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NINO SCHURTER
Nino Schurter hat im Mountain Bike Sport die Bedeutung, die Roger Federer im Tennis, Ronaldo im Fussball oder Hirscher im Skisport einnehmen: 7-facher Gesamtweltcupgewinner, Olympiasieger in Rio 2016, 8-facher Weltmeister. Trotzdem hat Mountainbiken in der Schweiz noch nicht die mediale Ausstrahlung, die ihm vielleicht gebührt. Eigentlich wäre Nino Schurter jetzt voll in Aktion am legendären Cape Epic in Südafrika gewesen. Aber dann kam alles ein wenig anders…Covid-19 funkte dazwischen.
Nino Schurter: «Ich sitze zu Hause bei meiner Familie, was ja schön ist. Aber die Absage von Cape Epic praktisch einen Tag vor dem Rennen und die chaotische Rückreise waren mehr als abenteuerlich. Als wir nach Südafrika geflogen sind, gab es dort erst einen Covid-Fall. Die Situation eskalierte aber schnell. Mit dem allerletzten Flieger wurde das Team dann noch ausgeflogen. Jetzt steht die Diskussion um die Olympischen Spiele an (Bem: die kurz darauf auf 2021 verschoben wurden). Auch wir Athleten waren noch nie zuvor in einer Situation, wo nicht klar ist, wann das nächste Rennen überhaupt stattfindet.»
Eine Situation, die dazu auffordert, in Ruhe einen Blick zurück auf die eigenen Karriere zu werfen. Was waren die Meilensteine?
Der wohl schönste Sieg, auch emotional, war die Heim-Weltmeisterschaft 2018 auf der Lenzerheide. Ich hatte das Gefühl, 20‘000 Menschen sind für mich gekommen, sie spornten mich an, ich gewann das Rennen, war Weltmeister und im Ziel umarmte mich meine Tochter! Gänsehaut-Feeling. Das kann fast nicht mehr übertroffen werden. Meilensteine gab es viele: Das fing an mit meiner Olympia-Bronzemedaille 2008 in Peking, 2009 wurde ich (Bem: nach drei U23 Europameister-Titeln) mit 23 Jahren in Canberra der jüngste Cross Country Weltmeister, den es je gab. In einem der spannendsten Finale konnte ich damals Julien Absalon, der als Doppel-Olympiasieger als fast unschlagbar galt, um drei Sekunden distanzieren. 2012 gab es dann eine bittere Niederlage an den Olympischen Spielen in London. Ich «verlor» die Goldmedaille um eine Sekunde (20 cm) und gewann Silber.
Wie geht man mit einer solchen «Niederlage» um?
Das braucht eine Weile. Es gab Kommentare, die meinten, wenn ich eine Spur aggressiver gefahren wäre, wäre Kulhavy nicht mehr an mir vorbeigekommen… In solchen Momenten ist das private Umfeld wichtig.
War Mr. Nice Guy damals zu nett?
Das kann ich nicht über mich selber sagen, es sehen mich sicher nicht alle als nice an… (alle lachen). Im nachhinein hat es mich voll motiviert, mich weiter zu verbessern, an mir zu arbeiten. In Situationen, wo man seine eigenen Ziel verpasst, lernt man viel über sich selber.
Was ist das Geheimnis Deiner vielen Erfolge?
Man muss ein gutes Team um sich haben. Da hatte Thomas Frischknecht viel Aufbauarbeit geleistet, von der ich extrem profitieren konnte. Er begleitet mich nun seit 20 Jahren und steht vielleicht auch für die Kontinuität der Erfolge. Als Person bin ich mental sehr stark, d.h. in entscheidenden Situationen, wo der Druck gross wird, werde ich nicht zu nervös. Das ist in einer Rennsituation, wo viele Gegner involviert sind, ein entscheidender Erfolgsfaktor.
Hat man als Olympiasieger noch Vorbilder?
Vielleicht aus anderen Sportarten. Ein Freeclimber wie Alex Honnold, der in seinem Bereich Ausserordentliches vollbracht hat und eine tolle Persönlichkeit ist.
Wie empfandest Du die Ehrung als Schweizer Sportler des Jahres 2018?
Das war für mich eine wundervolle persönliche Anerkennung, nachdem ich während 10 Jahren schon mehrfach nominiert war. Es war aber auch eine Anerkennung für Mountainbike als Sportart. Ich selber nehme nun den Sport anders wahr, er ist dort angekommen, wo er meines Erachtens hingehört. Das freut mich für vor allem für die zig Tausenden von jungen Bikern, die draussen unterwegs sind.
Du engagierst Dich auch sozial in Afrika?
Ja beim Projekt SolidarMed. Wir arbeiten seit zwei Jahren an diesem Pilotprojekt in Mocambique, das zum Ziel hat, medizinische Notfälle per Rad zur nächsten Krankenstation zu transportieren. Das war extrem eindrücklich, zu sehen, mit welch einfachen Mitteln improvisiert wird. Inzwischen haben wir ein robustes E-TransportBike kreiert. Das muss viel aushalten können, leicht reparabel sein. Ergänzt wurde es mit einem Photovoltaik-Projekt. Die Menschen können gegen Bezahlung ihr Handy aufladen. Mit dem Geld werden die Wartungen am E-Bike finanziert.
Am Erfolgsdruck sind auch im Bikesport einige Sportler gescheitert? Was gibst Du jungen Sportlern da mit auf den Weg?
Ich glaube, es ist extrem wichtig, die Balance zu halten. Im Winter fahre ich regelmässig runter, bestreite keine Wettkämpfe. Ich habe das Glück, dass mich seit einigen Jahren meine Familie begleitet. Als Vater sind noch andere Dinge im Leben wichtig. Grundsätzlich sollte man sich selber nicht zu wichtig nehmen, nicht zu viel Druck auf sich selber machen. Das ist aber individuell. Bei mir ist die Leidenschaft für den Sport intakt geblieben, ich hatte aber auch Glück und Erfolg.
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Interview/Words: Daniel Chardon