FOTODOKUMENTATION NAMIBIAS WEG ZUR UNABHÄNGIGKEIT aif l / K O C N U T U VON GUENAY UL
UNABHÄNG Mit dem 21. März 1990 wird Geschichte geschrieben. Endlich erlangt Namibia seine Unabhängigkeit. Auch wenn es jetzt einen eigenen Staat gibt, so muss die kulturelle Identität, die durch Kolonialismus und Apartheid verhindert wurde, erst noch gesucht werden. Windhoek, 21.03.1990.
21. MÄRZ 1990
IGKEITSTAG 21. MÄRZ 2015 3
Jeden Tag wird die deutsche Reichskriegsflagge auf dem Dach des Peters-Antiquit채ten Laden gehisst. Swakopmund, 1988.
5
Namibias schwierige Unabhängigkeit Es war ein langer und kräftezehrender Kampf, bis Namibia endlich seine Unabhängigkeit erhalten hat. Erst am 21. März 1990 wurde es formal selbstständig und war damit eins der letzten Länder überhaupt. Der Weg in die Unabhängigkeit war lang und beschwerlich. Schließlich gehörte Namibia von 1884 bis 1915 zum Deutschen Reich und trug den Namen Deutsch Südwestafrika. Nach dem ersten Weltkrieg wurde es unter UN-Mandat gestellt und somit unter südafrikanische Aufsicht. Südafrika wurde in den folgenden Jahrzehnten zum ungeliebten großen Bruder, der die wirtschaftliche Entwicklung massiv beeinflusste, aber auch die Apartheid ins Land brachte. Im Zuge der aufkommenden Apartheid wurde das Gebiet Namibias in sogenannte Homelands aufgeteilt, das heißt, jeder Bevölkerungsgruppe wurde ein festes Territorium zugewiesen, das nicht dauerhaft verlassen werden durfte. Aufforderungen der Vereinten Nationen seit dem Jahre 1946, das Land in die Unabhängigkeit zu entlassen, wurden von Südafrika ignoriert, da Südwestafrika als Puffer gegenüber den von Schwarzen regierten „Feindstaaten“ dienen sollte. Dies führte zu erheblichen Spannungen zwischen Südafrika und der UNO und dem Entzug des völkerrechtlichen Mandates im Jahre 1966. Im Jahre 1966 rief daraufhin die 1960 gegründete, marxistisch beeinflusste Befreiungsbewegung Südwestafrikanische Volksorganisation oder kurz SWAPO, die mit sowjetischer Bewaffnung und Guerillamethoden von Angola aus agierte, den Krieg gegen Südafrika aus, mit dem Ziel, die Unabhängigkeit des Territoriums zu erlangen. Nachdem 1978 der UN-Sicherheitsrat die Resolution 435 verabschiedet hatte, die einen Friedensplan für Namibia enthielt, reagierte Südafrika mit der Durchführung der ersten allgemeinen Wahlen in diesem Territorium, aus denen die Demokratische Turnhallenallianz (DTA) der konservativen weißen Minderheit als Sieger hervorging.
Da die Wahlen jedoch manipuliert waren, wurden sie von der SWAPO boykottiert und international nicht anerkannt. Dennoch übernahm Dirk Mudge, Vorsitzender der Turnhallenallianz, das Amt des Ministerpräsidenten, das er bis zur Auflösung des Parlaments im Jahr 1983 innehatte. In den 1980er Jahren vermittelte die SWAPO insgesamt rund 500 Kinder von Namibia zur Erziehung und Ausbildung in die Deutsche Demokratische Republik. Sie wurden Ende August 1990 gemäß einem Regierungsabkommen zwischen DDR und Namibia wieder zurückgeführt. Südafrika änderte erst 1988 nach Verhandlungen mit den USA, Angola und Kuba seine politische Haltung und erklärte sich im Rahmen eines UN-Friedensvertrages dazu bereit, die Besatzung aufzugeben. Die südafrikanischen Streitkräfte zogen bis November 1989, kurz nach den ersten freien Wahlen, unter Überwachung der UN-Einheit UNTAG vollständig ab. Vom 7. bis 11. November 1989 fanden die ersten freien Wahlen in der Geschichte Namibias statt. Stärkste Partei wurde die SWAPO mit 41 von 72 Parlamentssitzen. Mit der Verabschiedung der Verfassung am 21. März 1990 war die Unabhängigkeit erreicht. Seither stellt die SWAPO sowohl Präsident als auch die Regierung Namibias. Die durch die Apartheidspolitik geschaffene Reservatsgliederung (Homelands) wurde 1993 durch 13 gleichberechtigte, für jedermann frei zugängliche Regionen abgelöst. Auch wurde als eigene Staatswährung der Namibische Dollar (N$) eingeführt, welcher 1:1 an den südafrikanischen Rand gekoppelt ist. 1994 trat Südafrika die Enklave Walvis Bay zusammen mit den vorgelagerten Inseln an Namibia ab, welche zu Kolonialzeiten erst britisch und dann von Südafrika beansprucht war. Da die ursprüngliche namibische Verfassung nach dem Vorbild der US-amerikanischen Verfassung nur zwei Amtsperioden eines Präsidenten erlaubte, wurde 1999 Sam Nujoma nach einer entsprechenden Verfassungsänderung ein drittes Mal zum Präsidenten gewählt.
Erinnerungen an Kolonialismus und Hitler-Verehrung, Peters -Antiquitätenladen in Swakopmund, 1988.
Swakopmund – Peter’s Antiquitätenladen Vor Beginn des Gesprächs nimmt Peter “Mein Kampf‚“ in die Hand und sagt: “Wenn Sie hiernach fragen, fliegen Sie raus. Das haben bei mir schon deutsche Fernsehteams versucht. Kein Wort darüber!“ „. . . das wird ausgeschlachtet. Ich habe meinen Kundenkreis dafür, das braucht gar nicht so bekannt zu werden. Das Sammeln von Antiquitäten ist mein Hobby: Südwester Postgeschichte, Südwestdokumente, Landkarten, Geldgeschichte. Ich fülle damit eine Marktlücke in Südwest. Innerhalb von nur 5 Jahren habe ich mir einen Namen gemacht. Meine Kunden sind zur Hälfte Touristen, davon ist der Großteil aus Deutschland. Südafrika wird Südwest nicht fallen lassen. Südafrika wird sich nicht die Kommunisten bis an Oranje heranholen, dafür ist es zu klug. „
7
Die Deutsche Oberschule “DOS” in Swakopmund feierte im April 1988 ihr 75 jähriges Bestehen. Neben regelmässigen Schießwettbewerben gehört auch zweimal in der Woche der “Wehrmachtsunterricht” zum Stundenplan der Schüler. Swakopmund, 1988.
Elke, l7, Schulsprecherin der DOS: „Da besteht die Möglichkeit, daß in Zukunft die Schulen gemischtrassig werden. Ich finde das nicht richtig. Ich würde das gerne so weiter halten wie jetzt, daß unsere Kulturgruppe unter sich bleibt." Swakopmund, 1988.
Ihre Freizeit verbringen die Deutschstämmigen vor allem in ihren Vereinen mit Karnevalfeiern, Schießen, Reiten oder im Verein der Soldaten. Windhoek, 1988
Siegfried Zempke, Anfang 70, Sekretär des Swakopmunder Bürgermeisters, 1988. „Der Haupthaken ist, daß die Schwarzen nie gelernt haben, auf eigenen Füßen zu stehen und auch nicht die Gelegenheit bekommen haben, ausgebildet zu werden. Den Vorwurf müssen wir Deutsche uns in unserer Kolonialzeit machen. Wir haben die Schwarzen behandelt wie unsere guten, kleinen‚ hilflosen Kinder. Wir haben sie verhauen‚ wir haben ihnen Kost gegeben, wir haben ihnen medizinisch geholfen. Aber wir haben sie nicht erzogen zur Selbstständigkeit. Aber das geht nicht von heute auf morgen. Es ist das alte Verhältnis, wie es immer gewesen ist. Ein bißchen weicher. Wir hauen nicht gleich. Früher haben wir gleich gehauen. Heute wird er genauso angeschnauzt, wenn er nicht arbeitet, dann heißt es meistens: „Komm du Kaffer, tu mal was! Die Schwarzen, wenn die in Massen auftreten, sind das keine Menschen. Das braucht noch 1 000 Jahre.“
9
Katutura - der Name des 6 km außerhalb von Windhoek errichteten Township bedeutet in der Hererosprache etwa: “Hier haben wir keine Bleibe”. Ca. 90 Tausend Schwarze leben hier in den Wohnblocks, die nach ethnischen Gruppen aufgeteilt sind, Katutura, 1988.
11
Frieda (50), eine deutschsprechende Damarafrau‚ in Katutura: “Um 6 Uhr muß ich aufstehen, um 7 den Bus nehmen, um 4 Uhr komme ich von der Arbeit zurück. Dann muß ich noch einkaufen, waschen, kochen, die Kinder versorgen, Die Miete ist so teuer. Ich bezahle jetzt 74 Rand, mit Elektrizität und Wasser 80 Rand. Ich verdiene 100 Rand im Monat.” Katutura, 1988
“Für Lebensmittel brauche ich 300 bis 400 Rand. Wie könnte ich leben, wenn mein großer Sohn, der zum Glück Arbeit hat, mir nicht helfen würde? Ab 60 Jahre bekommen die Leute 50 Rand im Monat. Ich arbeite in einer Küche in einem Privathaus. Das ist so: da hast du deine eigene Tasse, deine Schüssel, deinen Löffel. Damit geht es schon los. Alles ist geteilt. Deine Toilette ist draußen .“ Katutura, 1988.
13
Von den südafrikanischen Einheiten zerstörte Kirche im Ovamboland im Norden Namibias. Unter z. T. lebensgefährlichen Umständen (Minengefahr auf den Sandwegen!), halten die Missionare an einem Sonntag bis zu vier Gottesdienste in weit auseinanderliegenden Gemeinden ab. Pater Volk, (Römisch-Katholische Missionsstation Anamulenga) im Ovamboland, 1988
15
Pater Nordkamp (51), deutscher Generalvikar der Katholischen Kirche in Windhoek, 1988 „Die Kirche, wenn sie wirklich Kirche Jesu Christi sein will, kann sich nur auf die Seite der Unterdrückten, der Ausgebeuteten und Entrechteten dieses Landes stellen. Wer die hier in diesem Lande sind, ist auch keine Frage. Deswegen haben wir als Kirche auch ganz deutlich politisch Stellung bezogen, d. h. wir lehnen die südafrikanische Präsenz ab. “
“Hier sind auch die Strukturen verkehrt und deswegen muß sich die Kirche hier irgendwie auch um die Politik des Landes kümmern, damit neue Strukturen geschaffen werden, damit Apartheid, die eine Sünde ist, hier im Lande verschwindet und dieses Land frei und unabhängig wird.“ “Der größere Teil unserer weißen Christen versteht den Einsatz der Kirche nicht recht. Ich verstehe mich, was die Situation im Lande und die Arbeit der Kirche angeht, sehr viel besser mit vielen Schwarzen.“ Windhoek, 1988.
17
Der Tag der Arbeit wird hier seit dem letzten Jahr offiziell gefeiert. Pater Nordkamp‚ Generalvikar aus Windhoek, ist es klar, daß die Weißen in einem unabhängigen Namibia auf manche ihrer Privilegien verzichten müssen ‚ „wie das immer der Fall ist, wo man von einer Herren- und Dienergesellschaft in eine Gesellschaft von Schwestern und Brüdern überwechseln muß.“ Katutura, 1. Mai 1988.
19
Ankunft der ersten Maschinen mit Rückkehrern aus Angola am Flughafen von Ondangwa im Norden. Die meisten kommen nach 25 Jahre Exil im Ausland zurück in ihre Heimat. Sie wurden von der UN in sogenannten “Receptions Centers” registriert und mit notwendingsten Sachen versorgt. Ondangwa, 1989.
Bei ihrer Ankunft in Namibia werden die R端ckkehrer begeistert empfangen. Viele sehen nach 25 Jahren Trennung ihre Verwandten und Familienmitglieder zum ersten Mal wieder. Ondangwa, 1989
21
Die Wahlen laufen unter Aufsicht der UN. Die Wahlveranstaltungen der SWAPO finden unter dem Motto “ein Volk, eine Nation� statt, damit soll keine Volksgruppe in Namibia ausgeschlossen werden. Gewerkschaftszentrale in Katutura, 1989.
23
Wahlkampagne läuft unter der Aufsicht der UN. Die Wahlveranstaltungen der SWAPO laufen unter dem Motto “ein Volk, eine Nation” damit wird keine Volksgruppe in Namibia ausgeschlossen. Gewerkschaftszentrale in Katutura, 1989.
Die erste spontane Demonstration vor den Wahlen in Windhoek. Niemand weiß zur dieser Zeit, ob die Demonstration blutig zerschlagen wird. Die Menge läuft auf der Kaiserstraße zum KriegsreiterDenkmal im Zentrum der Stadt und besetzt symbolisch das Denkmal. Windhoek, 1989.
Sam Nujoma kam als letzter politischer F端hrer erst kurz vor den Wahlen aus dem Exil nach Namibia zur端ck. Es existierte zu diesem Zeitpunkt noch keine namibische Nationalflagge. Katutura, 1989.
25
Mit dem 21. M채rz 1990 wird Geschichte geschrieben. Endlich erlangt Namibia seine Unabh채ngigkeit. Auch wenn es jetzt einen eigenen Staat gibt, so muss die kulturelle Identit채t, die durch Kolonialismus und Apartheid verhindert wurde, erst noch gesucht werden. Windhoek, 21.03. 1990.
27
FOTODOKUMENTATION | NAMIBIA AUF DEM WEG ZUR UNABHÄNGIGKEIT Die Fotodokumentation bezieht sich auf die Jahre von 1988 bis 1992. Themenbereiche: •
Historische Orte der kolonialen Vergangenheit wie Lüderitz, Waterberg, Swakopmond, etc.
•
Lebens- und Denkweise der Deutschstämmigen und ihr Verhältnis zur schwarzen Bevölkerung
•
Die Rolle der katholischen Kirche im Ovamboland im Norden
•
Die Medien in Namibia wie z.B.: Die deutschsprachige “Allgemeine Zeitung” und der englischsprachige “The Namibian”, die hinter Panzerglas produziert wurde
•
SWAPO in Namibia und der militärische Flügel PLAN in Angola
•
UNTAG-Prozess und die Rückkehrer aus dem Exil
•
Veranstaltungen und Wahlkampagnen der Parteien
•
Die ersten Wahlen und die Unabhängigkeit Namibias
•
Das Jahr der Unabhängigkeit
29
Fotojournalist Guenay Ulutuncok, während seines Aufenthalts in Namibia, in den Redaktionsräumen der Zeitung “The Namibian” Windhoek, 1988
Zur Person Guenay Ulutuncok,1954 in Istanbul geboren. Während des Studiums arbeitet er als Volontär, Fotograf und Layouter bei der Stadtzeitung “Kölner Volksblatt”. Nach dem Studium Architektur und Tropen-Technologie in Köln. Ende 1981 Mitbegründer der Fotografenagentur “laif Photos & Reportagen” in Köln. Schwerpunkt seiner Arbeit: Reportagen über politische und soziale Konflikte, sowie kulturelle und ethnische Vielfalt, für deutsche und internationale Magazine. 1982-1986 mehrere Reisen und Aufenthalte in den Nahen Osten und nach Nordafrika mit den ThemenSchwerpunkten Nahostkrise, Libanonkrieg, Afghanistan, Zypernkonflikt, Westsaharakrieg etc. Ab 1986 liegt der Schwerpunkt der Reportagen bei Themen aus Afrika, südlich der Sahara. 1988/1989 Journalisten-Stipendium der “Heinz-Kühn-Stiftung” für Namibia und Angola. Volontariat bei der Zeitung ”Namibia Nachrichten” mit den Themenschwerpunkten: der Unabhängigkeitsprozess, Weisse Namibier, deutsch-stämmige Siedler, die SWAPO (South West African People Organisation) und deren bewaffneter Arm PLAN (People Liberation Army of Namibia) in Angola.
1989/1991 zwei Jahre Aufenthalt im südlichen Afrika. Themenschwerpunkte: Namibia auf dem Weg zur Unabhängigkeit, Südafrikas Weg zur Demokratie, kriegerische Auseinandersetzungen in Angola und Moçambique. 1991 Konzeption und Projektmanagement eines 6 monatigen Professionalisierungsworkshop in Zusammenarbeit mit IOJ (International Organisation of Journalists), SWAPO (South West African People Organisation) und NAMPA (Namibian Press Agency) für Fotojournalisten in Namibia. 1992 Veröffentlichung des Bildbandes “ANGOLA - Ich spreche von einem Land, das wir suchen” (Marino-Verlag, München). 1993 Herausgeber des Buches “Ez Kurdim - Ich bin eine Kurdin” - Aufstand der kurdische Frauen, (Marino-Verlag, München). 1994 Veröffentlichung des Bildbandes ”AFRIKAS KINDER” und “AFRICA`S CHILDREN” (Peter Hammer Verlag, Wuppertal). 2000-2010 “Consulting for Development Projects”. Beratertätigkeit und mediale Konzepte überwiegend für die GTZ (Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit) im Bereich Naturschutz, Biodiversität und Esskultur. 2004 Mitherausgeber des Buches “Zehn Jahre seit dem Genozid. Ruanda.”, sowie Entwurf und Produktion eines multimedialen Gesamtkonzeptes für die “Gedenkstätte Murambi” in Ruanda. 2012 Herausgebers des Bildbandes „Drei Generationen“. Türkische Migranten in Lebensgröße porträtiert, als Teil der bundesdeutschen Wirklichkeit, als Teil dieser Republik. 2013 Stipendium der VG Bild-Kunst für die Fotodokumentation “Das Land meine Eltern”. Heute arbeitet er als Fotojournalist, Editeur und Publisher in Köln. Mitglied der Organisationen: IFJ - International Federation of Journalists, DGPh - Gesellschaft für Photographie, Reporter ohne Grenzen und Mitglied der Fotografenagentur “Laif Agentur für Photos & Reportagen”.
31
Adresse: Guenay Ulutuncok Kiefernweg 50 D-50999 Kรถln - GERMANY
Fon +49 (0) 221 27 85 66-1 Fax +49 (0) 221 27 85 66-2 Mobil +49(0)151 50 66 55 32 info@photojournalistonline.de
www.photojournalistonline.de www.africas-eden.net www.ulutuncok.com www.mediaproductiononline.de