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MBUZI DUME - TOM BELZ

MBUZI DUME

Wir begegnen uns auf Augenhöhe, nicht allzu schwierig bei einem Skype-Interview. Die starke Bergziege «Mbuzi Dume» namens Tom Belz, so genannt von den afrikanischen Bergführern und der Titel des gleichnamigen Films, der beim European Outdoor Film Festival einen der Hauptpreise gewonnen hat, schaut mich grinsend an – unwillkürlich überträgt sich geballte positive Energie. Was so besonders dran ist? Da blicken wir doch kurz zurück.

Es ist anno 1995, ein achtjähriger Junge, schon damals ziemlich schnell unterwegs, stürmt über den Platz. Ein Pochen im Oberschenkel, ein Arztbesuch, Diagnose Knochenkrebs. Es folgt Chemotherapie, aber das Bein ist nicht mehr zu retten und muss direkt unter der Pobacke amputiert werden.

Was macht man dann mit seinem Leben? Man versucht zunächst, ein «adäquates» Leben zu führen. Alle wollen einem helfen. Auch jetzt wollen einem alle eine tolle Prothese verkaufen. Die Prothese würde mich aber erst recht behindern. Ich habe alles neu gelernt, mit Hilfe von Krücken. Zum Glück habe ich Eltern gehabt, die mich immer unterstützt haben, auch in dem Sinne, dass sie mich alles machen liessen! Ich glaube, da habe ich meine mentale Stärke geholt, durch alle Hochs und Tiefs hindurch, was für

meine Eltern sicher nicht einfach war.

Wie überwindet man denn die Tiefs? Eine Diagnose – egal welcher Art – ist wie ein Stempel, den man mit sich herumträgt. Und eigentlich will man genau den Stempel des Anders-Seins nicht, sondern normal sein. Es gab ein Schlüsselerlebnis. Ich war zu Besuch bei einem Schulkollegen. Dessen Mutter war nicht vorbereitet, wusste nicht wie reagieren, hat mir aber alles abgenommen: Stuhl hingestellt, ich sollte sitzen bleiben, war sozusagen nur Zuschauer der Szenerie. Zu Hause weinte ich bitter. Ich sagte zu meiner Mama: «Das darf nie wieder passieren!» Ab da habe ich mein Leben selber in die Hand genommen.

Und wie gehst Du heute damit um? Also wenn mir jemand die Tür aufhält, bleibe ich einen Meter davor stehen – und lass ihn mit der Tür «verhungern». Oder ich lächle und mache Spässe, hier auf Bali erzähle ich zum Beispiel, dass mir ein Hai das Bein abgebissen hat – und löse das Rätsel dann auf – Schock &

Lachen. Die Leute wissen einfach oft nicht, wie man sich verhalten soll, das weiss ich heute und gehe sehr entspannt damit um.

Du hast ja auch sonst einige verrückte Dinge gemacht? Eigentlich mache ich ganz normale Dinge, bei denen mir die normalen Menschen dann sagen, das ist ja total verrückt, was Du gemacht hast! Also mit dem Rollstuhl in die Halfpipe gehen, Surfen, Fussball spielen, Fahrrad fahren, DLRG-Schwimmen und eben Berge besteigen…

… was Dir dann das Strahlemann-Image verliehen hat? Genau. Ich denke, das ist schon wichtig, dass man Stereotypen durchbricht. Ich wäre damals froh gewesen, wenn mir jemand gezeigt hätte, dass auch mit einem Bein alles möglich ist.

Womit wir beim «Unmöglichen» angelangt sind, nämlich wie man den Kilimanjaro auf einem Bein bezwingt! Und vor allem Warum? Berge überwinden, war irgendwie sinnbildlich. Zudem war ich ein Fan des Films «König der Löwen». Da geistert immer der Kili im Hintergrund herum. Aber ich war vorher noch nie auf dem Berg, bin ein Grosstadtmensch aus dem Rhein-Main-Gebiet! Umso glücklicher bin ich, dass ich mit Mammut einen Experten an meiner Seite habe, der mich bei diesem Herzensprojekt unterstützte. Und plötzlich ging alles schnell: aus der Idee wurde ein Filmprojekt und einige Monate später waren wir am Kilimanjaro unterwegs.

Nach der Euphorie kam dann der extrem schnelle Abstieg in nur zwei Tagen, der meine Schultern wirklich an ihre Grenzen brachte.

Und dann kam? Ein Riesenrummel. Ich wusste gar nicht, dass der Film nominiert war, ging eher von einem YouTube-Film aus. Dann kam die Nachricht, dass er nun weltweit in den Kinos gezeigt würde! Dann gings richtig los, ich brauchte eine Agentin. Ich tingelte dem Film entlang durch alle Großstädte Europas.

Wie muss man sich das konkret vorstellen? Es haben mich viele Freunde begleitet, das war wichtig. Man fängt im Dschungel an und durchquert beim Aufstieg fünf Klimazonen! Dabei trafen wir auch immer wieder auf Überraschungen und Unvorhergesehenes. Dass ich für meine Krücken Spikes brauche, wurde mir erst in höheren Gefilden klar. Aber die Dynamik und die Energie im Team war überragend, wir lachten viel – und ich glaube, dass man dies im Film spürt, dass alles echt und spontan war. Wir sind da in acht Tagesetappen zum Gipfel auf 5895 Metern hochmarschiert.

Gipfelerlebnis in Worten? …da fehlten mir (mal) die Worte. Ich hatte die Kopfhörer mit Musik auf, weil ich das Knirschen der Krücken und meinen seltsamen Atem nicht mehr hören konnte. Plötzlich Schweinwerfer, alle schreien, ich sehe das gelbe Schild «You are on the top of Africa». Dann ging auch noch die Sonne auf – atemberaubende Momente, Emotion pur und die einzigen Worte «ich habs geschafft». Alle weinten und waren glücklich.

Du verkörperst ja auch eine Botschaft, dass jeder Mensch Berge versetzen kann? Das Schöne ist tatsächlich, dass ich viele Menschen inspirieren konnte. Dabei mache ich das nur, weil ich so viele Hummeln im Hintern habe und mir sage, das Leben ist dazu da, gelebt zu werden und nicht um Pause zu machen (lacht). Meine Botschaft ist: wir sollten uns nicht auf die Defizite (die wir alle haben) konzentrieren, sondern die Chancen sehen.

Und das vermittelst Du auch in Deinem Job als Sozialpädagoge in einer Werkstätte für geistig und körperlich Behinderte? Die Menschen, die ich betreue, führen mir täglich vor Augen, dass der Mensch mehr ist als seine physische Hülle. Sie sind meine Motivation. Wichtig ist, dass wir ehrlich und offen sind zueinander. Das zeigt sich zum Beispiel darin, dass wir miteinander lachen und nicht über jemanden lachen. − DC

ENGLISH VERSION

MBUZI DUME Mbuzi Dume – the strong mountain goat as African mountaineers call him and after which the film that won one of the main awards at the European Outdoor Film Festival is named – is looking at me grinning. Everything about him spells positive energy. Art of Summer’s publisher and Editor-in-Chief Daniel Chardon, who interviewed Mbuzi Dume aka Tom Belz on Skype, gives us an insider’s look at this extraordinary individual.

It is the year 1995, an eight-year-old boy storms across the square in excruciating pain, his thigh throbbing. A doctor’s visit diagnosis is bone cancer. Next comes chemotherapy but the leg cannot be rescued and has to be amputated directly beneath the buttocks.

What does one then do with one’s life? In the first place one tries to live an ‘adequate’ life. Everyone wants to help and everyone wants to sell you a great prosthesis. But if anything, prosthesis would really be a handicap. Supportive through all the highs and lows were my parents – they let me do everything.

How does one overcome the lows? A diagnosis – regardless what kind – is like a stamp that you carry around with you. When all one wants is the stamp that says normal.

And how do you deal with it today? A sense of humour helps. And if for example someone opens the door for me, I’ll stay one metre in front of it and let the person holding it open ‘starve to death’ while he

waits for me to pass through it. I’m more relaxed about my situation today.

You’ve done some really crazy things? Actually the things I do are very normal. It is normal people who then tell me that the things I do are crazy. Like going into the halfpipe with a wheelchair, surfing, playing soccer, cycling, swimming for the German Life Saving Society and last but not least, climbing mountains.

Which takes us to the topic of the impossible and conquering Kilimanjaro on one leg? There is something visual about overcoming mountains. Besides, I’ve always been a great fan of ‘The Lion King’ with Kilimanjaro always lurking in the background. I had never been up a mountain before; I’m a city person from

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Germany’s Rhine-Main area. I am all the happier to have Mammut at my side, an expert who supported me in this heart project. And suddenly everything went quickly: the idea turned into a film project and a few months later we were on the road at Kilimanjaro.

How would you describe this being made possible in real terms? I had many friends accompany me. That was important. You begin in the jungle and you go through five climatic zones during the ascent! We also met surprises and unforeseen things again and again. The fact that I would need spikes for my crutches only became apparent in the higher realms. But the team dynamics and energy was phenomenal, we laughed a lot – and I think that’s something that comes

through in the film, real spontaneous laughter. It took us eight days to summit at 5895 m.

Can you describe the feeling in words? … I was lost for words. I had my earphones on with music because I could no longer stand the sound of the crunching of the crutches and my weird breathing. Suddenly there were spotlights everywhere, everyone was screaming and before me I saw the yellow sign: “CONGRATU- LATIONS you are now at Africa’s highest point.” Then the sun came up. “I’ve made it to the top!” were my first breathless words. Everyone was crying with joy. But after the euphoria, came the extremely fast descent in only two days that really took my shoulders to the edge.

And what came next? A hype beyond compare… touring everywhere with a film that I thought would only make it to You- Tube.

Your message? We should not focus on the shortcomings (which we all have) but on the opportunities. The human being is after all more than only a physical shell. �

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