehen begrüßte unser Kreisverbands-Vorsitzende Werner Gilde den Ministerpräsidenten Baden-Württembergs, Winfried Kretschmann, und lud diesen symbolisch – zu dessen Überraschung – zu dessen Überraschung – zu unserem Kirchweihfest ein. Nachdem sich einige von uns mit Zwetschgen eingedeckt hatten, machten wir uns nach einem gelungenen Tag auf die Heimreise.
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Es fanden sich nicht nur die Landsleute vom letzten Jahr ein. Es gab Neuzugänge aus Karlsruhe und Umgebung, so dass die Tischplätze gerade noch ausreichten.
Sommerfest in Karlsruhe
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reitags schon wurden die berühmten „mici“ gemacht. Am 9. Juli wurden dann auf dem Gelände des Südsterns zahlreiche Gäste mit Blasmusik, Grillspezialitäten und Darbietungen der Tanzgruppen verwöhnt. Nachdem die Billed-AlexanderhausenerBlaskapelle schon gut eingespielt war, zeig ten unsere Kleinsten ihr Können, nämlich mittels ihrer neuen Tänze. Auch die Kinder- und Jugendtanzgruppen zeigten ihre neu einstudierten Tänze. Beide Gruppen ernteten viel Applaus seitens des Publikums. Als jedoch der Kuchen serviert wurde, hörte man mehrfach: „Das sieht ja wie auf
Melanie Müller
einer Hochzeit aus!“, was Staunen und Anerkennung der Bemühungen um das gute Gelingen des Festes bedeutete. Von einem kleinen Regenschauer überrascht, zeigte die Erwachsenen-Tanzgruppe zu den Klängen der Blasmusikkapelle trotzdem ihr tänzerisches Können und wurde mit reichem Applaus der Zuschauer belohnt. Fazit: Auch dieses Sommerfest war wieder ein großer Erfolg! Zur Blasmusik wurde flott getanzt, die Bewirtung war sehr gut, sodass man überall nur zufriedene Gesichter sah. Dafür geht an die Organisatoren, an die Kuchenspender und an den Südstern ein herzliches Dankeschön!
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Das Angebot war speziell: Kuchen, Torten, „Kipfel“, „Mititei“, Tanzvorstellungen der Kinder-, Jugend- und Erwachsenentanzgruppe sowie „Blechmusik“ von 13-20 Uhr. Auch Anwohner wurden angelockt, denn die Blasmusik war weit bis in den Karlsruher Stadtteil Rüppurr zu hören und der Eintritt frei.
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Bei Dinyers um „die Wurst abzuholen“. Natürlich gab`s da wieder „de Griewekuche“ und dazu den besten Wein. Fotos: Cornel Gruber
Schlachtfest bei der Trachtenblasmusikkapelle Billed-Alexanderhausen
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nde Oktober war wieder Schlachtfest in Frankenthal im Donauschwabenhaus. Die Mannschaft um Sepp Dinyer, Franz Klein und Hans Muhl hat mal wieder ihr Bestes gegeben. Es ist immer wieder das gleiche Schlachtfest und doch immer wieder ein wenig anders. Bei schönstem Wetter sind wir zu Dinyers marschiert um „die Wurst abzuholen“. Natürlich gab`s da wieder „de Griewekuche“und dazu den besten Wein. Nach dem reichlichen und auch sehr schmackhaften Mittagessen im Saal (Krautwickel, Schnitzel und Kartoffelpüree) ka-
Adam Tobias
men die Clowns. Diesmal hatten wir ein Kinderprogramm organisiert: Die Clowns haben den Kleinsten und natürlich auch den Erwachsenen ein buntes Programm präsentiert. Nachher gab es Kaffee und Kuchen. Den Kuchenspendern herzlichen Dank. Unsere Tanzgruppe Banater Schwaben aus Karlsruhe, geleitet von Heidi Müller und Werner Gilde, hat wieder die schönsten Tänze getanzt, natürlich zu unseren Klänge. Sie begeisterten die Zuschauer sehr und ernteten mal wieder tosenden Applaus. Maria Muhl und Elisabeth Gaug sangen, begleitet von einem Akkordeon, gespielt von
Brauchtum und Tradition
Johann Prunkl, „Der alte Brunnen vor dem Vaterhaus“. Unser Fanclub hat uns wieder eine ein – Meter Dobosch und eine beträchtliche Geldsumme vom Herbstfest Nürnberg zukommen lassen. Dafür vielen Dank. Danken wollen wir allen Helfern für ihren tollen Einsatz. Es lief alles wie am Schnürchen. Nach dem Abendessen, der traditionellen Schlachtplatte, wurde die schon sehnlichst erwartete Tombola verlost. Die letzten drei Gewinner haben sich über einen reichhaltigen Preis sehr gefreut. Bis um 23 Uhr haben wir gespielt, dann hat Gerry Kegler bis in die frühen Morgenstunden gute Stimmung versprüht. Nächstes Jahr ist am 27.10.2012 Schlachtfest. Anmeldungen ab 1. Oktober bei Elisabeth Stadtfeld. 06233 / 41705
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Im Schlaraffenland: überall „Worscht“
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Brauchtum und Tradition
Auftritt der Musikclowns des Badischen Staatstheaters Karlsruhe mit einer musikalischen Reise durch die Tierwelt. Ein anderer Hรถhepunkt: der Aufmarsch mit den Torten
Brauchtum und Tradition
Tanzvorstellung der Trachtengruppe der Banater Schwaben Kalrsruhe Danach spielte die Blech zum Tanz f端r alle
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Brauchtum und Tradition
Gruppenbild der Blaskapelle mit Wurst und Wurstmacher Sepp Dinyer (rechts) Die Blaskapelle auf der B端hne in der Donauschwabenhalle in Frankenthal
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Spritzpause muss sein! Die Tombola-Gewinner mit ihren Preisen: den schwäbischen Leibspeisen „Worscht und Wein“
Brauchtum und Tradition
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Zu Allerheiligen am Billeder Gedenkstein
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ie Sonne lockte, die herbstliche Farbenpracht wirkte und wo konnte man dieses Herbstwunder mit vielen Bekannten in feierlichem Rahmen erleben? Um 14 Uhr am Billeder Gedenkstein auf dem Hauptfriedhof in Karlsruhe bei der Totengedenkfeier der Banater Schwaben aus dem Raum Karlsruhe (auch in der Zeitung kundgetan). Hierher riefen uns auch die vertrauten Klänge der Billeder Glocken und die übende Singgemeinschaft, die sich ein- und abstimmte, um als Einheit sich zu erheben zum Lobe Gottes, unserer Ahnen zur Ehr‘ und der versammelten Gemeinschaft zum Wohlgefallen, auf Seele und Gemüt wirkend. In seiner Ansprache ermunterte Werner Gilde dazu, über das Erinnern an Eltern und
Peter Neumann
Großeltern auch jene Vorfahren zu würdigen, die das blühende Banat geschaffen hatten, damit wir die eigenen Wurzeln pflegen und festigen. Durch den Gedichtvortrag „Vergessene Gräber“ von Julius Schuster durch Bianka Göpfrich wurde auch derer gedacht, deren Gräber unauffindbar, eingeebnet, vergessen sind, ohne Kerzen und Blumenschmuck zu Allerheiligen. Wuchtig wie immer in der Stimme die Totenehrung durch Sepp Herbst, der dadurch die Statistik - die er meisterhaft handhabt - lebendig machte, denn die Verlesung der 38 Toten der letzten 12 Monate ließ Augen feucht werden, manche Träne rollen. Im Gebet mit Elisabeth Luckhaub falteten wir unsere Hände über die Gräber hier und
Rückblick
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Wuchtig wie immer in der Stimme die Totenehrung durch Sepp Herbst, der dadurch die Statistik - die er meisterhaft handhabt - lebendig machte, denn die Verlesung der Toten der letzten 12 Monate ließ Augen feucht werden, manche Träne rollen. drüben, mit Gott in unserer Mitte: Eine würdige Feier auch ohne Priester. Das erinnerte mich an den Pfarrer meines Billeder Lebensabschnittes, Josef Wild, der seinen 111. Geburtstag heuer hätte feiern können, wäre er nicht schon vor 50 Jahren, laut Ortssippenbuch an „Schlaganfall im Hochamt mit 60 Jahren“ abberufen worden. Florica Rosi Reiser erinnert im Heimatblatt 2004 an „unseren lieben, alten Pfarrer Josef Wild, der während der heiligen Messe zusammengebrochen und gestorben ist. Den jungen Kaplan Josef Wild, den wir auf manchen Fotos sehen, ist uns Jüngeren nicht bekannt. 1947 hatte er schon graue Haare und war der Einzige im Ort, den man mit „Gelobt sei Jesus Christus“ grüßte oder vorher die Straßenseite wechselte.
Er soll Pharmazie studiert haben, Offizier gewesen sein, einen Sohn gehabt haben, gesellig soll er gewesen sein und gepoltert haben, aber gerecht. Für mich war er Respektsperson, „Hochwürden“ eben. Mit ihm und dem Chor, mit uns als Ministranten, mit dem vorangetragenen Großen Kreuz zogen die Allerheiligen-Prozessionen zum Neigässer oder Saulänner Kerchhoff, zu dem einen an Allerheiligen, zu dem anderen an Allerseelen, von Jahr zu Jahr abwechselnd, ausgleichende Gerechtigkeit eben. Aus dem Religionsunterricht mit Pfarrer Josef Wild im Kirchenraum sind mir im Gedächtnis geblieben: „Ein deutscher Junge braucht kein Parfum, Wasser und Seife genügen.“ „Man schämt sich nicht mit der aus-
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In seiner Ansprache ermunterte Werner Gilde dazu, über das Erinnern an Eltern und Großeltern auch jene Vorfahren zu würdigen, die das blühende Banat geschaffen hatten, damit wir die eigenen Wurzeln pflegen und festigen. Im Gebet mit Elisabeth Luckhaub falteten wir unsere Hände. Foto: Cornel Gruber
Gedichtvortrag „Vergessene Gräber“ von Julius Schuster durch Bianka Göpfrich
Brauchtum und Tradition gebesserten Hose, mit der zerrissenen muss man sich schämen.“ Auch zu Ausflügen hat er uns angespornt: Ich war in „Kleijetsche on Schanderhaas“; „de Kowese Hans“ hatte immer einen Brief an den jeweiligen Pfarrer im Schuh, dessen Inhalt wir nicht kannten - wir haben das Briefgeheimnis gewahrt - aber bewirtet wurden wir jedesmal über alle Erwartungen. Sehr gehofft habe ich damals auf Wanderungen nach Großjetscha, Knees oder Betschkerek. Dazu kam es nicht mehr, entweder weil er sie als zu gefährlich eingeschätzt hat oder weil der jeweilige Pfarrer schon abgeführt oder zumindest verhört worden war.
35 Jetzt bin ich mir sicher: Heute hat er verständnisvoll auf uns herabgeguckt, vielleicht ein gutes Wort beim Herrn für uns eingelegt, und ein bisschen stolz auf seine Schäfchen und unsere Feier ohne Pfarrer war er auch. Zur anschließenden Gedenkfeier am Vertriebenen-Mahnmal kamen gleich zwei Pfarrer: ein katholischer und ein evangelischer, kein Politiker, ein Bläserquartett und die vereinigten Chöre der Banater Schwaben und der Deutschen aus Russland unter der Leitung von Hannelore Slavik. Ein zweites „Vaterunser“ hat uns gewiss nicht geschadet.
An Allerheiligen 2010 auf dem Neugässer Friedhof in Billed. Foto: Hans Martini
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In der neuen Laube: Adam Csonti, Staatssekretär Bergner, Maria Therese Müller, Helmut Weinschrott, Roswitha Csonti, Anni Weinschrott, Peter Krier, Konsul Olasz, Melita Belejan
Innenstaatssekretär Dr. Christoph Bergner MdB erneut in Billed
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taatssekretär Dr. Christoph Bergner ist, neben der Leitung einiger wichtiger Resorts im Bundesministerium des Inneren, Beauftragter der Bundesregierung für Vertriebene, Flüchtlinge, Migranten, für Minderheiten in Deutschland und für die deutschen Minderheiten in den ehemaligen Ostblockstaaten. In Erfüllung der letztgenannten Aufgabe besuchte der hohe Beamte zwischen dem 16. und 19. April d.J. erneut das Banat. Der Delegation des Staatssekretärs gehörten
Peter Krier
die zuständige Abteilungsleiterin im Innenministerium, Ministerialrätin Maria Therese Müller und Peter Krier, Leiter des Hilfswerkes der Banater Schwaben an. Im Banat schlossen sich der Delegation Konsul Christian Olasz, Prof. Karl Singer, Vorsitzender des Regionalforums der Deutschen im Banat und Helmut Weinschrott, Direktor der Adam-Müller-Guttenbrunn-Stiftung, an. Während eines ausführlichen Gesprächs mit den Forumsvertretern der Ortsforen und der
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Im Hof des Heimathauses die neue Laube sowie ein Zufahrtsweg zu den Parkplätzen Leiter der deutschen Kultureinrichtungen im Banat erhielt der Staatssekretär, der auch zuständig ist für die Hilfsmittel der deutschen Minderheiten, einen guten Überblick der Sachlage. Der Staatssekretär versprach, dass Deutschland auch weiterhin zu seiner Verpflichtung für die Deutschen in den ehemaligen Ostblockstaaten stehen wird. Dr. Bergner besuchte mit seiner Delegation den Präfekten des Kreises Temesch, den Bürgermeister von Temeswar, Gheorghe Ciuhandu und Diözesanbischof Msgr. Martin Roos. Er führte ferner Gespräche mit dem Abgeordneten im rumänischen Parlament und Sprecher der Minderheiten, Ovidiu Gant, und mit dem Kreisratsvorsitzenden des Kreises Temesch. Am 16. Mai 2011 besuchte die Delegation Billed. Für Dr. Bergner war es der zweite Besuch in unserem Heimatdorf. Er erhielt dort einen Einblick vor Ort über die Funktion der Sozialstation und des Forums. Das saubere, gut ausgestattete und gut geführte Haus beeindruckte die Besucher, es ist ein guter Beleg dafür, dass die weitere Unterstützung der im Banat verbliebenen Landsleute Sinn macht, dass die gewährten Hilfen gut zum Einsatz kommen.
Die katholische Kirche (oben) und das Kulturheim (unten) am 2. Mai 2011. Fotos: Roswitha Csonti
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Unsere Autos waren vollgestopft mit Hilfsgütern für Centrul Medical A.D.A.M.S in Slatina Timis, ein medizinisches Zentrum, das Bedürftigen hilft, egal, ob sie für die Behandlung bezahlen können oder dem Doktor 2 Eier aus dem Hühnerstall als Honorar auf den Tisch legen.
Team 29 der Allgäu-Orient-Rally 2011 nächtigt im Heimathaus
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ir: Fred Fiedler, Elisabeth Stüber, Maria Oberstadt, Michael Kain, Rita Spitzweck, Urs Hanke und Marius Meißner waren Teilnehmer der diesjährigen Allgäu-Orient-Rally und durften eine Nacht im Gästehaus der Banater Schwaben in Billed nächtigen. Die Rally findet seit 2005 jährlich statt und führt von Oberstaufen (Schwaben) über den Landweg nach Amman (Jordanien), nur 2011 war ein besonderes Jahr und jede Rally hat ihre speziellen Regeln: Ein Team besteht aus 6 Leuten und mehreren Fahrzeugen mit 2, 4 oder mehr Rädern. Die Fahrzeuge müssen entweder 20 Jahre alt sein oder dürfen nicht mehr als 1111,11Euro wert sein, auch darf man am Tag maximal 666 km fahren und das ohne Autobahn, ohne Navigationssystem und
ohne Fährverbindungen, was die Sache interessanter macht. All die Strapazen werden für das SiegerTeam mit einem besonderen Preis belohnt: einem echten Kamel, das dann einer Beduinenfamilie in Jordanien gespendet wird. Damit man nicht einfach durch die Länder rast, gilt es täglich „Sonderaufgaben“ zu lösen. Die geplante Route führte uns durch Schwaben, Oberbayern, Österreich, Ungarn, Bulgarien, die Türkei, (Syrien, Jordanien). Diese Rally bezeichnet sich auch als letztes automobiles Abenteuer der Welt. Dass sich diese Behauptung für 2011 zu 100% bestätigen sollte, konnte man beim Rallystart nur erahnen. Aufgrund der politischen Situation in Syrien war schon klar, dass man nicht durch Syrien fahren kann, wie man nun Amman
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Spät abends erreichten wir nach einem aufwühlenden Rally-Tag Billed, Herr Csonti erwartete uns schon und empfing uns wärmstens. Nach einer Hausführung war es äußerst spannend, ihm und seiner Frau zuzuhören. Bei mehreren Getränken verging der Abend sehr schnell und wir waren dankbar für ein solch schönes und sauberes Quartier. (Jordanien) erreichen sollte, war eine offene Frage, die uns erst in Istanbul beantwortet werden sollte. Jedes Team will besonders sein: Die einen waren die Jüngsten, die anderen die Ältesten, es gab ein reines Frauenteam, ein Team wollte Feuerwehrfahrzeuge runter bringen und wir? Wir waren das einzige Team, das mit den geliebten eigenen Fahrzeugen, die die Abwrackprämie überlebt hatten, runter fuhr und diese für einen guten Zweck spendete. Es gab keine Teamlackierung (Warum Geld in Farbe investieren, wenn man damit eher Menschen helfen kann?), keine professionelle (kostspielige) Hilfe für unser Bewerbungsvideo, keine Rally-Aufbauten. Wir verließen uns auf unsere treuen Wegbegleiter: Einen Fiat Uno, einen Ford Fiesta und einen 940er Volvo, wurden von vie-
len belächelt, sind aber pannenfrei bis zum Schluss der Rally gefahren, hatten nicht mal einen Platten! Bei der Routenplanung mit den vorgegebenen Entfernungen wollten wir am 2. Rallytag schon in Rumänien sein. Dank Wikipedia sind wir auf die Geschichte der Banater Schwaben gestoßen. Ehrlich gesagt, hatten wir zuvor nie etwas darüber gehört bzw. waren uns Meldungen in den Medien nie aufgefallen. Über den Kontakt zu Herrn Gilde gab es für uns eine Zusage, dass wir im Gästehaus in Billed unterkommen können. Spät abends erreichten wir nach einem aufwühlenden Rally-Tag Billed, Herr Csonti erwartete uns schon und empfing uns wärmstens. Nach einer Hausführung war es äußerst spannend, ihm und seiner Frau zuzu-
40 hören. Bei mehreren Getränken verging der Abend sehr schnell und wir waren dankbar für ein solch schönes und sauberes Quartier. Am Morgen wurden wir mit einem wunderbaren Frühstück begrüßt und genossen die selbstgemachte Marmelade und den leckeren Käse. Wir hätten noch Stunden verbringen können, mussten aber weiter. Unsere Autos waren vollgestopft mit Hilfs gütern für Centrul Medical A.D.A.M.S in Slatina Timis, ein medizinisches Zentrum, das Bedürftigen hilft, egal, ob sie für die Behandlung bezahlen können oder dem Doktor 2 Eier aus dem Hühnerstall als Honorar auf den Tisch legen. Wir spendeten ein Ultraschallgerät, Medi kamente, Operationsbesteck, Kinderspielsa chen, Kinderklamotten und unsere Fahrzeug anhänger. Somit waren die Autos leer und wir konnten nun flotter die Rally fortsetzen, mit dem Gefühl, dass wir für eine gute Sache unterwegs sind. Etwa 80% unserer Sachspenden ließen wir in Rumänien, die restlichen 20% in der Türkei. Im Rahmen der Rally war dieses Jahr die Türkei ein spannendes Land; hier erfuhren wir, dass wir ausnahmsweise mit Fähren nach Israel übersetzen müssen. Da es aus politischen Gründen keine Direktverbindung zwischen der Türkei und Israel gab, mussten wir über Zypern anreisen... Da wir nicht durch Syrien fuhren, gab es einen freien Tag in Kapadokien und wir besuchten eine ehemalige unterirdische Stadt sowie ein Tal, in dem hunderte Kirchen und Wohnungen in den Fels gehauen waren. Am Fährhafen bekamen wir die Info, dass Israel uns die Einreise verweigert. Also auf Richtung Port Said in Ägypten. Toller Seegang und dann keine Einlauferlaubnis in Ägypten. Also zurück und das Aus für unsere Rally! Seit Beginn derselben waren die Organisatoren bemüht, Lösungen zu finden, damit die 6oo Mitstreiter Jordanien erreichen, lei-
Begegnungen der waren dann alle Möglichkeiten ausgeschöpft, die Rally fortzusetzen. Abbruch der A-O-Rally und das zum ersten Mal!! Den Teams wurde freigestellt, selbst zurück zu fahren oder die Fahrzeuge in einem Zollhof der Türkei stehen zu lassen. Wir ließen unsere Autos zurück, wo sie für wohltätige Zwecke des türkischen Halbmondes – vergleichbar mit unserem Roten Kreuz – versteigert werden, zumal viele Menschen aus Syrien in die Türkei flüchten, für die wir Rally-Fahrer so vielleicht auch Gutes getan haben. Fazit: Die Rally war schön, spannend, anstrengend, aufregend. Wir kamen mit Menschen in Kontakt, die wir als Pauschaltouristen niemals kennengelernt hätten und verfolgen die Nachrichten nun aufmerksamer. Diese Reise hat jeden von uns gefordert und gefördert. Wir sehen vieles nun mit aufmerksameren Augen. Unsere Erlebnisse gibt es auch im Reisetagebuch auf www.platz-vier.de Doch: Nach der Rally ist vor der Rally!!! Nachdem Jordanien über den Landweg nicht erreichbar war, führt die Rally 2012 nach Baku (Aserbaidschan am Kaspischen Meer), vielleicht ein einmaliges Ziel, wodurch die Rally 2012 in die A-O-Geschichte eingeht. Für die Rally-Teams von 2011 bestand die Möglichkeit, bei Interesse, eine Wildcard für die Allgäu-Orient-Rally (A-O) 2012 zu erlangen, was wir auch taten, da sie in kürzester Zeit ausgebucht war. Natürlich sind wir wieder dabei und würden uns über (Banater) Sponsoren, bzw. Spenden- und Sponsorengelder freuen – mehr unter www.platz-vier.de Geldbeträge teilen wir auf: 50% für Sponsoring und 50% Spende. Wir, das Team 29 der A-O-Rally 2011, möchten uns nochmals herzlichst für das Nachtquartier in Billed bei Frau und Herrn Csonti sowie bei Herrn Gilde und all den anderen bedanken, die uns diese ermöglichten.
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Vanessa (14) und Justine (11) Prutean im Zentrum von Billed, in der Kreuzung der Hauptgasse mit der Bahngasse
Urlaub 2011 in Billed
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ndlich durften wir wieder in den Urlaub! Aber diesmal blieben Mama Hilde und Papa Ferdinand zu Hause, denn wir sind mit unserer Omi (Rosi Reiser) nach Rumänien, in Mamas Heimatort Billed gefahren. Das war mal ein Abenteuer! Die Fahrt dorthin war so spannend, weil wir ja nicht wussten, was uns erwartet. Als wir dann über die Grenze kamen, sahen wir, dass das ein ganz anderes Land war: Viel mehr Natur und weniger Großstadt-Flair. Wir fanden faszinierend, wie die Menschen ohne viele technische Hilfsmittel ein genauso schönes Leben führen wie wir in der Stadt. Und diese Ruhe – einfach herrlich! So eine entspannende Stille kann man in Deutschland nur mitten im Wald genießen. Und das Beste war: Wir waren bei einer sehr netten Fami-
Vanessa und Justine Prutean
lie privat untergebracht. Wären wir ins Hotel gegangen, hätten wir nicht gesehen, wie sich die Oma der beiden Kinder, die jeden Abend bis in die Dunkelheit mit uns gespielt haben, um ihre riesig-dicken, rosa Schweine gekümmert hat. Oder wie das Ehepaar einen echten Schinken zerlegte. So etwas hatten wir noch nie gesehen, einen rosa Schinken wie im Bilderbuch! Und der hat so gut geschmeckt! Ich glaube, ich habe im Urlaub mindestens 2 Kilo zugelegt, nur weil das Essen dort so wunderbar war. Ich konnte einfach nicht widerstehen! Die traditionellen Billeder Gerichte sind einfach köstlich! Wir wurden sehr gastfreundlich empfan gen, die Familie hat mit fantastischen Schnitzeln und sehr feinem Kartoffelbrei auf uns gewartet.
42 Noch am ersten Abend sind wir mit den beiden Gastgeber-Kindern auf den Friedhof gleich um die Ecke gegangen, um das Grab unserer Tante Brigitte Reiser zu besuchen. Einige Namen kamen mir sogar bekannt vor. Die ganze Gegend war so unberührt: Wenn ich mir Fotos aus Mamas Kindheit ansehe, erkenne ich einige Gebäude, an denen wir vorbeigegangen sind. Und das schätze ich an diesem Dorf: Es hat sich fast nicht verändert! Einmal waren wir (mit dem Zug) auch in der Großstadt Temeswar, um ein paar Souvenirs aus dem Urlaub mitzubringen. Die Früchte im Angebot sahen sehr verlockend aus. In den Geschäften konnten wir zwar nichts lesen und verstehen, aber ich wusste genau, wo die Klamottenständer waren. In den folgenden Tagen haben wir eine kurze Spritztour mit dem Auto zu einigen Sehenswürdigkeiten gemacht und waren mit den Gastgeber-Kindern und einem PicknickKorb auf dem Kalvarien-Berg. Dort war es sehr schön, es kam sogar der Zug vorbei! Am nächsten Tag ging es nach Turnu-Severin, ans Eiserne Tor. Dahin hätte auch unser Vater gerne einen Ausflug gemacht! Er war richtig neidisch. Einen Tag nach dem Ausflug durften wir mit einer Freundin meiner Oma in die Dorfschule gehen, um zu sehen wie das Lernen in Rumänien läuft. Die Schule, gelb gestrichen, mit üppigen Wandmalereien ist etwas altmodisch: Diese rustikale Einrichtung sieht man in Deutschland nur auf Bildern in Museen. Im Gegensatz zu den deutschen Kindern scheinen die Kinder in Billed gerne zur Schule zu gehen. Das hat sicher etwas mit der langweiligen, monotonen Unterrichtsgestaltung in Deutschland zu tun. Wir haben dann noch einige Freunde und Verwandte meiner Oma und Mama besucht und Unterschiede festgestellt: In Deutschland musst du Bescheid sagen, wenn du jemanden besuchen möchtest und machst einen
Begegnungen Termin aus; in Rumänien kommt und geht jeder, wann er will und wird einfach freundlich empfangen. Da haben alle immer Zeit oder man kommt später nochmal vorbei. Auf jeden Fall war der Urlaub für uns erholsam und durch die Erlebnisse in Rumänien haben wir eigentlich erst gemerkt, wie gut es uns in Deutschland geht. Die Nahrungsverhältnisse in Rumänien sind etwas erschreckend, denn manchen Kindern geht es wirklich nicht gut. Da habe ich mich schon schlecht gefühlt, wenn ich an armen Straßenkindern vorbeilief, zumal ich vor diesem Urlaub sehr unzufrieden war und immer viel kaufen wollte. Ich dachte immer, ich hätte nicht genug Klamotten und Schuhe, aber jetzt habe ich sogar welche hergegeben. Mein Leben hat sich durch diesen Urlaub sehr verändert: Ich bin nun viel glücklicher und freue mich auf jeden Tag, weil ich jetzt weiß, dass es mir, uns, in Deutschland sehr gut geht. Aber am meisten hat uns im Urlaub fasziniert, dass jeder so stressfrei und gelassen lebt; man ist als Stadtmensch vielleicht überfordert durch diesen Übergang zu einem ruhigen Landleben: Man kann überall hingehen, egal ob es 10 Uhr früh oder 10 Uhr abends ist. Es gibt auch diese großen Gruppen aufdringlicher Teenager nicht, die nachts rumbrüllen und unterwegs alles kaputtmachen. Kinder sind eben Kinder und fühlen sich nicht wie Erwachsene. Meine kleine Schwester und ich haben schon von klein auf in der Banater Kirchweihtracht an der Waldkraiburger Kirchweih teilgenommen. Aber jetzt weiß ich auch, woher die Liebe und das Interesse meiner Eltern und Großeltern dafür kommt, dass ihre Mädels beim Aufmarsch in der Tracht gehen. Diese Tradition bringt ein Stück Heimat und Kindheit mit sich. Auf jeden Fall bin ich nun immer für einen Urlaub in Billed offen. Wenn ich mal wieder Ruhe brauche, weiß ich wohin...
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Heimathaus-Besucher im Juni 2011. Familie Ilse und Adi Frank mit Kindern bereit zu einer Fahrrad-Tour durch‘s alte neue Billed unter der FĂźhrung von Adam Csonti Die kleine Lenja, Tochter von Manfred Schwarz und Tine Mehlo aus Konstanz, beim BillardSpiel im Forum
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An einer Kreuzung steigen wir aus. Und plötzlich ist alles anders. Ein freundlicher Mann tritt auf uns zu und begrüßt uns. Wir begegnen einer Gruppe von Menschen, die uns einen herzlichen und warmen Empfang bereitet, die uns ihre Häuser öffnet und uns mit einer Gastfreundschaft bewirtet, wie sie in Deutschland selten geworden ist.
Besuch in Billed
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ir kennen sie vom Tanzen. Einige Jahre lang sind wir allwöchentlich in Karlsruhe in eine Tanzschule gegangen, um Cha-Cha-Cha, Walzer und Slowfox zu lernen. Hernach ging es ins „Krokodil“. Wir waren drei Paare, dabei auch Helga und Jakob Mager. Beide kamen 1981 aus Rumänien nach Deutschland, zusammen mit ihren zwei Söhnen, die damals noch klein waren. Helga ist in Sathmar geboren, Jakob in Billed. Schon nach wenigen Abenden im „Krokodil“ kannten wir Billed und das Banat recht genau, zumindest aus den Erzählungen. Vor allem sahen wir ihre tiefe Verbundenheit mit der ersten Heimat, Stolz und auch Wehmut
Klaus Rennert
der Erinnerung an das Land und die Menschen, ihre Zusammengehörigkeit und Hilfsbereitschaft, die sich auch nach der Aussiedlung hier in Deutschland fortsetzt. Schwester und Schwager, Schulfreunde aus Billed und Temeswar haben dem Banat ebenfalls den Rücken gekehrt und leben jetzt in Deutschland. Sie halten engen Kontakt. 2002 hat Jakob für Freunde und Bekannte eine erste Rumänienfahrt organisiert. Wir konnten nicht dabei sein, mein Vater feierte gerade seinen 90. Geburtstag, da kann man nicht fehlen. Seither haben wir Jakob in den Ohren gelegen. Rumänien ist doch kein kleines Land, das man schon nach einer Fahrt bis in
Begegnungen den letzten Winkel kennt. Schließlich ließ er sich erweichen und plante eine zweite Reise. Diesmal sind wir mit von der Partie. Wir sehen Moldauklöster und Kirchenburgen, Störche und Pelikane, Städte und Landschaften, sehen Reichtum und Armut, Erneuerung und Verfall. Wir fahren in elf Tagen fast 2.500 km mit dem Bus durch das Land, 31 Touristen aus Deutschland mit einer rumänischen Studentin als Führerin und einem Rangierkünstler als Fahrer. Der zwölfte und letzte Tag steht außerhalb des Besichtigungsmarathons. Dieser letzte Tag gehört Billed. Schon während der Rundreise hat Jakob immer wieder das Busmikrofon ergriffen und uns auf diesen letzten Tag eingestimmt. Er hat uns die Geschichte der Donauschwaben erzählt, von Prinz Eugen und den „Ul-
45 mer Schachteln“ bis zum Sozialismus Ceausescus und der Auswanderung nach Deutschland. Auch Billed hat er uns vorgestellt, hat uns den Drei-Satz „dem Ersten der Tod, dem Zweiten die Not, dem Dritten das Brot“ nahegebracht und die Urkunde Maria Theresias zum Kirchenbau vorgelesen. Wir hörten, wie das Land verteilt wurde, lernten den Grundriss der ersten Bauernhäuser kennen und was ein Joch ist. Wir erlebten seine Schulzeit in der Billeder Volksschule noch einmal mit, in getrennten Klassen für Deutsche und für Rumänen. Es war interessant und spannend und anrührend und fast ein bisschen zuviel. Würde auch der Tag in diesem Dorf eigentlich zuviel sein? Wir besteigen also den Bus und fahren hin. Der erste Eindruck zeigt ein weitgestreutes
Im Haus des deutschen Vereins, zum Mittagessen. Unsere Gastgeber wollen uns ein typisch banatschwabendeutsches Sonntagsessen vorstellen, und so werden wir königlich bewirtet. Dafür sorgten Roswita und Adi Csonti, samt Mutter, Tochter, Schwiegersohn und Küchenhilfen.
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Jakob erzählt, wie er an den Glockenseilen hing, wenn es galt, zur Messe zu läuten.
Die Grabstellen machen einen sehr gepflegten Eindruck, viele sind mit Beton abgedeckt
Begegnungen im Hof des Forums der Deutschen in Billed
Begegnungen Dorf auf flachem Land unter einem schier endlosen Himmel. Es herrscht große Ruhe; nicht einmal Musikgeplärr aus einer Gaststätte; nur auf der Landstraße durchs Dorf gibt es gelegentlichen Autoverkehr. Die Häuser, neuere und ältere, gepflegte und weniger gepflegte, säumen die Straßen und Wege in großem Abstand, dazwischen Wiesen mit Nussbäumen, die soeben zurückgeschnitten werden, was zu einer Stromabschaltung geführt hatte. Die Äste waren den Stromleitungen zu nahe gekommen. Hinter den Häusern weite Gartenflächen; der untere Nachbar ist weit entfernt. Eine Roma-Familie fährt mit dem Pferdewagen die Dorfstraße entlang. An einer Kreuzung steigen wir aus. Und plötzlich ist alles anders. Ein freundlicher Mann tritt auf uns zu und begrüßt uns. Wir begegnen einer Gruppe von Menschen, die uns einen herzlichen und warmen Empfang bereitet, die uns ihre Häuser öffnet und uns mit einer Gastfreundschaft bewirtet, wie sie in Deutschland selten geworden ist. Da ist Herr Herbst, der freundliche Mann, der uns zuerst begrüßt hat und der uns über die Geschichte des Dorfes und der deutschen Familien, die hier leben oder gelebt haben, auch über seine eigene Familie unterrichtet, auch über eines seiner Steckenpferde, die Namensforschung. Herr Csonti öffnet uns sein Haus; er und seine Frau zeigen uns Haus und Hof, Stall und Garten, alles wohlgepflegt und in vorbildlicher Ordnung. Er erzählt von der Selbstorganisation der verbliebenen Deutschen im Dorf, vom deutschen Kulturverein, dem „Demokratischen Forum“, und dessen Leistungen für hilfebedürftige Verbliebene. Und da ist Jakobs Tante, Elisabeth Buscha, die mit ihren 83 Jahren hellwach und putzmunter ist und uns mit Eloquenz und Charme bezaubert. Der erste Pflichtbesuch gilt natürlich der Kirche. Erst kürzlich renoviert, präsentiert
Begegnungen
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Im „Gang“ bei Jakobs Tante Buscha, halb im Freien, erwartet uns eine weitere festlich gedeckte lange Tafel. Für die Vorbereitungen, Empfang und Bewirtung der Gäste hat die Tante eigens ihre Tochter Angelika mit Schwiegersohn Severian aus Deutschland anreisen lassen. sich der schöne Barockbau in bestem Licht. Extra für uns werden sogar die Lichterketten rund um die Altarbilder angeschaltet, so dass St. Michael auf dem Hauptaltar, St. Wendelin und die Mutter Gottes auf den Seitenaltären besonders zur Geltung kommen. Vier Bankreihen sortierten früher Männer und Frauen, Knaben und Mädchen. Bemerkenswert, dass die Jugend in die Seitenschiffe verwiesen war, außerhalb der Reichweite des Pfarrers; da hatte ich es im Kölnischen schwerer, mussten wir Buben doch stets ganz vorne sitzen, wo es sich schlechter schwätzen ließ. Hier wie dort bot aber das Amt des Messdieners die Möglichkeit zur „Flucht nach vorne“; Jakob erzählt, wie er an den Glockenseilen hing, wenn es galt, zur Messe zu läuten. Ein besonderes Prachtstück ist die Orgel. Ich hätte sie gerne spielen gehört. Dann geht es in das Haus des deutschen Vereins, zum Mittagessen. Unsere Gastge-
ber wollen uns ein typisch banatschwabendeutsches Sonntagsessen vorstellen, und so werden wir königlich bewirtet. Dafür sorgten Roswita und Adi Csonti, samt Mutter, Tochter, Schwiegersohn und Küchenhilfen. Zunächst gibt es Rinderbrühe mit feinen Nudeln, alsdann das Rindfleisch mit Kartoffeln und Kren. Dieser Meerrettich ist ein Gedicht: Sämig und doch cremig, pikant und doch nicht zu scharf, und vor allem frisch zubereitet. Eigentlich war das ein stattlicher Hauptgang. Es kommt aber noch ein weiterer, ein fein paniertes Schnitzel, das an das italienische „piccata milanese“ erinnert, begleitet von kleinen Kohlrouladen und Pfirsichstücken. Diese Köstlichkeiten müssen natürlich schwimmen. Als Aperitif gibt es einen vorzüglichen Zwetschgenschnaps, zum Essen dann zwei rumänische Weine, die sich sehen lassen können, einen roten und einen weißen. Vor dem Nachtisch müssen wir gottlob einen kleinen Spaziergang einlegen, der
48 überhaupt erst den nötigen Platz im Magen schafft. Ziel ist das Haus der Tante Buscha. Im dortigen „Gang“, halb im Freien, erwartet uns eine weitere festlich gedeckte lange Tafel mit selbstgebackenem Kuchen, mit Nuss und Mohn, auch Mozartkugeln und andere Leckereien, von Brunhilde Klein zubereitet, dazu Kaffee. Für die Vorbereitungen, Empfang und Bewirtung der Gäste hat die Tante eigens ihre Tochter Angelika mit Schwiegersohn Severian aus Deutschland anreisen lassen. Inzwischen ist der Nachmittag vorgerückt. Hoch über uns am Firmament sammeln sich viele Störche; sie bereiten sich auf ihren großen Zug nach Süden vor, der in wenigen Tagen beginnen wird. Wir wandern noch an Jakobs Elternhaus vorbei ans Ende der Dorfstraße und besuchen den Friedhof. Die Grabstellen machen einen sehr gepflegten Eindruck. Allerdings sind viele mit Stein und Beton abgedeckt, was die weitere Pflege erübrigt; die Hinterbliebenen wohnen nicht mehr hier. Mitunter verzeichnet ein Grabstein auch anderswo Verstorbene, die Billed längst verlassen hatten; der deutsche Verein kümmert sich um alle Billeder, auch die fortgezogenen, und vermerkt ihren Verbleib und ihr Schicksal. An einem hohen Holzgerüst schaukelt das Sterbeglöckchen,
Begegnungen gleich neben der kleinen Einsegnungskapelle. In einem Schuppen steht eine alte schwarze Kutsche mit prächtigen Verzierungen und Messingleuchten. Dieser Bestattungswagen wird noch heute benutzt. So manches Museum würde für dieses Schmuckstück einen hohen Preis bezahlen, auch wenn Diebe die beiden Engelchen, die früher die vorderen Ecken des Daches verzierten, längst gestohlen haben. Der Tag neigt sich. Leider können wir nicht mehr lange bleiben; am nächsten Morgen geht es zum Flughafen, und der Busfahrer muss zuvor zwölf Stunden Ruhe einhalten, da er von dort seine nächste Tagesfahrt antreten muss. So reicht die Zeit nur noch für ein abgekürztes Abendbrot. Wieder übertreffen unsere Gastgeber sich selbst: Speck, Käse und Paprika sind auf jedem Teller kunstvoll arrangiert. Wieder gibt es zuerst einen Schnaps, dann rumänischen Wein. Dankesreden werden gehalten, Geschenke überreicht. Lässt sich damit diese großartige, bewegende Gastfreundschaft aufwiegen? Eigentlich ist das nicht wichtig. Wichtig ist die Geste, das Zeichen der Dankbarkeit und der Verbundenheit. Wichtig ist auch die Erinnerung an einen schönen, einen vollkommenen Tag.
Beim letzten Essen sind Speck, Käse und Paprika auf jedem Teller kunstvoll arrangiert
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Das Fest der Gemeinde am 28. August 2011
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as größte Dorffest war im alten Billed, darüber muss man nicht einmal nachdenken, zweifellos die Kirchweih. Heute gibt es in Anlehnung daran das „Fest der Gemeinde“. Es ist der Dorfgründung vor 246 Jahren gewidmet, wie auch auf dem Banner im Zentrum zu sehen ist. An diesem Tag stehen sich in der Dorfmitte 2 riesige Stroh-
Josef Freer
puppenpaare gegenüber, jeweils in schwäbischer und rumänischer Tracht. Ansonsten sind von der Kirchweih noch die Jahrmarktbuden und das Ringelspiel übriggeblieben. Am Abend gab es auf dem Handballplatz der alten Dorfschule Disco-Musik sowie für diejenigen, denen Schlangestehen immer noch nichts ausmachte, Mititei und Bier.
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68 Banater Schwaben aus Karlsruhe, Frankenthal und Umgebung beteiligten sich an der Busreise, organisiert von Werner und Gerlinde Gilde. Fotos: Cornel Gruber
Karlsruher in Hamburg am „Tor zur Welt“
Irmgard Triess
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tädtereisen liegen im Trend und immer mehr Menschen ziehen einen Kurztrip dem Badeurlaub vor. So auch 68 Banater Schwaben aus Karlsruhe, Frankenthal und Umgebung schlossen sich der Busreise nach Hamburg am 28.09.2011 bis 03.10.2011 an. Werner Gilde und Ehefrau Gerlinde organisierten diesen gelungenen Ausflug, deshalb geht ein herzliches Dankeschön an sie und das Busunternehmen Mayer-Reisen. Der herrliche Sonnenaufgang bei der Abreise versprach einen wolkenlosen Himmel für die nächsten Tage. So traf es auch ein. Das Wetter war sommerlich warm und ungewöhnlich für den Norden Deutschlands. Wir genossen die Fahrt am 2. Tag in die Umgebung von Stade in das „Alte Land“. Und plötzlich war Idylle da; alte prächtige Bauernhäuser mit Prunkpforten und geschnitzten Brauttüren und mittendrin eine Reiseleitung
in Altländer Tracht, die uns die Obstplantagen präsentierte. Wir befanden uns unmittelbar in Nordeuropas größtem zusammenhängenden Obstanbaugebiet, dem Alten Land. Nicht nur die Obstplantagen geben hier den Ton an, sondern auch alte Reet gedeckte und aufwändig restaurierte Fachwerkhäuser, Altländer Obsthöfe laden zu Besichtigung ein. Zusammen mit unserer Reiseleiterin besichtigten wir so einen Betrieb. Knackige, rotbackige Äpfel lachen den Besucher an. Man erfährt vieles über Pflege, Lagerung, Verkauf und ganz besonders einiges über die Vielfalt der Sorten und Phantasie der Bauern. So erfand und erzeugt man seit einigen Jahren den Herzapfel mit verschiedenen Motiven auf der Schale. Die angegliederten Hofläden und Cafés zeigen mit großem Einfallsreichtum, welche mannigfachen Verwendungsmöglichkei ten die hiesige Fruchtausbeute zulässt. Wir
Begegnungen ließen uns mitreißen und erwarben einige interessante Andenken. Anschließend besichtigten wir eine Altländer Kirche „die St. Nikolai-Kirche“ zu Borstel. Uns fiel sofort die kleine Schlagglocke der Turmuhr unter dem für Kirchen im Alten Land typischen Dacherker am Turmhelm auf. Sie entstand um 1200. Sie hat eine steile Zuckerhutform und gehört zu den ältesten Stücken an Kirchenausstattungen im Alten Land. Das Besondere an dieser Kirche ist das hölzerne Tonnengewölbe, das bemalte und geschnitzte Gestühl, als auch der 1771 angefertigte Kanzelaltar. Dafür mauerte man das mittlere Chorfenster zu. Einige Stichworte über die Hansestadt Stade: Der Stader Hansehafen gilt als die älteste erhaltene Hafenanlage, der Fischmarkt wird beherrscht von den alten Hafeneinrichtungen, dem hölzernen Kran und der Stadtwaage, das Bürgermeister-Hintze-Haus ist ein besonders schöner Blickfang, das Rathaus 1279 erbaut, nach Stadtbrand 1667 im Renaissance- und Barockstil wieder aufgebaut. Begeistert von alldem gingen wir zum Elbdeich, der 1962 neu und höher errichtet wurde. Wir warfen einen Blick über die Elbe mit Leuchtturm und ließen uns von dem romantischen Anblick entführen. Die Schafe werden zur Deichpflege eingesetzt. Sie halten das Gras klein und zertrampeln die Maulwurfslöcher. Am 3. Tag war eine Stadtrundfahrt mit Führung durch Hamburg geplant, was uns nähere Einblicke in diese wunderbare Stadt brachte. In Hamburg schmeckt die Luft nach Weltmeer. Containerriesen, Frachtschiffe, Kreuzfahrtschiffe kommen und gehen 24 Stunden am Tag. Schlepper und Lotsenboote tanzen auf der Elbe. Der Hafen Hamburgs liegt nicht am Meer. 104 km muss man überwinden bis zur Elbmündung in die Nordsee. Schaut man vom Elbufer auf den Hafen, dann sind die Ozeanriesen, Docks und Containerbrücken zum Greifen nahe. Die Hafenrundfahrt ließ uns so manchen Einblick
51 in diese einmalige Hafen-City machen. Die reichen Kaufleute haben Hamburg in jeder Beziehung ihren Stempel aufgedrückt. Handelshäuser, Banken, Reedereien und statt liche Kontorhäuser prägen das Straßenbild in der Innenstadt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das moderne Stadtbild von heute neu aufgebaut. Was wir tagsüber nicht zu sehen bekamen, erforschten wir gruppenweise nachts. Das Hamburger Rathaus ist das Symbol von Wohlstand und Macht im Stadtstaat. Es wurde 1897 fertiggestellt. Das imposante Bauwerk- 113m breit, mit einem 112m hohen Turm – musste in der sumpfigen Alsteraue auf 4000 Eichenpfähle gegründet werden. Auf der Alster kann man die berühmten Höckerschwäne beobachten, die der Schwanenvater füttert. Im Herbst fängt er sie ein und bringt sie in den Eppendorfer Mühlenteich. Die St. Michaeliskirche wird von den Hamburgern liebevoll Michel genannt und ist das Wahrzeichen Hamburgs. Als wir das riesige Kirchenschiff betraten, waren wir überrascht von den Stuckornamenten, dem vielen Weiß und Gold, dem riesigen Ausmaße des Innenraumes und der Helligkeit, die diese Kirche durchflutet. Es ist eine prachtvolle protestantische Kirche mit der größten Turmuhr Deutschlands. Nun einige Stichworte, um das Gesehene und Erlebte zu unterstreichen: Das Stadtviertel St. Pauli hat sich in den letzten Jahren sehr verändert. Für Schmuddelbars und Bordelle auf der Reeperbahn bleibt immer weniger Platz. Es entstehen Operettenhäuser, Theater, Hotels, Bühnen, Edelboutiquen und ein wenig abseits moderne Villen. Das Stadtbild ändert sich von Jahr zu Jahr. Östlich der Alster, nicht weit vom Bahnhof befindet sich die Kunstmeile mit den meisten Museen, Galerien und Ausstellungshallen. Hier zu sitzen und das Treiben der vielen Menschen zu beobachten, lässt einem alle Sorgen vergessen. Zu erwähnen wäre noch die Speicherstadt
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mit ihren charakteristischen Zinnen, Rundbögen und Seilwinden. Einige von uns hatten das Glück noch Karten für das Musical „Tarzan“ und „König der Löwen“ zu erhaschen. Sicher genossen sie die Veranstaltungen, da man ihnen die Begeisterung ansehen konnte. Eine andere Gruppe besichtigte das „Panoptikum“, das Wachsfigurenkabinett, das ebenfalls zur Unterhaltung beitrug, wie auch der Fischmarkt nicht zu vergessen. Der 4. Tag war einer der Höhepunkte unserer Reise. Wir fuhren nach Cuxhaven und konnten das faszinierende Wattenmeer mit den kilometerlangen Stränden und die herrliche Luft genießen. Wir saßen an der „Alten Liebe“(ein weißes Holzbauwerk, von dem die Schiffe in See stechen) und ließen es uns gut gehen. Wir erfuhren, dass Koog die niederdeutsche Bezeichnung für eingedeichtes Land ist und so Cuxhaven seinen Namen bekam. Wir sahen die berühmte Kugelbake, das Wahrzeichen Cuxhavens. Den Seeleuten diente dieses Seezeichen früher als wichtige Orientierungshilfe. Die Elbmündung ist eine Trichtermündung und ist bei Cuxhaven ungefähr 17 km breit. Das Wattenmeer wurde von der UNESCO zum Weltnaturerbe ernannt. Der 5. Tag führte uns nach Bremerhaven. Wir sahen die größten Kühlhallen Europas,
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die Windräderherstellung, mit den riesigen Windblättern, den Gondeln, den Autohafen mit den unendlichen Autoparkanlagen, den Containerhafen, die Abfertigungsbrücken und vieles mehr. Die Weser bei Bremerhaven wird mit einem 8 m hohen Deich befestigt, was aber für die große Sturmflut nicht ausreicht. Deshalb wird dieser Deich erhöht. Der Nachmittag reichte kaum aus, um alle Sehenswürdigkeiten zu besichtigen. Eines bewegte uns sehr „Das deutsche Auswandererhaus“. Das Museum steht an einem geschichtsträchtigen Ort: am Historischen Hafen in Bremerhaven. Von hier aus traten mehr als sieben Millionen Auswanderer zwischen 1830 und 1974 die Schiffspassage nach Übersee an. Dort, wo sie Europa verließen, befindet sich mit dem Deutschen Auswanderer Haus das größte Erlebnismuseum des Kontinents zum Thema Migration. Bei der Heimfahrt ins Hotel konnte man noch lange über die gewonnenen Eindrücke nachdenken. Nun wurde munter Koffer gepackt, da die Heimreise bevorstand. Wir erzählten noch lange über die wunderbaren Tage in Hamburg und - nicht zu vergessen - die Spaziergänge um das Hotel jeden Abend und zum herrlichen Dahliengarten. Mit dieser schönen Blume verabschieden wir uns von Hamburg und freuen uns auf den nächsten Ausflug im kommenden Jahr.
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Banater Rückwanderer im Deutschen Auswandererhaus Bremerhaven
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m 5.Tag unserer Städtereise beeindruck te uns - zirka 30 Besucher des Deutschen Auswandererhauses – an helle Räume gewohnt - die ganze Atmosphäre von Düsterheit, Enge, Beklommenheit, Ausgeliefert sein und Zukunftsangst, was gewiss einen Teil der ursprünglich Ausreisewilligen zur Abkehr von ihrem Plan, nach Amerika auszuwandern, bewogen hat. Und doch traten vom historischen Hafen von Bremerhaven – wo auch wir uns aufhielten – mehr als 7 Millionen Auswanderer zwischen 1830 und 1974 die Schiffspassage nach Übersee an, was das größte Erlebnismuseum des Kontinents zum Thema Migration veranschaulicht. Für uns – viele Nachkommen ehemaliger Auswanderer aus dem
Elisabeth Martini (Frick)
Banat – wäre es nur bei etwas mehr Zeit möglich gewesen, unsere Vorfahren ausfindig zu machen anhand von Computerdaten. Bekannterweise verlassen Auswanderer (Emigranten) ihre Heimat freiwillig oder gezwungenermaßen aus wirtschaftlichen, religiösen, politischen oder persönlichen Gründen; meist sind es Einzelpersonen oder einzelne Familien; auch gab es – uns nicht unbekannt - Auswanderungen großer Teile eines Volkes oder einer Region. Heute bevorzugt man die Begriffe Migrant und Migration. Dieses Phänomen hat es immer schon gegeben, bedingt durch Kriege, Naturkatastrophen oder der Hoffnung auf besseres Leben anderswo, demgemäß wirkte entweder der Auswanderungsdruck oder der Einwan-
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Sepp Herbst und andere Banater auf den Spuren ihrer Vorfahren Fotos: Cornel Gruber derungssog oder auch beide. Das ergibt im abgebenden Land Bevölkerungs- und Begabungsverlust, aber auch Entlastung hinsichtlich der Ressourcen; im aufnehmenden Land meist Probleme mit der Spracherlernung und der Integration, aber auch neue Fachkräfte und kulturelle Vielfalt. In der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts emigrierten viele Menschen aus den deutschen Staaten nach Osten: nach Ungarn, Rumänien, Russland, wobei in manchen Ansiedlungsgebieten Sprache und Kultur des Heimatlandes über Jahrhunderte erhalten blieben, da die Siedlungen nach außen weitgehend isoliert und Mischehen lange Zeit ausgeschlossen waren. Missernten in Südwestdeutschland bedingten auch die Auswanderung nach Bessarabien, in die Gegend um Odessa, Tiflis im Kaukasus. Zwischen 1821 und 1912 sollen zirka 5,45 Millionen deutsche Auswanderer in die USA
gegangen sein, bis zu 800.000 nach Australien, wo sie dessen Geschichte nachhaltig mitgeprägt haben. In den folgenden Ausführungen greife ich zum Teil auf die Daten von Peter Krier im Billeder Heimatblatt 1999 „Billeder Auswanderer nach Amerika“ zurück, um sie durch zusätzliche Daten zu ergänzen. In Billed hat trotz verheerender Epidemien mit hunderten Toten im 19. Jahrhundert die Bevölkerung stetig zugenommen, so zwischen 1850 und 1892 um rund 1200 Personen auf 4.993. Bei gleichbleibender Ackerfläche hieß das eine starke Zunahme derer, die kein oder nur wenig Feld besaßen. Sie mussten als Knechte, Mägde und Tagelöhner, bestenfalls als Pächter, Viertel- oder „Halbscheitbauern“ ihr Brot sichern, weshalb es auch viele in das Wunderland Amerika zog, wo es durch die rasante industrielle Entwicklung großen Bedarf an Arbeitskräften gab (Einwanderungssog).
Begegnungen Die Auswanderung aus Billed begann et wa 1890, was am Bevölkerungsrückgang von 4.993 im Jahre 1892 auf 3.548 im Jahre 1900 bei einem Geburtenüberschuss von 331 auf eine Auswanderung von über 1.500 Personen schließen lässt. Den Schiffspassagierlisten nach sind zwischen 1902 und 1913 weitere 421 Personen in die USA ausgewandert. Dabei fuhren sie meist mit der Bahn zu den deutschen Nordseehäfen Bremen/Bremerhaven und Hamburg, über 80% der Billeder über Bremen mit der Norddeutschen Lloyd Europa. Die anderen schifften sich in Hamburg, Antwerpen, Rotterdam ein, ab 1904 auch im ungarischen Hafen Fiume oder im österreichi schen Triest. Die Überfahrt dauerte 3 - 4 Wochen, wobei die Bedingungen anfangs unter aller Kritik waren, was auch das Erlebnismuseum in Bremerhaven veranschaulicht durch Enge und Gedrängtheit der Schlafstätten, die Essund Hygienebedingungen, die zum Glück mit der Zeit besser wurden. Jedoch unsere Vorfahren hatten ihrer Situation gemäß meist nur 3. Klasse-Tickets, mussten wahrscheinlich - wie beim Untergang der Titanic ersichtlich – manche Einschränkung und Zurückstellung hinnehmen, umso schwerer zu ertragen für Seekranke und Kinder. Bevor die Auswanderer in den Häfen Baltimore und New York an Land gehen durften, wurden Papiere und Gesundheit geprüft, was für so manchen dramatisch endete, wenn die Einreise verweigert wurde und kein Geld für die Rückreise mehr da war. Als Museumsbesucher haben einige von uns versucht, im vorgegebenen Tempo die Fragen des Einwanderungsbeamten zu beantworten, was mir persönlich nicht leicht fiel, geschweige den einfachen Dorfbewohnern von damals. Beim kleinsten Fehler konnte so die Einreise verweigert werden, was auch in der Verwandtschaft wirklich passiert ist.
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Maria Fusz zu Besuch bei ihren Eltern in New Brunswick. Eins. Anna Martini
Die Eltern Jakob und Margaretha Fusz, geb. Fischer. Eins. Anna Martini
So sollte die 4-jährige Maria Fusz, deren Eltern schon früher ausgewandert waren und Sehnsucht nach ihrem in der Heimat zurückgelassenen Kind hatten, 1906 von der Großmutter Elisabeth Fischer nach New Brunswick zum Besuch ihrer dort lebenden Eltern gebracht werden. Der Einfachheit wegen versuchte man, die Enkelin als spätgeborene Tochter der E. Fischer auszugeben und bläute ihr ein, dass sie Maria Fischer heiße. Unglaubwürdig jedoch erschien es den Beamten und auf die Frage: „Wie heißt denn du, mein Kind?“, antwortete die ehrliche Seele: „Maria Fusz“. Das führte dazu, dass beide festgehalten wurden, bis der Vater Jakob Fusz von New Brunswick kam, um den Sachverhalt aufzuklären, was natürlich mit erheblichen finanziellen Verlusten verbunden war. Die Cousine von Maria Fusz, verh. Mann, Katharina Fischer, verh. Hehn, meine Mut-
ter, (575) musste schon als 6-Jährige den Weg über den großen Teich ohne elterlichen Schutz, nur in der Obhut von Bekannten, in umgekehrter Richtung machen. In New Brunswick 1906 geboren, sollte sie – weil die Eltern später nachkommen wollten – zur Einschulung rechtzeitig nach Billed gelangen. Auf der 3-wöchigen Reise ist es dem Kind gewiss langweilig geworden, immer nur Wasser und Himmel zu sehen. In Erinnerung war ihr später nur geblieben, dass sie den ballspielenden Jugendlichen auf Deck den Ball in den Ozean geschleudert hat und dafür nicht gerade gelobt wurde. Sprachlich hat sie eigentlich nichts behalten und verstarb 1980, ohne dessen bewusst zu sein, dass sie durch Geburt bis an ihr Lebensende amerikanische Staatsbürgerin war. Nur wir Nachkommen bekamen das zu spüren, zumal das Ausgleichsamt ihr neben der amerikanischen und rumänischen Staatsbürger-
Begegnungen schaft nicht auch die deutsche gewährte, was Ausgleichszahlung ausschloss. Zu erwähnen wäre noch, dass von den Billeder USA-Auswanderern der Jahre 19021913 die meisten zu ihren schon früher ausgewanderten Verwandten zogen: Von den 421 Aufgelisteten zogen 154 Personen nach Cincinnati, 84 nach New Brunswick, 55 nach St. Louis, der Rest verteilte sich auf 17 weitere Städte. Laut „Deutsch-Ungarischem-Kalender“ der Jahre 1939, 1942, 1952 lebten damals Billeder in 42 Städten der USA. Ursprünglich wollten die wenigsten für immer in der Fremde bleiben und hofften, nach einigen Jahren so viel verdient und gespart zu haben, um sich zu Hause eine eigene Existenz aufbauen zu können: Feld zu kaufen, eine Werkstatt, ein Lokal.. Vielen ist es auch tatsächlich gelungen, manche verloren ihr hart erarbeitetes Geld durch Wirtschafts- und Finanzkrisen, durch Naivität und Leichtgläubigkeit Betrügern gegenüber. In seinem Artikel vermutet Peter Krier, dass etwa 25-30% der aus Billed Ausgewanderten dorthin zurückgekehrt sind, bis die allgemeine Welle fast alle gegen Westen trieb. Doch auch kurz nach dem 1. Weltkrieg sind noch etwa 40 Familien in die USA ausgewandert, nach dem 2. Weltkrieg weitere 42 Familien. Beim Verlassen des Deutschen Auswandererhauses in Bremerhaven waren viele von uns tief beeindruckt, nachdenklich, uns dessen bewusst, welch großes Opfer unsere Vorfahren gebracht haben, um sich und ihren Nachkommen ein besseres Leben zu ermöglichen, ohne Armut und Demütigung. Sie haben entweder selbst mit dem Erarbeiteten weitergewirkt oder dasselbe gleich an die Kinder weitergegeben, bis durch den Krieg und dessen Folgeerscheinungen alles verlorenging, was so hart erkämpft worden war durch Schwerstarbeit (in Fabriken mit Dop-
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Katharina Fischer, verh. Hehn, 575, letztes Foto vor ihrer Abreise von New Brunswick ins Banat. Eins. Elisabeth Martini pelschichten oder zusätzlicher Haushaltshil fe nach Dienstschluss etc.) Mitgebracht hatten die Rückwanderer aus Amerika außer Sprache, Gewohnheiten sowie Ansichten auch Gebrauchsgegenstände, von denen immer mehr verloren gingen und nur wenige bis heute erhalten blieben. Wir haben mit nach Deutschland genommen: einen Trinkkelch, eine Obstschale und die Schere meines Großvaters, Hans Fischer, mit der er Gummi für Galoschen schnitt, die Schere, die jetzt über 100 Jahre alt ist und immer noch gute Dienste leistet, unverwüstlich ist, während meinen Großvater schon 61 Jahre die Billeder Erde deckt, jetzt eigentlich die Betonplatte, wie viele andere auch... Nur zu Allerheiligen liegt ein Kränzchen da und brennen Kerzen als Zeichen dafür, dass er nicht ganz vergessen ist, wie auch die überaus fleißige Großmutter nicht.
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Billeder Seniorentreffen 2011
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ie schon seit 22 Jahren trafen sich die Billeder Senioren an einem Mittwoch jeweils im April und im September zu einem gemütlichen Nachmittag in Karlsruhe. Auch aus Frankenthal waren einige Senioren angereist. Im April waren es 22 Frauen und 18 Männer, im September 28 Frauen und 18 Männer. Somit waren im April 40 und im September 46 Personen, wie immer die Frauen in der Mehrzahl. Jakob Muttar begrüßte die Anwesenden zu den Treffen, danach wurden die Termine für 2012 vereinbart. Sepp Herbst trug an beiden Nachmittagen Gedichte vor, auch in schwäbischer Mundart. Er reichte auch eine Liste mit den Geburten und Sterbefällen herum, sodass man sich an so manchen wieder erinnerte. Bei den Geburten liest man jedoch Namen, welche es in Billed nicht gab, aber durch Heirat sind sie Billeder geworden.
Jakob Muttar
Wie schon erwähnt, sind die Frauen in der Mehrzahl, was auch gut ist, denn sie backen allerlei Kuchen und Bäckkipfel, sodass immer von allem genug da ist. Kaffee und Getränke werden nach Wunsch serviert. Und jeder hatte etwas zu erzählen, die „Gärtner“ vom Garten, die anderen tauschten Neuigkeiten aus. Die 4 Stunden gingen viel zu schnell vorbei und man ging gut gelaunt und mit Neuigkeiten nach Hause, in der Hoffnung, sich im Frühjahr 2012 wieder wohlauf zu treffen. Man weiß ja nie! Ich jedenfalls lade jeden Rentner herzlich ein zu kommen, damit wir noch lange unser Treffen erhalten können. Durch Krankheit, Behinderung oder Sterbefälle bedingt gibt es immer wieder Ausfälle. Die Termine für 2012: - Mittwoch, 25. April - Mittwoch, 19. September jeweils um 14.00 Uhr im Haus der Heimat Karlsruhe, Moltkestr. 29.
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Rückblick
Gebäude der Volksschule, des Lyzeums und der Klosterkirche des Notre Dame Ordens in der Temeswarer Josefstadt
Die von Billeder Mädchen besuchten Klosterschulen der Armen Schulschwestern Von Unserer Lieben Frau (Notre-Dame-Orden)
Margarethe Weber (Divo)
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chon 1794 erließ die Temescher Komitatsbehörde die Anordnung, eine gesonderte Bildungs- und Erziehungsanstalt für Mädchen zu schaffen, doch erst 1800 wurde dies durch die Errichtung einer Mädchen-Volksschule verwirklicht, die in einem Raum im Hause des Temeswarer Stadtrichters Koppauer untergebracht war. Weil im neu besiedelten Banat die allgemeine Schulpflicht durch Kaiserin Maria Theresia angeordnet wurde, waren in den Schulen Mädchen und Jungen zusammen in der Klasse. Nur bedingt durch zu große Schülerzahl erfolgte in manchen Schuljahren der Unterricht nach Geschlechtern getrennt, wie es manchmal auch an der Volksschule in Billed der Fall war. Doch von einer regelmäßigen Mädchenausbildung und
separaten Schulen nur für Mädchen kann im Banat erst ab der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts durch die nach Temeswar gerufenen „Armen Schwestern Von Unserer Lieben Frau“, die Notre-Dame-Schwestern, gesprochen werden. Da Bischof Alexander Csajaghy mit dem Bistumssitz in Temeswar in seinem Tschanader Bistum kein Frauenkloster zur Erziehung von Mädchen hatte, fuhr er 1856 zum Mutterhaus des Ordens nach München und warb um Schulschwestern. 6 erklärten sich bereit und kamen 1858 nach Temeswar. Dem Hunyaden-Kastell gegenüber kaufte der Bischof ein kleines Haus, worin diese Schwestern wohnen konnten, denn erst ein Jahr später begann der Bau des einstöckigen Innenstädter Klosters das bis 1881 auch Mutter-
Rückblick haus der hiesigen Ordensgemeinschaft war. In dieser Klosterlehranstalt für Mädchen funktionierten ein Kindergarten, eine Mädchen-Volksschule und ein 8-klassiges Mädchengymnasium, alle mit deutscher Unterrichtssprache. 1860 wurde den Schulschwestern auch die Mädchenschule mit ungarischer Unterrichtssprache in der Fabrikstadt anvertraut. Dem Bischof Alexander Bonnaz, Nachfolger von Bischof Csajaghy, ist es zu verdanken, dass in der Temeswarer Josefstadt, gegenüber dem Waisenhaus und der Pfarrkirche, einer der größten Schulkomplexe für Mädchenerziehung und Bildung mit einer Klosterkirche erbaut wurde. Auch das Mutterhaus des Ordens wurde 1881 hierher verlegt. Durch neue Gebäude wurde das Kloster so vergrößert, dass es zuletzt ein ganzes Wohnviertel einnahm.Der modernste Zubau entstand 1936-37 entlang des heutigen Tineretii-Boulevards. Nach 1948 und der Auflösung aller katholischer Orden und Schulen wurde darin das „Gemischte Klassische Lyzeum“ untergebracht, weshalb auch die oberhalb der Pforte stehende Marienstatue mit dem Kind verschwinden musste. Dem Schulleiter Emil Mester ist es zu verdanken, dass diese nicht zerschlagen wurde: Er ließ sie in Sackleinwand, dann in Teerpappe einhüllen und einmauern. Erst nach der Revolution 1989 wurde sie freigelegt, restauriert und schmückt jetzt wieder den Eingang dieses schönen Bauwerks, zurzeit Studenten-Kulturhaus. Seit 1910 gehörte dem Kloster auch ein 40 Joch großes Grundstück in den Weingärten der Fabrikstadt mit einer Villa, Wirtschaftsgebäuden und Viehställen, das sogenannte Marienheim, wo 1929 eine Hauswirtschaftsschule mit deutscher Unterrichtssprache gegründet wurde. Die hier betriebene Landwirtschaft mit dem Viehbestand versorgte die Internatsschülerinnen und die Nonnen mit Gemüse und tierischen Produkten.
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Der Schulneubau aus den Jahren 1936/37 mit der steinernen Madonna mit Kind über dem Eingangsportal
Am monatlich einmaligen Ausgangssonntag spazierten wir beide Schwestern mit unserer Mutter Katharina Divo über den Temeswarer Freiheitsplatz. Hinter uns gingen Gertrude Gehl mit Tochter Kathi und Sohn Jani. Unsere 1. Lehrerinnenpräparandie-Klasse 1938 anlässlich eines Kinobesuches vor dem KapitolKino mit der Klassenlehrerin Schwester Maria Albertine. Auf meiner Uniformmütze ist das NDAbzeichen (Notre Dame) gut zu sehen. Mein Gesicht ist nur zur Hälfte auf dem Foto.
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Rückblick
Gruppenbild einiger Zöglinge aus dem Klosterinternat mit den Billederinnen Gabi Feiler, Grete Divo und Anna Divo In den Gebäuden des Josefstädter Klosters waren untergebracht: ein vierklassiges Mädchengymnasium, eine Lehrerinnenbildungsanstalt mit einer Abteilung für Kindergärtnerinnenbildung, eine Übungsschule für werdende Lehrerinnen – alle mit deutscher Unterrichtssprache. Es gab noch eine Mädchen-Volksschule mit deutscher und ungarischer Abteilung, eine Mädchen- Fortbildungsschule mit deutscher und rumänischer Abteilung mit je 3 Gruppen und ein 8-klassiges Lyzeum mit rumänischer Unterrichtssprache. Für Vorschulkinder gab es einen Kindergarten mit deutscher und ungarischer Sektion. Im Internat waren im Schuljahr 1939/1940 insgesamt 200 Schülerinnen untergebracht. Im Josefstädter Kloster unterrichteten die 1.500 Schülerinnen 63 Lehrkräfte, überwiegend Nonnen neben weltlichen Lehrkräften. Das Kloster hatte auch in mehreren größeren Ortschaften des Banats Filialen mit Mädchen-
schulen, auch unterrichteten die Schulschwestern in manchen Banater Kindergärten. Mit großen Schwierigkeiten hatten die Klosterschulen mit deutscher Unterrichtssprache zu kämpfen, als die Deutsche Volksgruppe in Rumänien 1940 als juristische Person des öffentlichen Rechts vom rumänischen Staat anerkannt und der Volksgruppenführung auch das Recht auf eigene, sogenannte „Völkische Schulen“ eingeräumt wurde, die dem volksgruppeneigenen Schulamt unterstellt waren. 1942 gab Bischof Dr. Augustin Pacha dem Drängen nach und überließ alle ihm unterstellten Schulen dem Schulamt der Volksgruppe. Nur die Oberin Maria Alexandra Rabong widersetzte sich und stimmte in der Sitzung der Schuldirektoren dagegen, sodass die Klosterschulen nicht in den Besitz der Volksgruppe übergingen. Doch der weitaus größte Teil der deutschen Schülerinnen verließ die Klosterschule und begann das neue Schuljahr im Sept. 1942 in der neu
Rückblick
An einem Ruhetag während der Befähigungsprüfung 1941 ließen wir uns von der Sonne bestrahlen.
Auf der modernen Terrasse des Kloster-Neubaus in unserer Schüleruniform, und ab 1940 erlaubten uns die Schwestern anstatt der Baskenmützen rote Kappen zu tragen. In unserem letzten Schuljahr 1940/41 mit Tolerierung der Schuldirektion wurden wir Klos terschülerinnen Mitglieder der DJ (Deutsche Jugend). Auf dem Foto sieht man uns Internatszöglinge in der Uniform der DJ-Organisation.
63 gegründeten Völkischen Mädchenschule, die im Gebäude der Lenau-Schule untergebracht war, deren Schüler in das Gebäude der Banatia verlegt wurden. Durch diese Neuregelung im deutschen Schulwesen Rumäniens war der Absolventenjahrgang 1942/1943 der Lehrerinnenbildungsanstalt sehr benachteiligt, weil das Volksgruppen-Schulamt drohte, sie nur dann an deutschen Schulen einzustellen, wenn sie die Klosterschule verlassen. Da jedoch in der Völkischen noch kein letzter Jahrgang existierte, mussten sie die letzte Klasse in Schäßburg (Siebenbürgen) besuchen. Betroffen davon waren auch die Billeder Schülerinnen Helene Feiler und Anna Divo. Durch die Bombenangriffe der Alliierten wurden in Temeswar viele Gebäude getroffen, so am 3. Juli 1944 auch die Klosterkirche, das Lyzeumsgebäude daneben brannte fast völlig aus. Nachdem Rumänien am 23. August 1944 kapituliert hatte und russische Truppen Te meswar besetzten, wurden das Kloster und das Marienheim ausgeraubt und zu LazarettZwecken requiriert. Teilweise konnte der Schulbetrieb wieder aufgenommen werden, aber schon 1948 kam das Ende durch die vom kommunistischen Regime beschlossene Auflösung sämtlicher röm.-kath. Orden und Klöster. Die Schwestern des Notre-Dame-Ordens mussten ihre Ordenskleidung ablegen und das Kloster verlassen. Für sie begann die schwerste Zeit ihres Lebens. 1879 waren in Europa 1.784 Schulschwestern tätig, die 62.485 Schülerinnen unterrichteten. Dass die Zahlen stetig wuchsen, war ein Beweis der Anerkennung der hervorragenden Bildungs- und Erziehungsarbeit der Armen Schulschwestern Unserer Lieben Frau. Viele Eltern – auch Billeder – waren von ihren Erziehungs- und Unterrichtsmethoden überzeugt und strebten danach, ihre Töchter dieser Erziehung und Bildung teilhaftig werden zu lassen. Gewöhnlich wech-
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Anlässlich eines Ausflugs in Dirndelkleidern rasteten wir an einem Schwengelbrunnen.
Es war schön, wenn ich von der Terrasse des Neubaus auf das Leben der Strasse schauen konnte. Elf Internatlerinnen haben es sich auf dem Wägelchen gemütlich gemacht.
Rückblick selten die Mädchen - auch die Billeder - nach der 4. Volksschulklasse ins Gymnasium dieser Anstalt. Um im Internat der Klosterschule aufgenommen zu werden, mussten sich die Eltern mit den Aufnahmebedingungen vertraut machen. Ein Prospekt führte an, wie viel Mehl, Zucker, Fett, Schinken, Speck, Nüsse, Mohn... sowie 500 Eier pro Schuljahr ans Kloster abzuliefern war und wie viel Schulgeld. Aufgelistet war auch, was an Wäsche, Kleidung, Bettwäsche der Zögling ins Internat mitzubringen hatte: neue Matratze, Steppdecke, Wolldecke, Kissen, Leintücher, Hemden, Unterwäsche, Servietten, Besteck, Geschirrtücher, Toilettenartikel, Nähzeug, Schuhputzzeug, Winter- und Frühjahrsmantel, 2 dunkelblaue Baskenmützen mit aufgenähtem ND (Notre Dame)-Abzeichen, Turnkleidung, Turnschuhe, 2 dunkelblaue Uniformen für wochentags und für Feiertage, 2 graue Schürzen usw. 1933 kam ich ins Gymnasium, meine Schwester Anna und Helene Feiler (Neumayer) 1935, auch in das Josefstädter Internat. Die Einrichtung der Klassenräume, der Lernsäle im Internat, der Schlafräume, des Speiseraumes, der große Hof vor den Lernsälen mit viel, viel Grün waren in jeder Hinsicht eine Augenweide. Doch das Heimweh brauchte seine Zeit, bis es überwunden war und wir uns an das neue, geregelte und selbständige Leben gewöhnt hatten. Nach dem Unterricht tröstete man sich mit den Billeder Mädchen, z.B. Maria (Mitzi) Pierre (Roman), die mich anfangs sehr lieb unter ihre Fittiche nahm, da sie 3 Jahre vor mir war, mich sehr gut einführen konnte. Wohl tat es auch, meinen gewesenen Klassenkolleginnen aus der Volksschule Gabi Linzer und Gabi Feiler im Pausenhof zu begegnen und ein paar Worte auszutauschen. Damals fiel uns die ganze Umstellung sehr schwer, doch heute stimme ich Gabi Linzer zu: „Es ist schade, dass wir uns nicht mehr
R체ckblick
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Meine Mitsch체lerinnen der 4. Gymnasialklasse. Untere Reihe rechts am Rande Grete Divo Absolventenbild aus dem Jahre 1941 der Lehrerinnenbildungsanstalt der Josefst채dter Notre Dame Klosterschule
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Rückblick
Gruppenbild von Internatszöglingen. In der ersten Reihe Elisabeth Buding und in der dritten Reihe Helene Feiler und Anna Divo. bei unseren Eltern bedanken können, weil sie das große Opfer gebracht haben, dass wir eine so gute Schule besuchen konnten, wo wir so viel Wissen und Bildung erfahren durften.“ Im Allgemeinen fühlten wir uns bald heimisch, weil die Schwestern es verstanden, dass uns der Anfang schwer fällt. Durch die Güte und Konsequenz ihrer Erziehung und Kenntnisvermittlung erzielten sie bald die erhofften Erfolge. Ich hatte besonderes Glück, dass ich Schulschwester Maria Hadwigis (Haberl) als Klassenlehrerin hatte, eine herausragende Persönlichkeit, meine liebste Lehrerin. Sie kam 1929 aus Deutschland und verstand es, unsere Deutschstunden so pädagogisch, so herzlich, doch mit dem nötigen Ernst zu gestalten, dass unsere Begeisterung stetig wuchs, ob es nun Literatur, Grammatik oder Aufsatz war. Wenn sie uns Balladen oder sonst etwas einleitend erklärte, riet sie uns, die Augen zu schließen und uns zu sammeln. Ihr folgender Vortrag wurde uns so zum Erlebnis. Durch ihr Wesen und ihr Beispiel hat sie uns die deutsche Sprache richtig sprechen und lieben gelehrt.
Ebenso war‘s in der Turnstunde: Ihr Rosenkranz am Gürtel raschelte, wenn sie die Übungen zeigte oder sich an den Ringen schwang, dass wir ihre temperamentvolle, disziplinierte Art bewunderten. Als wir in die Lehrerinnen-Bildungsanstalt wechselten, wollte sie uns mit „Sie“ ansprechen, was wir jedoch nicht zuließen. Im Internat gab‘s samstags Nähstunde, Briefeschreiben, Vorbereitung für Sonntag und die kommende Schulwoche. Wir lernten auch Strümpfe stopfen und mussten anschließend das Gestopfte zeigen. Wenn die Arbeit schlampig war, wurde sie von der Schwester mit der Schere aufgeschnitten und man musste das so entstandene Loch wieder verschließen. Folgendes Erziehungsbeispiel ist heute unverständlich, sogar lächerlich, für uns war es ernst: Beim Stadt-Spaziergang gingen wir paarweise hintereinander, wobei die Kolonne von 2 Schülerinnen des 4. Jahrgangs angeführt wurde. Gleich dahinter ging ich mit meiner Freundin Lenschi Schmadl, weil wir die Kleinsten waren. Als Letzte der Kolonne ging Schwester Crysosta. Bevor wir uns zum Spaziergang aufgestellt hatten, holte Lenschi noch für jede von
Rückblick
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Gruppenbild von Zöglingen des Josefstädter Klosterinternats. In der ersten Reihe Grete Divo, in der vierten Reihe Helene Schneider und Maria Pierre. uns beiden einen Apfel. Und während wir beim Gehen so mit Appetit den Apfel verzehrten, kam Schwester Crysosta nach vorne und fragte ganz leise, aber entsetzt, warum wir uns erlauben, auf der Straße zu essen. Sogleich mussten wir den Apfelrest in einer Toreinfahrt ablegen und hörten noch die Worte: „Nach dem Spaziergang kommt ihr beide zu mir!“ Das taten wir dann auch und mussten zur Strafe für 3 Tage die metallenen ND-Abzeichen von unserer Baskenmütze abtrennen, weil wir nicht wert wären, diese zu tragen. Lenschi und ich beteten, dass die nächsten Spaziergänge ausfallen, damit die Leute nicht bemerken, dass wir keine Abzeichen tragen. Wir haben uns sehr geschämt. Am 3. Tag baten wir um Verzeihung, da meinte Schwester Crysosta: „Ihr seid mir jetzt genau so lieb wie vorher“, und alles war wieder gut. So etwas merkt man sich bis ans Lebensende. Als Internatsleiterin der Gymnasialschülerinnen hatte Schwester Crysosta ein gutes Auge, sah alles: Ob eine der anderen geholfen, bei schweren Hausaufgaben beigestanden hat. Da fand sie Worte des Lobes und stellte diejenige als gutes Beispiel dar. Wenn
wir jedoch Fehler machten, ermahnte sie, ohne zu rügen. Kam der Nikolaus oder wurde Fasching gefeiert, war sie auch mit Begeisterung beim Organisieren, beim Schmücken, bei Überraschungen. Im 1. Jahr in der Lehrerinnen-Bildungsanstalt wurde Schwester Albertine, die frisch von der Universität kam, unsere Klassen-, Deutsch- und Rumänischlehrerin. In ihrem Unterricht war sie sehr gewissenhaft, gab uns viele Hausaufgaben und Privatlektüre, was oft unsere Freizeit raubte. Später jedoch sahen wir ein, dass alles zu unserer Allgemeinbildung beitrug. Schwester Xaveria, eine überaus intelligente Frau, unterrichtete Mathematik und Astronomie und erklärte alles sehr ausführlich und gewissenhaft. Waren wir aber zum Zuhören schon zu müde, gaben wir an, die Aufgabe bei Astronomie nicht zu verstehen. Dann erzählte sie ohne Ende von der Stellung der Sonne, des Mondes und der Sterne, und wir hatten eine gemütliche Stunde. Eine Schulschwester, mit viel Wissen und wunderbarem Talent, anhand von Versuchen auf einfachste Art Physik und Chemie zu erklären, war Schwester Herta. Im Internat der
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Rückblick
Gruppenbild aller Internatszöglinge im Schulhof vor den Lernsälen. In der untersten Reihe Grete Divo, in der obersten Reihe sechste von links nach rechts Maria Pierre. Lehrerpräparandie war sie unsere Internatsleiterin, eine fürsorgliche, selbstlose Person. In der 2. Präparandie-Klasse hatte ich eine Stirnhöhlenentzündung, da strickte sie mir ein Stirnband und kontrollierte täglich, damit ich nicht vergesse, es zu tragen. Frau Dr. Radu, eine weltliche Lehrerin und Ärztin, unterrichtete Gesundheitslehre. Ihre Erklärungen zum Blutkreislauf erfolgten anhand einer Tafelzeichnung, einem Durcheinander von Linien, die keine von uns sich vorstellen konnte. Zum Schluss sagte sie: „Kinder, wenn ihr den Blutkreislauf auch so wie ich in euer Heft zeichnet, dann ermorde ich euch.“ Sie erklärte ihn gut und verständlich, doch zeichnete sie ihn, wie es Ärzte auch beim Schreiben tun. Außer den bisher schon erwähnten Billederinnen besuchten noch folgende die NotreDame-Schulen in der Josefstadt: Das Lyzeum absolvierte Helene Schneider (Hrivnyak); Elvira Slavik war Schülerin des Gymnasiums und der Lehrerinnen-Bildungsanstalt, wurde Lehrerin und Direktorin an der Bille-
der Schule. Katharina Gehl (Ballmann) ist auch heute noch ihren Eltern dankbar, dass sie schwer arbeiteten, um die Mittel für Schulgeld und Internat aufzubringen. Zu nennen sind auch: Elisabeth Schmidt (Frank), Elisabeth Steiner (Haupt), die nach dem Gymnasium die Fortbildungsschule besuchte. Elisabeth Mann (Hehn), Margarethe Seibert (Schmidt), Magdalena Seibert (Gilde), Barbara Hehn (Jost), Magdalena Billinger (Welter), Anni Roos (Zamosteanu), Katharina Zimmer (Rieder), Katharina Bier (Mellinger), Elisabeth Schwarz (Mann) – sie alle besuchten die Klosterschule in der Josefstadt und waren teilweise auch im Klosterinternat untergebracht. Elisabeth Buding (Draskovits) war 2 Jahre in der Josefstädter und danach in der Fabrikstädter Klosterschule; Maria Backhaus (Linzer) besuchte 4 Gymnasialklassen am Perjamoscher Notre-Dame-Kloster und dann 2 Klassen an der Völkischen. 1945 wurde sie – wie viele andere auch –
Rückblick
69 Elisabeth Schmidt (Frank), Absolventin der 4. Klasse des Gymnasiums im Josefstädter Kloster
Eine der bedeutendsten Provinzialoberinnen des Notre Dame Ordens und Schuldirektorin Maria Alexandra (Rabong)
Die Madonna mit dem Kind über dem Eingangsportal des neuen Klostergebäudes
Die Medaille „Zur Belohnung der Arbeit im Unterricht“ wurde Provinzialoberin von König Karl II. verliehen.
Schülerinnen der 4. Gymnasialklasse der Josefstädter Klosterschule im Jahre 1941. Sitzend links am Rande Anna Roos (Zamosteanu), daneben stehend Elisabeth Steiner (Haupt), letzte Reihe Mitte Elisabeth Schmidt (Frank).
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Rückblick
Klassenbild der 4. Klasse der Perjamoscher Klosterschule. Sitzend von links die Zweite: Maria Backhaus (Linzer). zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert. Ähnlich erging es auch Susanne Weber (Neuwirth), die sowohl das Lippaer wie auch das Gymnasium in der Temeswarer Innenstadt besuchte und ebenfalls nach Russland deportiert wurde. Außer Maria Backhaus besuchten die Perjamoscher Klosterschule noch: Elisabeth Muttar (Röhrich) und Maria Slavik. Nach einem Raubüberfall konnten die Schwes tern Maria Albertine und Maria Heriberta in die BRD aussiedeln und lebten in München bis zu ihrem Tode im Mutterhaus des Notre Dame Ordens. Foto: M. Weber beim Besuch 1994
Das Kloster-Gymnasium in Lippa besuch ten: Barbara Lauth (Bieber), Barbara Slavik (Wilhelm), Barbara Krier (Billinger), Elisabeth Michels (Thöreß), Elisabeth Welter (Rademacher), Maria Gilde (Punek), Katharina Gilde (Steiner), Barbara Welter (Haberehren), Katharina Eichert (Steiner); Barbara Bauer (Schäfer) und Mathilde Dilk waren in der Lippaer und Hatzfelder Klosterschule. Magdalena Gilde (Sehi) besuchte die Klosterschule in Hatzfeld und das Marienheim in Temeswar. Elisabeth Eichert (Braun) wie auch die Schwestern Margarethe Bier (Steiner) und Maria Bier besuchten das Gymnasium der Klosterschule in der Temeswarer Innenstadt. Sollte ich nicht alle Klosterschülerinnen aufgelistet haben – eventuell aus der Generation unserer Eltern und Großeltern – so bitte ich um Nachsicht, weil nach so vielen Jahren mehr nicht zu erfahren war. Mit diesem Beitrag will ich allen – oder wenigstens dem Großteil der hier genannten ehemaligen Billeder Klosterschülerinnen – schö ne Erinnerungen wachrufen und unseren Lehrerinnen und Erzieherinnen symbolisch ein herzliches Danke sagen.
Rückblick
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Beim Ackern
nde April 1946, in die guten Stuben sind die Kolonisten eingezogen, mit ihnen teilen wir unsere Häuser. Feld, Vieh, Arbeitsgeräte, Handwerksbetriebe sind enteignet, wir sind der Zivilrechte beraubt; die Arbeitsfähigen sind nach Russland verschleppt, ehemalige Soldaten in Kriegsgefangenschaft. Wer von ihnen und von den nach Russland Deportierten noch lebt, ist ungewiss. Wir sind am Tiefpunkt unserer Geschichte. Zigeuner Matzi ist auf dem Heimweg nach Knees. Der groß gewachsene Mann geht zügigen Schrittes, seine Frau, die ein kleines Kind auf dem Arm trägt, hastet ihm hinterher. Matzi steuert auf den Durchgang zwischen dem Sauerländerfriedhof und der letzten Häuserreihe auf die „Kleine Flur“ zu, als ihm beim Vorbeigehen am Haus unseres Nachbarn, Vetter Sepp, der Geruch von frischgebackenem Brot in die Nase schlug. Zwei schöne Laib Brot, unten weiß, die Mitte braun und die Oberhälfte schwarz glänzend, lagen auf der Brustmauer im Hof. Matzi blieb stehen, Appetit kam auf, Hunger haben Zigeuner immer. Er rief nach Vetter Sepp und bat um ein Stückchen Brot für sein Kind. Vetter Sepp meinte, nun sei doch Matzi selbst Bauer und bettle dennoch Brot von einem Besitzlosen. Ein Wort ergab das andere, Matzi war als ehemaliger Kämpfer in der rumänischen Armee tatsächlich beeignet worden und bot Vetter Sepp ein Stück Feld zur Pacht an. Das Feld befand sich laut Matzis Beschreibung in den „Kneeser Wissen“, gleich hinter der Brücke rechts. Vetter Sepp kannte das Flurstück. Man einigte sich darauf, dass die Pacht nach der Ernte „in natura“ bezahlt wird, allerdings musste Vetter Sepp einen Vorschuss in Geld leisten, dazu einen Laib Brot, ein gutes Stück Speck und eine halbe Flasche Schnaps. Ein weiteres Stück Speck und eine Flasche Schnaps sollte
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Matzi bei der Übergabe des Flurstücks erhalten. Es wurde ausgemacht, dass man sich am übernächsten Morgen an der „Kneeser-Wissen-Brück“ trifft und Matzi das ihm als Besitz zugeeignete Flurstück Vetter Sepp übergibt. Handelseinig trennte man sich. Doch bevor Matzi weiterzog, machte er sich über Speck, Brot und Schnaps her, alles wurde aufgezehrt, denn eines wissen Zigeuner: Der nächste Hunger kommt bestimmt. Vetter Sepp hatte nominell den Postmeister als Kolonist einquartiert. Dieser hatte die ihm von der Requirierungskommission zugeeigneten Pferde, zwei „Füchse“, und sein sonstiges Agrarinventar bei Vetter Sepp untergestellt, wohnte aber weiter im Postmeisterhaus. Bauer wollte der Postmeister nicht werden, er wusste, dass man als Feldbesitzer noch lange kein Bauer ist. Das eine Pferd hat er bald verkauft. Der zweite „Fuchs“ hatte einen Klumpfuß, er blieb bei Vetter Sepp. Wir hatten ein kleines emsiges Pferd gekauft, das ebenfalls nominell einem Rumänen gehörte. Angesprochen, beteiligten wir uns gerne an der Pacht und Bearbeitung des Flurstücks. Zusammen mit Vetter Sepp trugen Jakob, Vetter Sepps Enkel, und ich alles zusammen, was zum Ackern benötigt wurde, auch eine geschärfte Pflugschar hatten wir bei Nachbarn gefunden. Versuchsweise wurden Pflugkarren und Pflug zusammengebaut und - soweit möglich - die Einstellungen vorgenommen. Auch Mitzi, unsere kleine Stute, und Nelu, den Klumpfuß, haben wir probeweise zusammengespannt. Die Probe klappte. Am festgesetzten Tag fuhren wir schon früh los und waren lange vor der ausgemachten Zeit am Treffpunkt. Zigeuner Matzi war, wie befürchtet, nicht da. Nun begann ein banges Warten. Gegen halb acht kam Hans Müller vorbei, der unterwegs war nach Knees.
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Josef Hubert (445) 1924 mit seinem Ackerpflug Hannomag, mit dem man die Erde tiefgepflügt hat, um Weingärten anzulegen oder um bessere Ernten zu erzielen. Im Hintergrund der Anhänger, in dem der Treibstoff mitgeführt und übernachtet wurde, um Leerfahrten zu vermeiden, weil der Treibstoffverbrauch hoch war. Deshalb verkaufte Josef Huber 1926, anlässlich der landwirtschaftlichen Ausstellung auf dem Billeder Sportplatz, diesen Pflug an einen von der Leistung des Pfluges begeisterten Großgrundbesitzer. Müller hatte dort Bekannte in der Gemeindeund Bezirksführung, er wollte Neuigkeiten über die politische Entwicklung erfahren. Zu Vetter Sepp meinte er, der Zigeuner würde wahrscheinlich nicht kommen und außerdem sei die Agrarreform und Feldaufteilung noch nicht abgeschlossen, da würde sich noch einiges ändern. Müller zog weiter Richtung Knees und wir warteten weiter auf Matzi. Nach etwa einer halben Stunde erschien dieser tatsächlich. Er zeigte uns die eingeschlagenen Pflöcke, die das ihm zugeteilte Feldstück auf einer Seite begrenzten, die anderen drei Seiten mündeten in Uferwiesen des Jerbaches, der hier in einem Bogen vorbeifloss. Vetter Sepp stellte noch fest, dass es sich bei der nutzbaren Fläche höchstens um ein dreiviertel Joch handelte, die Vermesser hatten Matzi reingelegt. Wegen den Kriegsereignissen und der A
grarreform waren die Felder im Herbst 1944 und während des Jahres 1945 nicht bestellt werden. Auf dem brachen Acker standen verdorrte Maisstängel und meterho hes verdorrtes Unkraut, dies mussten wir zunächst mit der Kettenschleife umbrechen und mehrmals drüberfahren, um es zu verkleinern. Als Vetter Sepp dann den Pflug ansetzte, klappte es noch nicht. Mehrmals musste er nachstellen, die Ketten zum Pflugkarren umhängen und die Auflage des Pflugbaumes verstellen, bis Zug und Sohle den Pflug in gleichmäßiger Tiefe bei gleicher Furchenbreite führten. Wir mussten dabei unter Anleitung von Vetter Sepp mithelfen. Vetter Sepp war klein von Wuchs, hatte aber, wie alle Bauern, kräftige Arme und große Hände, mit denen er die Pflughörner fest führte. Wir Buben durften uns beim Führen der Pferde abwechseln.
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Winterlehrgang 1961-1962 in der LPG „8 März“ Billed. 1. R.v. l.: Peter Neumann, Ioan Butaru, Johann Lauth, Sabin Bec (Vorsitzender), Ing Dumitru Geambazu, Ing. Gheorghe Grecu, Michael Mutter, Ioan Paut. Eins. Peter Hubert, Wolfsburg, 3. Reihe, 2. v. r.
Mittag war gut vorbei, als Hans Müller von Knees zurückkam. Er rief Vetter Sepp zu: „Kannscht nohlosse, das Feld geft nomol verteelt, dir werd do ke Kukruz fechse“. Müller sagte, er habe dies von einem Freund des Präfekten in Knees gehört, die Landwirtschaft würde nach russischem Muster organisiert. Vetter Sepp hörte ihm ruhig zu und sagte dann: „Wescht Hans, Vattr es keene do, ke Mottr aa net. Ich senn nor Bauer, ich leer die zwaa ackre, das kann niks schaade.“ Müller ging seines Weges, wir ackerten weiter. Nun durfte ich den Pflug führen, Vetter Sepp achtete darauf, dass die Furchen gerade wurden. Längst war das Wendbrett poliert und glänzte silbern in der Nachmittagssonne. Dunkelschwarz glänzend legten sich die Furchen gleichmäßig aufeinander, der besondere Geruch der frisch gepflügten Erde vermengte sich mit dem frischen Frühlingswind. Die Sonne stand schon tief im Westen, als wir die letzte Längsfurche zogen,
doch fertig waren wir noch nicht. Noch zehn Querfurchen mussten an jedem Ende des Ackers gezogen werden. Uns reichte es, wir waren müde und wollten heim. Vetter Sepp ließ sich Zeit, er betrachtete das Tagwerk, als wäre es ein Kunstwerk. Gemächlich nahm er neben uns Platz auf dem Wagensitz und griff nach den Zügeln. Es dunkelte schon, als wir die Anhöhe bei den Bergwingerten hochfuhren, es war kühl geworden und wir froren, Hunger hatten wir auch. Vetter Sepp aber saß ohne Jacke neben uns, war gut gelaunt. Mir schien es, als sänge er ganz leise ein Lied, nur für sich. Nachtrag: Wir haben dort noch Mais gesetzt und gehackt, aber keinen geerntet. Doch diesen Ackertag habe ich nie vergessen. Viel später, als ich bei Martin Luther den Satz las: „Auch wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich heute einen Apfelbaum pflanzen“, verstand ich Vetter Sepp und seine Lektion vollkommen.
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Franz Roman (Mitte stehend) mit den Arbeitern des Billeder S채gewerks, sitzend 2. v. l.: Georg Schortje. Eins. Nikolaus Schortje Die Br체der Roman (2. Reihe Mitte) mit den Arbeitern des S채gewerks 1936. 1. Reihe, 4. v. l. Georg Schortje. Eins. Nikolaus Schortje
75 Rückblick (zu den Fotos links) Ein erstes Sägewerk gab es in Billed 1922, es wurden Bauholz, Bretter, Latten gesägt und es ist bald zu klein. Ein neues Sägewerk entsteht auf der gengenüberliegenden Seite des Bahnhofs 1929-1930 mit eigenem Bahngleisanschluss und modernen Maschinen der Sägeindustrie. Die Weltwirtschaftskrise führte zum Konkurs. 1931 kauften die Brüder Roman die Konkursmasse, ihre Firma „Gebrüder Roman AG“ führte meist Nadelhölzer für den Bau, gelagert und nach Wunsch zugeschnitten, aber auch Buchenholz für Handwerker und Brennholz für Haushalte. 2 Gatter wurden durch Dampfmaschinen angetrieben und das Sägewerk hatte einen sehr guten Ruf im Banat. Es kamen auch Aufträge von der rumänischen Eisenbahn und man beschäftigte bis zu 40 Mitarbeiter. 1944 wird das Sägewerk verstaatlicht und ab 1946 als „Blirom“ unter der Geschäftsführung der Brüder Roman wieder in Betrieb genommen. 1948 wird es geschlossen wegen Materialmangel. Vier gute Freunde 1965: PeterKeller, Hans Filippi, Mathias Just, Franz Donawell (sitzend) Eins. Franz Donawell, Schnaitach
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Bäuerlicher Heiratsvertrag aus dem Jahr 1835
Aus der deutschen Schrift übertragen von Hans Buch Contract
Welcher heute zu Ende gesetzten Tag, zwischen dem Wittiber Jakob Gilde an Einem = denen Eltern Michael und Barbara Fischer, mit ihrer ledigen Tochter Elisabetha Fischer, am anderen Theil geschloßen worden. Kraft diesen, der obige Wittiber Jakob Gilde mit der obigen Ellisabetha Fischer zur Ehe schreitet und die erstgennante Braut in die Wirtschaft Haus Nro. 148 samt ganzer Sehsion Grund tritt; hierüber nachfolgende Bedüngnißen fest gesetzet werden und zwar:
benante Land ist zu Ackern, mit ihren Saamen anbauen, Eggen und Slathen, die Erzeigniße zu gehöriger Zeit nach Haus führen, und ausreithen /: wovon Sie den Zehet zu geben hat:/ hievon für Koch und Brodmehl hinlänglichen Mahlen, die überbleibende Früchten auf die hier gewöhnliche Verkaufsplatze = und wenn Sie Brennholz kauft führen, hinlängliches Futter und Brennstroh, und drey Hundert Ejer in vier quartallen:/ alle Jahre zu thune und zu ertheilen haben. und:
1 tens on der ersten Ehe drey Kinder, als: Ellisabetha 6=, Jakob 5= und Katharina Gilde 2 Jahr alt, vorhanden und ihrenen Sechs Hundert Gulden W: W: als ihr Mütterliches Erbtheil ausgestellet wird, wie auch zur obigen Wirthschaft Uibernahm das Vorrecht haben; was die nachfolgenden Erbschaften belanget, mit den neu erzeigenden Geschwister als einerley Kinder zu betrachten sind, ferner:
4 tens Außer den erst genannten Ausbehalt sin auch Ihre gebrachte Alatur, und außer Haus und Grund, und zur Wirthschaftfirung nöthigen, von Erwirthschafteten, einen Beidertheils zu erhalten hat. Wehrend dessen zwey gleich lautende Contracte verfaßt und jeden Theil einer Eingehändiget wird.
2 tens Die genante Braut von ihren obingen Eltern Fünf Hundert Gulden W: W:, ein aufgerichtes Federbett, einen Komodkasten, und eine Kuh gleich erhaltet, und mit sich bringt. Hierauf:
Jakob Gilde, Elisabetha Fisher Braut, Michael Fischer, Barbara Fisher, Ludwig Jung Joseph Gilde, Johan Döres, Peter Muth, Nikolaus Leier
3 tens Wenn von Ihnen beyden, er vor ihr stirbt so hat Sie den Sitz in der Kammer, auf dem Boden für Ihr nötiges und für zwey Stück Vieh platz in Stall; dann von die besitzer der Wirthschaft alle Jahre an Ausbehalt /: zwanzig Metzen Waitzen, Ein Joch in der Sommerfluhr, eine halbe Wiesen, von großen = und kleinen Garten den vierten Theil, dieses nun
Siglen: Billiet d: 4ten Feblis :835.
Siehe dazu FB Billed, Band II von Hans Wikete, Seite 183, g301: Hier handelt es sich um *Jakob Gilde* *30.12.1804 in Großjetscha, +27.02.1871 in Biled, 67J. und seine 2.oo 08.02.1835 in Biled mit *Elisabetha Fischer* *07.03.1813 in Biled, +24.04.1894 in Biled, 81J. daraus entstehen 13 Kinder Jakob hatte aus 1.oo 12.02.1827 in Biled mit *Elisabetha Jung **1809, +06.11.1834 in Biled, 25J., schon 4 Kinder
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Johann Steiner während seiner Ansprache vor dem Vertriebenendenkmal auf dem Karlsruher Hauptfriedhof. Fotos Cornel Gruber
60 Jahre Baraganverschleppung aus dem Banat 1951-1956 Gedenkveranstaltung am 25. Juni 2011 in Karlsruhe
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nter dem Motto „Erinnern und Gedenken“ begann am Vertriebenenmahnmal auf dem Karlsruher Hauptfriedhof die Gedenkfeier zum 60. Jahrestag der Baraganverschleppung, die das Leben zahlreicher Banater Familien derart erschütterte, dass die Folgen auch heute noch nachwirken. Umrahmt wurden die Ansprachen und Gebete von den Darbietungen des Chors der Banater Schwaben Karlsruhe unter der Leitung von Hannelore Slavik und der BilledAlexanderhausener Bläsergruppe unter der Leitung von Jakob Groß und Adam Tobias. Für diese Sonderveranstaltung hatten die Organisatoren 18 Holzkreuze aufgestellt mit den Namen der jeweiligen Verbannungsorte der 40.000 zwischen1951 und 1956 Deportierten, von denen etwa die Hälfte Banater Schwaben waren. Und während Peter Krier diese ehemaligen Orte verlas, wurde am Vertriebenenmahnmal ein Kranz für die Opfer der Deportation niedergelegt und mit Dekan
Martin Ehling für sie gebetet. Passend zur Situation trug Gerlinde Gilde das bekannte Gedicht „Baraganfriedhof“ von Mathias Kandler vor. In seiner Gedenkansprache wies Johann Steiner, Journalist und Sachbuchautor, nur kurz auf den politisch-historischen Hintergrund der Verschleppung hin, aber auch darauf, dass alle Verschleppten als mögliche Tito-Kollaborateure und Gegner der Kollektivierung der Landwirtschaft eingestuft waren und dem barbarischen Akt der Verbannung in die unwirtliche Donautiefebene ausgeliefert. Johann Steiner veranschaulichte die Deportation aus seiner Sicht als Kind, das zwar nur einzelne Eindrücke der 5 Baragan-Jahre bewahrt hat, sich jedoch auf das gute Erinnerungsvermögen seiner Mutter stützt. Denn vergessen kann man Derartiges nicht: Das endlose Warten auf das Verladen der Habseligkeiten im Billeder Bahnhof, die lange
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Die Organisatoren hatten 18 Holzkreuze aufgestellt mit den Namen der jeweiligen Verbannungsorte der 40.000 zwischen 1951 und 1956 Deportierten Fahrt ins Ungewisse im Viehwaggon, das Ankommen in einem weiten Weizenfeld, die erste Unterkunft im Erdloch, überspannt von einer Plane...Und dann das von oben angeordnete Häuserbauen, primitiv wie das der Ahnen bei der Ansiedlung. Überleben unter diesen Umständen war das Wichtigste, dazu verhalf auch eine Kuh oder Ziege, zumal selbst Wasser Mangelware und im ersten Jahr gar keine Zeit zum Geldverdienen war. Dafür gab es im Winter Wind aus der Ukraine und Unmengen an Schnee, sodass man sich gegenseitig freischaufeln musste. Im 2. Jahr wurden schon Gärten angelegt und dadurch die Kost verbessert, aber auch Friedhöfe mussten angelegt werden, auch wenn sie nach den 5 Jahren eingeebnet wurden, so auch die gestampften Häuser nach der Heimkehr der Verbannten. Pfarrer und Ärzte gab es nicht, man musste sich den Umständen gemäß behelfen, so avancierte der Wagner-Schmied zum Zähne-Reißer, Musikanten spielten zum Tanz für die Jugend auf, es wurde auch geheiratet und es kamen Kinder zur Welt „In diesem Elend“.
Selbst die Heimkehr nach 5 Jahren war für Polizisten und Bahnvorsteher ein erträgliches Geschäft, denn wer bestach, kam früher, schneller an die Reihe, wo jeder doch heim wollte. Zuhause erwartete jedoch so manche Familie Unangenehmes: Entweder waren ihre Häuser bewohnt oder in derartigem Zustand, dass sie erst renoviert werden mussten. Und auch hier überall Erpressung und Bestechung, Grund für viele, Ausreiseanträge zu stellen, selbst wenn es lange Wartezeiten gab. „Ehrliche Leute kann man eben immer gebrauchen und missbrauchen.“ In seiner Predigt ging Pfarrer Erwin Schmidt vom Brief einer 70-jährigen in den Baragan Verbannten aus, die darauf hinweist, dass sie so ein Elend in ihrem ganzen Leben nicht mitgemacht habe, dass die Leute bald nichts mehr zu essen haben und das Trinkwasser ein Problem sei. Verzweifelt fragt sie. „Gibt es bald andere Zeiten, dass alle Menschen erlöst werden aus ihrer Qual? O lieber Gott, ich bitte Dich, hilf uns, lass uns in unsere Heimat zurückziehn.“ Man
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Rückblick spürt direkt das Leid, das durch den zunehmenden Einfluss des Kommunismus über das Volk gebracht wurde. Arglose Menschen wurden einfach zu Volksfeinden erklärt und mit ihnen wurde schlimmer umgegangen als mit dem Vieh. Pfarrer Schmidt räumte ein, dass das, was er über die Baragan-Verschleppung erfahren hat, bei weitem das übertrifft, was er von seiner Oma und seinen Eltern über deren Vertreibung als Sudetendeutsche aus Südmähren gehört hat. „Damals gab es in den neuen Baragandörfern keine Kirchen, dennoch trafen sich die Verbannten zum sonntäglichen Gebet in Privathäusern. Einzelne Priester, die ebenfalls deportiert waren oder ihren Gemeindemitgliedern freiwillig folgten, bereisten die Dörfer, feierten hin und wieder Gottesdienste, spendeten Sakramente und segneten im Nachhinein die Gräber der Verstorbenen. Zunächst musste das alles heimlich geschehen, später wurde es geduldet... Immer wieder haben in der Menschheitsgeschichte einzelne Machthaber über andere Leid gebracht und sie ihrer Würde beraubt; immer wieder wurden Menschen von ihren Mitmenschen wie Tiere behandelt; immer wieder haben Menschen anderen Kreuze aufgeladen, die so nicht von Gott gewollt waren; immer wieder werden Menschen aneinander schuldig, was so nicht von Gott gewollt ist. Nach 5 Jahren wendete sich damals das Blatt, wurden Gebete und Bitten erhört, gaben die Machthaber auch dem Druck von außen nach. Nach und nach lösten sich die schweren Schicksale, wurden Neuanfänge möglich und die Rückkehr in die alte Heimat... Nur wenn wir eine gute Erinnerungskultur pflegen, können wir aus der Geschichte lernen, können wir dem Leid der damals Betroffenen gerecht werden, kann neues Unrecht vermieden werden... Nur so können
Rückblick Gräben zugeschüttet und Brücken in eine gerechtere und menschenwürdigere Zukunft nach Gottes Willen gebaut werden... Was in den Bildern, Erzählungen und Berichten aus der damaligen Zeit immer wieder auch durchkommt, ist für mich der ungeheure Zusammenhalt, der die Betroffenen damals ausgezeichnet hat, das Gemeinschaftsgefühl, die Einheit, die einem half, mit den vielen Erniedrigungen, den grauenhaften Umständen zurecht zu kommen. Ich glaube, dass dies für unsere heutige Zeit, wo so viele nur an sich denken, eine ganz wichtige Botschaft ist.“ Das Symposium am Nachmittag im Bern hardsaal moderierte Peter Krier. Werner Gilde, dem Vorsitzenden des Kreisverbandes Karlsruhe der Landsmannschaft, bot es Gelegenheit, die zahlreichen Ehrengäste und Landsleute wie auch die Referenten zu begrüßen und Grüße entgegenzunehmen. Dabei wurde vor allem der Gemeinschaftsgeist und der Zusammenhalt der Banater Schwaben hervorgehoben, der es verdient, nicht nur erhalten zu bleiben, sondern auch in der deutschen Gesellschaft weitergegeben zu werden. Luzian Geier, Journalist und Regionalhistoriker, ging in seinem Vortrag „Banat, Baragan und der Dritte Weltkrieg“ auf die wichtigsten Veröffentlichungen über die Baragan-Deportation ein, präsentierte aus bislang zugänglichen Archivquellen die historischen Hintergründe der Deportation und anderer Terrormaßnahmen des damaligen Regimes in Rumänien. Michael Kandler lieferte viele Details aus dem Alltagsleben im Baragan, zeichnete so das Gesamtbild von Unterdrückung und Unfreiheit, hob jedoch die Rolle der Banater Lehrer hervor, die selbst im Verborgenen Deutschunterricht für die Kinder ermöglichten und so deren problemlose Eingliederung in den deutschen Klassen nach ihrer Heimkehr.
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Gruppenbild ehemaliger Deportierter der Ortschaften Fetesti (oben) und Frumusita (unten)
Gruppenbild der ehemaligen Deportierten der Ortschaft Rubla
84 Der bekannte Schriftsteller Horst Samson, selbst in einem der Baragandörfer geboren, fesselte die Zuhörer, indem er Bilder aus dem Dunkel des Vergessens zu lebendigem Geschehen hervorholte und die eigene Familiengeschichte poetisch wiederaufleben ließ. Seine Mutter schreit in einem Satz das Kernproblem heraus: „Der verdammte Krieg, er ist an allem schuld“, was den Autor zur Schlussfolgerung führt: „Es war sinnlos... Daran hat sich auch 60 Jahre später nichts geändert.“ Körperlich konnte man die Angst der in Viehwaggons Eingepferchten nachempfinden: „Die schleppen uns wieder nach Russland, dort werden wir alle verrecken im Staub der Geschichte.“ Und man war dann doch froh, dass es nicht Russland war, man war zu Hause, aber nicht daheim und man tröstete sich: Es hätte schlimmer kommen können. „Den Begriff Baragan – keiner im Dorf hat je davon gehört. Wo soll das sein, in Sibirien, vielleicht in Patagonien oder bei Buxtehude?...Jedoch der Baragan versteht keinen Spaß. Wer hier leichtsinnig glaubt, unter Gottes Gewölbe zu überstehen, der ist schneller im Himmel, als er bis 3 zählen kann. Er schickt den Crivat, der Dauerfrost und Schneestürme mit sich bringt, der Menschen und Land zu Salzsäulen erstarren lässt...der die Disteln des Baragans wie eine verrückt gewordene Schafherde vor sich her treibt und mit ihnen die Steppe fegt, dass die Staubwolken nur so in den Himmel stieben...Sie sind für die Menschen im Baragan eine natürliche Lebensversicherung, jeder braucht sie, die rollenden Windhexen... Der Crivat, der nachts durch die Träume fegt und in der Seele wütet...Bei ganz schlechter Laune lässt sich der Crivat wie ein Grobian an uns Deportierten aus, gebärt sich wie ein Wilder, der uns ohne Pardon von dieser Welt blasen will... Und wir Kinder halten ängstlich den Atem an, denn wie der Baragan ist
Rückblick auch der Crivat unberechenbar, ein Killer... vielleicht reißt er einfach das Dach mit sich fort, vielleicht sogar das ganze Haus, wenn wir Kinder nicht innig genug beten...“ Und sie kamen zur Einsicht, dass sie hier überwintern müssen: „Zuerst hilft ein Erdloch, um darin zu wohnen, dann eine kleine Coliba, schließlich bildet man Gruppen, schlägt Steine aus Lehm und Gras, baut sich gegenseitig Häuser...jenes Dorf Salcami, das sich – kaum wird es verlassen sein – die Einöde wieder zurückholt und die Häuser aus geschlagenem Lehm zu Staub zerbröckelt, Staub, den der Crivat dann in alle Winde zerstreuen wird, so als hätte ihm der Baragan den Auftrag erteilt, alle Spuren der Geschichte zu verwischen und sie im Staub der Irrungen und Wirrungen zu ersticken. Wo keine Zeugen mehr sind, dort ist nichts geschehen.“ Und in all diesem Elend blieb so manchem die Musik als Halt, Trost, Hoffnung, Perspektive, sie konnte Türen öffnen und Herzen trotz aller Ohnmacht und Verzweiflung, sie wirkte auch in der Fremde, linderte das Heimweh. Ihren feierlichen Abschluss fand die Sonderveranstaltung in einem Gottesdienst in der Bernhardskirche, wo Pfarrer Erwin Schmidt vor allem auf die Bedeutung der Erinnerungskultur hinwies, um aus dem Leid der Vergangenheit zu lernen, den Betroffenen gerecht zu werden und Unrecht zu vermeiden. Im Bernhardsaal wurde auch die Ausstellung zur Deportation gezeigt, Konzept Luzian Geier und Peter Krier, Grafik Hans Rothgerber, die Ausstellung, die anschließend im Gewölbe des Rathauses Karlsruhe-Durlach dem Publikum zugänglich war, dann auch anlässlich des Tags der Heimat im Karlsruher Kongress-Zentrum. Eine ausführliche Dokumentation der Veranstaltung gibt es im Internet unter: heimathaus-billed.de/baragan
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Mit Anna Romana unterwegs
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ie Tage, Wochen, Monate und Jahre, die wir durch die Deportation in Russland verbringen mussten, waren für uns gewiss schlimme Zeiten. Was am meisten an uns nagte, war die große Unsicherheit: Wie lange müssen wir dort schmachten? Können wir überhaupt hoffen, jemals wieder heim kommen zu können? Der harte Winter 1947 mit den vielen Toten raubte uns den letzten Schimmer Hoffnung. Als dann die ersten Transporte mit Kranken zusammengestellt wurden und diese tatsächlich heim fuhren, atmeten wir ein klein wenig auf. Also doch! Im Grunde genommen verhielten sich die russischen Aufseher und das ganze Personal – mit einigen Ausnahmen – uns gegenüber nicht schlecht. Ihr oftmaliges „Skoro damoi“ (Bald geht ihr nach Hause) klang manchmal sogar mitleidsvoll. Ein russischer Gruben-Mitarbeiter sagte einmal ganz wehmütig: „Ihr werdet irgendwann doch einmal nach Hause kommen, aber wir sind verdammt, für immer hier zu bleiben!“ In großen Abständen rollten die Krankentransporte, aber immer mit wenigen Kranken. Der Lagerarzt – bei uns Anna Romana – und der Lagerkommandant erstellten dazu die Listen. Unser Lager wurde dann aufgestockt mit Neuankömmlingen, so dass wir immer noch 1.000 Mann zählten. Der tägliche Umgang mit Anna Romana erbrachte mir nach und nach leicht das Erlernen der russischen Sprache. Die langen Listen unserer deutschen Namen in russische Schreibweise umzusetzen, ermöglichte es mir bald, mir das Russische auch in Wort und Schrift anzueignen. Anna Romana brachte mir dann auch Bücher zum Lesen – zumeist von Tolstoi und Dostojewski – die ich teilweise schon in meiner Schulzeit in Deutsch gelesen hatte. Sie gehörten ja zur Weltliteratur.
Helene Feiler, verh. Neumayer, 1947 als Krankenschwester in Russland So entwickelte sich schier ein freundschaftliches Verhältnis zu Anna Romana, manchmal nannte sie mich auch Lenotschka (Helenchen). Sie war zwar keine Ärztin – vermutlich Krankenschwester – doch für unseren Bereich gut genug ausgebildet. Von ihr erlernte ich die Behandlung von Panaritium (Nagelgeschwür), was am häufigsten vorkam, denn unsere Grubenarbeiter arbeiteten ohne Handschuhe. Ebenso die Behandlung von Furunkeln, eitrigen Geschwüren, die aufgeschnitten werden mussten, und vieles mehr. Sie gebrauchte auch ein Stethoskop, denn Erkältungskrankheiten gab es immer wieder; damit konnte sie auch die Lungenentzündungen diagnostizieren, woran fast alle gestorben sind, oft auch 18und 19-Jährige.
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Rückblick
Sanitäter, Dolmetscher und Küchenpersonal aus dem Lager 1220 Wolodarka 1946, fast alle hatten vorher in oder bei der Kohlengrube als Vorlader gearbeitet, sich aber schnell erholt Kamen die Kranken zur Visite, konnte ich in manchen Fällen Anna Romana beeinflussen, noch ein paar Tage Krankenurlaub anzuhängen. Manchmal gelang es mir sogar, den Arbeitsplatz der Kranken gegen einen leichteren einzutauschen. Wenn es im Sanitätsbetrieb mal keine Arbeit mehr gab, die Ambulanz jedoch geöffnet bleiben musste, spielten wir zusammen Schach und Mühle, oft gesellte sich auch der diensthabende Offizier Vasile Iwanowitsch dazu, ein ausgezeichneter Schachspieler. Falls sich aber der Lagerkommandant dem Krankenrevier näherte, purzelten - schwuppdie-wupp - unsere Figuren blitzschnell in die Schublade. Mit den „Feinden“ - also mit uns sollte kein geselliges Spiel gemacht werden.
Einmal machte ich mit Anna Romana den Weg ins Hauptlager 1220, ca 8 km entfernt, um Medikamente abzuholen. Es war ein warmer, sonniger Tag und wir machten uns morgens früh auf den Weg. Dabei kamen wir oft ins Gespräch und Anna Romana erzählte mir viel von ihrem Sohn Vitja (7). Sie musste viel arbeiten, denn ihr Mann - für 6 Jahre verurteilt - saß im Knast. Ich fragte nicht nach dem Grund, denn im kommunistischen Russland war so etwas allzuoft der Fall. Durch unseren zügigen Marsch plagte mich plötzlich eine Wasserblase am rechten Fuß. Ich konnte kaum noch Schritt halten und wir hatten noch etwa 4 km vor uns. Anna Romana sah mich mitleidsvoll an, aber was nun? Doch sie hatte gleich einen guten
Rückblick Einfall: Mit einer Haarnadel aus ihrer Frisur stach sie die Wasserblase auf. Nun musste ich nur noch den Schuh hinten runtertreten und schon ging es humpelnd weiter. Im Lager machte sie mir dann gleich einen ordentlichen Verband. Abends ging es auf dem Rückweg zügig heimwärts, obwohl wir 2 Säcke zu schleppen hatten mit dem Impfstoff für 1.000 Mann und allerlei Medikamenten, Verbandszeug usw. Am nächsten Morgen wurde der Impfstoff verabreicht, laut Packung gegen eine Mäusekrankheit. Anna Romana lehrte mich, wie man es macht: Ein Stich in den Oberarm, abtupfen und fertig. Damit übergab sie mir die Arbeit. Und ich impfte und impfte, bis alle Lagerinsassen an der Reihe waren. Man höre und staune: Alle 1.000 Mann wurden mit einer einzigen Nadel geimpft und keiner von ihnen erkrankte. Hier mussten wohl die Götter am Werk gewesen sein, da nichts geschah. Im Dezember des gleichen Jahres mussten wir wieder Medikamente herbeischaffen, diesmal per Zug aus der Kreisstadt Woroschilowgrad. Der Schnee knirschte unter unseren Füßen, denn der Winter war früh eingebrochen. Bis zu unserer Bahnstation hatten wir etwa 10-11 km zu bewältigen. Anna Romana war an lange Fußmärsche gewöhnt und klagte nicht. Der Zug jedoch war für mich eine Neuheit: Die Abteile etwas größer als bei uns und über jeder Bank ein Netz zum Schlafen gespannt. Wir sicherten uns eine Schlafstelle, denn auch unser Weg war lang. Hier lag ich dann in meine Fufaika (dicke Wattejacke) gehüllt, aber schlafen konnte ich nicht. Das Geräusch der Räder ging mir durch Mark und Bein, außerdem war die Luft im Waggon zum Schneiden: Zigarettenrauch, Knoblauchgeruch, Körperausdünstungen usw. In den Vormittagsstunden erreichten wir Woroschilowgrad und unser Arbeitstag be-
87 gann: Wir liefen von Depot zu Depot, bis wir alle unsere Medikamente beisammen hatten. Unsere Säcke waren schwer, wir schleppten und schleppten. Es war Winter und die Dunkelheit brach früh an. Endlich kamen wir bei einem schlichten, ländlichen Häuschen am Stadtrand an, wo wir einkehrten und von einer kräftigen Frau - Olga Feodorowna freundlich empfangen wurden, einer Schulfreundin von Anna Romana.Wir stellten das Gepäck ab, wärmten uns an einem Lehmofen gut auf, tranken Olgas heißen Tee. Später rief sie uns zum Essen: Piroschki (Pfannkuchen) und eine Tasse Milch. So ergab sich ein gemütlicher Abend. Es war mein drittes Jahr in Russland, sodass ich in den Gesprächen recht gut mithalten konnte. Olga Feodorowna hat sich auch sehr danach interessiert, wie es bei uns daheim war, wovon wir lebten usw. Bald war Zeit zum Schlafengehen und ich hielt schon Ausschau danach, wo ich in der Nähe des Ofens mit meiner Fufaika mein Lager zurechtmachen könnte. Anna Romana lag schon im Bett, sprang aber plötzlich auf und bot mir einen Platz neben sich im Bett an. Ich hielt es nicht für möglich: Seit langer Zeit lag ich wieder auf einer Matratze! Doch diese Geste von Anna Romana stimm te mich nachdenklich, trotz Müdigkeit konnte ich nicht einschlafen: zwei „Feinde“ nebeneinander im Bett! Im Grunde genommen waren wir keine Feinde. Wir hatten die gleichen christlichen Namen und vom Elternhaus her die gleiche christliche Erziehung. In den Morgenstunden traten wir wieder unsere beschwerliche Zugreise an und erreichten erst in den späten Abendstunden unseren Bahnhof. Es schneite in großen Flocken und Anna Romana fragte mich, ob ich die 10 km bis zum Lager noch schaffe. Ich war jedoch zu müde und geschwächt, um durch den hohen Schnee zu stapfen. Sie telefonierte dann vom Bahnhof mit dem Lager und nach einer Stunde kam der Lagerkutscher mit dem Schlitten und holte uns ab.
88 So habe ich wieder einmal das Menschliche in der russischen Seele erkannt und erfahren. Ganze Völker wurden zur Feindschaft manipuliert, durch unsere Diplomaten wie auch durch die der anderen Seite. Hass wurde geschürt. Das Ergebnis war ein in ei-
Rückblick nen glühenden Trümmerhaufen verwandeltes Europa, verbunden mit unsäglichem Leid. Grauenhafte Erinnerungen blieben uns - den Überlebenden - erhalten, die uns bis ins hohe Alter begleiten. Möge es eine Mahnung sein für alle Nachkommen hüben und drüben!
Helene Feiler mit Bettnachbarin Rosalia kurz nach ihrer Typhus-Erkrankung 1948, im Hintergrund das Lagerbad
R端ckblick
Handarbeitkurs in der Zwischenkriegszeit
Drei Generationen der Familie Reitler (207) - Zwerchgass. Eins. Hans Martini
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Aus meiner Erinnerung Der Wille zu überleben
A
m fatalen Ende des 2.Weltkrieges befand sich Vater in Berlin. Von da wollte er es versuchen, wieder nach Hause zu kommen. Für ihn war Familie sehr wichtig; er wäre ohne diese nie – wie manch anderer - in Deutschland geblieben. Doch die Russen haben ihn mit anderen Kameraden gefangen genommen. Ab ging`s Richtung Russland. Unter schwersten klimatischen Bedingungen – großteils zu Fuß - wurden hunderte Kilometer zurückgelegt. Er wurde sehr krank, mit Lungenentzündung und hohem Fieber und kam ins Lazarett bei Lemberg. Die Ärzte daselbst hatten nicht die nötigen Medikamente, um groß was zu bewirken. Die Abwehrkräfte wurden durch Unterernährung lahm gelegt. Die Verwundeten - geschundene Menschen - „krepierten wie die Fliegen in den letzten Herbsttagen“. Wer über Nacht starb, wurde von hungrigen Ratten angefressen. Jeden Abend gingen die Ärzte von Lagerstatt zu Lagerstatt um nachzusehen, wer noch und wie lange noch leben würde. Am Bett meines Vaters angekommen (Er lag schon Tage mehr im Schwächedelirium als wach), sagte der eine Arzt seinen Namen: „Adam Wagner, er wird wohl diese Nacht nicht überleben.“ Sein Name und der Satz dazu rissen ihn aus der Lethargie, etwas in ihm bäumte sich auf und zwar der Wille zu überleben, ein Wille, welcher in all den Jahren des Krieges ein Teil von ihm war! Der Morgen kam und das Fieber war erstmal nach Tagen etwas gebrochen. Es war DER WENDEPUNKT ! Für längere Zeit sehr geschwächt, konnten die Ärzte ihn daher zur Schwerstarbeit noch nicht freigeben, aber als ihren handwerklichen „Gehilfen“ sehr gut gebrauchen… Geschicklichkeit zeichnete ihn schon immer aus. Er war ein gelernter Schmiedemeister für landwirtschaftliche Geräte und Maschinen und wurde beim Einrücken in das Deutsche
Rückblick
Marliese Knöbl (Wagner)
Heer zur Instandhaltung der Panzer herangezogen. Diese hatten eine unangenehme Macke, indem die Ketten derselben des Öfteren herunter fielen. Adam Wagner machte mit einer „Erfindung“ seinerseits dem ein Ende und erhielt dafür das Eiserne Kreuz 3. Kl. So ging er nun auch hier im Lazarett den Ärzten mit Improvisationen handwerklicher Art zur Hand, schaute und hörte gut zu – so manches kam ihm auch noch in seinem späteren Leben zugute: Ob er im Baragan Zähne zog oder unserer Katze das gebrochene Bein schiente, welches wieder schön verheilte etc. Aber was uns Kindern an seiner Erzählung belustigte, war - wie so oft - sein Schabernack, den er nie ganz verlor. Einmal sagte der eine Arzt zu ihm: „Wagner, die Hand des Verwundeten muss hier ruhig gestellt werden“, damit zeigte er am Kopfende des Patienten auf einen Punkt an der Wand. Vater hob die Hand desselben behutsam hoch, hielt sie dort mit einer seiner Hände fest und mit der anderen hielt er einen Nagel – quasi um mit diesem die Patientenhand an die Wand zu nageln. „Wagner, nicht doch – was machen Sie denn?“ Vater erwiderte ganz sachlich: „Den Arm ruhig stellen.“ Der Arzt starrte ihn ungläubig an – war das nun ernst gemeint? Da musste sein Gehilfe doch noch grinsen. Der Nagel wurde natürlich in die Wand geschlagen und eine Schlinge daran befestigt, welche den Arm des Verletzten ruhig hielt… PS. Vielleicht wirkt manches etwas unvollständig - aber ich war, als Vater uns seine Erlebnisse erzählte, 6 – 10 Jahre jung … Sonntags, vor dem Aufstehen, hüpften mein Bruder und ich zu ihm ins Bett, legten uns links und rechts in seine Arme und dann hörten wir seinen Erzählungen aus seinem bewegten Leben während der Kriegsjahre zu. So habe ich
Rückblick auch nicht vergessen, wie aufgeregt ich bei einer anderen Erzählung war. „ Im deutschen Heer herrschte Zucht und Ordnung. Keiner durfte ungestraft den Soldatenrock besudeln. Z.B. wurde bei schwerem Diebstahl – nicht zu sprechen von Vergewaltigung oder sonstigen Vergehen - hart vorgegangen, ja selbst durch
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91 Erschießen im Wiederholungsfalle“… Ich außer mir: „ Ihr habt eure eigenen Leute erschossen?“ „Ja, wie will man mit so vielen Menschen Ordnung halten? Manchmal war das das einzig Richtige, um ein Exempel zu statuieren.“ So viel über die „zügellosen Verbrechen“ unserer Soldaten.
Der Vater, welcher erst mit der Zeit mein Vati wurde
nser Vater, Adam Wagner, kam im Herbst 1948 aus der russischen Kriegsgefangenschaft - Gott sei Dank - wieder nachhause… Ich selbst bin 1943 geboren, kannte ihn gar nicht – außer dass Adi, mein Bruder, immer wieder von „seinem Vati“ erzählte: „Mein Vati dies oder mein Vati das…“ So war es mir als Kleinkind nicht bewusst, dass er unser beider Vater ist. Als dann während der Kriegszeit einer seiner Kameraden von der Front im Urlaub auch bei uns vorbei kam, um Mutter Verschiedenes zu berichten, wich ich nicht von ihrer Seite und zog immer wieder am Rockzipfel, bis sie runterschaute: “Was es dann?“ „Mutti, es das em Adi sei Vati?“ Sie wurde vor Verlegenheit ganz rot, denn wie erklärt man diese Frage einem eigentlich fremden Menschen? Hat sie die Kinder von zwei Männern? (Heutzutage kein Problem mehr?!) … Ich war fünf Jahre alt und mein Bruder gute drei Jahre älter, als von unserer Tante aus Temeswar die Nachricht kam, dass Vater am Abend mit dem Zug in Billed eintrifft. Adi lief seinem Vater freudig entgegen. Obwohl es schon dunkel war, hat er ihn schon von weitem an der Stimme erkannt… Zuhause nahmen alle Omas und Opas so wie Mutti diesen „Fremden“ abwechselnd in die Arme und weinten… Ich stand etwas abseits, ungläubig auf ihn starrend, der angeblich auch mein Vater war?! Nein – dieser da kann nicht mein Vater sein! Ich lief ins Schlafzimmer, an dessen Wand sein Bild hing: „Nee, nee – de do es e schene Vati, awer de do drauß
es hässlich! De brauch ich net!“ Fahle Haut, eingefallene Wangen, nur zwei riesig große schwarze Augen – nein, den brauch‘ ich nicht! Wobei man dazu sagen muss, dass er noch relativ gut aussah, denn in Temeswar, bei seiner Schwester, hat er sich gewaschen, rasiert und gut gegessen… Ich sträubte mich, ihn auch nur zu berühren! Vater gab nicht auf, er zog mich an sich – ich bog mich nach hinten, um nicht gebusselt zu werden… Er nahm ein Kettchen vom Hals mit einem kleinen Madonna-Anhänger aus Silber und legte es mir um. Er selbst fand dieses in der Gefangenschaft bei Reinigungsarbeiten im Kanal und hatte es all die schweren Jahre nie abgelegt. Adi bekam den von Vater gefertigten Aluminiumlöffel – das wichtigste Essutensil in Russland. Er benützte von da ab nur noch diesen. Als er heiratete, gehörte der Löffel zur Aussteuer. Ich selbst trug das Kettchen zu besonderen Gelegenheiten. So auch im nächsten Frühling am Fronleichnamszug durchs Dorf und verlor es dabei! Das Kettchen war unauffindbar weg! Vater recht traurig darüber - wahrscheinlich viel mehr als ich… Mit der Zeit und viel Geduld wurde Vater auch mein Vati und wir beide waren sehr glücklich darüber… Das ist über sechzig Jahre her – manches im Leben vergisst man, manches verblasst, als hinge ein Vorhang davor, der manchmal von einem Mitmenschen zur Seite geschoben und dadurch wieder lebendig wird. Manches hat sich mit der Zeit unwiederbringlich davon geschlichen. Manchmal ist das gut so…
Rückblick
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Ich war schon 15 Jahre alt, als ich zum ersten Mal bemerkte: „Das ist ja gar kein echtes Foto!“
„Bruder“ in Not
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n der russischen Kriegsgefangenschaft hatten es die Handwerker etwas leichter als die „Geschulten“, sich zu dem kargen Essen - so es diesen Namen überhaupt verdiente – ein Zubrot zu beschaffen… Im Falle unseres Vaters war`s der russische Lageraufseher, welcher die Möglichkeit dazu bot. Der „organisierte“ verzinktes Blech von Dächern oder von wo auch immer. Daraus fertigte dann Vater Eimer (ein Schmied und Schlosser als Spengler). Sonntags wurden die Eimer mit einem Draht zusammengehalten, Vater hing sie sich um und gemeinsam gingen sie auf den Markt, um sie zu verkaufen. Einen Teil der Einnahmen gab der Russe gerechterweise unserem Vater. Mit diesen Rubel kaufte er dann Brot und brachte es voller Glücksgefühle „nachhause“, um es zu verteilen. Es gab keine Unterschiede: Ob Arzt, Ingenieur, Künstler oder Arbeiter – sie waren Kameraden – in jeder Hinsicht! Alle das gleiche Ziel: Gemeinsam das Überleben zu schaffen! Einander Freude zu machen! Z.B. zu Weihnachten
Marliese Knöbl (Wagner)
bastelte meinem Vater der eine Kamerad einen Bilderrahmen aus Tannenholz. Der andere Künstler malte dazu ein Bild nach einem Foto und zwar von unserer Mutter und dem Sohn auf dem Arm. Er hatte nur einen ganz gewöhnlichen Bleistift und ein Stück simples Papier – aber es war so perfekt wie das Foto. Das Bild hing die ganze Zeit über Vaters Lagerstatt, und es kam auch mit ihm zu uns nachhause. Auch hier wurde es in Ehren gehalten. Ich war schon etwa 15 Jahre alt, als ich zum ersten Mal bemerkte: „Das ist ja gar kein echtes Foto!“ Irgendwann wurde der recht gutmütige russische Aufseher versetzt? Abberufen? Und irgendwann im Okt 1948 wurde Vater entlassen. Es ging heimwärts Richtung rumänische Grenze. Das war ein sehr kritischer Punkt, die letzte Kontrolle vor der Freiheit, ab welcher so manch einer, der sich schon sicher wähnte, nicht mehr zuhause ankam… Vater hatte in der Gefangenschaft seine Blutgruppe unter der Achsel mit einem Glasscherben entfernt. Er wollte nach Deutschland in der
Rückblick Hoffnung, dass seine Frau mit den Kindern sich dem Flüchtlingstreck Richtung Deutschland anschließt und sie sich dann dort treffen… An der Grenze mussten die Männer ihren Oberkörper entblößen – um jeden Einzelnen gründlich zu beäugen. Vater kam an die Reihe. Er war innerlich sehr gespannt. Warum das Entblößen? Hat das was mit der einst vorhandenen Blutgruppe zu tun? Aber in diesem aufregenden Moment kam ein Russe auf ihn zu, umarmte ihn stürmisch. Bussi links, Bussi rechts auf die Wange: „Moj Brad! (mein Bruder) Lasst ihn gehen. Der ist in Ordnung!“ Es
93 war der gewesene Lageraufseher, der, mit dem er Eimer verkaufte zu beider Nutzen, oder Notwendigkeit?! Ein letztes Herz-an-Herzdrücken. Der Schutzengel in Gestalt eines „Feindes?“ Es war aber nur ein Mensch, dessen Herz und Gefühl in der Zeit des sich gegenseitigen Kennenlernens keinen Hass mehr kannte. Hass wurde davor als Doktrin verabreicht … Jetzt war da kein Sieger und Besiegter, sondern einfach zwei Menschen – eben wie der Russe sagte: „Mein Bruder“ und das ist dessen Ausdruck der Anerkennung, der Zuneigung…
Wenn ein Jahr zur Neige geht
Marliese Knöbl
Wenn ein Jahr zur Neige geht, das Neue vor der Türe steht, spätestens dann sollten wir uns besinnen, wie wir das neue Jahr beginnen. Wie wollten wir es erleben indem wir nur nehmen und nichts geben?! Indem wir uns über andere lustig machen und über deren Schwächen lachen?! Indem wir nur der anderen Fehler sehen und wir ´rein` und ´makellos` dastehen?! Indem wir bemerken der anderen Geiz und Gier Nächstenliebe und Hilfe geben nur wir?! Indem wir verdammen der anderen Sucht nach Krieg und Macht, haben wir nicht auch im Vorjahr so gedacht?! Was können wir aber wirklich bewegen? Indem wir nach Goethes Worten leben: “Edel sei der Mensch, hilfreich und gut” Möge Ihnen persönlich viel Gutes widerfahren jetzt und auch in späteren Jahren! Dazu Gesundheit und Prosit auf die Liebe und das Glück!
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Werbesprüche in den Jahren 1930 - 1940 im Banat und in Billed
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chon in den 30er Jahren kamen Warenkataloge aus Deutschland ins Banat. In diesen Katalogen waren die Bilder von landwirtschaftlichen Geräten, Motorrädern, Fahrrädern, Haushaltswaren und anderen Artikeln ersichtlich, nach welchen man sich die gewünschte Ware bestellen konnte. Auch mein Vater hatte schon in den 30er Jahren so einen Katalog angefordert, den wir als Kinder unter der Bezeichnung „Biziklbuch“, weil auf der Titelseite Fahrräder waren, bei der Großmutter anschauen durften. Aber auch mit verschiedenen Werbesprüchen haben die Geschäfte und Betriebe in Kalendern ihre Kunden angezogen. Ich blätterte mal einige Kalender der 30er und 40er Jahre durch und fand viele Anzeigen von Geschäften aus dem ganzen Banat, aber auch aus Billed. Dies waren: „Schwäbischer Volkskalender“ Temeswar, „Landsmann Kalender“ Arad, „Jahrbuch der Deutschen Jugend und Bauernschaft Rumäniens“ und „Pollerpeitsch Kulener“. Einige Werbesprüche aus diesen Kalendern möchte ich hier zitieren: „Kauft Socken, Strümpfe, Handschuhe bei Strumpfkönig Matz Hehn in Temeswar“ „Lebenskraft aus der Apotheke zur Heiligen Maria in Lugosch“ „Stets größte Auswahl an Herrenstoffen und billige Preise bei Rabong und Schneider Temeswar“ „Für den Alltag, für die Feste, kann bei Ludwig Schütz aufs beste, heute, morgen, übermorgen, jeder Kleider sich besorgen.“ Kleiderwarenhaus Hatzfeld: „Singt alle mit
Rückblick
Josef Herbst
im Rundgesang, denn gute Ware hat Klein und Frank Temeswar“, „Diesel-Traktoren Deutz kauft man bei Ing. Josef Beiszer Temeswar“ „Eber-Pflüge sind die besten. Bei Weiss und Götter Temeschburg.“ Doch auch einige Werbesprüche aus Billed: „Bei Betsch und Kiss ist alles frisch. Großund Einzelhandel mit Fuhrpark in Billed“ „Die besten Hüte und Kappen zu den billigsten Preisen bei Hutmacher Ferdinand Braun Hauptgasse Billed“ „Wer im Warenhaus bei Ignaz Tenner um über 20 Lei einkauft, bekommt eine Flasche Essig aus eigener Produktion gratis. Billed neben der Kirche“ „Fahr auch du mit NSU. Große Auswahl an Herren-, Damen- und Kinderfahrrädern bei Johann Schwartz, Hauptgasse Billed, Nr. 435“. „In der Billeder Ziegelei Sehi und Glasz finden sie eine große Auswahl an Ziegelsteinen, Doppel-Press- und Dachziegeln preiswert in bester Qualität.“ Auch waren interessante Sprüche in einigen Büros oder Verkaufsstellen zu lesen. In der Ballmann Mühle war sowohl im Büro wie auch im Mahlraum folgender Spruch: „Bewahret den Frieden und damit das Brot.“ In der Bäckerei Mathias Slavik (371) stand der Spruch: „Der guten Dinge bestes ist das Brot.“ „Die besten Kipfeln, Brot und Weck, die findet man beim Sauer-Bäck“. Johann Sau-
Rückblick
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Vor dem Warenhaus der Familie Tenner in der Zwischenkriegszeit er 546. In der Fleischerei Josef Steiner (338) stand: „Kühe, Rinder, Schweine, alle haben Beine. Darum muss beim Fleischverwiegen jeder ein Stück Knochen kriegen.“ Ein Spruch aus der Fleischerei Nikolaus Hummel (136): „Wir schlachten Schweine, Schafe, Rinder- im Frühling, Sommer, Herbst und Winter.“ Aber auch der Konkurrenzkampf zwischen den Kleingewerbetreibenden in den 30er und 40er Jahren war hart. Um neue Kunden zu gewinnen und alte Kunden zu behalten, drückte man den Preis der Erzeugnisse. So war es auch bei der folgenden Begebenheit: In Billed gab es 3 Schnapsbrennereien. Den ältesten Kessel hatte Adam Schaljo (520)mit einem Fassungsinhalt von 260 Liter. Josef Keller (533) hatte 2 noch kleinere Kessel. Josef Hubert (89) hatte einen neuen, schon modernen 320-Liter-Kessel mit Rührwerk aus den 30er Jahren. Alle kamen mit ihren Kunden zurecht, bis Adam Schaljo im Dorfe trommeln ließ: (Bis in die 80er Jahre war es in den Banater Dörfern üblich „die Trommel zu schlagen“ und dabei die Neuigkeiten zu verkünden. Diese wurden in der Mundart
ausgerufen. In gemischtsprachigen Dörfern wurden die Neuigkeiten auch in der Sprache der dort wohnenden Menschen ausgerufen). Auf Adam Schaljos Bestellung hin rief der „Trommelmann“ Folgendes aus: „Adam Schaljo brennt in diesem Jahre euren Schnaps um 10% billiger als Keller und Hubert.“ Eine Stunde später hat Keller Folgendes trommeln lassen: „Keller brennt noch um 10% billiger als Schaljo oder Hubert“. Daraufhin ließ Hubert trommeln: „Hubert brennt für alle den Schnaps umsonst“. Dies hat im Dorf zu Heiterkeit angeregt. Darum hat Wilhelm Gimpel (211), ein Spaßmacher, trommeln lassen: „Nach der Rechnung von Gimpel Wilm bekommen alle, die bei Keller oder Schaljo brennen lassen, noch 10 bzw. 20 % auf ihren gebrannten Schnaps vom Kesseleigentümer drauf, weil Hubert ja umsonst brennt.“ Bei der ganzen Aktion hat Michael Haas (23), der Trommler und Ausrufer, verdient, denn die Kunden blieben alle bei ihrem Schnapsbrenner. Josef Hubert war mütterlicherseits mein Großvater und dies ist in unsere Familiengeschichte eingegangen.
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Dichtung - Dialekt
Gedichte aus „Im Staub der Geschichte“
Horst Samson
Nachbemerkungen zu meiner Geburt unter der fleckigen sonne der baragansteppe wurde ich geboren neben einer distel oder an einem anderen tag damals sah ich gar nichts so dunkel und so ungenau war die geschichte meiner geburt
Vater unser, der Du uns rudern siehst mit den Wurzeln, Wir sind Dein, und Dein ist das Reich, Das wir meinen. Hörst Du, wie Es lallt hinauf zu Dir, was nicht verloren ging In uns, der Durst. Wir kommen, Vater, Aus dem Staub kommen wir zu Dir. Es drehen sich Feuerrad, und Stein und Hunger, und es rosten Die Spitzen der Tage ins fleischrote Land – ein Schiff, das langsam sich zur Seite neigt, Doch wir rudern, Vater, und wie wir rudern... In der Balta singen Die Frösche, wie verrückt singen die Frösche, So erzählen die Männer den Frauen und Kindern, Beim Verteilen des Wassers Aus den Zisternen. Und überall Schilf Und Wasser fließt! „...Und alles ist ein andres doch“ So singen sie abends vor Den Colibas. „Nach meiner Heimat,,,“, Singen sie, „da zieht‘s...!“
Dichtung - Dialekt
97 Seit tausend Jahren ist der Krieg Aus, aber zu Ende ist er Nicht. Angst blüht da wie Hoffnung und verblüht Und blüht um die Wette Mit Disteln und Wolfsmilch. Was wird, kritzelt Vater Auf Zeitungspapier. Kein Baum, und so weit das Auge Reicht steht Unkraut, höher als die Kinder Eine Stunde, zum Töten Sich, aber wir sind, schreibt Vater, gesund und Sonne gibt’s Mehr als genug.
Die Steppe lebt wie Trotzdem und die Disteln machen sich fertig Was niemand ahnt – für den Weg Durch den Baragan. Irgend Wo stiegen wir ein, stiegen aus, stiegen nicht Ein, nicht aus, wohnten im Plötzlich! Jahrtausende Vergehen und wir leben schon Geschützt unterm Gras, im Erdreich leben wir Und die Kinder, sie dürfen spielen Auf dem weißen Spiegeltisch, Dem mütterlichen Heiligtum von gestern. So vergehen Die Tage, und sind Wochen, die Wochen Und sind Monate, und die Jahre, sie werden Verwohnt und kriechen blind wie Maulwürfe, wir Im Loch: Ein tiefes Loch, Ein schwarzes Loch, Ein Doch in der Erde „Domiciliu obligatoriu“ - Zwangsaufenthalt In der Ewigkeit Ist es schwarz, Ist es tief, Ist es loch, brennen Die Kerzen nieder, stillen den Durst.
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Erneut im Elternhaus
Dichtung - Dialekt
Hans Dama, geb. 1944 in Großsanktnikolaus, österreichischer Schriftsteller, Rumänist an der Uni Wien; Veröffentlichungen: Lyrik, Prosa, Essays, Übersetzungen aus der rumänischen Literatur. Erinn‘rung tropft aus Nostalgie, straßauf-straßab ich schreite; so lebhaft fühlte ich noch nie Vergangnes mir zur Seite. Die Wege damals wie auch heut, jedoch viel ungepflegter. Tristesse herrschet, nichts mehr freut mich, mein Gemüt bewegter. Wo Gärten blühten, Duft gestreut in Überschwänglichkeiten … Zurzeit ein endlos Gärtnerleid In neuen freien Zeiten. Wohl kuscheln Häuserzeilen sich vertraut eng Seit‘ an Seite; ich strebe fort, beeile mich, mein Gang mich heimwärts leite. Der Bau verludert – welch ein Graus, abbröckelnd Schicht‘ um Schichten, steh vor bedauernswertem Haus, die Blicke sich nicht lichten. Vor wunden Mauern, im Gehöft sind Zaun und Tor verschwunden; kühlender Brunnen totgeschöpft im Leerstall Löcher runden und laden Wind und Wetter ein im Inneren zu hausen. Wie mag es in den Zimmern sein? Darob kommt mir das Grausen. Gar mancher so wie ich erlebt; Gedächtnis – mach mal Pause! Verlassen, öd – das Herz mir bebt: War das mal mein Zuhause?
Dichtung - Dialekt
99 Trotz Wehmut, heißt’s gelassen sein: Noch steht aus Kindheitstagen mein „Tempel“ mit verblasstem Schein, jetzt darf ich nicht verzagen. Der Vorsatz, stark zu bleiben –, gut: Muss schleunigst mich entfernen – geschieden – doch mit frischem Mut, such Zukunft ich in Fernen… Großsanktnikolaus, August 2011
Die EU Die EU als Wirtschaftsmacht keine gute Wirtschaft macht; allerdings, das macht sie fein, bietet an für groß und klein, die an Landespolitik scheiterten an viel Kritik, Arbeitsplätze gut dotiert, fett mit Zulagen garniert, manchem Politikfossil im Versorgungsgoldasyl, auch durch Papa, mit Partei ist manch Grünschnabel dabei. Doch wen kümmert es dort oben, die sich gerne selber loben, wenn das Fußvolk ausgepresst, keine Chancen man ihm lässt... Soll es doch den Kuchen schmausen, wenn das Brot nicht reicht zuhausen. Eisenberg, 2010
Hans Dama
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Reschpekt... Reschpekt vor jedm Schwowekind, wo noch em Dreck on Schtaab dort spillt, wo aa die Ahnegräwer sen un wo die Leit noch maaje gehn.
Bildergalerie Erwin Csonti
Reschpekt vor jedm Schwowepaar, wo strewe tout noh Ahneaart, wo gäre hat Haus on Viech on Feld, so lang et lebt off dere Welt. Reschpekt vor jedm Schwowegreis, wo en seim Hem geblieb om jede Preis, wo dort gewaart hat, bis de Sensemann es komm ne phacke on vor seim Bett hat stehn geloss sei Schlappe. Reschpekt vor jedm Schwob, wo fort hat misse, dr Heimat awer trei geblieb es em Gewisse, wo alles tout on strebt on macht, dass iwer sei Banat net fallt die Nacht.
Heimat Du kannst sie 1.000 mal verlassen und kehrst im Innern doch zurück, sie ist mit Türmen, Kirchen, Gassen dein unverlierbar letztes Glück. Sie birgt der Jugend reinste Träume, sie schließt dich ein wie Mutterschoß, sie dehnt sich über alle Räume und nimmer kommst du von ihr los. So weit kannst du ja gar nicht gehen, dass du sie einmal ganz vergisst, ihr Bild wird dir vor Augen stehen, wo du auch immer weilst und bist. So sehr kannst du ihr nicht entgleiten, dass dieses letzte Band zerreißt, denn, wo auch immer du magst schreiten, ein Pfeil steht, der zur Heimat weist.
Bildergalerie
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Hans Frick (575) 1901-1955 mit seinem Kerweihm채dchen in den 20er Jahren des 20. Jhs. Eins.: Elisabeth Martini (Frick)
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Es ist traurig..
Dichtung - Dialekt Otto Aczel
...wenn das fallend Blatt im Herbst dem Baum zum Abschied winkt, ...wenn der Schmerz des sterbenden Tieres in seinem hilflosen Blick versinkt, ...wenn das Schönste über den Menschen in der Grabrede erklingt, ...wenn die Trauer um ihn nicht durch den Ausgang des Friedhofs mehr dringt.
Die arme Kirchenmaus
I
n unserer großen, schönen, aber kalten Heimatkirche lebte eine kleine Kirchenmaus. Leider gab es hier nur wenig zu fressen. Nach den Gottesdiensten sprachen die Menschen ein Gebet, zündeten eine Kerze an und gingen ihrer Wege. Eines Tages hatte man vergessen, nach der Messe eine Kerze zu löschen. Die arme Kirchenmaus schnupperte und stand plötzlich vor einer großen Bienenwachskerze. „Oh, riechst du schön!“, rief das Mäuschen. „Und wie ich erst bei Dunkelheit leuchte!“, erwiderte die Bienenwachskerze. „Das würde ich gerne einmal sehen“, sagte das Mäuschen. Heiligabend, nach dem Gottesdienst, begann wie durch ein Wunder – eher durch einen Luftzug – die Kerze wieder zu brennen. „Oh, ist das schön“, piepste das Mäuschen. Es fühlte sich bei der Kerze wohlig warm und genoss diese Nacht. Doch plötzlich erschrak es: „Du bist ja ganz klein geworden...“ „Ja“,
Karl Balogh
antwortete die Kerze. „Glück ist, brennen und vergehen. Verstehst du das?“ „Das verstehe ich“, sagte die Kirchenmaus. „Weil du brennst und kleiner wirst, ist es schön für mich, und ich bin froh. Du verschenkst dich durch Licht und Wärme an mich.“ „Ja“, anwortete die Kerze: „Ich verschenke mich an dich, damit du glücklich bist.“ Mit großen Augen schaute das Mäuschen die immer kleiner werdende Bienenwachskerze an: „Glück ist, brennen und vergehen“, murmelte es. Die Kerze nickte und strahlte noch einmal ganz besonders hell und ihr Schein fiel auf das Antlitz des gekreuzigten Heiland, das im Widerschein überall erschien. Und später fiel dem Mäuschen in stillen Augenblicken immer wieder die Bienenwachskerze ein: „Ich verschenke mich an dich, damit du glücklich bist!“ Besinnliche Weihnachtszeit wünscht Kari Balogh
Dichtung - Dialekt
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Gemüseanbau-Know-how aus dem alten Billed: im Bild Josef Donawell, Billeder Karlsruher, mit Rekordtomaten von bis zu 1 kg sowie Paprika aus dem eigenen Garten.
Hergottspippelcher un Hinggelsdärm
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erade als ich einen Apfel vom Baum holen wollte, rief meine Mutter „Owacht gen uff die Sammetveijule un die Fedderreescher“. Diese Pflanzen kannte ich schon, aber nur unter den mir geläufigen Namen Stiefmütterchen und Gartennelken. Nach diesem Ausruf wollte ich gleich mehr über das Thema Garten in Billed erfahren. Äppeltänzrisch, also ungeduldig, wartete ich auf die Erklärung der Blumen, Pflanzen und Tiere, die in einem Billeder Garten zu finden waren. Wir gingen durch den Garten und eine neue Wörterwelt tat sich vor mir auf. Zuerst wandten wir uns dem Gemüse zu. Grumbiere hatte jeder in seinem Garten. In
Erika Weith, geb. Leidecker
den Herkunftsländern der Aussiedler war die Kartoffel bereits bekannt, aber sie wurde im Banat erst angebaut als Kaiser Joseph II. Ende des 18. Jahrhunderts den Kartoffelanbau amtlich angeordnet hat. Dann wurde sie aber gleich so beliebt, dass die den Banatern den Spitznamen Grumbierschwowe einbrachte. Eine Selbstverständlichkeit im Garten waren auch die Gelriewe oder wie man hier sagt Möhren, Karotten oder auch Gelbe Rüben. Für Suppen waren sie unverzichtbar ebenso wie das Grienzeich, also die Petersilie. Karfiol = Blumenkohl, Kehlkraut = Wirsing, Kulraawe = Kohlrabi, Umorte = Gur-
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Dichtung - Dialekt
Frauen-Sonntags-Politik vor 60 Jahren: v. l.: Anna Neiss, Magdalena Packi, Maria Andre, Anna Müller, Anna Packi, Gertaud Lauth, Anna Neiss, Katharina Maurer, Kind: Anni Danileico. Eins. Hans Andre, Wesseling ken, Paschkenat = Pastinaken, Zeller = Sellerie, all diese Gemüsesorten konnte man im Garten finden. Aber ich denke, die wichtigsten Gemüse für eine schwowische Hausfrau waren Zwiwwle, Knowwel, Pardeis un Paprika. Man gab sich viel Mühe, dass alles wuchs und gedieh. Wenn es mal nicht so klappte, sagte man „Das wachst net hinne un net voore“. Wenn man hart geluckert hatte (vom rumän. a lucra arbeiten), wenn die Pflanzen maschtich (kräftig) waren, die Erde luck (locker) war, dann war es besonders ärgerlich, wenn es zu hageln anfing und die Schloose, die Hagelkörner, die mühevolle Arbeit vernichteten. Dann konnte man wieder von vorne anfangen. Die Bäume mussten gesteipt werden, das bedeutet gestützt. Das verplutzte, also das beschädigte Obst musste wieder aufgeklaubt werden. Nachdem das ganze Ramasuri, das Durcheinander und die Unordnung (kommt vom italienischen rammasare) beseitigt war, hoffte man, dass so schnell kein Unwetter mehr kam.
Wenn dann das Obst reif war, also nicht iwwerzeitich, wurde geerntet und man hat das Obst für den Winter ingeleeht, also eingeweckt. Das Obst wurde kunstvoll in die Dunstgläser geschichtet, teilweise sogar mit einem speziellen Messer mit tiefen Rillen verziert und dann eingeweckt. Die Dunstobstgläser wurden dann auf eine extra Stellasch gestellt und waren der ganze Stolz der Billeder Hausfrauen. Man kannte in Billed Riwisle = Johannisbeeren, Agratzle = Stachelbeeren, Persche = Pfirsich, Prunjer = Pflaumen, Ringlo = Renekloden, Kitte = Quitten, Kwetsche = Zwetschgen, Äppl un Biere. Aber auch Bumrantsche waren bekannt. Dieses Wort ist wohl eine Verballhornung von Pomeranze, das wiederum kommt aus dem Italienischen pommo = Apfel und arancia = bittere Apfelsine. Auch Kerwusse = Kürbisse wuchsen im Garten. Daraus konnte man zum Beispiel Gänselewwer machen. So nannte man einen Bratkürbis, den man im Ofen gebacken hat. Melonen wurden auf den Feldern angebaut.
Dichtung - Dialekt Wir haben sie als Kinder in Billed immer aus der Hand gegessen. Man war eigentlich immer von oben bis unten verschmiert, aber das war ja gerade das Schöne. Man konnte sie auch aushilliche, also aushöhlen und daraus einen Puppenwagen basteln. Jeder hatte auch Rosmarein im Garten, jedoch nicht zum Kochen, sondern für viele andere Gelegenheiten. Der Name der am Mittelmeer wild wachsenden Pflanze kam im 15. Jahrhundert nach Deutschland. Er kommt aus dem Mittellateinischen ros marinum = Meertau. Der Rosmarin war Bestandteil vieler Bräuche, der Bräutigam trug ein Rosmarinzweiglein am Revers, die Braut hatte Rosmarin im Brautkranz. Früher wurden auch Totenkronen aus Rosmarin geflochten. Natürlich hatte man auch an Blumen seine Freude. Wenn alles schön geblieht hat, hatte sich das Gfretten gelohnt. Das kommt vom mittelhochdeutschen Wort vreten und bedeutet sich quälen. Im Garten oder im Hof konnten folgende Blumen blühen: Barbarablumme = Kapuzinerkresse, Botterblumme = Löwenzahn, Fedderreescher = Gartennelke, Herbschtroose = Astern, Krawellcher = Portulakröschen, Kwaake = Löwenmaul, Märzkrigelcher = Hyazinthe, Muschkatle = Geranie, Neegelcherbaam = Flieder, Oschterschellche = Narzisse, Pappelroos = Stockrose, Putschneegelcher = Bartnelke, Sammetveijule = Stiefmütterchen, Thuwacksblume = Petunie, Tulpane = Tulpen und Leander. Eher auf dem Feld wuchsen die Pipatsch = Mohnblume, das Rengelkraut = die Wegmalve, die Kwecke = Ackerunkraut, die Hinggelsdärm = Vogelmiere und das Phickgras, das ist ein Gras mit schmalen Blättern, das an der Kleidung klebte. Auch die Maulbeerbäume wuchsen am Straßenrand. Nicht nur Pflanzen, auch Tiere und Insekten gab es im Garten. Hemmermeische sind Grillen, Kauzekepp sind die Kaulquap-
105 pen, Kraake sind Krähen, Kretsche hießen die Feldhamster, Mauerwolf ist der Maulwurf, Ometze sind Ameisen, der Specht ist der Baampicker, die Schneidergääs ist eine Libelle, das Herrgottspipelcher ist der Marienkäfer und der Pumpeller ist der Schmetterling. Das kommt vom französischen Wort papillon. So liewe Leit, jetz han ich genuch verzählt. Ich muss noch in de Gaarte a bissi arweite. Die Bakantsche brauche ich dazu aber nicht, das kommt aus dem ungarischen bakancs für Schnürschuh. Das sind Schuhe aus Leder, die man meist für die Feldarbeit angezogen hat. Aber blosfissich will ich auch nicht gehen. In Österreich sagt man übrigens auch bloßfüßig und nicht wie in Deutschland barfuß. Gschwind noch et Schickseltuch uffgebunn und es kann losgehen. Das ist ein Kopftuch, das man hinten am Kopf zusammengebunden hat. Das ist eine Ableitung vom Wort Schickse, das ursprünglich ein Ausdruck für ein Christenmädchen war. Hier ist wohl eher von der Bedeutung Dienstmädchen auszugehen und sehr wahrscheinlich hatten die Schwowe in den Städten die Dienstmädchen mit nach hinten gebundenen Kopftüchern gesehen und dann den Ausdruck Schickseltuch dafür gefunden. Oh je, jetzt muss ich mich aber beeilen, bevor mich noch der Nachtschlappe holt. Das ist eine Schreckgestalt, mit der man unfolgsamen Kindern abends drohte, damit sie im Haus blieben. In zwei Sprichwörtern der Billeder kommen auch Tiere vor, die in jedem Haus vorhanden waren. Wenn jemand sehr schnell und ununterbrochen redet, sagt man, „Dem sei Maul geht wie ä Entearsch.“ Wenn jemand zu viel Luft im Bauch hat, sagt man „ De forzt wie ä Gerwehund“. So und nun liebe Landsleute würde sich über eine Erklärung eines Hefehunds sehr freuen Eure Wortschatzsucherin.
Dichtung - Dialekt
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Weihnachten 2010 im Heimathaus der Billeder Deutschen. Foto: Roswitha Csonti
Weihnachtsgedanken
W
ir erinnern uns alle: Im September des laufenden Jahres war Papst Benedikt XVI. zu Besuch in Deutschland. Bei seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag erzählte er von dem wegen seiner Weisheit berühmten König Salomon, der, als er eine Bitte frei hatte, sich ein hörendes Herz wünschte. Dies legte der Papst auch den Parlamentariern ans Herz. In der Advents- und Weihnachtszeit gibt es nicht nur viel zu sehen, zu riechen und zu
Hermine Schnur (Franz)
schmecken, sondern auch einiges zu hören. Lassen wir die überall präsente Werbung, die berieselnde Musik im Supermarkt, die den Umsatz steigern soll und alle anderen teilweise aggressiven Verkaufsmethoden in der vorweihnachtlichen Zeit einmal beiseite. Wie war es wohl mit allem Hörbaren vor 50, 100, 1000 Jahren und mehr? Sicherlich kam es in alten Zeiten nicht aus der Steckdose. Menschenstimmen, Tierlaute und Musikinstrumente waren wohl in der Überzahl.
Dichtung - Dialekt Das mit dem gesprochenen oder gesungenen Wort können wir uns bis vor 50, maximal 100 Jahren, noch gut vorstellen. Was darüber hinausgeht, ist eher Spekulation. Deshalb will ich mich auf das vertonte Wort beschränken. Mir kommen da die alten Weihnachtslieder in den Sinn, die ich mit meiner Familie am Christbaum gesungen habe. Ist dies nur eine längst überholte, nicht mehr zeitgemäße Tradition? Eher nein. Die Weihnachtslieder erzählen nicht nur von vergangenen Zeiten und Geschichten aus fernen Tagen. Auch heute haben sie noch eine Botschaft an uns und weisen wohl auch in die Zukunft. Es sind Lieder mit doppeltem Boden. An einige der bekanntesten Weihnachtlieder wollen wir uns nun gemeinsam erinnern: „Alle Jahre wieder“: Es gibt immer einen Anlass, sich auf etwas zu freuen, nicht nur auf Weihnachten, sondern auch im Laufe des Jahres. Aber auch die routinemäßige Wiederkehr eines Festes gibt uns Halt in unserem oft stressigen und bewegten Leben, dient sozusagen als Ruhepol. „Morgen kommt der Weihnachtsmann“: Auch wenn viel darüber gesprochen und geschrieben wird, dass Weihnachten nur zum Geschenke-Austausch herabgesunken ist – wir freuen uns trotzdem über Kleinigkeiten oder eine winzige Geste der Anerkennung und empfinden selbst auch Freude am Geben. „Lasst uns froh und munter sein“: Vorfreude ist bekanntlich die größte Freude. Dies lehren uns vor allem erwartungsvolle Kinderaugen. Versuchen auch wir, uns ein Stück Kindlichkeit und Unbefangenheit zurückzuerobern. „Es ist ein’ Ros’ entsprungen“: Oder wie die Popsängerin Lena singt: „Wunder ge-
107 schehn“. Wie kann eine Rose erblühen „mitten im kalten Winter“? Der Glaube an alles Wunderbare, nicht Erklärbare und kaum Fassbare sollte uns auch erhalten bleiben. „O Tannenbaum“: Die ewig währende Botschaft ist in der dritten Strophe ausdrücklich erwähnt. Das immergrüne Kleid des (Weihnachts-)Baumes ist ein Symbol für „Hoffnung und Beständigkeit“, „Mut und Kraft“. Und dann gibt es noch die gängigen Weihnachtslieder, die die Weihnachtsgeschichte, von der Geburt Christi erzählen. Allen voran „Stille Nacht, heilige Nacht“, über das ich schon an anderer Stelle geschrieben habe. Was macht dieses Lied in der Auffassung vieler Christen zum wohl schönsten Weihnachtsgesang? Ist es die eingängige Melodie, der perfekte Reim oder die tolle Geschichte? Wohl eine Kombination von allem. Für mich ist es ein Inbegriff von Harmonie, Ruhe und Frieden. Werden Sie still und staunen Sie, was es alles zu hören gibt. Öffnen Sie zur Weihnachtszeit die Türen Ihrer Ohren und fällen Sie Ihr eigenes Salomonisches Urteil, welches der bekannten Lieder Ihr persönlicher Lieblingsgesang ist. „Man sieht nur mit dem Herzen gut“, lässt der französische Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry den kleinen Prinzen sagen und lobt somit die Vorzüge eines sehenden Herzens. Nehmen wir auch die Empfehlung des Papstes beim Wort und legen uns ein hörendes - und zuhörendes – Herz zu. In diesem Sinne wünsche ich allen Landsleuten ein hörendes Herz und viele schöne Weihnachtslieder als „Ohrenschmaus“, auf dass sie Ihnen immer etwas zu sagen haben! Wohlklingende Weihnachten!
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Leistung und Würdigung
Zum 50. Todestag der Ordensfrau Hildegardis Wulff
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r. Hildegardis Wulff, Mitbegründerin des Ordens der Liobaschwestern (gegründet 1920), wurde 1896 in einer Industriellen-Familie Mannheims geboren, studierte Germanistik und Geschichte, konvertierte während ihres Studiums zum Katholizismus, weil die Wissenschaft sie enttäuscht hatte und sie unentwegt das Wahre, Große suchte. Viele Hindernisse hatte sie dabei zu überwinden, gesundete jedoch im Glauben, der ihr Freude und Kraft gab. Ihr sehnlichster Wunsch war, ihr Leben ganz und völlig in den Dienst Gottes zu stellen. 1927 kam sie zu Vortragsreisen auch ins Banat. Darüber und über Billed hielt sie fest: „Zwei Dinge allerdings machten mich beim ersten Besuch schon ein wenig nachdenklich: Am Fest Epiphanie besuchte ich einige deutsche Dörfer in der Nähe von Temeswar. Da es gerade läutete, gingen wir in die Kirche. Es war der Hauptgottesdienst des Tages; das Dorf – Billed – dürfte 3.000 Einwohner gehabt haben; außer Pfarrer, Mesner, Ministranten, Kantor und uns Gästen zählte ich 7 alte Frauen und 2 Kinder in der Kirche. Als ich später, einer Einladung folgend, 2 Bauernhäuser in Billed besichtigte, fand ich großen Wohlstand und Sauberkeit, prächtiges Vieh, schöne Möbel, aber weder eine Bibel noch ein Gesang- oder Gebetbuch in den Häusern. Um das religiöse Leben schien es also wirklich sehr schlecht bestellt zu sein.“ Die 2. unangenehme Sache war der Umstand, dass ein aus schwäbischer Familie stammender Pfarrer den eigenen Bischof nur kritisierte und seine Landsleute – die Schwaben – verspottete und verurteilte. Bei ihrem letzten Vortrag 1928 im Saal der Banatia bat H.H. Domprobst und Prälat Blas-
Sr. Hildegardis Wulff, Benediktinerin von der hl. Lioba kovics: „Unser Volk bedarf der christlichen Erziehung und des Unterrichts in der Muttersprache. Kommen Sie und erfüllen Sie hier bei uns eine volkspädagogische Aufgabe, zu der Sie berufen sind.“ Dazu hielt sie selbst fest: „In diesem Land, wo nicht so viele Geistliche und Klosterfrau en waren wie in Südwestdeutschland, gab es ein großes, weites missionarisches Wirken. Das hatte ich mir seit meiner Kindheit, seit dem Eintritt in St. Lioba gewünscht. Es war ein Arbeiten und ein Einsatz für Gott, den wahren Glauben und die Kirche. Ich war ungemein glücklich über diese Aussicht.“ 1929 begann Hildegardis Wulff dann auf Einladung des Bischofs Augustin Pacha ihre
Leistung und Würdigung große kulturelle und religiöse Arbeit in den katholischen Frauenvereinen und Mädchenkränzen des Banats. Schon 1930 gab es in Lovrin ein herrliches Fest mit 1.000 Teilnehmerinnen aus 26 Ortschaften, ein Fest „wie ein ähnliches das schwäbische Volk des Banats während der 200 Jahre seines Hierseins nicht erlebt hat.“ (Banater Deutsche Zeitung) Vielseitige Bildung, besondere Rednergabe, sympathische Umgangsformen und edle Begeisterung machten ihre Erfolge möglich. Dabei beschränkte sie sich nicht auf Kindererziehung, Jugendfürsorge, Psychologie, Kirchen- und Profangeschichte, Fragen des gesellschaftlichen Lebens, sondern erfasste auch Volkshochschule, Krankenhaus, Armenpflege, veschiedene Hilfswerke. Der strahlende Geist dieser Frau zog viele Menschen magnetisch an, doch ihr tiefstes Wesen war begründet im Geiste der unbedingten Hingabe an das gewählte Lebensideal. Sie war jedoch nicht nur die starke, unbeugsame Frau, sondern auch die gütige Mutter, die menschliche Schwächen verstand, sie mit Humor ertrug, nie etwas gegen ihre Überzeugung tat. Ihr eigentliches Lebenswerk war die Gründung und der Aufbau des Temeswarer Priorats, Jahre unermüdlichen Schaffens für die Deutschen im Banat, die sittlich-religiös gefährdet waren. Widerstände und Hindernisse hat sie stets überwunden, doch schon der Nationalsozialismus schränkte sie empfindlich ein, nach Kriegsende wurde ihr Werk durch die Kommunisten völlig zerstört, das Priorat 1948 aufgelöst. Bedingt durch die Russlanddeportation hatte sie nach 1945 das Kinderhilfswerk ins Leben gerufen und später auch das Heimkehrerhilfswerk für die kranken Zwangsverschleppten an den verschiedenen Grenzpunkten. „Zum Dank“ für ihr selbstloses Wirken verhafteten die Kommunisten sie 1950,
109 machten ihr 1952 den Prozess, durch den sie zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Im Februar 1958 schrieb eine freigekommene Mitgefangene an die Benediktinerinnen von der hl. Lioba in Freiburg: „Unter zahlreichen Menschen, mit denen mich meine Kerkerzeit zusammengeführt und auch enger verbunden hat, gibt es nur einen, der mir unvergesslich ist: die katholische Ordensschwester Hildegardis. Als ich diese außergewöhnliche Frau im Gefängnis Mislea kennenlernte, war sie bereits 60 Jahre alt und hatte schon 4 Jahre Haft hinter sich. Sie beschenkte uns aber alle immer wieder durch ihren Lebensmut und ihre Unverzagtheit... Ich konnte es nicht fassen, dass diese Frau, die doch wirklich von einem Leben in Freiheit kaum noch träumen durfte (zu 25 Jahren verurteilt), immer noch so vertrauensvoll und zuversichtlich dem Morgen entgegensah... Sie glaubte an das große Wunder, um weiterleben zu können.. Dabei wurzelte dieser Glaube in den vielen Dingen und Zusammenhängen, die sie kannte: Philosophie, Kunstgeschichte, Musik, Dichtung, die ihr auch im Kerker die innere Freiheit bewahrten. Von ihren inneren Schätzen teilte sie oft und großzügig aus...“ Nach 9 Jahren Kerker erfolgte ihre Freilassung und sie hatte noch große Pläne, wollte neu beginnen. Doch am 20. Oktober 1961 erlag sie einer leidensvollen Krankheit und starb als Märtyrerin unserer Zeit. Sie hat bei uns Maßstäbe gesetzt, war ein Vorbild, das aller Nachahmung wert ist. Aus „Schwester Hildegardis: Weg, Werk und Vermächtnis“ Eine Würdigung zum 100. Geburtstag der Priorin Herausgegeben von der Landsmannschaft der Banater Schwaben, Landesverband Bayern 1996
Leistung und Würdigung
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Josef Unterreiner und Josef Wild inmitten junger Billederinnen. Eins.: Hans Martini
In memoriam Josef Wild
B
eim Besuch des Sauerländer Friedhofs fiel mein Blick auch auf das gemeinsame Grab von Erzdechant und Ehrendomherr Josef Unterreiner und Dechant Josef Wild. Dabei erkannte ich, dass es nun schon 50 Jahre seit dem plötzlichen Tod des Letztgenannten sind, Zeit somit, ihn wieder in unser Gedächtnis zurückzuholen. Am 21. Oktober 1900 in Triebswetter geboren, besuchte Josef Wild zwischen 1910 und 1918 Gymnasien und die Lehrerbildungsanstalt in Temeschburg, wo er auch von 1922 bis 1927 Theologie studierte und 1927 zum Priester geweiht wurde. Anschließend war er bis 1933 Kaplan in Reschitz, Perjamosch und Billed, von 1933 bis 1946 Seelsorger in Gottlob, 1946 bis 1961 in Billed, wo er von 1951 bis zu seinem Tode 1961 Dechant war. In der Erinnerung der Billeder weckt er bestimmt widersprüchliche Meinungen und Einschätzungen. Es gibt aber gewiss diejenigen, die ihn ver-
Elisabeth Martini (Frick)
ehrt haben und durch seinen frühen, plötzlichen Tod schockiert waren. Denn seine Bemühungen liefen dahingehend, Menschen tief zu beeindrucken und dadurch für den Glauben zugänglicher zu machen. Durch seine Predigten erreichte er ohne Mikrofon den hinterst Stehenden in der Kirche, doch auch die auf der anderen Straßenseite Vorbeigehenden. Dabei drückte er auf die Tränendrüse, denn Weinende sind Geängstigte, die vor allem in der Kirche Trost suchen. Als Seelsorger und ausgebildeter Lehrer versuchte er, auch in den schweren Zeiten des Kirchgang-Verbots für Lehrer und Schüler Möglichkeiten zu finden, diese Verbote zu umgehen. Religionsunterricht und sonstige kirchliche Aktivitäten für Kinder wurden so terminiert, dass angesagte Partei-Inspektionen davon nichts wahrnahmen, zumal es eine gut funktionierende Zusammenarbeit zwischen den deutschen Lehrern und dem Seelsorger gab. Trotzdem gelangte er wiederholt ins Kreuzfeuer der kommuni-
Leistung und Würdigung
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Kommunion 1943 1. Reihe oben v. l. n. r: Hans Klein, Josef Gebel, Nikolaus Metzger, Jakob Muttar, Hans Martini, Werner Zimmermann, Josef Mann, Peter Schweininger, Adam Tobias. 2. Reihe: M. Pasmann, Katharina Hahner, Anna Schwendner, Kath. Herrenreich, Magd. Thöress, Maria Ochsenfeld, Maria Hager, Anna Slavik, Maria Dumelle, Maria Toma, Elisabeth Bauer. 3. Reihe: Susanna Decker, Elisabeth Horbert, Kath. Eichert, Susanna Pfersch, Barbara Laub, Margaretha Just, Kaplan Lehnert, Maria Krier, Elisabeth Steiner, Magdalena Neisz, Cecilia Barbier, Barbara Rosani, Margaretha Merk. untere Reihe: Johann Klein, Peter Krier, Wilhelm Grosz, Adam Welter, Nikolaus Gilde, Hans Braun. Eins. Hans Martini stischen Machthaber, doch ohne an diesen Klippen zu zerschellen. Schon als Kaplan hat sich Josef Wild für die kulturelle Tätigkeit der Billeder Jugend eingesetzt, was Fotos aus dieser Zeit belegen. Viele Generationen hat er für die Erste Kommunion, die Firmung und das Ehesakrament vorbereitet. So erinnere ich mich, dass wir als 8-9Jährige, nachdem ein Teil unseres Jahrgangs in den Baragan verschleppt worden war, von Pfarrer Josef Wild auf die Erste Kommunion vorbereitet wurden. Wir saßen betend und zitternd in der Kirche, während das furchtbare Gewitter von 1951 mit schrecklichem Hagel die Kirchenfenster zerschlug. Zu Tode erschreckt, konnten wir nur beten und an unsere Eltern denken, die draußen auf dem Feld waren, dem Unwetter ausgesetzt. Auch wenn im Unterschied zu Herrn Dom-
herr J. Unterreiner Dechant J. Wild mehr die harte Tour fuhr, so konnte er auch nett und hilfsbereit sein,was ich selbst erfahren habe, als ich Studentin in Temeschburg war und ein Latein-Wörterbuch brauchte. Rückerstatten konnte ich es ihm nicht mehr, weil der plötzliche Tod ihn hinweggerafft hatte. Selbst wenn die Einschätzungen der Billeder hinsichtlich seiner Wesensart und seines Wirkens auseinandergehen, war Dechant Josef Wild trotz allem bemüht, die ihm anvertrauten Schäflein im Glauben zusammenzuhalten, sich gegen den kommunistischen Druck zu behaupten und dabei auch das Leben zu genießen, sich des Schönen zu erfreuen: Ein Mensch eben mit Funktion und Mission, mit Stärken und Schwächen, wie wir ihn in Erinnerung behalten wollen.
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Leistung und Würdigung
Margarethe Weber (Divo) ist 90 geworden!
„W
ie mit den Lebenszeiten so ist es auch mit den Tagen... Jeder hat seine Unvollkommenheit. Aber rechne sie zusammen, so kommt eine Summe Freude und Leben heraus“, sagte schon Friedrich Hölderlin und hatte recht. Denn, wer die schwierigen Tage nicht zählt und die schönen Zeiten seines Lebens hervorhebt und sich ihrer gerne erinnert, hat mit Zuversicht und Zufriedenheit gelebt. Obwohl Margarethe Weber (Divo) auch schwere Zeiten überwinden musste, konnte sie mit Optimismus und Gottvertrauen im Kreise ihrer Familie ihren 90. Geburtstag feiern. Sie wurde am 22. Juli 1921 in Billed geboren. Ihr Vater Peter Divo war gelernter Kaufmann, betrieb viele Jahre bis zu seinem Tode 1961 eine Sodawasser-Abfüllanlage und bearbeitete bis zur Enteignung seinen 2 Joch großen Weingarten, verkaufte den Wein. Ihre Mutter Katharina, geb. Mumper, war gelernte Schneiderin und betrieb gemeinsam mit ihrer Schwester Margarethe Mumper eine Schneiderei mit 2 Angestellten und 3-4 Lehrmädchen. Die Kindergarten- und Volksschuljahre ver brachte Margarethe Divo in Billed. Da sie und ihre 1922 geborene Schwester Anna Lehrerinnen werden wollten, besuchten sie 4 Gymnasialklassen und danach 4 Klassen der Lehrerinnen-Bildungsanstalt an der Josefstädter Klosterschule des Notre-Dame-Ordens, waren Zöglinge des Internats. Nach Absolvierung und Befähigungsprü fung wurde Margarethe Divo Lehrerin an der deutschen Volksschule in Kleinjetscha, wo sie 1941/42 und 1942/43 die Klassen 1 bis 4 simultan unterrichtete. Da die Schülerzahl rückläufig war, verblieb nur der Schuldirektor an der Schule, Margarethe Divo wurde an die Volksschule von Groß-
dorf (bei Perjamosch) versetzt, wo sie alle 7 Klassen zu unterrichten hatte, 1943 / 44 zugleich auch Schuldirektorin war. Hier leitete sie in den Sommermonaten auch den Erntekindergarten. Als die Volksgruppe ihre eigenen deutschen Schulen hatte, mussten die Lehrerinnen in den Sommermonaten Dienst in den Erntekindergärten versehen, damit die Bauernfamilien sorglos die Feldarbeit verrichten konnten. So hatte Margarethe Divo schon nach Absolvierung 1941 Dienst im Erntekindergarten Triebswetter, dann in Kleinjetscha, wo sie Lehrerin war. Nach dem 23. August 1944 kehrte sie ins Billeder Elternhaus zurück, doch auch heute noch – nach gut 70 Jahren - erhält die geschätzte Lehrkraft Anrufe und Briefe ihrer
Leistung und Würdigung ehemaligen Schüler, die sie nicht vergessen haben. An diese Zeiten erinnert sie sich gerne, doch musste sie in ihren jungen Jahren auch schwere Schicksalsschläge hinnehmen: Im Januar 1945 wurden sie und ihre Schwester – wie viele andere auch – nach Russland zur Zwangsarbeit deportiert. Dort arbeitete sie im Laufe der Jahre als Handlanger auf Baustellen, auf einem Sowchos, in einer Schienenfabrik und zuletzt in einem Sägewerk beim Transport der Baumstämme zum Sägegatter. Erst 1949 durfte sie heimkehren. Da an der Billeder Schule Lehrerinnenposten frei waren, bekamen beide Schwestern eine Stelle. Dort lernte Margarethe Divo auch ihren künftigen Mann Wilhelm Weber kennen, der damals am 2. Zyklus Mathematik und Sport unterrichtete. Im Juli 1950 heirateten sie, ohne zu ahnen, was ihnen in weniger als einem Jahr bevorstand. Einen neuerlichen Leidensweg mussten sie – wie viele ihrer Landsleute – gehen: Die Deportation in die Baragan-Steppe, die in der Nacht vom 17. auf den 18. Juni 1951 begann. In diesem Verbanntendorf unterrichtete Margarethe Weber die aus 4 Klassen bestehende deutsche Abteilung an der rumänischen Schule. Im Herbst 1955 aus der Deportation entlassen und nach Billed zurückgekehrt, hatten sie viel an ihrem als Getreide-Depot der Genossenschaft benützten Haus zu renovieren, um es wieder bewohnbar zu machen. Da jedoch an der Billeder deutschen Schule kein Lehrerposten frei war, nahm sie einen Posten im deutschen Gemeindekindergarten an, ihr Mann den Lehrerposten an der 4. Klasse der rumänischen Schule. So konnten beide in Billed bleiben, Margarethe Weber übernahm von ihrer Vorgängerin Maria Roman die Leitung des im Jakob-Mumper-Haus, Kirchengasse 240, untergebrachten Gemeindekindergartens mit 80 Vorschulkindern, in 3 Gruppen aufgeteilt. Die Höchstzahl betrug
113 96 und wurde allein von Margarethe Weber unterrichtet, unterstützt von einer Helferin. Wegen der Gaststätte von nebenan zog der Kindergarten in 3 Räumlichkeiten des PeterGlassen-Hauses um. Dieser Kindergarten wurde im Februar 1965 mit dem Kindergarten der Kollektivwirtschaft zusammengeschlossen und es unterrichteten 3 deutsche Kindergärtnerinnen. Nach Jahrzehnten im Unterrichtswesen tätig, ging Margarethe Weber 1976 in Rente, organisierte jedoch noch zum Abschluss mit ihrer Kindergartengruppe eine Mini-Kerweih. Die Kinder marschierten in Tracht, begleitet von der Billeder Blasmusik durch die Hauptgasse und versteigerten den KerweihStrauß im Festsaal des Kulturheims – ein Dorfereignis! Außerdem veranstaltete M. Weber mit den Kindern jedes Jahr ein Sommerfest und ein Jahresabschlussfest. Da Anfang der 70er Jahre ihr Mann eine Stelle an der Temeswarer Lenau-Schule antrat, wollte die Familie dorthin umziehen und konnte nach dem Tod der Schwiegereltern 1980 in deren Haus einziehen. Familiäre Umstände führten anschließend dazu, dass auch sie ihre Aussiedlung in die Bundesrepublik beantragten. Im Januar 1986 ließen sie sich in Bielefeld nieder, wo schon die Tochter Grete mit Familie wohnte. Frau Weber hat 2 Töchter, 4 Enkelkinder und 1 Urenkel. Die Billeder Dorfgemeinschaft dankt für den unermüdlichen Einsatz im Sinne der frühen Kindererziehung, die ungemein viel Geduld, Ausdauer und Einfühlungsvermögen erfordert wie auch Liebe für das anvertraute Kind, für die verantwortungsvolle Arbeit hinsichtlich seiner Entwicklung zum guten Menschen. Mögen dieser schicksalserprobten Frau, Mutter, Großmutter und Urgroßmutter noch schöne Jahre im Kreise ihrer Lieben beschieden sein.
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Leistung und Würdigung
Johann Gehl mit 85 noch voll dabei
Elisabeth Martini (Frick)
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usgeglichen, mit sich und der Welt in relativem Gleichgewicht, weder vergrämt noch verbissen, vielmehr offen lächelnd und entgegenkommend ist er geblieben, den viele Jani nennen, andere auch nach Jahrzehnten Herr Direktor, in Anerkennung seiner Leistung und Würde.
Selbst jetzt – mit stolzen 85 Jahren - gehört er noch zum Haus der Heimat Karlsruhe, auch wenn er seit seinem 80. Geburtstag dort nicht mehr Bibliothekar ist, zumal die Bücherei aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen wurde. Auch die Leitung der zweimal pro Jahr stattfindenden Seniorentreffen hat er 2008 an Jakob Muttar abgetreten und bei der feierlichen Übergabe als Anerkennung seiner Arbeit im Dienste der Landsleute die Ehren-Urkunde der HOG Billed erhalten. Noch in der Zeit als Geschäftsführer im Haus der Heimat hatte Johann Gehl Frühschoppen und Kartenpartie am Sonntagmorgen dort eingeführt, die heute noch laufen, wenn auch mit etwas geschrumpfter Teilnehmer-Zahl. Früher, noch besser besucht, wurden hier auch kultur-politische Informationen, Videovorführungen u.a. geboten. Vom ausgeglichenen Rentnerdasein rückblickend gab es im Leben unseres Landsmanns Höhen und Tiefen, Erfolge und Schicksalsschläge, die ihn jedoch nicht kleinkriegen konnten. Er überstand die 5 Jahre Russlanddeportation im Donbass und ging, in die Heimat zurückgekehrt, unbeirrt seinen Weg, um als Lehrer seinen Landsleuten in jeder Situation helfend zur Seite zu stehen. Dabei hat er verschiedene Stufen durchlaufen, war: Hilfslehrer, Erzieher, Kulturheimleiter, Schulleiter, Grundschullehrer, Biblio-
Johann Gehl mit 82 thekar, diplomierter Sportlehrer, Geschäftsführer im Haus der Heimat, Mitherausgeber des Billeder Heimatblattes und manches mehr. Dabei hatte er stets die volle Unterstützung seiner Familie: seiner verständnisvollen Frau Elisabeth und der beiden Kinder Herbert und Karla. In Anerkennung seines unermüdlichen, oft selbstlosen Einsatzes im Dienste seiner Mitmenschen, wurde er wiederholt geehrt und 1996 wurde ihm der Ehrenbrief der Landsmannschaft der Banater Schwaben verliehen. Wir gratulieren herzlichst und wünschen noch schöne Jahre im Kreise der Familie und der Landsleute.
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30 Jahre seit dem unerwartet frühen Tod von Dr. Walter Martin Halm
iel zu früh ereilte den erst 46-jährigen, allseits beliebten Arzt W. M. Halm der plötzliche Tod und setzte seinem unermüdlichen Schaffen im Dienste der Kranken, seiner Mitmenschen, ein jehes Ende. Diese, seine Mitmenschen, vernahmen es mit Betroffenheit und tiefer Trauer, bereiteten ihm aus Wertschätzung und Dankbarkeit ein an die Tausend Menschen zählendes letztes Geleit. Stets um die Kranken besorgt, gönnte er sich kaum Ruhepausen, schlitterte in die totale Erschöpfung und das Versagen eines müden Herzens. Am 17. August 1935 in der damals noch rein schwäbischen Heidegemeinde Marienfeld geboren, war er der Sohn von Alexander und Julianne Halm, besuchte hier von 1942 bis 1949 die Volksschule und anschließend in Temeswar das Deutsche Lyzeum, das er 1953 mit Abitur abschloss. Als Deutscher konnte er nur unter großen Schwierigkeiten seine Zulassung zum Medizinstudium erlangen, das er 1959 mit der Bestnote an der Medizinischen Fakultät Temeswar beendete. Nach der Promotion zum „Dr. med.“ war W. M. Halm zwischen 1959 und 1961 als Kinderarzt in Bozovici, Lovrin und Marienfeld tätig, kam dann als Allgemeinarzt nach Billed, wo er bis 1969 wirkte, dem Jahr seiner Ausreise in die BRD. Seit November 1959 war er mit Roswitha Halm, geb. Schön, Chemieingenieurin, verheiratet, die an der Billeder Schule auch vertretungsweise Chemie unterrichtet hat. Dort in Billed wurden beide Kinder geboren: Klaus (1961) und Roswitha (1966). Für die Kranken hat er alles gegeben, was die Billeder nie vergessen werden, seine tiefe Menschlichkeit, sein Einfühlungsvermögen, seine Geduld und Opferbereitschaft, seine Fachkompetenz. Doch der politische Rahmen stimmte nicht, was die Familie 1969 dazu brachte, der alten Heimat Ade zu sagen
und unter großen menschlichen und materiellen Opfern ein neues Dasein in der BRD zu beginnen, mit Mut und Selbstsicherheit, Fleiß und Güte. Nach vorübergehender klinischer Tätigkeit am Krankenhaus Trossingen ließ sich Dr Halm 1970 als Arzt für Allgemeinmedizin in Deißlingen nieder. Er war – auch in Billed schon – Landarzt aus Leidenschaft, weil er eben in der Arztpraxis, bei Hausbesuchen usw. intensiver die Sorgen und Nöte , aber auch die Eigenarten und kleinen Schwächen seiner Mitmenschen erlebte. Genau wie die überaus zahlreichen Trauergäste bei seiner Beerdigung in Deißlingen wollen auch die Billeder durch den Vorstand ihrer HOG hiermit dem Arzt und Helfer ein tief empfundenes „Vergelts Gott“ aussprechen für seinen nimmermüden Einsatz zum Wohle der ihm anvertrauten Kranken, ihre Wertschätzung und Dankbarkeit dem leidenschaftlichen und beliebten Arzt.
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Neue CD „Träume zur Weihnachtszeit“
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ach dem großen Erfolg ihrer ersten CD „Das Beste von Irmgard und Melitta - Klassik und Volksmusik“ wagte sich das Duo an eine neue Produktion, diesmal ist es eine CD mit den schönsten Weihnachtsliedern wie: „Süßer die Glocken nie klingen“, „Wenn ein Stern vom Himmel fällt“,
mit Irmgard Holzinger-Fröhr und Melitta Giel „Es blüht eine Rose zur Weihnachtszeit“ „Ave Maria no Morro“, „Stille Nacht, heilige Nacht“, „Vater Unser“ (von Hanne Haller) und viele andere. Die Lieder werden im Duett sowie als Solo-Einlagen vorgetragen. Für die musikalische Begleitung sorgte der Pianist Bruno Scarambone. Die Aufnah-
Leistung und Würdigung men fanden im Tonstudio von Rony Reck in Karlsruhe statt. Irmgard und Melitta sind langjährige Mitglieder des Chores der Banater Schwaben Karlsruhe, wo sie als Duo sowie als SoloSängerinnen auftreten. Irmgard als auch Melitta wurden beide in Temeschburg geboren. Irmgard verbrachte ihre Kindheit und Jugendzeit bis zur Ausreise in Billed bzw. Lovrin, Melitta in Kleinjetscha. Beide verzeichneten schon einige musikalische Erfolge in ihren Heimatgemeinden.
117 Melitta sang im Jugendorchester ihres Hei matortes sowie in der Großjetschaer Musikkapelle. Zurzeit singt sie im Extrachor am Badischen Staatstheater Karlsruhe. Irmgard sang in Lovrin im „Nikolaus Barzer-Orchester“ und hatte Auftritte im Rumänischen Fernsehen – Deutsche Stunde. Nach ihrer Ausreise gründete sie mit Isolde Reitz das „Duo Romantika.“ Ihr musikalisches Können beweisen beide bei verschiedenen Gelegenheiten, insbesondere bei landsmannschaftlichen Anlässen.
Billeder bei den Chören Reutlingen, Rastatt, Traunreut, Frankenthal und Karlsruhe Billeder Sänger bei den verschiedenen Chören haben beim Chortreffen in Gersthofen sich für ein gemeinsames Gruppenbild speziell für das Billeder Heimatblatt aufgestellt. Auf dem Foto von links nach rechts: 1. Reihe: Ruth Schrottmann, Elisabeth Koch, Susanne Ballmann, Maria Muhl, Lissi Braun 2. Reihe: Maria Donawell, Erika Mumper, Katharina Senn, Anna Martini 3. Reihe: Magdalena Roos, Irmgard Holzinger-Fröhr, Elisabeth Schwarz, Marlies Holzinger 4. Reihe: Helmut Slavik, Jakob Schrottmann, Hannelore Slavik, Joseph Herbst, Peter Mann
144 Inhaltsverzeichnis In eigener Sache.................................................................................................................................2 Vorwort, Werner Gilde . ..................................................................................................................3 Heimattag der Billeder 2011, Hans Rothgerber............................................................................4 Ansprache von Ralf Gilde am Billeder Gedenkstein am Heimattag 2011, Ralf Gilde.........18 Beim Höhepunkt der 10. Heimattage in Temeswar mit dabei, Elisabeth Martini (Frick).... 20 Heimattage Baden-Württemberg 2011 in Bühl, Kerstin Klein................................................. 23 Sommerfest in Karlsruhe, Melanie Müller................................................................................. 24 Schlachtfest bei der Trachtenblasmusikkapelle Billed-Alexanderhausen, Adam Tobias...... 28 Zu Allerheiligen am Billeder Gedenkstein, Peter Neumann.................................................... 32 Innenstaatssekretär Dr. Christoph Bergner MdB erneut in Billed, Peter Krier..................... 36 Team 29 der Allgäu-Orient-Rally 2011 nächtigt im Heimathaus..........................................38 Urlaub 2011 in Billed, Vanessa und Justine Prutean................................................................. 41 Besuch in Billed, Klaus Rennert.................................................................................................. 44 Das Fest der Gemeinde am 28. August 2011, Josef Freer........................................................ 49 Karlsruher in Hamburg am „Tor zur Welt“, Irmgard Triess..................................................... 50 Banater Rückwanderer im Deutschen Auswandererhaus Bremerhaven, E. Martini............ 53 Billeder Seniorentreffen 2011, Jakob Muttar............................................................................. 58 Die von Billeder Mädchen besuchten Klosterschulen, Margarethe Weber (Divo)................ 60 Beim Ackern, Peter Krier............................................................................................................. 71 Bäuerlicher Heiratsvertrag aus dem Jahr 1835, aus dem gotischen von Hans Buch.............. 76 60 Jahre Baraganverschleppung aus dem Banat 1951-1956.................................................78 Aus meiner Erinnerung, Marliese Knöbl (Wagner).................................................................... 90 „Bruder“ in Not, Marliese Knöbl (Wagner)................................................................................ 92 Wenn ein Jahr zur Neige geht, Marliese Knöbl.......................................................................... 93 Werbesprüche in den Jahren 1930 - 1940 ; im Banat und in Billed, Josef Herbst ............... 94 Gedichte aus dem Band „Im Staub der Geschichte“, Horst Samson....................................... 96 Erneut im Elternhaus, Hans Dama.............................................................................................. 98 Die EU, Hans Dama...................................................................................................................... 99 Reschpekt..., Erwin Csonti.......................................................................................................... 100 Heimat ......................................................................................................................................... 100 Es ist traurig..., Otto Aczel........................................................................................................... 102 Die arme Kirchenmaus, Karl Balogh........................................................................................ 102 Hergottspippelcher un Hinggelsdärm, Erika Weith, geb. Leidecker ..................................... 103 Weihnachtsgedanken, Hermine Schnur (Franz)....................................................................... 106 Zum 50. Todestag der Ordensfrau Hildegardis Wulff ........................................................108 In memoriam Josef Wild, Elisabeth Martini (Frick)................................................................ 110 Margarethe Weber (Divo) ist 90 geworden!........................................................................112 Johann Gehl mit 85 noch voll dabei, Elisabeth Martini (Frick)............................................. 114 30 Jahre seit dem unerwartet frühen Tod von Dr. Walter Martin Halm.................................... 115 Neue CD „Träume zur Weihnachtszeit“, mit Irmgard Holzinger-Fröhr und Melitta Giel... 116 Selbstständige und Unternehmer mit Billeder Wurzeln in Deutschland, Josef Herbst....... 118 Statistik unserer Billeder Landsleute in Rumänien, Josef Herbst.......................................... 121 Statistik unserer Landsleute weltweit, Josef Herbst................................................................ 124
Billeder Rentner beim Kartenspiel im Haus der Heimat. Eins.: Hans Martini Während der Hauptversammlung der HOG Billed am Pfingstsonntag 2011 in der Gaststätte der Rintheimer Sporthalle
Geschenktipp! für Billeder, Banater und alle Blasmusikfans Hörproben unter: www.heimathaus-billed.de/cd2 - Sie werden die Ohren spitzen! Bestellungen bei Jakob Muttar: j.muttar@web.de oder Tel. 0721/784177 (Preis pro CD: 16.- € zzgl. Versand)
„Gruß aus der Heimat“ - die neue CD 2 unserer „Blech“ Auch die Lieder dieser CD2 gehörten zum Repertoire der alten Billeder und Banater Blechblaskapellen. Die Noten von damals sind unter der musikalischen Leitung von Prof. Anton Hollich aufwendig restauriert worden. Diese „Stücke“ sind nicht nur ein Denkmal für die legendäre „Blech“, sie wurden inzwischen vom SWR4, vom Bayerischen Rundfunk und von Radio Temeswar gesendet.
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Billeder Heimatblatt 2011
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Billeder Heimatblatt 2011
www.heimathaus-billed.de
Herausgegeben von der HOG Billed www.billed.de