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FASHION ARTIST

KLEIDER KÜNSTLER

Eine Vorahnung sagte mir, dass diese Begegnung speziell sein würde. Da ist ein junger Kleiderkünstler ausgezogen, um mit seinen ersten Entwürfen Ruhm zu ernten, in Berlin, Portugal und London – um dann zurückzukommen nach Südtirol und Mode zu entwerfen, die nachhaltig produzierte, der Natur nachempfundene Gefühlshüllen für Menschen darstellt. Eine Offenbarung – der so kreative wie scheue Mensch Michael Klammsteiner braucht eine Weile, um sich zu offenbaren. Dann tritt aber ein Wesen hervor, das einen Rucksack voll Lebensweisheit mit sich trägt, welche man einem solch jungen Menschen kaum zutrauen würde. Chapeau! Zu deutsch – ich verneige mich.

Michael legt gleich los: In mir ist eine Kraft, die mich antreibt, eine Euphorie, eine Energie, eine Nostalgie, die ich kreativ-künstlerisch ausdrücken muss. Letztlich geht es mir darum, im Einklang mit der Natur zu leben. Das ist für mich das wahre Leben. Aktuell sammle ich antikes Leinen aus dem Südtirol, tue es waschen, allenfalls leicht bleichen. Antikes Leinen hat einen emotionalen Wert, das spürt man, wenn man die Rollen in Händen hält. Ich fand es schade, dass man es nicht mehr braucht. Also recycle ich es, bedrucke es mit Holzstempeln, mit Naturfarben, das ist meine Textilveredlung. Die Drucke entwerfe ich nach antiken Fresken. Diese verbinden uns mit unserer eigenen Geschichte, so schliesse ich den Kreis von Vergangenheit und Zukunft. In unserer heutigen Zeit verlieren wir immer mehr diese Verbindungen und damit auch unsere Wurzeln. Ich webe mit meiner Kleidung die Menschen wieder ein in ihre eigene Kultur – und verbinde sie damit mit sich selber. Das ist ein individueller Prozess, letztlich eine Massanfertigung für jeden einzelnen, eigentlich kaum bezahlbar, aber meine eigentliche Passion, der ich mich nicht entziehen kann. Geld verdienen tue ich auch mit einfacheren Designobjekten, bei welchen ich meinen Stil beibehalte. Zum Beispiel Sitzkissen, gefüllt mit Heu, überzogen mit meinen bedruckten Stoffen, da arbeite ich mit einem Weber zusammen, der meine mystische Muster webt. Essentielle Dinge, welche den Menschen zum Ur-sein zurückführen, recycelte Naturmaterialien, mit Geruch von Zirbenholz, Struktur von Leinen. Meine Objekte, mein Tun und Sein will immer die Sensibilität für die Natur fördern.

Du willst also die Natur zum Menschen bringen und damit seine Natur in ihm wecken? Ganz genau, das musst Du mir aufschreiben … (beide lachen). Meine wichtigste Aufgabe ist es, Menschen zu helfen und zu heilen, also ganz zu machen. Die Kleidung ist ein Einstieg dazu. Die richtige Kleidung ist eine schützende und heilende Hülle.

Die Umstellung ist aber für die Menschen in einer Zeit, wo alles immer schneller, effizienter und billiger wird, bei eher schrumpfenden Löhnen, enorm schwierig. Das sehe ich alles. Umso wichtiger sind Menschen wie der Biobauer Walter Moosmair, der seinen Hof komplett auf Nachhaltigkeit umgestellt hat (Solarenergie, Permakultur, Wiesenheu, Heuschnaps). Bem. Red: … und dessen Heublumenkäse den Weg bis zur Lufthansa Business Class gefunden hat. Das ist ein innovativer Mensch, mit dem ich mich gerne unterhalte. Ich kämpfe selber noch mit dieser Umstellung. Ich habe einen kämpferischen Weg hinter mir. Wichtig ist, dass wir uns den eigenen Fragen stellen, nicht einfach mitlaufen, sondern eigene Antworten auf die eigenen Fragen finden, um nicht den Rest des Lebens in einem Zwiespalt zu verbringen, wo am Ende der Sinn nicht mehr erkennbar ist.

Erzählst Du uns kurz von deinem inneren Kampf? Ich habe mich zuerst zum Schlosser, dann zum Grafiker ausbilden lassen, habe dann die anspruchsvolle Ausbildung an der Modeschule Esmod in München und Berlin absolviert. Mit meiner Abschlusskollektion, Männermode – Metalldetails mit Stoff kombiniert, gewann ich den Jurypreis. Das war für mich ein Schock! Mein eigentlicher Lohn war, dass ich durch ihre Beurteilung, dass eine einzigartige Feinheit mein Werk auszeichne, mich selber erkannt habe. So fand ich heraus, wer ich wirklich bin. Ich schlug ein Angebot von Diesel aus, via Portugal zog es mich in ein Designstudio

nach London. Da schufteten bis zu 20 junge Modeabsolventen Tag und Nacht. Das Chaos, der Druck und die Distanz zur Natur wirkte aber zerstörerisch auf meine Sensibilität. Das war nicht die Welt, in der ich leben wollte.

Und heute? Geniesse ich die Natur des Südtirols, hole mir hier meine Inspiration. Fahre zum Montigglersee in Eppan, sehe die Farben, im See liegend, der Natur und den Vögeln zuhörend. Gehe zurück ins Atelier, arbeite handwerklich, an persönlich massgefertigten Gefühlshüllen für meine Kunden. Zeichne zuerst Entwürfe. Bespreche die Natur-Materialien. Ich arbeite mit Leinen, Seide (non-violent silk), Hanf, Bambus, Eukalyptus, Ananasleder, Baumwolle.

Wie färbst Du? Das schöne Karmin erziele ich mit den Cochenilleschildläusen. Die neueste Innovation ist aber die Färbung aus den Rückständen der Weinproduktion, dem Trester aus der Weinmaische. Im Sud kocht man die Stoffe – das ist ein Probieren und ein riesiger Aufwand. Aber ich habe Abfall sinnvoll verwertet. Ich durfte letzthin für Jason, einen Südtiroler Sänger was entwickeln, was super gepasst hat. Mein Luxus-Handwerk ist natürlich nicht billig. Da kommen einige Stunden zusammen, bis eine solche Massanfertigung hergestellt ist.

Kann man davon leben? Ich gebe auch Workshops, habe lange mit Ausstellungen gewartet, bis die Zeit reif war. Habe eine Lampe entwickelt, welche weiche feine Seide nutzt, um ein Stimmungslicht mit Naturfarben auszustrahlen, was uns energetisch anregt. Auch mit Skulpturen arbeite ich. Mein Traum ist es, eine Gruppe von innovativen Menschen zu vereinen, welche im Südtirol nachhaltige und kreative Anstösse vermitteln. − DC

68 | summer magazin

THE INIMITABLE CLOTHES ARTIST

A hunch tells me that this encounter will be special. His story goes as follows: A young up-and-coming clothes artist sets off to Berlin, Portugal and London to harvest fame and fortune with his first designs. Then returns to his homeland, South Tyrol, to produce a one-of-a-kind fashion – natural clothing that envelopes the wearer in such a way as to awaken in him a deep empathy for nature. Chapeau! In English: I applaud you! Meet Michael Klammsteiner, a shy soul with a backpack full of wisdom:

I have a force inside of me that drives me, a sense of euphoria, energy and nostalgia that I have to express creatively and artistically – in harmony with nature. That is what life is all about for me. I currently collect antique linens from South Tyrol, wash them and bleach them, wanting to give new life to a fabric with such a strong emotional connection with the past and that is sadly no longer used today. Hence I recycle it, finish the textile by embellishing it with prints using wooden stamps whose design I base on antique frescos relying on natural colours. With my clothing I aim to weave the past into the present to allow people to reconnect with their roots and ultimately with themselves and with nature.

So you want to bring nature to the individual and awaken in him his affinity for nature? Exactly, my quest is to help people and heal them, to make them whole again. Clothing can be a starting point for this. The right clothing can be a protective and healing shell. Adapting to our fast-paced times is hard for people. For this reason, I see innovative people like the renowned South Tyrol organic farmer Walter Moosmair – whose hay flower cheese has incidentally made it into Lufthansa Business Class – as exemplary

for what we should all be doing. Question this fast-paced life, so that we do not lose track of our intrinsic purpose!

Give us a brief rundown of how you got to where you are today? From initially training to be a locksmith, then a graphic designer, I graduated from Esmod International, a fashion school in Munich and Berlin. I won the jury’s prize with my final year collection: Men’s Fashion: Metal details combined with textiles. It came as a huge shock for me! The real reward was that their evaluation of my work, which said that a unique subtlety and sophistication defined it, made me recognise myself. I found out who I really was. I rejected an offer by Diesel; but was drawn to a design studio in London via Portugal. There I slugged away day and night as a fashion graduate until I was 20. However, the chaos, pressure and distance from nature had a destructive effect on my sensitive nature. This was not the world that I wanted to live in.

And today? I enjoy nature, draw my inspiration from it, and then go back to my studio where I work by hand on the tailor-made items created personally for my clients. First I sketch the concept, I then discuss the materials. I work with linen, non-violent silk, hemp, bamboo, eucalyptus, cotton and even pineapple leather – a plant-based textile, made from the waste of the pineapple harvest that can be used as an alternative to leather.

What dyes do you use? I achieve the beautiful carmine dye, which is crimson in colour, with the cochineal scale insect. The latest innovation is however using the residue from wine production; the pomace from the wine mash.

Can you live off your craft? My luxury craftsmanship obviously does not come cheap. Many hours are easily accumulated

to make a customised item to the specifications of the client. Sadly though, customisation is unaffordable for many in today’s fast-paced world. I also offer workshops, waited a long time before I began holding exhibitions until the time was right. I invented a lamp which uses delicate linen to emit a mood lighting effect with natural colours. My dream is to unite a group of innovative people, who will become ambassadors and mediators for sustainable and creative initiatives in South Tyrol. �

WWW.MICLE.IT

MICHAEL KLAMMSTEIENR ATELIER : 39055 PINETA DI LAIVES | SÜDTIROL | ITALY

70 | summer magazin

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