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Gewerbemuseum MUSEUMSTESTER Winterthur

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Paradies

bis 23.10. Ausstellung «Bilderbücher: illustriert & inszeniert» Gewerbemuseum Winterthur 8400 Winterthur Di–So 10–17 Uhr Do 10–20 Uhr Erwachsene 16 Franken Kinder bis 16 Jahre gratis gewerbemuseum.ch In die Bilderbuch-Ausstellung von Hans ten Doornkaat im Gewerbemuseum Winterthur wollen nicht nur alle Enkelinnen mitkommen, sondern auch deren Mama. Beim Betreten des riesigen Raums bleibt ihnen erst einmal der Mund offen stehen: eine lange Reihe Tische voller Bücher, in denen geblättert werden darf, eine Reihe von Sesseln, auf denen man sich in die Bücher vertiefen kann. Nach Museum sieht das gar nicht aus! Selma (8) wirft sich sofort in einen Sessel und beginnt zu lesen. Die anderen flattern aufgeregt herum: «Das haben wir doch immer … weisst du noch …?» Die Wimmelbücher von Rotraut Susanne Berner zum Beispiel. Felia (9) ist überzeugt, dass in ihrem Exemplar zu Hause andere Dinge gemalt sind und startet eine Diskussion in der Familie. Bald entdecken sie die Bastel-Stationen. Das sind Tische, die mit «einfach» wirkender Eleganz professionelles und überraschendes Werkzeug bieten, um kleine Bücher, Bäume oder Aufklapp-Städte zu gestalten, Anleitung per Video auf dem Tablet inklusive. Die Ergebnisse, sofern nicht heimgenommen, werden zu Teilen der Ausstellung. Leider ist es jetzt um die Mädchen geschehen – sie sind begeisterte Handwerkerinnen. Sie sind knapp zum Mittagessen zu bewegen, wollen danach aber gleich wieder zurück. Hans ten Doornkaat, der seit 2004 (auch über seine Pensionierung hinaus) das Programm von Atlantis Bilderbuch (mit-)gestaltet, bespricht unter anderem auch in diesem Magazin Kinderbücher. Er ist wahrscheinlich DER Kenner von Bilderbüchern in der Schweiz. Am Nachmittag erklärt er uns mehr zu seiner Ausstellung. Zum einen, dass die ganze Einrichtung nachhaltig gebaut wurde: Die Linolbahnen, die die Tische verbinden, sind nicht abgeschnitten, sondern rollen sich am Boden, bereit für eine Weiterverwendung. Das wirkt nicht unfertig, sondern ist ein Gestaltungselement. Die Lampenschirme sind Kartonröhren, die Aufhängungen für die Bilder von Illustratoren sind ebenfalls aus Karton. Die Holzmöbel entstammen Anleitungen im Internet. Zum anderen weist Hans ten Doornkaat darauf hin, dass die erklärenden Texte von der Decke hängen. So können Kinder (und Erwachsene) auch

einfach nur die ausgelegten Bücher erkunden, ohne von längeren Texten dazwischen gestört zu werden. Dem Ausstellungsmacher geht es nicht um Inhalt oder Stil der Bilderbücher, sondern um die Frage «Wie funktioniert ein Bilderbuch?». Eine Frage, die sich (Vor-)Lesende wahrscheinlich noch nie gestellt haben, weil es eben so gut funktioniert. Auf eng begrenztem Raum, meist 16 Doppelseiten, tut sich ein Gesamtkunstwerk auf. Dabei ist «der Text das Theaterstück, die Illustrationen sind die Inszenierung». Die Ausstellung zeigt, wie unterschiedlich Text und Bilder interagieren können, wie sich Vorsatzblätter immer häufiger in die Geschichte integrieren, wie ein Loch oder gar der Buchfalz zu Darstellern werden. Wie das Umblättern einem filmischen Schnitt gleicht, aber dass eine andere Vertiefung möglich ist, da ja im Bilderbuch hin- und hergeblättert werden kann. Hans ten Doornkaat ist im Element, wenn er das alles erläutert. Die Grossmutter fragt ihn, wie er denn bei Kinderbüchern gelandet sei? Er habe nie aufgehört, Bilderbücher zu geniessen, antwortet er. Das liege wahrscheinlich auch an seinem Vater. Der, studierter Theologe und Philosoph, habe sowohl Hoch- als auch Populärkultur geschätzt. Da konnte es passieren, dass der kleine Hans nach der Schule sofort mit ihm ins Kino «musste», um einen Western anzuschauen. Da gab es auch im gut bestückten Bücherregal keinen Unterschied zwischen illustrierten Büchern und der «hohen» Literatur. Die Grossmutter möchte gerne mehr darüber hören, aber jetzt werden die Enkelinnen ungeduldig. Anete Melece hat eine Seite aus ihrem Bilderbuch «Der Kiosk» auf ein grosses Panel gemalt. Einige Köpfe sind abnehmbar und die Kinder können ihre Köpfe durchstecken für ein Souvenirbild zum Heimschicken. Sie finden, Hans muss das zum Abschied auch machen – danke, er tut es! Danach müssen sie aber sofort weiterbasteln. Die «Erziehungsberechtigten» machen bald einmal schlapp und brauchen einen Kaffee, aber selbst der Lockversuch «wir gehen jetzt Glace essen», fruchtet nichts, die Kinder fühlen sich zu wohl in dieser sorgfältig gestalten Umgebung. Was für ein Kompliment an die Ausstellungsmacher:innen! •

Fotos linke Seite und oben: Bilderbücher selbst gestalten und eintauchen in deren bunte, weite Welt in der Ausstellung im Gewerbemuseum Winterthur.

ELI WILHELM (61) testet mit Enkelinnen, befreundeten Kindern und Jugendlichen regelmässig Museen. museumstester.ch

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