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Bilderbücher zum Thema Angeln und Konsequenzen

Fischefangen ist einfacher, als sie zu töten

Zwei Bilderbücher, die Kinder vor die Frage stellen, ob sie die Fische, die sie angeln, auch töten sollen oder dürfen. Die Konseqenzen einer Handlung – bildhaft erkärt.

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Madeleine und der Angler Mira Lobe (Text), Sabine Rufener (Bild), Jungbrunnen-Verlag 2022,32 Seiten, ca. 26 Franken

Unter den Leuten ist auch ein Junge. Er läuft zur Treppe, springt die Stufen hinunter und stellt sich hinter Madeleine. „Hat schon einer angebissen?“, fragt er. Madeleine gibt keine Antwort. Richtige Angler sind schweigsam, das weiß sie von dem Bärtigen. „Wenn du einen fängst“, sagt der Junge, „schenkst du ihn mir?“ „Wieso denn? Das ist doch dann mein Fisch!“, ruft Madeleine.

Sein erster Fisch Hermann Schulz (Text), Wiebke Oeser (Bild), Beltz Minimax 2016, 32 Seiten, ca. 12 Franken Es geht mir nicht um ein Pro und Kontra über Veganismus. Mein Nachdenken geht von einem druckfrischen Bilderbuch aus. Fasziniert bin ich eingetaucht in das Lichterspiel, das Sabine Rufener darin ausbreitet; nicht nur auf und im Wasser, sondern auch in einem dunkeln Kirchenraum, den die Sonne durch die Glasfenster erhellt. Aber Madeleine zieht es hinaus, ans Licht, weg von der Tante, hin zum Fluss. Das Mädchen will eine Angel ins Wasser halten und fischen. Das ist sein grosser Wunschtraum. Aber was, wenn ein Fisch anbeisst? Soweit kommt es nicht, obschon ein alter Angler dem Kind seine Rute leiht. Mira Lobe lässt in ihrer Geschichte (von 1966) einen Jungen auftreten, der Madeleine fragt, ob sie den Fisch, wenn sie ihn denn fängt, vom Haken nehmen und totmachen wird. Diese Frage nach der Konsequenz eines Handelns ist aufwühlend. Gerade weil die Autorin das Thema subtil und doch unausweichlich auf den Punkt bringt, wurde das Buch hoch gelobt und ist bis heute als Taschenausgabe lieferbar. Das Töten eines Fisches war schon mal Thema in einem Bilderbuch. Vor gut zwanzig Jahren hat «Sein erster Fisch» Aufsehen erregt. Hermann Schulz erzählt von Raul, den sein Grossvater dazu anleitet, wie er fischen kann. Der Opa ist eigenwillig, aber respektvoll sachbezogen, wenn sein Enkel ihn braucht. Wiebke Oeser zeigt nicht nur, dass der Bub entscheiden muss, sondern auch die Gäste des nahen Fischrestaurants, die von der Speiseterrasse herunter ihr Entsetzen verkünden. Das Kind erlebt das Existenzielle seines Entscheides und reagiert erwachsener als die Zaungäste, die sich nicht fragen, wie die Fische auf ihre Teller gekommen sind .Schulz’ knappe Prosa und Oesers eindringlich gestische Zeichnungen bringen eine kraftvoll expressive Dramatik in die Szenen und geben doch dem einsamen Entscheid des Buben Raum. Auch Rufener lenkt mit ihren impressionistischen Stimmungen den Fokus auf die ethische Frage, entlang der unaufgeregten Innenschau von Lobes Momentaufnahme eines Mädchens. Und mein «Fangglück» ist, dass zwei Bilderbücher mit völlig verschiedenen Sprach- und Stilmitteln gleich ernsthaft und eindrücklich vom verantwortlichen Leben erzählen. •

HANS TEN DOORNKAAT (69) hat nie aufgehört, Kinderbücher zu lesen. So hat er ein vielseitiges Wissen über Lesestoffe für Kinder und Jugendliche gesammelt. Er ist als Lektor, Literaturkritiker und Dozent tätig.

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