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Hausarzt Edy Riesen

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Rätsel

Rätsel

Her mit dem künstlichen Gelenk! Oder?

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Rät Ihnen Ihr Arzt zu einem Ersatzgelenk? Oder findet er, Sie sollten damit noch zuwarten? Unser Hausarzt kann Ihnen vielleicht Entscheidungshilfe bieten.

EDY RIESEN (70) war als Hausarzt in Ziefen (BL) tätig. Er führte bis vor Kurzem eine Praxis mit seinem Schwiegersohn und ist mehrfacher Grossvater.

Ruedi Th. sagt, er sei langsam, aber sicher ein Ersatzteillager. In seinem Körper finden sich zwei künstliche Linsen, zwei Stents, ein Kunststoff-Netz wegen eines Bruches, eine Platte am Handgelenk, zwei Hüft- und eine Knieprothese. Ruedi Th. ist nicht der Einzige. Zuerst dies: Ein guter Chirurg weiss, wie man operiert, ein besserer Chirurg, wann man operieren sollte, und der beste, wann nicht. Vor vielen Jahren hat mir der damalige Chef der Orthopädie erzählt, wie ihm die zähen Oberbaselbieter Bauern den richtigen Zeitpunkt der OP beigebracht hätten. Sie kamen erst, wenn es nicht mehr ging. Verpassen würde man mit dem Zuwarten nichts. Aber selbst-

verständlich sei das nicht für alle Menschen gleich und hänge ab von Alter, Beruf, Hobbies, Lebenserwartung, Schmerztoleranz und vielem mehr. Hüftgelenksprothesen werden seit vielen Jahren eingesetzt. Wie fast immer in der Medizin brauchte es die berühmte Lernkurve. Einige Modelle hielten nicht, was sie versprachen. Mittlerweile haben sich die Operationsmethoden vorteilhaft geändert. Beispielsweise mit weniger Blutverlust durch kleinere Schnitte. Heute halten 90 Prozent der Prothesen mindestens zehn Jahre, viele sogar lebenslang. Es kann selten Lockerungen geben, die zu einem Prothesenwechsel führen. Eine Reoperation ist dann etwas anspruchsvoller. Die schlimmste, sehr seltene Komplikation ist der Infekt, der oft monatelang antibiotisch behandelt werden muss. Informationsblätter der Kliniken sind hilfreich und auch online zu finden. Zu viel Information betreffend Komplikationen ist für einige Menschen unerträglich und dennoch sollte man das Für und Wider besprechen. Manchmal dauert es Jahre, bis sich jemand für eine OP entscheidet. Auch eine Kniegelenksarthrose kann die Aktivitäten und die Lebensqualität stark einschränken. Der dauernde Konsum von Paracetamol oder Entzündungshemmern wie Ibuprofen oder Diclofenac ist keine gute Lösung. Die Kniegelenksprothesen sind unterdessen ausgereift und halten bei 90 Prozent der Operierten 15 Jahre, bei vielen lebenslang. Die seltenen Komplikationen sind die gleichen wie bei der Hüfte. Beim Knie sind 70 Prozent der Patient:innen innerhalb weniger Wochen zufrieden und haben in Kürze keine Beschwerden mehr. 30 Prozent brauchen länger, selten geht es ein Jahr, bis das Gelenk sich «eingewöhnt» hat. Ein kleiner Prozentsatz von Patient:innen ist (wie bei der Hüfte auch) nie ganz zufrieden mit dem Resultat; oft ist es schwierig zu sagen, warum. Bei beiden Gelenken sitzen die Prothesen nach sechs Wochen gut und dürfen voll belastet werden. Physiotherapie, eventuell schon vor, sicher aber nach der OP, hilft, schneller auf die Beine zu kommen. Etwas ist ganz wichtig: Röntgenbilder oder MRI zeigen die Arthrose, die Knochenauswüchse oder Zysten zwar an, aber sie müssen nicht immer mit den Beschwerden korrelieren. Es gibt Patient:innen, die mit «furchtbaren» Röntgenbildern stundenlange Wanderungen unternehmen und andere, die mit wenig sichtbaren Veränderungen starke Schmerzen haben. Perorale Knorpelpräparate, die den verbleibenden Knorpel ernähren sollen, bekommt fast jeder Arthrosepatient verschrieben und immer wieder berichten Patient:innen von einer Verbesserung der Symptome. Trotzdem gibt es keine richtig guten Studien, die eine Wirkung dieser Präparate nachweisen können. Empfehlung des Hausarztes: drei Monate nehmen, wenn es nützt, weitermachen, sonst absetzen. Gelenksschmiere (Hyaluronsäure) und/oder Cortisonspritzen ins Kniegelenk (Hausarzt) oder seltener ins Hüftgelenk (nur Spezialarzt) können vorübergehend, manchmal über Monate Erleichterung bringen. Aber sie sollten, wenn überhaupt, maximal zwei- bis dreimal pro Jahr und immer mit Bedacht appliziert werden. Auch hier geht man ein kalkuliertes Risiko ein, einen Infekt zu erzeugen oder einen Knochenschaden auszulösen. Zusammenfassung: Warten kann man mit einem Gelenksersatz immer, aber man sollte sich bewusst sein, dass viele gute Jahre verloren gehen könnten mit Schmerzen und Behinderung. Keine:r stirbt an einer Arthrose, aber manche leiden zu lange daran. Niemand soll zu einer OP genötigt werden, aber eine Motivation durch den Hausarzt und den Spezialisten darf sein. •

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