Komplex 2021

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DAS MAGAZIN DER HALTER AG Nr. 14/2021



Design-Build oder Design-Bid-Build? Was auf den ersten Blick als theoretische, ja fast akademische Fragestellung daherkommt oder den Eindruck einer dieser beliebigen angelsächsischen Managementlehren vermittelt, hat in der Bau- und Immobilien­ industrie nicht nur praktische Relevanz. Die Frage stellt auch die zentrale Herausforderung für herkömmliche Berufsbilder und Geschäftsmodelle dar – getrieben durch die Digitalisierung. Bekannt sind die Veränderungen in der Zulieferindustrie der Automobilbranche, wo nicht mehr spezifische Produkte, sondern funktionsfähige Systeme mit vorgegebenen Eigenschaften gefordert wurden. Wer es schaffte, vom Lieferanten zum Systemanbieter zu mutieren, und in der Lage war, funktionale Einheiten wie Bremssysteme, Antriebsstränge oder intelligente Bordsysteme zu entwickeln und für Qualität, Preis und Termin zu bürgen, konnte nicht nur überleben, sondern – dank erhöhter Wertschöpfung – wachsen und gutes Geld verdienen. Ausschlaggebend für diese grundlegende Veränderung, die zu einer massiven Effizienz- und Qualitätssteigerung in der Automobilindustrie führte, war die Erkenntnis, dass der Besteller die Entwicklung nicht in eigener Regie machen, sondern dem Hersteller übertragen sollte, da ­dieser viel besser weiss, wie ein System gestaltet werden muss, um es hochwertig und kostengünstig zu produzieren. Der Wasserfallprozess des Entwickelns, Ausschreibens und Herstellens (design, bid, build) verkürzte sich auf die zwei Schritte des Ausschreibens durch den Besteller und der integrierten Entwicklung und Produktion durch den Hersteller (bid, design / build). Ob diese Neuerung auch in der Bau- und Immobilienindustrie Einzug halten wird, ist nicht mehr die relevante Frage, sondern vielmehr, wie dies geschieht und welche Auswirkungen die Veränderungen auf Prozesse, Arbeitsmittel, Berufsbilder und Geschäftsmodelle haben werden. In verschiedenen Beiträgen im vorliegenden «Komplex» wird auf die Thematik eingegangen: ganz praktisch im Artikel zum BäreTower mit der Lieferung parame­trisch-industriell gefertigter Nasszellen (S. 64), im Interview mit Rick del Monte, einem Pionier des Design-Build in den USA (S. 56), in der Darstellung des neuartigen Kostenermittlungstools DCC (S. 96) oder in der Diskussion über die zukünftigen Berufsbilder von Architekten und Ingenieuren (S. 101). 3

Komplex Nr. 14/2021


Ein weiteres zentrales Thema, das unser Unternehmen beschäftigt und dem wir deshalb in diesem «Komplex» nachgehen, sind die gesellschaftlichen und ökologischen Anforderungen an Immobilien-, Areal- und Gebietsentwicklungen, insbesondere im ­Kontext der Verdichtungsmaxime. In den Beiträgen zu den Projekten Pilatus Arena (S. 12), amRietpark (S. 20), Cœur de Cité (S. 44), Pont-Rouge (S. 132), vanBaerle (S. 164) und Campus Thun (S. 178) werden neben der Darstellung städtebaulich-architektonischer Qualitäten auch Fragen nach bedürfnisgerechter Programmierung der Innen- und Aussenräume, Biodiversität und soziokulturellen Angeboten vertieft. In einem zunehmend urbanen Gefüge kommen Freiräumen eine bedeutende Stellung zu – im Quartier, aber auch im ganzen Stadtgefüge. Der sehr anschauliche wissenschaftshistorische Beitrag von Matthew Skjonsberg über die Freiraumentwicklung durch das Anlegen ganzer Parksysteme (S. 140) zeigt, dass das Bewusstsein der Notwendigkeit eines guten Stadtklimas und des Angebots von Naturräumen in urbanen Strukturen sowohl aus ­ökologischer sowie baukultureller Sicht als auch im Interesse einer funktionierenden Gemeinschaft bis weit ins 18. Jahrhundert zurückreicht. Im Dezember 2020 haben wir unseren Hauptsitz nach Schlieren verlegt. Die neuen Büros in der ehemaligen NZZ-Druckerei leben von der industriellen Atmosphäre mit Werkstattflair und einem grosszügigen Platzangebot. Das inspiriert und fördert unsere Kultur des offenen Austauschs, der direkten und ziel­ orientierten Kooperation, des Machens. Damit dies nicht nur innerhalb unserer stetig wachsenden Unternehmensgruppe geschehen kann, haben wir auch das Co-Working und den Do Tank von The Branch in unseren Räumen integriert. Hier werden Gleichgesinnte eingeladen, gemeinsam die Herausforderungen und Chancen unserer Zeit nicht nur zu diskutieren, sondern konstruktiv und wirkungsorientiert anzugehen. Wir hoffen, auch Sie sehr bald bei uns begrüssen zu dürfen. Balz Halter Verwaltungsratspräsident Halter AG 4

Editorial



→ S. 7 Journal

→ S. 3 Editorial

Architektur & Design → S. 12 Die zweite Halbzeit hat begonnen

→ S. 20 Von Schlieren nach Hollywood

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PUBLIKATION Geistlich-Areal Schlieren Baufeld B2.1 Rietpark 8952 Schlieren

→ S. 36 Kleine Freiheit, grosse Bühne

→ S. 42 Werk mit Autor

Engineering & Produktion → S. 56 Interview: «The earlier a design-build team is selected, the greater the value»

→ S. 64 Bärenstark

→ S. 72 Zusammen arbeiten, gemeinsam gestalten

→ S. 92 Kolumne: Mut im Beschaffungswesen

→ S. 96 Kostensicherheit auf lange Sicht

→ S. 101 Die Mitglieder des SIA-Fachrats « ­ Digitale Transformation» nehmen Stellung zur ­künf­tigen Rolle von Architekt und Ingenieur

Kosten nach Werkgruppe

Raumprogramm

A C F

Baubeschrieb

Varianten

3 2

1

Analysen

Erfüllt das Produkt Beginn Development die Erwartungen? Phase A–B

PRODUKTDEFINITION Grundstücksdaten max. Gebäudehöhe max. baubares Volumen

6

– Nutzungsverteilung – Nutzungsmix – Qualitätsentscheidung

JA

NEIN

Inhalt

Geistlich-Areal Schlieren Baufeld B2.1 Rietpark 8952 Schlieren

Objetkt: GAS_ 2.OG Mass: 1:500 Datum: 24.01.2018 / mig Gmür & Geschwentner Architekten Flüelastrasse 31a 8047 Zürich - CH

→ S. 44 Auf historischem Boden

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PUBLIKATION

Objetkt: GAS_ 1.OG Mass: 1:500 Datum: 24.01.2018 / mig Gmür & Geschwentner Architekten Flüelastrasse 31a 8047 Zürich - CH


Eine Einheit für Einsiedeln

Im geschichtsträchtigen Zentrum von Einsiedeln, inmitten von geschützten Objekten wie dem Kloster, der Jugendkirche, dem alten Schulhaus und der historischen Allee, soll auf dem Paracelsusplatz ein neuer Gebäudekomplex entstehen (Visualisierung). Für die Nutzung vorgesehen sind bereits das Verwaltungszentrum des Bezirks Einsiedeln und das Pfarrheim der römisch-katholischen Kirchgemeinde. Daneben wird ein Wohn- und Geschäftshaus für Leben im neuen Quartier sorgen. Besonders das nutzungsspezifische Raumprogramm für die beiden öffentlichen Gebäude stellte hohe Ansprüche an den architektonischen Entwurf. Im Rahmen eines Gesamtleistungswettbewerbs gelang es Halter gemeinsam mit pool Architekten, die Einheit des Ensembles mit unterschiedlichen Nutzungen zu gewährleisten und seine Wirkung nach aussen hin zu akzentuieren. Ende 2021 werden die Einsiedler Stimmbürgerinnen und Stimmbürger die Möglichkeit haben, über das Projekt zu befinden.

Mission gelungen

Vor zwanzig Jahren fand sich eine kleine Gruppe von Architekten und Computerfreaks zusammen, um mit ihren Visualisierungen nicht nur den virtuellen Raum, sondern auch die Immobilienlandschaft der Schweiz zu erobern. Als Raumgleiter AG setzten sie in den folgenden Jahren wichtige Akzente in der Baubranche. Aus den jungen Wilden sind längst Profis geworden. Gerade hat das Team neue Büros im JED in Schlieren bezogen und auch seinen visuellen Auftritt überarbeitet. Zusammen mit dem ­Zürcher Designer Lukas Mettler wurde eine eingängige Corporate Identity entwickelt: Die neue Webseite dominieren eine prägnante Typo­grafie in Schwarz und Weiss sowie dyna­ mische Bilderwechsel. Eine intuitive Navigation führt durch den Dschungel digitaler Anwendungen. Ganz im Sinne des neuen Claims «Exploring Virtual Reality». → www.raumgleiter.com

Tolle Aussichten in Kleinbasel

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Ein erster wichtiger Meilenstein ist gesetzt: Im Dezember 2020 übergab Halter den Annexbau des Projekts Claraturm in Basel an den Bau­herren, die Balintra AG, eine Immobilien­ gesellschaft des Immobilienfonds UBS «Sima». Der Gebäudeteil umfasst 60 Wohnungen, von denen 35 mit MOVEment, einem Raumkonzept aus elek­trisch verschiebbaren Möbelmodulen, ausgestattet sind. Beide Bauten – das 100 Meter hohe Hochhaus und sein 20 Meter hoher Anbau – liegen direkt gegenüber dem Basler Messezen­ trum und sind überwiegend dem Wohnen gewidmet. Nur im Erdgeschoss wird es Gewerbe- und Gastro­nomieflächen geben. Das gesamte Projekt soll bis im Oktober 2021 fertig­gestellt sein. Die Resonanz seitens der Nutzer ist schon jetzt mehr als gut: Bereits Anfang des Jahres konnten alle 60 Apartments der ersten Ver­ marktungsetappe in Zusammenarbeit mit dem Immobiliendienstleister Tend und dem Visualisierungsspezialisten Raumgleiter vermietet werden. Nun kommen auch die Hochhauswohnungen auf den Markt. → www.claraturm.ch


Bewegung in Sion

Für die Investorin HIG Immobilien Anlage Stiftung setzt Halter mit Rubix das erste Westschweizer Projekt um (Visualisierung links), das mit MOVEment-Technologie aus­ gestattet wird. Dynamisch, modern und flexibel präsentieren sich hier 60 Apartments auf 6 Etagen, von denen 39 mit elektrisch verschiebbaren Möbelmodulen punkten. So können die zukünftigen Bewohner ihr Zuhause trotz geringer Grundfläche per Knopfdruck an jede beliebige Alltagssituation – Kochen, Essen, Arbeiten oder Schlafen – anpassen. Doch das ist noch nicht alles: Die Entwicklung im Zentrum von Sion, nur fünf Gehminuten vom Bahnhof und der EPFL Wallis entfernt, verfügt auch über eine Photovoltaikanlage, die im ZEV-Verbund (Zusammenschluss zum Eigenverbrauch) betrieben wird, ein elektronisches, mit dem Handy bedienbares Schliesssystem, Paketboxen als Ergänzung zu den Briefkästen und Ladestationen für Elektroautos. Im Erd­ geschoss soll zudem Platz für Gewerbebetriebe geschaffen werden. Die Fertigstellung ist für den Sommer 2021 geplant. → www.rubix-sion.ch

Ausgezeichnet

Jedes Jahr vergibt die Zeitschrift «Bilan» zusammen mit dem SVIT Romandie Preise für herausragende architektonische Leistungen in der Westschweiz. Der Wettbewerb Prix Bilan wurde 2020 bereits zum neunten Mal durchgeführt. Dabei erhielten gleich drei Projekte der Halter AG Auszeichnungen von der mit renommierten Fachleuten besetzten Jury. In der Kategorie «Hôtel» belegte das CitizenM im Genfer Stadtzentrum den ersten Platz. Es überzeugte mit seiner Einbettung in die historische Umgebung und einer modernen ­Technologie. Auf den zweiten Platz in derselben Kategorie kam das Moxy in Lausanne, dessen Architektur, so die Jury, den Stil der alten Lagerhäuser des Quartier du Flon aufnehme. Das Projekt Les Terrasses Volantes in Neuchâtel gewann in der Kategorie «Batiment Résidentiel Locativ» den zweiten Platz. Die Begründung: Es erweitere seine Umgebung auf natürliche Weise und zelebriere die Freude am Wohnen.

Fonderie Fribourg

Nach 24 Monaten Bauzeit konnte Halter in zwei Etappen alle 171 Apartments der Überbauung Fonderie in Fribourg an die Investoren, die Apartis-Stiftung für studentisches Wohnen und die Pensionskasse der Berner Kantonalbank, übergeben. Die sechs Gebäude an der Route de la Fonderie sind hauptsächlich für studentisches Wohnen bestimmt. Dafür prädestiniert sie vor allem ihre Lage in unmittelbarer Nähe zu den Hochschulen und Universitäten der Kantonshauptstadt. Die Anlage trägt damit zum Wandel des gesamten Quartiers in eine moderne Wohn­ gegend bei. Ihre Architektur nimmt die Struktur der ehemaligen Industriebauten auf, die dieses Viertel einmal prägten. Die quer zum Hang angeordneten Häuser sind zudem von grossen Grünflächen umgeben, die dem ursprünglichen Charakter des Standorts Rechnung tragen und die Hügellage spürbar machen. Als das erste mit dem Zertifikat 2000-Watt-Areal aus­ gezeichnete Projekt der Stadt Fribourg leistet Fonderie zudem Pionierarbeit im nachhaltigen Umgang mit Ressourcen. → www.fonderie3.ch Journal


Unter der Linde

Die sanfte, hügelige Landschaft am Hirzel wurde während der letzten Eiszeit vor über 10 000 Jahren durch Schuttablagerungen von Gletschern geformt. Heute prägen aber nicht nur die Moränen die ländliche Idylle, sondern auch die vielen Lindenbäume, die auf den Hügelkuppen stehen. Sie wurden von den Bauern der Region gepflanzt – als Zeichen der Erinnerung an historische Meilensteine, wie zum Beispiel die erste Zürcher Kantonsverfassung oder die Französische Revolution. «Unter der Linde» heisst darum ein neues Wohnbauprojekt (Visualisierung Mitte), das im Hirzel en­t­stehen soll. Der Entwurf stammt vom Architekturbüro Edelaar Mosayebi Inderbitzin und basiert auf der Idee, zwei ganz unterschied­liche Gebäudetypologien in die Hanglage einzubetten. Im Westen sollen drei parallele Gebäuderiegel mit hellen, lichtdurchfluteten Eigentums­ wohnungen entstehen; im Osten sind vier flache und kompakte Doppeleinfamilien­häuser geplant, die von Hans Fischlis Haus Schlehstud (1933) in Meilen inspiriert sind. Grosszügige Grünund Aussenflächen umfassen die Anlage, deren Fertigstellung für 2022 vorgesehen ist. → www.unterderlinde.ch

Niedergeschrieben

Auf Initiative und mit Unterstützung der Halter AG widmete das Kulturmagazin «Du» seine Dezember-Ausgabe 2020 dem Thema Stadtplanung. Seit den 1960er-Jahren, mit dem Aufkommen des motorisierten Individualverkehrs, orientierte sich die schweizerische Raumplanung schwergewichtig an Verkehrsinfrastrukturen. Die Kultur der Stadtplanung und des Städtebaus verschwand oder wurde nur noch punktuell verfolgt. Mit der Maxime der Siedlungsentwicklung nach innen, wie sie die Schweizer Bevöl­ kerung im neuen Raumplanungsgesetz statuiert hat, dürfte sich dies wieder ändern, denn sie wird zu einer Urbanisierung führen, zum Wandel von Agglomerationen zur Stadt. Zusammen mit weiteren Autoren ging Professor Vittorio Magnago Lampugnani darum der Frage nach, was Stadtplanung heute leisten kann und muss, um lebenswerte Quartiere – die Zellen einer Stadt – zu schaffen. → www.du-magazin.com

Von der Industrie zum Wohnen

Auf dem Henz-Areal in Suhr wurde früher mit Stahl gehandelt (Visualisierung rechts). Nun soll das Gelände direkt beim Bahnhof der Aargauer Kleinstadt einer neuen Nutzung zu­geführt werden. Die Basis dafür legte die Suhrer Stimmbevölkerung Ende 2018, als sie der ­Teilrevision der Bauordnung zustimmte und damit die rechtlichen Rahmenbedingungen für das Projekt schuf. Seitdem arbeitet Halter an der Transformation des ehemals industriellen Standorts zu einem neuen, vielfältigen Quartier mit Eigentumswohnungen – später auch Miet­ wohnungen für die PKE Vorsorgestiftung Energie als Investorin – und einem Hochhaus. Ein Gartenhaus, ein Platz mit Strassencafé und ein grosser Kinderspielplatz sollen zu Orten der Vermittlung werden und Identität schaffen. Darum herum entstehen Geschäfte, Büros und Ateliers. Anfang 2021 traf die Baubewilligung ein. Nun geht es an die Umsetzung, die Fertigstellung ist für 2023 geplant. → www.henz-areal.ch


Pavillon der Zukunft

Das Technorama in Winterthur setzt mit seinem Ausstellungskonzept ganz auf das Erfahren und Erleben von Natur und Technik und trägt dazu bei, Schülerinnen und Schülern aller Altersstufen naturwissenschaftliche Zusammenhänge näherzubringen. Seit 2019 in Bau, eröffnete vor Kurzem der Technorama-Park. Mit ihm konnte die Ausstellungsfläche um rund 15 000 Quadratmeter vergrössert werden. Herzstück dieser Erweiterung ist die 130 Meter lange und bis zu 17 Meter hohe Wunderbrücke, die nicht nur Platz für Experimente, sondern auch Ausblicke in die Umgebung bietet. Ein weiterer Ver­ anstaltungs- und Vorlesungsort wird der multifunktionale Pavillon mit buntem Glasdach sein (Foto). Mit dem Format The Branch hat sich Halter als Sponsor an seinem Bau beteiligt: eine Investition in künftige Generationen von Ingenieurinnen und Ingenieuren. → www.technorama.ch

Eine Mitte für Wetzikon

Wo liegt die längste Bahnhofstrasse der Schweiz? In Wetzikon. Mit 2435 Metern ist sie rund einen Kilometer länger als ihr Gegenstück in Zürich. Weil sich an ihr nie ein wirkliches Zentrum entwickeln konnte, soll nun eines entstehen. Mit der Überbauung Metropol, die das in die Jahre gekommene Einkaufszentrum Trompete ersetzen soll, will die Gemeinde im Zürcher Oberland einen neuen Schritt in die Zukunft wagen. Basierend auf einem Gestaltungsplan aus dem Jahr 2012, der lange wegen eines Rechtsstreits blockiert war, realisiert Halter gemeinsam mit der UBS als Investorin ein attraktives Zentrumsquartier mit Shopping, Gastronomie, Wohnen und Dienstleistungen. Die etappierte Umsetzung dauert von Herbst 2021 bis 2025.

Neuhausen reloaded

Der spektakuläre RhyfallTower wächst in die Höhe. Doch er ist derzeit nicht das einzige Gebäude, das Halter in Neuhausen am Rheinfall im Kanton Schaffhausen realisiert. Mit dem Projekt Industrieplatz konnte vergangenes Jahr auch der Grundstein für ein elfstöckiges Wohn- und Geschäftshaus gelegt werden. Zusammen mit der Bauherrschaft Pensionskasse des Bundes Publica entwickelt Halter hier in nächster Nähe zum S-Bahnhof 76 Mietwohnungen und Gewerbeflächen im Erdgeschoss. Der architektonische Entwurf stammt von der Arbeits­gemeinschaft Tony Fretton Architects und Blättler Dafflon Architekten. → www.rhytech-quartier.ch, → www.rhyfalltower.ch

Leben und leben lassen

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Mit Vivo lanciert die Halter AG ein neues Wohnprojekt in der im Kanton Basel-Landschaft liegenden Gemeinde Aesch. Der Standort inmitten der Natur befindet sich nur 14 Kilometer von Basels Innenstadt entfernt und ist durch öffentliche Verkehrsmittel optimal erschlossen. Das städtebaulich hochwertige Ensemble besteht aus einem 40 Meter hohen Turm, einem viergeschossigen Hofbau und zwei weiteren Wohnbauten im ruhigen Bereich des Areals. Insgesamt sollen 228 Wohnungen für ein breites Zielpublikum entstehen. Zusätzliche Angebote bilden das Co-Working VivoWork, Business Apartments unter dem Namen VivoLive, ein Tower-Café und eine Kindertagesstätte. Der Journal Baustart ist noch für dieses Jahr geplant.


Gesellschaft & Umwelt → S. 109 Immobilienbewertungen – Sinn oder Unsinn?

→ S. 114 Netzwerk der Zukunft

100 100

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Angebotspreis

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→ S. 122 Interview: «Das Wichtigste ist, dass man weiss, was man will»

Entwicklung & Städtebau → S. 132 Nächster Halt, Pont-Rouge!

→ S. 140 Civic Design neu betrachtet: Eine kurze Geschichte der Parksysteme

1234 - Esplanade de Pont-Rouge

1234 - Esplanade de Pont-Rouge

Plan 5ème étage - 1/500

1234 - Esplanade de Pont-Rouge

Plan rez-de-chaussée - 1/500

Coupe 1-1 - 1/500

B

of

→ S. 174 Kolumne: Herausforderung Mehrwert Gewerbeh

→ S. 164 Ein Stadtgarten für alle C Garten

A Piazza

Square

D Wohnho f

Walzw erkgas se

A3

1:500

11.01.21 / str

05.12.19 / laa Gez.

Format

Änd.

Index Mst. Plannummer Anlieferung

19W07 - Entwicklung Baufeld B5 Thun

Grundriss_500

StartUp

Lobby

Forum

Piano Bar

StartUp

Notzufahrt Fablab

Erdgeschoss

Kiosk

Lager EMPA

Fitness

Restaurant

Caffe

210-02

→ S. 178 Der aufgelöste Block

19W07 Entwicklung Dateiname Baufeld B5 Thun Unterlagen für Raphael.pln

+ 1.00m

LKW bis 12.00m

Anlieferung Sattelzug L = 16.50m Sattelzug L = 16.50m

Shop

Architekt 11.01.21 / str Änd.

A3

1:500

05.12.19 / laa Gez.

Format

Index Mst. Plannummer

210-07

19W07 Entwicklung Dateiname Baufeld B5 Thun Unterlagen für Raphael.pln

Obergeschoss 5

Grundriss_500

Schnitt A

Bauart Architekten und Planer AG Zimmerlistrasse 6 | 8003 Zürich T: +41 43 366 65 65 | bauart@bauart.ch

19W07 - Entwicklung Baufeld B5 Thun

Bauart Architekten und Planer AG Zimmerlistrasse 6 | 8003 Zürich T: +41 43 366 65 65 | bauart@bauart.ch

Bistro

Retail

Takeaway

Showroom

Einstellhalle

Schnitt A

Schnitt B

Architekt

Architekt Schnitt B und Planer AG Bauart Architekten

20I01 - Entwicklung Baufeld B5 Thun Schnitt

Plannummer

220-01

Index Mst.

1:500

Gez.

05.12.19 / laa

Änd.

18.05.20 / laa

Format

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Zimmerlistrasse 6 | 8003 Zürich T: +41 43 366 65 65 | bauart@bauart.ch

Längsschnitte

Architekt

20I01 - Entwicklung Baufeld B5 Thun Schnitt

220-01

Bauart Architekten und Planer AG Zimmerlistrasse 6 | 8003 Zürich T: +41 43 366 65 65 | bauart@bauart.ch

Längsschnitte

Dateiname 20I03 Campus Thun Machbarkeit 210118.pln

Dateiname 20I03 Campus Thun Machbarkeit 210118.pln Plannummer Index Mst. 1:500 Gez.

05.12.19 / laa

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→ S. 186 Die Halter-Gruppe auf einen Blick 11

→ S. 188 Impressum Komplex Nr. 14/2021


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DIE ZWEITE HALBZEIT HAT BEGONNEN Text: Deborah Fehlmann Visualisierungen: Raumgleiter Modellfoto: Stefano Schröter

Mit der Pilatus Arena in Kriens erhält der Hallensport in der Zentralschweiz eine lang ersehnte Infrastruktur. Doch das Grossprojekt von Giuliani Hönger Architekten will mehr sein als ein monofunktionales Sportstadion. Mit zwei Wohntürmen, Gewerbe im Erdgeschoss und einer vielseitig nutzbaren Halle als vermittelndem Element soll es ab 2025 die Identität des neuen Mattenhof-Quartiers im Süden Luzerns mitprägen. 13

Komplex Nr. 14/2021


Die Vision einer neuen Saalsporthalle begleitet Nick Christen seit Jahrzehnten. Weil im Raum Luzern eine angemessene Infrastruktur von jeher fehlt, feierte der frühere Handballprofi seine Erfolge mit Borba Luzern jeweils in Sursee. Als er vor 13 Jahren die Geschäftsleitung des HC Kriens-Luzern übernahm, beschloss er, das zu ändern. Ihm schwebte eine multifunktionale Halle vor, die sich auch für Länderspiele, Schulsport oder Konzerte eignen würde und über Mantelnutzungen finanziert werden sollte. Denn bei den Gemeinden, das wusste Christen, würde er mit seiner Idee keine offenen Türen einrennen – drei öffentlich finanzierte Projekte für Saalsporthallen waren zuvor bereits gescheitert. Nach viereinhalb Jahren im Alleingang konnte er die Eberli AG aus Sarnen als ersten von drei privaten Umsetzungspartnern für das Vorhaben gewinnen, und die Planung der Pilatus Arena nahm Fahrt auf. Mit dem regionalen Entwicklungsträger Luzern Plus führten die Initianten eine Standortevaluation durch, aus der das Areal ­Mattenhof 2 an der Peripherie von Kriens als Sieger hervorging. 2016 konnten sie sich die lang gezogene Parzelle über einen Kaufrechtsvertrag mit der Stadt Luzern als ­Eigentümerin sichern. Mit einer Stirnseite stösst das Areal auf die S-Bahn-Haltestelle Mattenhof. Jenseits der Gleise liegt die Luzerner Allmend, an deren fernem Ende die Zwillingstürme der Swissporarena aufragen. Vom Bahnhof wegführend, schneidet die Ring­ strasse das Mattenhof-Areal entzwei. Auf dem Teilgebiet Mattenhof 1 steht seit gut zwei Jahren der Vorbote einer künftigen Entwicklung: Die Mikropole Mattenhof vereint 130 Wohnungen, Büros, ein Hotel, Geschäfte und Restaurants in fünf Baublöcken. Noch ist sie eine Insel im heterogenen Gewerbegebiet. Gemäss dem Entwicklungskonzept LuzernSüd liegt genau hier aber das Zentrum eines künftigen Lebensraums mit bis zu 15 000 Wohnund Arbeitsplätzen (vgl. Vertiefungsstudie Mattenplatz, 2015). Der Standort im Herzen des Entwicklungsgebiets ist für die Pilatus Arena mit Blick auf die erforderlichen Mantelnutzungen attraktiv. Zudem ermöglichen die hervorragende Anbindung an den öffentlichen Verkehr und regionale Velorouten ein autoarmes ­Mobilitätskonzept. Umgekehrt verpflichtet die Zentralität aber zu einem qualitäts­ vollen Beitrag an das künftige Quartier. 14

Dichte als Herausforderung In diesem Bewusstsein führte die Bauherrschaft 2017 einen zweistufigen Studien­ auftrag mit Präqualifikation durch. Die erste Stufe diente der Klärung der Frage, ob sich mit den für die Querfinanzierung des Stadions notwendigen Nutzungen überhaupt ein qualitätsvoller Städtebau realisieren liesse. Das Raumprogramm sah nebst der multifunktionalen Arena mit 4000 Zuschauerplätzen 100 Miet- und 250 Eigentumswohnungen sowie 2000 Quadrat­ meter Gewerbe- und Büroflächen vor – bei einer Grundstücksfläche von 12 900 Quadratmetern ein äusserst ambitioniertes Vorhaben. Es resultierten dichte Projekte mit markanten Hochpunkten. Die Entwerfenden konnten die Ausnutzungsziffer sowie die Anzahl, Höhe und Position der Bauten frei bestimmen. Dabei erwiesen sich, so der Bericht des Beurteilungsgremiums, diejenigen Lösungsvorschläge als die tragfähigsten, welche die Saalsporthalle im Zentrum positionierten und mit zwei Hochhäusern, einem höheren am Bahnhofplatz und einem tieferen zum Mattenplatz hin, flankierten. So auch der siegreiche Entwurf von Giuliani Hönger Architekten. Ihnen gelang der feingliedrigste und hinsichtlich der Einfügung in den baulichen Kontext überzeugendste Entwurf. Die Architekten erklären dies mit drei Grundsatzentscheiden: Erstens setzten sie sich zum Ziel, die Arena als ohnehin massiven Baukörper möglichst flach auszubilden. Das Spielfeld liegt deshalb auf Erdgeschossniveau. Zweitens besetzten sie den Perimeter vollflächig mit einem zweigeschossigen Sockel. Darauf entwickelten sie, drittens, drei eigenständige Bauten. Die Arena liegt als gläserner Kubus in der Mitte. Der 110 Meter hohe Turm am Bahnhofplatz und die 50 Meter hohe Scheibe am Mattenplatz setzen sich mit rhythmisch gegliederten Fassaden aus hellem Kunststein klar davon ab. Dank ihren polygonalen Grundrissen wirken die beiden Wohnbauten schlank. Volumetrische Versprünge und die Fassadengliederung schaffen Bezüge zu den Nachbarbauten. Die klare Dreiteilung ist nicht zuletzt auch den verschiedenen Bauherrschaften geschuldet: Während die Eberli AG und die Halter AG die Arena und den Turm ­vorwiegend mit Eigentumswohnungen realisieren, setzen Helvetia Versicherungen das Scheibenhochhaus als Mietwohnungsbau um. Entscheidend für die Qualität des Gross­ projekts im Quartier wird aber zweifellos die Ausgestaltung des Sockelgeschosses sein. Giuliani Hönger legten grossen Wert darauf, Architektur & Design



rundum Öffentlichkeit zu generieren. Den Auftakt gegen den Bahnhof macht ein Restaurant im Sockel des Wohnturms. Entlang der Ringstrasse entwarfen die Architekten in Zusammenarbeit mit Vogt Landschaftsarchitekten eine breite Promenade. Anders als ein konventioneller Vorplatz zur Saalsporthalle soll diese als öffentlicher Raum auch dann funktionieren, wenn gerade kein Grossanlass stattfindet. Schaufenster sowie Zugänge zur Arena, zu den Gewerbeflächen und den Wohnbauten beleben den Strassenraum. Polygonale Bauminseln und ein Pavillon mit Kiosk geben dem langen Sockelgeschoss ein Gegenüber und zonieren die Promenade. Den eigentlichen Anziehungspunkt im Strassenraum bildet aber die Arena selbst. Zwar verbergen sich Spielfeld und Tribünen im Bauch des Sockel­ geschosses. Den von oben erfolgenden Zugang zu den Zuschauerrängen inszenieren Giuliani Hönger dafür als neun Meter hohes, umlaufendes Foyer mit Glasfassade. Der Stadtbalkon, wie die Architekten den Glaskubus nennen, kragt über das Sockelgeschoss hinaus in den Strassenraum und trägt das Geschehen aus dem Inneren der Arena in die Öffentlichkeit. Ihre Feingliedrigkeit verdankt die Glas­ fassade dem statischen System: Betonstützen im Bereich der hintersten Zuschauerreihen tragen einen fünf Meter hohen Deckenrost aus Stahl, der die 44 mal 62 Meter grosse Halle stützenfrei überspannt. Die Träger kragen mit geringerer Höhe über die Stützen aus und tragen die Lasten des Stadtbalkons über filigrane Zugstützen ab. Die Deckenfelder zwischen den Trägern dienen wechselweise als technischer Installationsraum oder Oblicht. Eine extensive Begrünung zeichnet das Karomuster der Tragstruktur auf dem Dach nach. Giuliani Hönger gestalteten das Hallendach im Gegensatz zu anderen Wettbewerbs­ teilnehmenden jedoch nicht als Dachgarten. Die Lage abseits der alltäglichen Wege der Bewohnerschaft sei zu isoliert, als dass ein belebter Ort entstehen könne, sind sie überzeugt. Tatsächlich wirft die Schaffung von halb öffentlichen Aussen- und Grünräumen in dem dichten Gefüge Probleme auf, welche die Pilatus Arena nicht auf der eigenen Parzelle zu lösen vermag. Zwar sollen auf beiden Hochhäusern gemeinschaftliche Dachterrassen entstehen, das Naherholungsgebiet Allmend wird für die Bewohnerinnen und Bewohner aber unverzichtbar sein. Zudem sollen über die Mehrwertabgabe, welche die Bauherrschaft im Gegenzug für eine höhere Ausnützung an die 16

Gemeinde entrichtet, Spiel- und Freizeitflächen in der Umgebung finanziert werden. Für ein vielfältiges Quartierzentrum Künftig wird die Pilatus Arena das Mattenhof-­ Quartier als markanter städtischer Baustein, aber auch als Ort öffentlicher Grossveranstaltungen prägen. Dass ein solches Vorhaben auch Widerstand in der Bevölkerung weckt, erstaunt nicht. So nahmen die Krienser den Bebauungsplan und die Teil­zonenplanänderung im November 2020 an der Urne nur knapp an – trotz Unterstützung des Einwohnerrates und aller politischer Parteien. Die Initianten sind zuversichtlich, dass die Arena dem Quartier positive Impulse geben wird. Nebst ­überzeugender Architektur setzen sie dabei einerseits auf eine durchmischte Nutzerund Bewohnerschaft: Im Sockelgeschoss soll auch lokales Kleingewerbe Platz finden. Das Wohnungsspektrum darüber reicht von der Kleinwohnung bis zum Penthouse mit Blick auf Pilatus und Vierwaldstättersee. Auch variable Kleinwohnungen nach dem MOVEment-­ Konzept soll der Turm beherbergen. Andererseits wird Wert auf ein quartierverträgliches Mobilitätskonzept gelegt. Event-Besucher sollen mit Velo, Bahn oder Bus anreisen. Hallenbetreiber, Gewerbe und Anwohner teilen sich eine Tiefgarage. Und schliesslich, sagt Nick Christen, werde die Arena neben öffentlichen Anlässen auch Trainings und dem Schulsport dienen. Diese Nutzungsvielfalt auf kleinem Raum ist baulich wie auch betrieblich eine Herausforderung. Sie verleiht der ­Pilatus Arena aber auch das Potenzial zum Katalysator für die Entwicklung des künftigen Mattenhof-Quartiers.

Giuliani Hönger Architekten Lorenzo Giuliani und Christian Hönger gründeten Giuliani Hönger Architekten 1991. Das Büro beschäftigt heute rund 35 Mitarbeitende und 5 Partner. Die Gründer waren 1990 bis 1994 als Assistenten in Städtebaugeschichte, Entwurf und Kon­struktion an der ETH Zürich und 1999 bis 2013 als Professoren an den Fachhochschulen ZHAW beziehungsweise HSLU tätig. 2013 bis 2015 hatten sie gemeinsam eine Gast­ professur an der EPFL inne. Aus der gemeinsamen Tätigkeit gingen zwei Hauptinteressen hervor: «mehrdeutige Typo­ logien» und «starke Räume». Seine Vielfalt an Aufträgen erarbeitete das Büro mit Wettbewerben. Realisierte und ausgezeichnete Bauten sind der Bahnhof und Bahnhofplatz St. Gallen (2019), das Wohn- und Gewerbehaus Schlotterbeck in Zürich (2017), das Innovationszentrum Hilti in Schaan (2014), das Fachhochschulzentrum St. Gallen (2013) und die Fachhochschule Sihlhof in Zürich (2003). In Bearbeitung sind derzeit neben der Pilatus Arena mit Wohntürmen (2025) die Erweiterung des Bahnhofs Stadelhofen in Zürich (2035) und das Klinikum 2 des Universitätsspitals Basel (2038). → www.giulianihoenger.ch

Architektur & Design


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Komplex Nr. 14/2021

Grundriss 2. Obergeschoss: Das allseitig verglaste Foyer bildet einen Kranz um die Zuschauerränge.

Grundriss Erdgeschoss: Gewerberäume und Hallenzugänge generieren Öffentlichkeit rund um das grossflächige Sockelgeschoss.


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Architektur & Design

Situationsplan: Luzern-Süd wächst. Die Pilatus Arena ist einer von mehreren grossmassstäblichen und dichten Stadtbausteinen.

Längsschnitt: Über dem Sockel entwickeln sich die Bauten eigenständig. Die Arena hielten die Architekten bewusst flach.


S. 12 — Event-Location und Stadtbaustein – die Wohntürme und der gläserne Kubus der Pilatus Arena werden das künftige Quartierzentrum prägen. Blick vom Mattenplatz auf die Ringstrasse.

S. 15 unten — Von aussen erscheint die Pilatus Arena sanft, in ihrem Inneren versteckt sich ein Hexenkessel. Die Halle ist mit 4000 Zuschauerplätzen und modernster Ausrüstung auch Länderspielen gewachsen.

S. 15 oben — Verweilen unter dem Stadtbalkon. Die Fussgänger­ promenade dient bei Grossanlässen als Ankunftsort. Im Alltag steht sie dem Quartier als öffentlicher Raum zur Verfügung.

S. 19 — Der 110 Meter hohe Pilatus Tower markiert den Bahnhof und schafft über die Allmend hinweg einen Bezug zu den beiden Wohnhochhäusern bei der Swissporarena, die im Hintergrund links in die Höhe ragen.

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VON SCHLIEREN NACH HOLLYWOOD Text: Hubertus Adam Fotos: Lucas Peters

Eigentlich besteht der jüngste Wohnblock am Rietpark in Schlieren aus zehn Häusern mit ganz unterschiedlichen Wohnungs­ typen. Doch die Häuser stehen nicht nebeneinander, s ­ ondern sind zu einem Block verschmolzen. Von einer gemeinschaftlichen Halle aus gelangt man zu den einzelnen Treppenhäusern. Bewusst haben die Architekten Steib Gmür Geschwentner Kyburz nur zwei Eingänge angelegt. 21

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2001, vor 20 Jahren, begann die Neuplanung für die einst industriell genutzten Brachen nördlich des Bahnhofs Schlieren im Limmattal westlich von Zürich. Jetzt ist die Transformation weitgehend abgeschlossen: Auf dem westlich gelegenen Färbi-Areal und dem östlich anschliessenden Areal der früheren Leimfabrik Geistlich ist ein neuer Stadtteil entstanden, dem der Name amRietpark gegeben wurde. Sein Herzstück bildet ein 600 Meter langer und gut vier Hektar grosser namens­ gebender Park, der allseitig von Neubauten umgeben ist. Eine Lücke besteht lediglich auf der Südostseite unmittelbar an der Bahn­ trasse. Das hier seit Langem ansässige Racket-Sportcenter mit seinen Tennis- und Badmintonplätzen sowie Squashboxen soll 2022 geschlossen und an einen Standort nahe der Zürcher Stadtgrenze verlegt werden. Dann steht der letzten Ausbauetappe des Stadtteils nichts mehr im Weg – drei weitere Baufelder könnten das Ensemble komplettieren. Entscheidend für die urbanistische Grundfigur war der Masterplan für das Färbi-Areal, mit dem sich das Zürcher Architekturbüro Galli Rudolf und der Landschaftsarchitekt Andreas Geser in einem von Halter Entwicklungen 2003 durchgeführten Wettbewerb durch­ setzen konnten. Sieben Jahre später gewann EM2N zusammen mit Schweingruber Zulauf (heute Studio Vulkan) die Konkurrenz für das angrenzende Geistlich-Areal, wobei sie die wesentlichen Charakteristika der Konzeption von Galli Rudolf aufgriffen und auch das zentrale Parkband fortführten. Als erstes Projekt dieses Entwicklungsgebiets wurde der Eigentumswohnungsblock Magnolia nach einem Entwurf von Enzmann und Fischer realisiert. 2015 fielen Entscheidungen in gleich drei weiteren Studienaufträgen: Gmür & Geschwentner konnten im an Magnolia anschliessenden ­Baufeld C.1 die Konkurrenz von BDE, Hauenstein La Roche Schedler, Meletta Strebel und Schneider Studer Primas ausstechen, während an der nordöstlichen Arealecke Graber Pulver und südlich davon E2A zum Zug kamen. Alle drei Baukomplexe wurden 2020 fertiggestellt und bezogen. Urbane Dimensionen Der orthogonale Block von Gmür & Geschwentner – heute Steib Gmür Geschwentner Kyburz – besitzt wahrhaft grossstädtische Dimensionen: Er ist mehr als 100 Meter lang, 50 Meter tief und acht Geschosse hoch, wobei die Verblendung der Technikbereiche auf dem Dach 25

optisch wie ein zusätzliches Geschoss erscheint. Durch die klare Disposition des Masterplans spannt sich das im Auftrag der Bauherrschaft Helvetia Versicherungen von Halter Gesamtleistungen erstellte Gebäude in Querrichtung zwischen der Brandstrasse im Norden, die als verkehrliche ­Haupterschliessung des Quartiers fungiert, und dem Fuss­gängern und Velofahrern vorbehaltenen Rietpark im Süden auf. Diese doppelte Orientierung blieb nicht ohne Auswirkungen auf die Nutzungsverteilung im Inneren: Das strassenseitige Erdgeschoss bietet einer Reihe von Ladenlokalen Platz, um den Strassenraum zu beleben; eine weitere Geschäftsfläche findet sich hinter der Pfeilerarkade, die an der östlichen Stirnseite zum Park vermittelt. Im ersten Obergeschoss stehen zur Strasse hin Büroflächen zur Ver­ fügung – doch ansonsten dient der Block ­vorrangig dem Wohnen. Dabei bestand die eigentliche Herausforderung darin, wie die insgesamt mehr als 200 Wohnungen in dem gewaltigen Bauvolumen angeordnet und erschlossen werden könnten. Die enorme Bautiefe legte eine Hoflösung nahe, die Länge von 100 Metern erlaubte einen Querriegel. Leicht aus der Mitte verschoben, lässt dieser zwei unterschiedliche Hofräume entstehen: einen kleineren östlichen mit nahezu quadratischem Grundriss und einen grösseren westlichen mit längsrechteckigem Zuschnitt. Die Zürcher Landschaftsarchitekten ­Bal­liana Schubert haben die beiden Höfe, die aufgrund ihrer Grösse veritable kleine Parks darstellen und von verschiedenen Seiten aus zugänglich sind, auch unterschiedlich gestaltet: Das zwischen den niveaugleichen Pflanzinseln und Randbegrünungen ondu­ lierende Wegesystem ist im grösseren Hof gepflastert, während es im kleineren aus Betonplatten besteht – hier sind die mit Spielgeräten bestückten Pflanzinseln erhöht angelegt und von Betonelementen umgeben. Ein wesentlicher Unterschied besteht zudem darin, dass die Südfront des Gebäudes vor dem quadratischen Hof lediglich viergeschossig ausgebildet ist. Trotz der steileren Proportionen des Binnenraums erhalten die über die Innenfassaden belichteten Wohnungen somit genügend Helligkeit. Die Hofräume bringen Licht in den Block, fungieren als geschützte Aussenbereiche – und sie spielen eine wichtige Rolle bei der Erschliessung der Wohnungen. Denn betreten wird das Haus eigentlich nur an zwei Stellen, Komplex Nr. 14/2021


nämlich dort, wo der Querriegel auf die Strassen- und die Parkfront trifft. Wer nicht mit dem Velo kommt – über kleinere stirnseitige Eingänge erreicht man die Abstellräume auf direktem Weg –, muss durch diese Nadel­ öhre. Über die grosse Halle im Erdgeschoss des Querriegels gelangt man dann mittels verglaster Galerien entlang der Höfe zu den insgesamt zehn Treppenhäusern. Die Entscheidung, die Treppenhäuser nicht nach aussen, sondern nach innen zu orientieren, ist ein ebenso simples wie wirkungsvolles Mittel, das anonyme Nebeneinander von zehn Häusern zu durchbrechen und die Anzahl möglicher Begegnungen von Bewohnerinnen und Bewohnern zu maximieren. Ein Gebäude mit 200 Wohnungen bietet dafür genügend kritische Masse – und das wirkt sich auch auf die Gestaltung der gemeinschaftlichen Bereiche aus, die dann eben etwas opulenter ausfallen können, als es in einem normalen Wohnhaus der Fall wäre. Mexikanischer Farbrausch Vier Meter hoch ist die Erdgeschosshalle, die sich zwischen den beiden Eingängen erstreckt und beidseitig über die Höfe belichtet wird. Im nördlichen Eingangsbereich, unter einer goldenen Flachkuppel, befindet sich die gemeinsame Briefkastenanlage, dahinter ist zwischen dem Wald der Rundstützen genügend Raum für informelle Gespräche, aber auch für gemeinsame Feiern. Patrick Gmür konnte hinsichtlich des Konzepts an Erfahrungen anknüpfen, die er mit der 2007 fertiggestellten Wohnanlage James in Zürich-Albisrieden gemacht hatte: Die dortigen 280 Wohnungen verteilen sich zwar auf mehrere Gebäude, doch auch hier bot die hohe Zahl von Bewohnerinnen und Bewohnern die Möglichkeit, den Gemeinschaftszonen besondere Aufmerksamkeit zuteil werden zu lassen. James kann aber noch aus einem anderen Grund als ein Schlüsselwerk gelten, weil Gmür & Geschwentner erstmals bei einer grossen Wohnanlage ein Farbkonzept gemeinsam mit dem Künstler Peter Roesch umsetzten. Die Zusammenarbeit begann schon Ende der 1990er-Jahre und führte wenig später zu einem ersten Höhepunkt beim Schulhaus Scherr (2000–2002) in Zürich, bei dem Roesch eine buntfarbige Palette zum Einsatz brachte, die von der Architektur Luis Barragáns inspiriert ist. Gewissermassen ist diese selbstbewusst-­ unschweizerische Farbwelt zum Markenzeichen des Architekturbüros geworden, und der Wohnblock am Rietpark ist dafür ein neuerliches 26

Beispiel. Denn jedes Treppenhaus – der Begriff ist hier für einmal im wahrsten Sinne des Wortes zutreffend, weil hinterleuchtete Schilder «Haus 1», «Haus 2» etc. signalisieren – besitzt eine eigene Farbe, die sich an der angrenzenden Wand fortsetzt. Bewegt man sich U-förmig durch das Erdgeschoss und beginnt ganz im Südwesten, so ist die Farbfolge Hellgrün, Gelb, Blauviolett, Rot, Hellblau, Rotviolett, Dunkelgrün, Orange, Blau und Braun / Gold. Die Farben machen Freude, sie geben Orientierung; als Leitsystem sollte man sie gleichwohl nur bedingt verstehen. Sie sind immer einmal wieder moduliert, und hier und da treten auch andere Tönungen hinzu, etwa Silber an den Decken der Obergeschosse. Die tendenziell dunkle Halle, die man zunächst passiert, bringt die bunten Farben noch kräftiger zum Leuchten, und wie auch schon bei anderen Projekten (James, Hard Turm Park) zeigt sich das Äussere des Blocks mehrheitlich dunkel – grosse Teile der Fassaden sind mit zwei Millimeter starken, nachtblau eloxierten Aluminiumwellplatten verkleidet. Wirkungsvoll kontrastiert damit die Eloxalfarbe Bausilber, die mit Geschossstreifen und von Ebene zu Ebene verspringenden Balkonen auf der Strassenseite grafische Akzente setzt, während sie in den Höfen dominant in Erscheinung tritt und dem Nachtblau den rezessiven Part zuweist. Vielfalt statt Homogenität Die Aussenräume der Wohnungen sind im Norden als auskragende Balkone ausgebildet, sodass die Morgen- und Abendsonne eingefangen ­werden kann, die Wohnungen auf der exponierten Südseite zum Park hingegen wurden mit schützenden Loggien versehen. Wie auch bei anderen Projekten des Architekturbüros besticht die Vielzahl unterschiedlicher Wohnungs­typen. Die Grösse variiert zwischen 2,5 und 5,5 Zimmern, doch liegt der Unterschied nicht darin, dass hier zwei Zimmer hinzukommen oder dort eines wegfällt. Vielmehr gibt es Wohnungen mit Tages- und Nachtbereich, solche mit Korridor und eher klassischer Raumteilung und andere mit einem freien und offenen Grundriss, Wohnungen mit einem Rundlauf durch die Sanitärbereiche und andere mit einem doppelgeschossigen Wohnraum. Vielfalt ist hier oberstes Prinzip, denn Vielfalt bewahrt vor Homogenität: Unterschiedliche Wohnungstypen sprechen unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Lebensweisen an. Architektur & Design




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«Helle, geräumige Wohnungen, ein Hof wie ein Dschungel, ein zweiter wie eine Landschaft, dazu ein Pool auf dem Dach – Schlieren ist nicht Hollywood, sondern dank unserer Architektur fast noch besser!», schwärmen Patrick Gmür und Michael Geschwentner auf der Homepage ihres Büros. Tatsächlich verbirgt sich von aussen unsichtbar oben auf dem Querriegel ein Pool mit holzbeplankten Liegeflächen. Der Freizeitbereich, der allen Bewohnerinnen und Bewohnern offensteht, ist umgeben von weissen Wänden aus Welleternit, ein Pano­rama­­ fenster erlaubt den Blick auf den Rietpark tief unten und die Umgebung, doch vor allem geht des Sommers der Blick in den Himmel. Vielleicht vergisst man Schlieren, das Limmat­ tal, die Schweiz, vielleicht erklingt in der nachmittäglichen Hitze von ferne eine Melodie, ein Lied, in dem es heisst: «Un giorno splendido perché / Ogni secondo bacio te.» Gelegenheit, sich zu treffen und ­kennenzulernen, hat man ja unten in der Halle genug. Die Architekten haben ihrem Projekt den Titel eines Songs von Adriano Celentano gegeben: «24 mila baci».

Steib Gmür Geschwentner Kyburz Architekten & Stadtplaner Das Zürcher Büro Steib Gmür Geschwentner Kyburz besteht in dieser Zusammensetzung seit Anfang 2020. Es hat seinen Ursprung in einem 1989 gegründeten Architekturbüro, das Patrick Gmür bis 1998 gemeinsam mit Regula Lüscher führte. 2005 wurde der langjährige Mitarbeiter Michael G ­ eschwentner zum Mitinhaber und leitete es zwischen 2009 und 2016 in Eigen­regie – Gmür war zu dieser Zeit Direktor des Amtes für Städtebau der Stadt Zürich. Mit dem selbstständig tätigen Jakob Steib verbindet beide eine lange Freundschaft, die zur Gründung wechselseitiger Doppelbüros (Gmür & Steib, Steib & Geschwentner) führte. Zur Vereinfachung erfolgte schliesslich der Zusammenschluss zu einem gemeinsamen Büro, wobei Steibs langjähriger Mitarbeiter Matthias Kyburz als vierter Partner hinzukam. Heute sind Steib Gmür Geschwentner Kyburz ein Team von 40 Personen. Das Büro widmet sich unterschiedlichen Bauaufgaben, wobei Wohn­ bauten von jeher einen Schwerpunkt darstellen. Bei vielen Projekten ist der Luzerner Künstler Peter Roesch als Farbgestalter beteiligt. → www.sggk-arch.ch

S. 20 – Die auskragenden Balkone an der Nordfassade akzentuieren das Gebäude zur Brandstrasse hin. Sie sind so ausgebildet, dass die Morgen- und Abendsonne eingefangen werden kann.

S. 28 – Grosse Teile der Fassaden sind mit zwei Millimeter starken, eloxierten Aluminiumwellplatten verkleidet. In den Höfen kam vorwiegend die Eloxalfarbe Bausilber zum Einsatz, nachtblaue Streifen markieren die Geschosse.

S. 22 – Im nördlichen Eingangsbereich, unter einer goldenen Flachkuppel, befindet sich die Briefkastenanlage. Dahinter liegt eine über zwei Innenhöfe belichtete Erdgeschosshalle mit einem Wald von Rundstützen.

S. 29 – In der exponierten Südfassade zum Rietpark hin liegen schützende Loggien. Am westlichen Ende des Gebäudes vorbei fällt der Blick auf die industrielle Bebauung jenseits der Brandstrasse.

S. 23 – Das Farbkonzept für die rohen Betonwände in den Treppenhäusern stammt vom Künstler Peter Roesch. Er wählte zehn unterschiedliche, leuchtende Farben für die zehn Aufgänge.

S. 30 – Auf dem Querriegel des Gebäudes wurde ein Pool mit holzbeplankten Liegeflächen eingebaut. Er ist von weissen Wänden aus Welleternit umgeben und steht allen Bewohne­ rinnen und Bewohnern offen.

S. 24 – Wie eine Skulptur winden sich die Stufen und Geländer im grünen Treppenhaus in die Höhe. Die Ausführung wirkt bewusst industriell und erhält dadurch ihre Spontanität und Frische.

S. 31 – Zwischen den beiden Eingängen erstreckt sich eine vier Meter hohe Erdgeschosshalle, die beidseitig über zwei Höfe belichtet wird. Auch hier kommt das Farbkonzept von Peter Roesch zum Einsatz.

S. 27 – Blick in einen doppelgeschossigen, zu einem der beiden Innenhöfe gerichteten Wohnraum. Die 2,5- bis 5,5-Zimmer-Wohnungen sind alle unterschiedlich gestaltet und lassen verschiedene Wohnformen zu.

S. 35 – Die beiden Innenhöfe wurden von den Zürcher Landschaftsarchitekten Balliana Schubert gestaltet. Im grösseren Hof onduliert ein gepflastertes Wegesystem zwischen den niveaugleichen Pflanzinseln und Randbegrünungen.

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Grundriss 3. Obergeschoss: Die Grösse der Wohnungen variiert zwischen 2,5 und 5,5 Zimmern. Nach Norden liegen Balkone, nach Süden Loggien.

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Grundriss 1. Obergeschoss: Zur Brandstrasse hin sind Büroflächen angeordnet. Sonst ist der Bau mit zehn Treppenhäusern dem Wohnen gewidmet.

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Situation mit Grundriss Erdgeschoss: 24 mila baci liegt zwischen Brandstrasse und Rietpark. Gut ersichtlich: die Eingangshalle und die Anlage der Innenhöfe.

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Sudfassade + schnitt F Sudfassade + schnitt F

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Rietpark 8952 Schlieren

Querschnitt (oben) und Längsschnitt (unten): Die Hofräume zeichnen sich durch unterschiedliche Fassadengestaltungen aus. Der Pool liegt auf dem Querriegel.

Bretteinlage 9 cm

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PUBLIKATION

Geistlich-Areal Schlieren Baufeld B2.1



KLEINE FREIHEIT, GROSSE BÜHNE

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Der Balkon bildet eine Schnittstelle zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit. Einst nutzten ihn Könige und Diktatoren für politische Reden; der Literatur und dem Theater diente er als Bühne für romantische Gefühlsbezeugungen. Erst in moderner Zeit wurde der Balkon zu einem Ort der Erholung und zum ­er­­weiterten Lebensraum für jedermann. Architektur & Design

Zeichnung: Pechnase des Mittelalters.

Text: Christine Marie Halter-Oppelt


Oleksandr Lysenko / Alamy Stock Foto, Sammlung Megele / Süddeutsche Zeitung Photo

Der Espresso am Morgen, vielleicht noch eine Zigarette. Das Feier­abendbier und bei Gelegenheit ein romantischer Kuss unterm Sternenhimmel. Auf dem Balkon ist Platz für vieles. Mit Lounge und Grill ausgestattet ist er heute fast so wichtig wie das Wohn­ zimmer. Eine Wohnung mit Balkon ist mehr wert. Eine Wohnung ohne Balkon ist schwerer zu vermieten. Dabei sollte der Balkon möglichst gen Süden liegen und am besten auch nicht zur Strassenseite hin. Haben die Architekten keinen Sichtschutz vorgesehen, werden Schilfmatten aufgestellt oder Sonnensegel gespannt, um sich gegen die neugierigen Blicke der Nachbarn abzuschirmen. Nur hundert Jahre früher war alles ganz anders. Wer einen Balkon betrat, der wollte gesehen werden. Am besten von möglichst vielen Menschen. Darum lagen Balkone immer zu Plätzen oder Strassen hin, dort, wo viel los war. Die Häuser mit den Balkonen waren gross und prachtvoll. In ihnen residierten Herrscher und Würdenträger, die dem Volk etwas zu sagen hatten. So wie ­Wilhelm II., Deutscher Kaiser. Seine berühmten Balkonreden über Portal V des Berliner Stadtschlosses fanden zu Beginn des Ersten Weltkriegs statt. Sie waren ein wirkungsvolles Mittel, um das

Casa di Giulietta, Verona, 12. Jahrhundert Besitzer: Familie Dal Capello

Die Grundmauern des Hauses der Familie Dal Capello stammen aus dem Mittelalter. Wegen der Ähnlichkeit der Namen Capello und ­Capuleti mutmasste man lange, dies könnte das Geburtshaus der Julia aus William S ­ hakes­peares Drama «Romeo und Julia» sein. 1905 erwarb es die Stadt Verona und spann die Legende in den 1930er-Jahren mit dem Anbau eines stil­­ echten Balkons weiter. Den Touristen ist es egal, ob die Kulisse echt ist oder nachgebaut. Sie kommen seit Jahrzehnten in Scharen.

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Berliner Schloss, 1698–1713

Architektur: Andreas Schlüter und andere

Auf der Spreeinsel im heutigen Berliner Stadtteil Mitte gelegen, war das Schloss von 1443 bis 1918 die Residenz der Hohen­ zollern. Im 18. Jahrhundert wurde es durch den Umbau des Architekten Andreas Schlüter zu einem Hauptwerk des Norddeutschen Barocks. Im Sommer 1914 sprach der damalige Kaiser ­Wilhelm II. zweimal vom Balkon an Portal V zu der davor versammelten Menschenmenge. Mit seinen sogenannten Balkonreden wollte er das Volk zu Beginn des Ersten Weltkriegs von der Notwendigkeit der militärischen Intervention überzeugen. Komplex Nr. 14/2021


Städtebau: Georges-Eugène Haussmann

Im Auftrag von Kaiser Napoleon III. trieb Baron Haussmann als Präfekt von Paris ­zwischen 1853 und 1870 die Restrukturierung der franzö­sischen Hauptstadt voran. Dafür schlug er Schneisen in die mittelalterliche Stadt und baute geradlinige Boulevards mit neuartigen Gebäuden. Er arrangierte bodentiefe Fenster mit Geländern als Fallschutz, sogenannte französische Balkone, in horizontalen Reihen entlang der Fassade. Durchgehende Balkonreihen waren meist auf der zweiten oder fünften Etage angeordnet. Hier konnte man sich zeigen, ohne selbst auf die Strasse zu treten.

Casa Batlló, Barcelona, 1904–1906 Architektur: Antoni Gaudí i Cornet

Der berühmte spanische Architekt Antoni Gaudí wurde 1904 mit dem Umbau eines Hauses am Passeig de Gràcia 43 beauftragt. Bauherr war der Textilfabrikant Josep Batlló i Casanovas, dessen Name das Haus bis heute trägt. Es wurde zu einer Ikone des Modernisme. Seine schmiedeeiserenen Balkone, die an Totenköpfe erinnern sollen, sind wichtiger Bestand­ teil der aufwendig gestalteten Fassade. Das Haus wurde 2005 in die Liste des UnescoWeltkultur­erbes aufgenommen.

im Sommer 1914 im vorgelagerten Lustgarten versammelte Volk vom Verteidigungsfall zu überzeugen. Knapp 50 Jahre später nutzte jenseits des Atlantiks eine Frau die Wirkung ihres Auftritts wie keine Zweite ihrer Zeit. Eva Perón trat einem Hollywood-Star gleich auf den Balkon des Präsidentenpalastes in Buenos Aires, um zu den Massen auf der Plaza de Mayo zu sprechen. Mit ihrer politischen Propaganda unterstützte sie ihren Mann, den argentinischen Minister­ präsidenten Juan Perón. Die Casa Rosada, wie der Palast wegen seiner roten Fassadenfarbe auch genannt wird, ist bis heute eine der his­torischen Hauptattraktionen der Stadt. Wer deren Geschichte verstehen möchte, kommt hierher. Architektur als Ausdruck gesellschaftlicher und politischer Verhältnisse? Genau das proklamierte der niederländische ­Architekt und Pritzker-Preisträger Rem Koolhaas bei der Eröffnung der 14. Architekturbiennale in Venedig am 7. Juni 2014. Als ­Kurator der Hauptausstellung «Elements of Architecture» widmete er sich verschiedenen Versatzstücken von Gebäuden. Er definierte 15 – darunter die Wand, die Decke, den Boden, das Dach, die Fassade, die Treppe, Fenster und Türen, den Aufzug und eben 38

Architektur & Design

Marek Slusarczyk / Alamy Stock Foto, PjrTravel / Alamy Stock Foto

Hausfassaden Paris, 2. Hälfte 19. Jahrhundert


Marion Pietz / imageBROKER / Süddeutsche Zeitung Photo, Tim Graham / Alamy Stock Foto

auch den Balkon. Zusammen mit seinem Team gestaltete er Räume zu Erlebniswelten, in denen Architektur begreifbar wurde. Nicht mit der Mission, eine Zukunft vorauszusagen, sondern um den Blick auf die Vergangenheit und die Gegenwart zu schärfen. Sein Ziel: die Erkenntnis zu schaffen, dass Architektur nur auf den ersten Blick den Raum gestaltet, langfristig aber zivilisatorische Wirkung entfaltet. In diesem Kontext wurde der Balkon auch im Sommer 2014 in der Schau in den Giardini von Venedig zum politischen Symbol, von dem aus sich Kriege rechtfertigen, Völker aufhetzen, Republiken ausrufen lassen. In der Moderne kam dem Balkon dann eine weit positivere Bedeutung zu. Seit der Mitte des letzten Jahrhunderts wandelte er sich im privaten Bereich mehr und mehr vom zum Hof gerichteten kleinen Küchenbalkon zum grosszügigen Freisitz, der heute als erweitertes Wohnzimmer möbliert und genutzt wird. Hier kann jeder zeigen, wie er lebt, welche Vorlieben er hat, und auch Flagge hissen – für sein Heimatland oder seinen Fussballclub. Als auskragendes Element an der Fassade schmückte der Balkon schon Gebäude innerhalb der römischen Stadtmauern. Maenianum

Bauhausgebäude, Atelierhaus / Prellerhaus, Dessau, 1925–1926 Architektur: Walter Gropius

Zum berühmten Komplex, den Walter Gropius von 1925 bis 1926 für das Bauhaus in Dessau erstellte, gehört auch das Atelierhaus im Ostflügel mit 28 Wohnateliers für Studierende und Jungmeister. Jedes war 20 Quadratmeter gross und verfügte neben funktionalem Mobiliar auch über einen kleinen Balkon mit grau lackiertem Geländer. Die dicht an dicht aus der Fassade auskragenden Bauteile waren Motiv für viele historische Fotos, auf denen sich die Studierenden ablichten liessen. Heute kann man einige Zimmer mieten. 39

VM Houses, Kopenhagen, 2005

Architektur: Julien De Smedt, Bjarke Ingels Group, PLOT

Die zwei Wohnblöcke in Ørestad, einem Entwicklungsgebiet auf der Insel Amager, die zur Stadt Kopenhagen gehört, tragen ihre Namen nach ihrer Form: eines hat einen V-förmigen Grundriss, das andere einen M-förmigen. Sie waren die ersten grossformatigen Bauten, mit denen die jungen Architekten Bjarke Ingels und Julien De Smedt beauftragt wurden. Besonders ins Auge stechen die versetzt ­angeordneten, dreieckigen Balkone, die mit Stahlstreben an der Metall-Glas-Fassade aufgehängt sind. Komplex Nr. 14/2021


Petersdom, Rom, 1506–1626

Architektur: Donato Bramante, Michelangelo, Gian Lorenzo Bernini und andere

Die Basilika Sankt Peter im Vatikan ist eine der grössten und bedeutendsten Kirchen der Welt. 120 Jahre dauerten die Bauarbeiten, an denen viele berühmte Architekten und Bildhauer beteiligt waren. Trotz unterschied­licher Stile – Renaissance, Manierismus, Barock – ist der Petersdom ein Gesamtkunstwerk. In seinem Hauptportal liegt die Benediktionsloggia, der wohl berühmteste Balkon der Welt. Von hier aus spendet der amtierende Papst seinen Segen für die Gläubigen auf dem Peters­ platz und in aller Welt. 40

Neues Rathaus, München, 1867–1909 Architektur: Georg von Hauberrisser

Das Neue Rathaus am Marienplatz in München wurde in drei Etappen im neugotischen Stil erbaut. Seine fast 100 Meter lange Haupt­ fassade zum Marienplatz hin ist aufwendig mit Standbildern, Figuren, Wasserspeiern und allegorischen Bildern geschmückt. Balkone, Erker und Zinnen erzeugen eine Reliefwirkung. Ein Publikumsmagnet ist das Glockenspiel am Rathausturm. Doch besonders eng wird es auf den Marienplatz, wenn der FC Bayern München feiert. Dann tritt die gesamte Mannschaft auf einen der Balkone im ersten Stock und grüsst die jubelnden Fans. Architektur & Design

imageBROKER / Alamy Stock Foto, KEYSTONE / PICTURE ALLIANCE / Sina Schuldt

wurde er genannt. Das Wort Balkon hingegen kommt vom langobar­ dischen Wort balko. In der alten islamischen Welt schloss man ihn mit verzierten Holzläden. Hier war oft der einzige Ort, wo Frauen am öffentlichen Leben teilhaben konnten. Der Alltag in den Burgen und Festungen im Mittelalter wurde innerhalb der schützenden Mauern begangen. Balkonkonstruktionen nutzte man für Verteidigungsanlagen, als Wehrgänge entlang der inneren Festungsmauern oder als steinerne Pechnasen nach aussen hin, durch die heisser Teer auf die Angreifer gegossen wurde. Nicht erst seit der Romantik setzten Dichter und Schrift­ steller den Balkon in ihren Werken als Ort ein, an dem sich Liebende anschmachten, aber nicht zueinander können. William Shakespeare liess 1597 in der Erstveröffentlichung von «Romeo und Julia» die zweite Szene im zweiten Akt noch an einem Fenster spielen. Ab dem 18. Jahrhundert stellte man Julia in Auf­ führungen dann aber auf einen Balkon, um Romeo ihre Liebe zu gestehen. Heute vermarktet die Stadt Verona geschickt ein Haus als angebliche Wiege des Dramas. Rund zwei Millionen Touristen besuchten es vor Coronazeiten jährlich.


Bosco Verticale, Mailand, 2009–2014

Architektur: Stefano Boeri, Giovanni La Varra, Gianandrea Barreca

In den letzten zehn Jahren entstand nördlich der Mailänder Innenstadt ein neues Quartier mit dem Namen Porta Nuova. Zentrum des ­Viertels ist ein öffentlicher Park, um den herum sich markante Hochhäuser gruppieren. Dazu gehören auch die zwei Türme des Bosco ­Verticale. In die Betonwannen auf ihren ­Balkonen wurden rund 900 Bäume gepflanzt, was einer Waldfläche von etwa 7000 Quadrat­ metern entspricht.

Wohnbaugenossenschaft Weberei / Chirchbuel, Zumikon, Baubeginn 2022 Architektur: GWJ Architektur

In Zumikon sollen Wohnungen für junge Familien zu einem günstigen Mietzins entstehen. Dafür wurde 2019 ein Investorenwettbewerb aus­geschrieben, den die Wohnbaugenossenschaft «Wir sind Stadtgarten» zusammen mit GWJ Architektur und den Landschaftsarchi­ tekten S2L gewann. Die Planung sieht einen Baubeginn im Jahr 2022 vor. Projektiert sind drei Wohnhäuser, die sich durch bewusst gesetzte Aussenflächen sowie grosse Balkone auszeichnen. Damit sollen der Dialog und das Zusammenleben in der Genossenschaftssiedlung gestärkt werden.

UMB-O / Alamy Stock Foto, Raumgleiter

An der Ausprägung der Balkone in einer Stadt lässt sich sogar der Charakter eines Volkes ablesen. Die vornehmen Franzosen erfanden einen Balkon, der eigentlich gar keiner ist, sondern nur ein raumhohes Fenster mit Brüstung. Am französischen Balkon gab man sich zu Zeiten Baron Haussmanns zurückhaltend. Frauen, die sich in der Öffentlichkeit aufhielten, galten als ordinär. Ganz anders die lebensfrohen Italiener: Auf ihren Balkonen wird die Wäsche aufgehängt und mit den Nachbarn palavert. Oder die temperamentvollen Spanier, die Balkone gerne mit bunten Kacheln und Blumen schmücken. Selbst der Coronavirus hat seinen Weg in die Kulturgeschichte der Balkone gefunden. Wer erinnert sich nicht an die Bilder aus dem Frühjahr 2020, als Mailand im Lockdown war. Weil die Mai­länder nicht auf die Strasse gehen durften, begannen sie, ihr Leben auf den Balkon zu verlegen. Sie kommunizierten, musi­ zierten, protestierten. Ihr etwas anderes Dolcefarniente ging über die digitalen Kanäle um die ganze Welt und machte vielen in schwierigen Zeiten Mut. Damit wurde der Balkon ganz unverhofft erneut zur öffentlichen Bühne. Eine Bühne, die kollektiv oder auch mit einer ganz persönlichen Botschaft von jedem Einzelnen bespielt werden konnte. So etwas gab es bisher noch nicht. 41

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WERK MIT AUTOR

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Text: Christine Marie Halter-Oppelt Visualisierung: United Objects

Über die Grenzen der Schweiz bekannt wurde Joseph Smolenicky für den Bau der Tamina Therme in Bad Ragaz, das weisse Ensemble mit den lang gezogenen, ovalen Fenstern und gleichförmigen Wandausschnitten, die eine Wandelhalle rahmen. Eine Struktur von unerklärlich poetischem Charme, die manch einem Architektur­ kritiker Angst einflösste, weil er gar das Schweizerische ­vermisste. Dabei bot doch gerade dieser Ort die Möglichkeit zur grossen Geste. Die war dem ETH-Architekten mit tschechischen Wurzeln nicht fremd. Schon einige Jahre zuvor hatte er in der Stadt Zürich mit seinem Entwurf für das Restaurant Più an der Bärengasse eine strenge Raumkomposition von ätherischer Schlichtheit geschaffen. Wie Josef Hoffmann, Adolf Loos oder Mies van der Rohe sieht Smolenicky die Arbeit des Architekten als umfassendes Gesamtwerk. Eine Haltung, die ihn nun dazu bewegt, Ideen für Möbelentwürfe zu realisieren, die schon lange auf ihre Umsetzung warten. Er nennt seine Kollektion ­United Objects, weil er einzelne Möbel zu ganzen Einheiten verschmilzt. Da gibt es etwa einen Sessel aus glänzendem ­Bugholz, in dessen Korpus eine Lampe und eine Ablage integriert sind. Oder die hier abgebildete Sitzgruppe in poliertem Stahl, die aus Tisch, vier Hockern und Leuchte besteht und wie aus einem Guss erscheint. Eine Mischung aus «Grand Budapest Hotel» und «Space Odyssey», denkt man sich, und der Architekt ­pflichtet bei. Er sieht seine limitierten Kombinationsmöbel in öffent­lichen, repräsentativen Räumen wie zum Beispiel einer Hotellobby. → www.united-objects.com Architektur & Design



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AUF HISTORISCHEM BODEN Text: Héloïse Gailing Visualisierungen: Raumgleiter Fotos: Rob Ball

Bis zum Sommer 2021 wird im Zentrum von Martigny, nur einen Stein­wurf vom Place Centrale entfernt, unter dem Namen Cœur de Cité ein Gebäude-Ensemble mit 82 Wohneinheiten ent­ stehen. Der städtische Kontext und die alpine Landschaft geben dem Projekt einen Rahmen – in der Nähe wie aus der Ferne. Ein Rückblick auf die Revitalisierung dieses ganz besonderen Ortes offenbart seine historischen Fundamente: alte Gewölbe einer Weinkellerei, die in Teilen erhalten bleiben. 45

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Das Projekt Cœur de Cité befindet sich in einer ehemaligen Industrie- und Gewerbezone im Stadtzentrum von Martigny. Von 1874 bis 1981 war hier der Standort von Caves Orsat, einem bedeutenden Walliser Weinhaus, das seit seiner Gründung mehr als tausend Kleinwinzern einen genossenschaftlichen Rahmen bietet. Nachdem der Betrieb seine Anlagen in das Industriegebiet der Gemeinde verlegt hatte, wurde das gesamte Areal von der benachbarten Distillerie Morand aufgekauft. Diese tat sich Anfang 2000 mit dem angrenzenden Kloster Maison Hospitalière du Grand-­ St-Bernard und einem Hotelentwickler zusammen, um einen Quartierplan in Auftrag zu geben. Die Büros Urbaplan und GD Architectes begleiteten die Entwicklung bis zur Genehmigung durch den Staatsrat im Jahr 2015. Die Planung sieht den Erhalt der hoch­ verdichteten Struktur des Stadtzentrums vor, wobei das industrielle und landwirtschaft­ liche Erbe des Ortes respektiert werden sollen. Die definierten Baukörper sind daher recht gross und eng gesetzt. Um einen fliessenden Übergang zu den Häusern der Nachbarschaft sicherzustellen, wurden die Ränder des Areals durch kleinere Volumina gekennzeichnet und begrünt. Fussgängerwege durchqueren das Quartier und verbinden es mit der Stadt. Das ursprüngliche Projekt für ein Hotel mit Thermalbädern unter Einbezug der historischen Keller auf dem gesamten Gelände musste schliesslich aufgegeben werden. In dieser Phase bekam die Halter AG das Angebot zum Erwerb des Areals und passte die Entwicklung an, um mit GD Architectes qualitativ hoch­ wertigen Wohnraum zu erstellen. Eine Parzelle ging dennoch an den Initiator des ursprüng­ lichen Projekts, QDS Leisure SA, der darauf mit dem preisgekrönten britisch-ghanaischen Architekten Sir David Adjaye das Spa-Hotel Lô Dzè realisiert. Beide Projekte kooperieren miteinander, etwa indem sie sich die Park­ garage sowie eine Passage durch das Atrium des Hotels in Richtung Place Centrale teilen. Den Blick lenken Wie die Stadt selbst ist auch das neue Quartier von den umliegenden Bergen, die eine ferne, aber präsente Landschaft bilden, eingeschlossen. Der benachbarte Obstgarten des Klosters Maison Hospitalière du GrandSt-Bernard und die Kirche Notre-Dame-­de-­ la-Visitation mit ihrem steinernen Glockenturm aus dem 18. Jahrhundert schaffen ­Identität. Auch wenn die neue Entwicklung 46

die Kontinuität zur Altstadt und eine entsprechende Dichte vorsieht, soll hier doch ein moderner und zeitgemässer Wohnort entstehen. Die Anlage setzt sich aus fünf Volumen zusammen: ein langer, vierstöckiger Gebäuderiegel, der den Platz der ehemaligen Indus­ trie­halle einnimmt, zwei gegenüberliegende, gleichhohe Bauten und zwei kleine, zweigeschossige Häuser mit Lofts und Duplexwohnungen. Insgesamt werden 82 Wohnungen, von Studios bis zu 5,5-Zimmer-Einheiten, als Eigentumswohnungen verkauft. Nur ein Gebäude mit 16 Wohnungen, das von der Pensionskasse des Kantons Wallis erworben wurde, ist zur Vermietung bestimmt. Um die Wucht des Riegels, der dem Obstgarten zugewandt ist und das südliche Ende des Quartiers bildet, abzuschwächen, gaben die Architekten dem Volumen mit quer gesetzten Dächern einen vertikalen Rhythmus. Die daraus resultierende Abfolge von sich wiederholenden Giebeln durchbricht seine Silhouette und erweckt den Eindruck einer Aneinanderreihung von Häusern. Die Wohnungen liegen entweder quer oder orientieren sich beidseitig und verteilen sich um drei Treppenhäuser, die durch Oberlichter erhellt werden. Im obersten Stockwerk ist die Erschliessung an der Form der Dachlandschaft ablesbar: Jedes Treppenhaus endet auf Höhe der Traufen. Die unter dem First liegenden Wohnungen profitieren von überhohen R ­ äumen und grosszügigen Volumen. An den Fassaden zeigen sich versetzte Ebenen, die den Rhythmus des Dachs aufgreifen und die Balkone integrieren. Im Inneren des Areals wird die Länge des Riegels erneut aufgenommen und auf zwei Gebäude mit schrägen, skulpturalen Fensterausschnitten verteilt. Die zentrale Lage des Treppenhauses ermöglicht hier eine Erschliessung von drei bis vier Wohnungen pro Etage, die so ein Maximum an Fassadenfläche und mindestens zwei Ausrichtungen geniessen. Die Volumen werden von grossen Loggien aus­ gehöhlt, die Ausblicke in die Umgebung bieten und als Sichtschutz gegen aussen dienen. Durch sie kommt Licht ins Innere, gleichzeitig wird die Privatsphäre der Bewohner bewahrt. Zudem erweitern die Loggien die Wohnzimmer, oder aber sie grenzen Wohn- und Essbereich voneinander ab. Komplexe Mischung Je nach Form und Grundriss verfügen die Gebäude über verschiedene Wohnungstypen, die durch die Trennung von Tages- und Nachtbereich Architektur & Design



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Grundriss 1. Obergeschoss: Balkone und Loggien sind in allen Gebäuden so angeordnet, dass die Privatsphäre der Bewohner respektiert wird.

Grundriss Erdgeschoss: Der innere Bereich des Areals soll dicht bepflanzt werden. Zwischen den Gebäuden wird ein Wasserweg verlaufen.


strukturiert sind. Die Flure werden mit zweckmässigen und nützlichen Stauräumen ausge­ stattet. Manche Einheiten bieten halb offene Multifunktionszimmer, die sich mit dem ­Wohnzimmer verbinden lassen, Elternsuiten mit Ankleide und Bad oder Lofts ohne Wände. Die Duplexwohnungen haben eigene Eingänge und wirken wie kleine Einfamilienhäuser. Ob Balkon, Loggia oder Garten, jede Wohn­ einheit profitiert von einem eigenen grosszügigen Aussenbereich. Das Land rund um die Gebäude ist vollständig privat; man bewegt sich nur an der Peripherie des Areals, auf gewaschenen Betonwegen, deren Mineralität die Urbanität der Siedlung unterstreicht. Die Landschaftsarchitekten planen eine dichte, kontemplative Bepflanzung, die von einer Bisse – eine für das Wallis typische, länd­ liche Wasserleite – durchzogen ist. Mit dem Garten im Herzen der Überbauung erhalten die Bewohnerinnen und Bewohner eine einzig­ artige, fast geheime Oase mitten in der Stadt ganz für sich allein. Die nahe zusammenliegenden und doch autonomen Gebäude sind schliesslich alle über eine gemeinsame Parkgarage miteinander verbunden. Sie erstreckt sich über zwei Ebenen, von denen eine ein öffentliches Parkhaus ist. Der beeindruckende unterirdische Bereich reicht bis unter das benachbarte Kloster Maison Hospitalière du Grand-St-Bernard und offenbart die historischen Fundamente des Ortes. Im dritten Untergeschoss wurde die freigelegte Struktur der alten Weinkeller teilweise erhalten und als Untermauerung über­­nommen, damit das Kloster nicht beschädigt wird. Imposante Pfeiler und eine fast bis zum untersten Niveau herabreichende Wand mussten während der vier Monate andauernden Abbrucharbeiten stabilisiert werden, was insbesondere auch wegen der Heterogenität der Gebäude eine konstruktive Herausforderung war. Die in die Höhe ragenden Fragmente standen am Boden der Baugrube, in einem ohnehin schon enormen Loch mitten in der Stadt. Mineralische Noten und Kontraste Während das Ensemble durch die differenzierte Arbeit an den gebauten Volumen in den Kontext eingebettet ist, wird seine Materialität auch im Hinblick auf die alpine Umgebung des Ortes gestaltet. Wegen der Lage am Fusse der Berge bestanden die Architekten darauf, rohe oder wenig bearbeitete Werkstoffe einzusetzen, die an die felsige Natur erinnern. Wie in der Altstadt sind alle Dächer mit 53

Ziegeln gedeckt. Der gewaschene Zementputz, der sich durch eine sehr feine Zusammensetzung auszeichnet und die Laibung der Fenster dezent unterstreicht, ist eine Spezialität des lokalen Maurerhandwerks. Im Kontrast dazu wurden alle Metallarbeiten bronzefarben lackiert, was der Fassade eine gewisse Wertigkeit und Raffinesse verleiht. Auch im Inneren der Häuser zeigt sich die mineralische Note. Die Böden der Verkehrs­ flächen werden mit Terrazzo aus Rhone-Kies belegt, die Wände in Sichtbeton ausgeführt. Bei den Eingängen entschieden sich die Architekten für das Spiel mit Kontrasten: Zum rauen Putz wählten sie Türen aus Eiche. Weitere Holzdetails in den Wohnungen spielen auf die alpine Chalet-Architektur an. Am Rand des Quartiers nehmen sich die zwei kleineren Gebäude gegenüber den Nachbar­ bauten formal zurück. Neben ihrer geringeren Grösse kommt ein Drahtgeflechtsystem zur Begrünung der Fassade zum Einsatz. So werden dereinst blühende Wände die vorhandene Vegetation ergänzen und den Garten abschliessen. Dank der Arbeit an Volumen, Höhen und Ausrichtungen gelingt es GD Architectes, Komfort und Privatsphäre für die zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner des neuen Quartiers Cœur de Cité zu generieren, ohne dabei die Integration in die Stadt und den Bezug zur Landschaft zu vernachlässigen. Sowohl in der Architektur wie auch beim Weinbau ist es manchmal nötig, die richtige Mischung zu finden, um den Wert einer Lage zu unter­ streichen. → www.coeurdecite.ch

GD Architectes Das 1995 von Laurent Geninasca und Bernard Delefortrie gegründete Neuenburger Architekturbüro Geninasca ­Delefortrie wurde 2012 mit dem Beitritt von Philippe von Bergen zu GD Architectes. Die drei Partner kommen aus unterschied­lichen Bereichen und bringen eine Vielfalt an Know-how und Fähigkeiten mit. Ihre Architektur sieht sich dem Kontext, dem Ort und der Geschichte eines Projektes verpflichtet – Eckpunkte, die das Büro mit Feingefühl und Intuition in einen Dialog bringt. GD Architectes ist Mitglied der Berufsverbände SIA und FAS und engagiert sich auch bei öffentlichen Aufträgen und in der Lehre. Beispielhaft für ihre Arbeit sind Projekte wie die Fussgängerbrücke über die Areuse oder das Stadion Maladière, die beide mit der Distinction Romande d’Architecture, aber auch mit internationalen Preisen ausgezeichnet wurden. Damit nimmt GD einen wichtigen Platz in der Architekturlandschaft der Westschweiz ein. → www.gd-archi.ch

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Querschnitt / Ansicht: Zwei Parkebenen verbinden die Gebäude. Im dritten Untergeschoss befinden sich die restaurierten Überreste der Keller von Cave Orsat. S. 44 – Der Blick aus der Ferne zeigt, wie das neue Quartier in die Stadt eingebettet werden soll. Eine fragmentierte Silhouette kennzeichnet den Gebäuderiegel im Vordergrund. Er nimmt den Platz der ehemaligen Industriehalle ein. S. 47 oben – Jede Wohnung verfügt mit einem Balkon, einer Loggia oder einem Garten über einen eigenen privaten Aussenbereich. Zwischen den Häusern wird ein dicht bepflanzter Grünraum mit Wasserlauf entstehen. S. 47 unten – Durch das Spiel der Schrägen im Dach des grössten Gebäudes profitieren die Wohnungen im obersten Stockwerk von hohen Decken und aussergewöhnlichen Volumen.

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S. 48 bis 51 – Im Jahr 2018, vor dem Aushub der Baugrube, wurde der englische Fotograf Rob Ball beauftragt, die alten Gewölbe und Weinkeller von Cave Orsat ein letztes Mal festzuhalten. Seine Schwarz-Weiss-Aufnahmen, die nur vom Blitzlicht der Kamera erhellt werden, offenbaren die geheimnisvolle und verlassene Atmosphäre dieser unterir­ dischen Welt. Eine Ausstellung der Fotografien auf dem Place Centrale in Martigny würdigte den Ort, der heute ver­ schwunden ist, und machte ihn für eine grössere Öffentlichkeit zugänglich. Auf dem letzten Bild der Serie ist der Bereich der Keller zu sehen, der zu Teilen erhalten wurde. S. 55 – Am nördlichen Rand der Parzelle stehen Doppelhaushälften mit getrennten Eingängen und begrünten Fassaden. Sie haben nur zwei Geschosse und bilden so einen sanften Übergang zur Umgebung.

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«THE EARLIER A DESIGN-­BUILD TEAM IS SELECTED, THE GREATER THE VALUE» Text: Christine Marie Halter-Oppelt, Alexandra Stamou Photos: Beck Group

Rick del Monte is the managing director of the renowned A ­ merican design and construction company Beck Group. The architect has over thirty years’ experience in the American construction business and works with a team of more than 180 architects and a construction volume of over a billion d ­ ollars. As chairman of the Design-Build Institute of ­America (DBIA), he advances the principles of integrated design and construction nationwide. 57

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Representatives of Halter AG met Rick del Monte at the 2020 Design-Build Conference & Expo. This annual event was held online last October due to coronavirus restrictions in the US. It was here that the idea of conducting a Q & A with the board chairman was born. Because – particularly in the time of coronavirus – it is more urgent than ever for design und construction firms to talk about the changes needed to move our industry forward.

Komplex: How is the Beck Group organized? Rick del Monte: In 1999 we merged our fifty­person architectural practice with Beck, a ninety-two-year-old construction firm. Our stated goal was to «revolutionize the industry and change our future». We felt we could only do this with a common bottom line between the two groups, aligning financial incentives for both with the overall success of the project. We thought that we might have a five-year head start before others followed down the same path. Twenty-one years later I can think of almost no other companies that have merged. To most architecture and construction firms, the cultural differences seem too large to overcome.

What range of services does the Beck Group offer its customers as a design-builder? Beck delivers integrated design and construction services to our clients. We also operate independently as contractors and architects. We maintain engineering services in-house, but only to check and guide the work of outside engineers. We find it more efficient to team up with design-build subcontractors for mechanical, electrical, and plumbing work. Many of our clients start with our architectural services, then engage our pre-­ construction team for estimating, and eventually move on to an integrated process. Integrated firms are still very rare, and this progression gives clients a chance to develop trust with our organization before committing to the full integrated process. We also have a significant software development group: BeckTech. We started with DProfiler, which allowed users to develop conceptual 58

estimates from block models. We have now added DESTINI Estimator, which allows the devel­ opment of detailed estimates from Revit and other Building Information Modeling (BIM) programs. For the first fifteen years it was only for internal use. But for the last eight years we have sold it commercially – with increasing success. We are doing a great job of making our competitors better.

The design-build approach is defined by a shift in thinking, a change in the design process, and an early involvement of the trades. What are the biggest challenges for a designer when joining a designbuild team? The first challenge for a designer lies in finding the right partner. Do they share your values, do they care about design, do they trust you with open access to the client? Becoming contractually tied to a contractor who does not share your values is going to result in a difficult project experience for all involved. The second challenge that most designers face is that, for the designbuild process to work effectively, the designer needs to work collaboratively with the construction team from the start. On the front end this requires more meetings, more conversations, and, often, more time. However, in the long run, designing a project that meets the budget, schedule, and technical requirements right from the start saves a tremendous amount of time in the later phases. The designer’s first project may be a ­challenge, but after working on a successful design-build project many designers do not want to go back to a standard process.

How can you ensure that your customers not only get the best price and the best value for money, but also sophisticated architecture? If the owner wants sophisticated architecture and high design quality, they need to make sure that desire is incorporated into the very earliest request for proposals and becomes a significant part of the selection criteria. Engineering & Produktion – Interview


Making the importance of design clear sets the tone for the design-builders, and will impact how they approach the project and who they partner with. Within the design-build team, all members have to recognize the importance of design quality. The architect’s ability to meet directly with the client to make sure the design meets the client’s aspirations is critical. It also has to be an open partnership, because the architect cannot lose focus on the budget and schedule.

You collaborated with the renowned architect Renzo Piano on two major projects in Dallas. What were the conditions for these collaborations? Ray Nasher, the founder of the Nasher ­Sculpture Center, had a thirty-five-year relationship with our construction group and had chosen us to build his project. We had just merged with the architecture group, so he also allowed us to be the local architect of record. The day after our firms merged I was sitting in a meeting with Ray Nasher and the partners from RPBW. I was the partner overseeing both the architecture and the ­construction of the project. It was an incredible experience: flying around the US and Europe visiting all the Piano Museums, spending time at the RPBW offices, and working with some truly brilliant people. Since I was in charge of both construction and archi­ tecture, I made sure all the team members sat in on every design presentation. I had more influence on the development of the building when it came to technical issues, organi­ zation of the drawing sets, and working with local regulations. Once Piano became convinced that my goal was to allow them to ­create the finest building possible as efficiently as possible, the relationship flourished. The partner in charge told me it was the best project she had worked on, which was a tremendous compliment because she had worked on some great projects. The Piano Pavilion at the Kimbell Museum was a very different process. Despite requests from ­Piano’s office, the construction manager (CM) on the project decided that the contractor and architect of record needed to be separate firms. That made it a more difficult process. We ended up putting our architects on the 59

site to build the BIM and coordinate all the conflicts in the drawings. The building turned out well, but having three separate parties working on the project added a great deal of stress to the team. It cemented my belief that it is often the CM or owner’s representative who reduces collaboration between the design and construction teams in an effort to maintain complete control of the project.

You have argued that good archi­ tecture is not a contradiction to projects that are functional, technical, and economical – or to sustainable solutions. In your experience, is there a recipe for success? I wish there was a recipe! Perhaps then it wouldn’t be such hard work to create good architecture. I think there needs to be a senior person in the organization who is driven to push for design excellence. Someone who sets the tone for the company. There are always reasons for why things cannot be done well. But I tell my staff in both ­construction and design that I’m not here to make their lives easy – rather, we are all here to create great buildings. I’m not always the most popular person in the company!

At the beginning of a project, the owner is confronted with its existing complexities, constraints, and dependencies. What is the value of involving the designbuild team early in the process? The earlier a design-build team is selected, the greater the value. An owner has to make a multitude of decisions in order to launch a project, and these early decisions are the ones that have the greatest impact. The design-build team can provide facts about cost, schedule, zoning, regulatory agencies, etc. The more information the owner has, the better the decisions they can make. Owners need to appreciate that many times more money can be saved with better decisions up front than with savings gained through competitive bidding at the end of the document phase. Komplex Nr. 14/2021


What factors could significantly affect the design-builder’s ability to complete the work at the contract price and within the contract time? Being in the middle of a coronavirus pandemic, we know acts of God can certainly have a major impact on the budget and schedule. Project approvals from local municipalities seem to be getting less predictable, and have caused us delays on several projects. However, if I am perfectly honest, I would say that a lack of timely decision-making on the part of the owner is the most common cause of price and schedule overruns. As a designbuilder we have the obligation to help the owner make the right decision at the right time. We conduct team charrettes during the design phase to get input from all the stakeholders, we do pull planning to highlight critical decision dates, and we provide continuous pricing and scheduling information to inform their decision-making process. However, we sometimes run into internal conflicts in the client organization that can be very challenging to overcome. The owner needs to look at their staff and determine whether they are capable of efficiently running a design-build project. This is where a designbuilder has to understand human psychology and organizational politics in order to get a project completed in an efficient manner.

The design-build project delivery method requires a high level of trust between stakeholders and project members. How can you establish this trust? Trust is one of the critical factors in the success of a design-build project. You can have the right strategy in place, the right structure, but if the team members don’t trust each other the process is going to fail. We start with a partnering session where the team commits to a series of project goals, usually followed by a social event. However, if the team is not held accountable for meeting these goals, they become empty words with no impact. Real trust develops when team members consistently meet their commitments and do what they say they are going to do. 60

How do design-build teams handle disagreements, conflicts, or ambiguities that need to be resolved? What role does ownership and leadership play in the successful execution of a project? I think there needs to be someone who can make difficult decisions based on what is best for the project. We have developed a position called the integrated project leader (IPL). This person is the main client contact and is responsible for overseeing both design and construction. They need to balance the interests of both parties and make decisions for the good of the overall project. They report to the regional directors of architecture and construction. This is the most challenging position to develop people for. IPLs come from both architecture and constructions backgrounds, and to be successful they have to have a high degree of emotional intelligence. The owner is a critical piece in a designbuild project. They need to understand how it is different from a conventional process, and they need to be committed to making it a success. Without a committed owner, the process will not succeed.

Let’s go back to the practical side. You are currently rebuilding the campus of Tecnológico de Monterrey in Mexico City, which was devastated by an earthquake in 2017. Sustainable design and prefabrication are important aspects of this project. Tell us more. We first began working with Tec on their new football stadium on the Monterrey campus. The design by the original architect was six months late and three times their budget. They asked Beck if we could design and build a stadium to meet their budget and schedule, and we said yes. The final product turned out to be a great success and won multiple design awards. During this time, their student campus in Mexico City was hit by an earthquake. Five students were killed and several buildings were damaged. The buildings on this campus did not meet the needs of their Engineering & Produktion – Interview


new progressive teaching strategy, so they decided to tear down all but two of the buildings and start over. They required a very aggressive schedule in order to not lose students and asked us to design and build the new campus. This turned out to be a wonder­ful opportunity to rethink an entire campus for ten thousand students. The classroom buildings are large loft spaces, ­flexible and easily reconfigurable. Part of the flexibility is that we have no mechanical heating or cooling: it’s all naturally ventilated, so there’s no need to move ducts and diffusers when changing the space. This was possible because the climate in Mexico City is temperate with a low humidity. We worked with Arup to study prevailing wind patterns, facade ventilation, air movement through the atrium, and much more. Students will start classes in the fall and we are excited to see this system in action.

You are currently chairman of the board of the Design-Build Institute of America. What does the organization stand for? 61

The DBIA was founded to champion the designbuild process. It defines, teaches, and ­promotes best practices in design-build project delivery in order to help owners and project teams. It was formed by a group of individuals who pioneered the design-build process around the country and wanted to create an association that would support their efforts. When the DBIA was founded twenty­five years ago, design-build was only legal in a few states. Now there are only two states left where it is not legal. They wanted a unique association that would not represent any one individual group within the industry, but would instead represent a collaborative process. The DBIA developed a process that we call Design-Build Done Right. It was developed to balance the needs of owners, contractors, and designers. We have created training courses and certification criteria around this process, and it has become widely accepted as the standard in the industry. Clearly, we have had a lot of success! The last independent study, which came out in 2019, showed that 44 % of all construction volume in the US would use the design-build process by 2020 – pretty amazing growth for a twenty-five-year-old organization! Komplex Nr. 14/2021


What services does the DBIA offer its members? The DBIA offers training and certification in the design-build process. Many owners will send their entire team to get certified before starting their first design-build project. The City of New York sent over 110 people to get certified when they started switching their delivery method to designbuild. If you have spent your career working in a conventional and often confrontational process, you need training to understand how to work in a collaborative process.

What is Design-Build Done Right? It’s a methodology that the DBIA developed in response to poorly executed design-build projects, which had become common in the industry. These projects were creating a negative impression of design-build, and the DBIA felt it needed to better define the design-build process. It includes some basic principles to make sure that all team members are treated fairly and that the owner gets the best project possible. The basic idea is to set the price and compete on the amount of value the team can achieve within that budget, rather than withholding the budget and creating the incentive to minimize cost at the expense of quality. It encourages creative solutions to an owner’s program, and involves creative input from subcontractors and suppliers.

DBIA talks about two different variations of design-build: best value and progressive. Could you talk about the differences and how an owner would choose between the two? Best value is the original and best-known design-build process. It is the most commonly used process for federal projects and other public buildings. In this process, the owner develops a very detailed program outlining the requirements for the new building. They select three teams to enter a competition based on qualifications, whereupon the teams each develop a design to meet the detailed program and provide a guaranteed price. 62

The teams start with the budget and the winner is selected on the basis of who provides the best value for that budget. Progressive design-build is much like a traditional process. Based on qualifications and fees, an owner selects a team to develop the design and conceptual pricing for the project. When the project is well-defined, but before the documents are complete, the team provides a guaranteed price. The owner can accept that price, or take an «off-ramp» that allows them to maintain ownership of the drawings and seek another construction price. More than 90 % of projects at Beck are done this way.

Who should use which process? Best value is for an owner who is experienced, has the time to develop a detailed program, and needs a guaranteed fixed price before selecting a team. This typically describes governmental agencies. Progressive is for clients who want to define the program with the team and want to participate in the development of the design. They need to be willing to progress the design before receiving a guaranteed price. This process is more typical for the private owners that we work with. Both options can be very successful, and the decision should be based on the specific needs of the owner. The DBIA has documents on its website elaborating on each to help owners decide which process would best serve their needs.

You are a noted speaker and writer on the value of integration and on the changes taking place in the design industry. What are your thoughts on what to expect in the future? The recent McKinsey article about the design and construction industry highlighted the inefficiencies and lack of productivity in the sector. This has attracted venture capital firms who see an opportunity for profit. ­Ka­terra is an example of a VC-funded firm trying to capitalize on reducing these inefficiencies. However, they have struggled to achieve the levels of efficiency and cost-­ saving they had hoped for. It is a huge challenge. We will continue to see an increased Engineering & Produktion – Interview


use of technology, more collaborative processes, and a focus on prefabrication. These will provide nice incremental gains, but not dramatic change. This is a fragmented industry with low profit levels, and it will take large investments to effect a real transformation. I think it is going to take a company like Google or Amazon to make the kind of investment in technology and prefab­ rication needed to truly transform our industry. I am afraid that the real transformation in our industry will not come from within.

In the past, the construction industry was not very open to minorities, especially in design. How do you intend to change that and what does the Beck Group’s Inclusion and Diversity Initiative stand for? Beck is a pretty unique organization in that our CEO is Black. He was made CEO nine years ago at the age of thirty-eight. He is trained as an architect and is someone I hired out of school and helped to mentor and develop. We continue to look for minority candidates and have expanded our recruiting to a broader group of universities. We also need to increase the number of women in our senior staff. However, this does not worry me, as more than 50 % of the students in architecture schools today are women and our hiring reflects that. The situation is more challenging among construction management graduates, but it is improving. Our real challenge is in finding Black graduates in either field. There are not enough graduates to help us become as diverse as we would like to be. So we have been working with regional high schools to encourage more Black students to enter the design and construction fields.

As a young man, you initially began your training in engineering and later switched to architecture. Which part of the design process are you most passionate about? I wanted to design cars when I was younger. I thought engineers designed cars, so I went to study engineering. After two years of 63

calculus and physics I decided that this wasn’t what I was looking for. I ended up in architecture because a friend told me I could keep all my math and science credits, and I would get to draw. I loved being an architect from the first day. I enjoy both the initial form-giving and working through the details to make sure that the execution supports and enriches the original concept.

Away from work, you can be found on the racing track. You’re a driving instructor and a big Formula 1 fan. Is driving a balance to your professional life? This can be a very intense profession, so driving on the track is a way of getting away from the stress. There is a level of fear involved in driving a powerful car at its limit, otherwise it would feel like a video game. That fear has a wonderful way of focusing your mind. Work does not cross my mind when I am on the track.

Halter AG is the initiator behind a professional think-and-do tank called The Branch. It wants to help establish the design-build delivery method in Switzerland. Do you see any potential for collaboration? The mission of the DBIA is to promote best practices in design-build and to help advance the industry. I know The Branch is a young organization, and we would love to help make it a success. From what I have seen, Halter is certainly an interesting organization and there is much we could learn from each other. Rick del Monte (65), managing director and national design director, joined the Beck Group in 1999 when his firm, Urban Architecture, merged with the Dallas construction specialist. In 2020, the architect was appointed board chairman of the Design-Build Institute of America (DBIA). In addition to his experience at the DBIA, Rick brings with him decades of experience in both the design and construction aspects of integrated project delivery. He is a noted speaker and writer on the value of integration and the changes taking place in the design industry. In 2015 he was named a Fellow of the American Institute of Architects. Rick lives in Dallas with his wife, Betsy del Monte, who is also an architect. → www.beckgroup.com, → www.dbia.org

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BÄRENSTARK Text: Reto Westermann Fotos: Damian Poffet

Die Nasszellen für das Hotel im BäreTower in Ostermundigen ­wurden nach dem Prinzip Design for Production geplant. Ihre Fertigung übernahmen Roboter. Dank diesen und der digitalen Planung konnten die Bauteile individuell und trotzdem in Serie gefertigt werden. Ein Beispiel, das Schule machen könnte, wie ein Blick an die ETH Zürich zeigt. Die dortigen Forschungen im Bereich der Digitalisierung beim Bauen zielen in die­selbe Richtung. 65

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Hoch, runter, vor, zurück, links drehen, rechts drehen, zuschneiden, bereitlegen, fräsen, bohren, schrauben, nageln – der Fertigungsroboter von Erne Holzbau arbeitet unermüdlich. Auf seiner einen Seite stellen Zimmerleute den Nachschub mit Platten und Balken sicher, auf der anderen fügen ihre Kollegen die vom Roboter gefertigten Bauteile zu Gebäudemodulen zusammen. «Human-Robot-­ Collaboration», nennt Sascha Schade, stellvertretender Kompetenzleiter Produktion, das Miteinander. Mit dieser kombinierten Produktionsweise hat Erne im Juli 2020 auch 95 Raummodule für vorgefertigte Nass­zellen vom Typ Easydock gefertigt. Entwickelt wurden sie für die Halter AG in Zusammen­arbeit mit dem Gebäudetechnikunternehmen Pfiffner und dem Sanitärzulieferer Sanitas Trösch. Anlass war das Bauprojekt BäreTower in Ostermundigen bei Bern und die Ausschreibung von vor­ gefertigten Nasszellen für die Zimmer des künftigen Hotels Harry’s Home. Die Geschichte des Hochhausprojekts, in dessen Sockelbau derzeit das Hotel entsteht, reicht zurück bis ins Jahr 2010. Damals prüfte die Gemeinde mit einer Testplanung, wie das Areal direkt neben dem Bahnhof Ostermundigen, auf dem der Landgasthof Bären stand, künftig mit einer dichteren Bebauung genutzt werden könnte. Daraus resultierte schliesslich eine Überbauungsordnung, die 2015 in einer Volksabstimmung angenommen wurde und auch ein Hochhaus vorsah. Halter begleitete den Prozess seit dem Abschluss der Testplanung. Das derzeit in Realisierung befindliche Projekt stammt von Burkhard Meyer Architekten aus Baden. Es umfasst ein 100 Meter hohes Hochhaus, einen fünfgeschossigen, mehrfach abgewinkelten Sockelbau und ein dreigeschossiges Solitärgebäude. Letzteres beherbergt Büro- und Gewerbeflächen, im Sockel des Hochhauses sind das Hotel, darüber 155 Miet­ wohnungen und im neunten Obergeschoss ein Panorama-Restaurant untergebracht. Investor des Projekts, dessen Bau im Oktober 2018 startete, sind die Helvetia Versicherungen. Individuelle Serienproduktion Im Verlauf der detaillierten Realisierungsplanung kam auch das Thema der vorgefertigten Nasszellen für den Hotelbereich auf: «Dafür entschieden haben wir uns aufgrund der hohen Qualität, des im Vergleich zum traditionellen Bau vor Ort geringeren Aufwands und des guten Preis-Leistungs-Verhältnisses», sagt Dominique Reusser, Projektleiter Ausführung 69

bei Halter. Auf den ersten Blick kein aufsehenerregender Entscheid, sind vorgefertigte Nasszellen doch schon seit Jahren auf dem Markt erhältlich. Üblicherweise kommen sie dann zum Einsatz, wenn in einem Gebäude eine grosse Anzahl gleicher Bäder benötigt wird. Nicht so im BäreTower-Projekt: Hier ist kaum eine der 95 Nasszellen mit der anderen identisch. Sie unterscheiden sich sowohl in der Grundrissform als auch in der Ausstattung. Dass sich eine Vorfertigung trotzdem rechnet, liegt an der digitalisierten Planung und Fertigung, die bei Erne Holzbau schon länger etabliert ist und vor allem für den Bau ganzer Gebäude aus vorgefertigten Elementen zur Anwendung kommt. «Für uns spielt es in der Produktion keine Rolle, ob wir ein Bauteil hundert oder nur ein einziges Mal herstellen», meint Steffen Hermann, Projektleiter Erne Holzbau. Denn die Daten aus dem Computer der Planer würden für die Materialbestellung und Fertigung direkt in die Produktion über­ tragen. Die Basis der Nasszellen im BäreTower bildete das dreidimensionale Computermodell der Architekten. Dieses ergänzten die Planer von Erne mit den benötigten Konstruktions­ daten. Vor der Weitergabe an die Produktion wurde jeder Fertigungsschritt virtuell durchgespielt: «So können wir sofort erkennen, ob sich alles wie gewünscht umsetzen lässt, und es treten später bei der Fertigung keine Probleme auf», ergänzt Hermann. Die in Serie und trotzdem individuell gefertigten Nasszellen für den B ­ äreTower zeigen, wohin die Reise im Bau künftig gehen wird: weg von der Einzelanfertigung vor Ort hin zu im Werk produzierten Bauteilen, die auf der Baustelle nur noch installiert oder zusammengesetzt werden – und damit auch weg von der handwerklichen Fertigung hin zu einer industriellen Produktion. Eine zentrale Rolle wird dabei die Digitalisierung spielen. Dank ihr können die Daten ohne Verluste aus der Planung direkt in die Produktion eingespeist werden. Zugleich gilt die Digitalisierung als Schlüssel, um die Planungs- und Baubranche fit zu machen für kommende Herausforderungen: Dazu zählen etwa die weltweit steigende ­Nachfrage nach Wohnraum, die Nachverdichtung des Siedlungsgebiets oder die Reduktion des ökologischen Fussabdrucks von Gebäuden. Vorbild Automobilindustrie Entsprechend intensiv wird derzeit – losgelöst von Praxisanwendungen wie beim BäreTower – an der Digitalisierung im Planungs- und Komplex Nr. 14/2021


Baubereich geforscht. Beispielsweise an der ETH Zürich durch Daniel Hall, Professor für Bau- und Infrastrukturmanagement am Departement für Bauingenieurwesen, und Benjamin Dillenburger, Professor für digitale Bautechnologien am Departement Bau. Sie haben sich zum Ziel gesetzt, den Planungs- und Bauprozess völlig neu und weitgehend digital zu denken. Als Problemstellen wurden der extrem lange Planungsprozess sowie die Schnittstelle zwischen Planung und Ausführung ausgemacht: «Von den ersten Gesprächen mit der Bauherrschaft bis zum Spatenstich dauert es heute fast eine Ewigkeit», stellt Dillenburger fest. Bei der Suche nach neuen Lösungsansätzen stiessen die beiden ETH-Professoren auf ein Projekt der Automobilindustrie aus dem Jahr 1999. Unter dem Titel 3-Day-Car-Programm suchten englische Hochschulen sowie Unter­ nehmen nach neuen Wegen für die Bestellung und Produktion von Autos. Damals wurden die Fahrzeuge auf Vorrat produziert und gelagert, bis sich ein Kunde dafür interessierte. Das verursachte hohe Kosten, und der Käufer musste mit dem vorliebnehmen, was an Lager war. Mit dem 3-Day-Car-Programm wurde der Planungsund Herstellungsprozess so verändert, dass der Kunde sein Auto nach seinen Wünschen konfigurieren und trotzdem bereits drei Tage später in Empfang nehmen konnte. Veränderungen brauchte es damals vor allem beim Bestell­ prozess und bei der Weitergabe der Daten in die Produktion. «Das Problem der Autoindus– trie gleicht den heutigen Schwachstellen im Baubereich. Auch wir haben Mühe, die Wünsche der Bauherren rasch zu erfassen und in die Produktion einzubringen», sagt ETH-Professor Daniel Hall. Die Lösung dafür heisst Design for Production. Sprich: Die Planzeichnungen für die Ausführung und die Berechnung der Kosten erfolgen nicht mehr wie heute erst nach Abschluss der Designphase, sondern laufen im Hintergrund automatisiert parallel dazu. Um zu zeigen, was künftig möglich ist, haben Hall und Dillenburger in Analogie zum 3-Day-Car-Programm die Idee 7-Day-House lanciert. Das Ziel: Vom ersten Kontakt der Bauherrschaft mit den Architekten bis zum Bezug sollen maximal sieben Tage vergehen. Noch stehen das 7-Day-House der ETH und ein Teil der dafür benötigten digitalen Technologien am Anfang der Entwicklung. Doch bis in vier Jahren möchten die ETH-Professoren ein erstes kleines Gebäude oder zumindest einen Teil davon innerhalb einer Woche planen und bauen. 70

Montiert, gereinigt und geliefert Die Planung und Produktion der Nasszellen für den BäreTower dauerte zwar etwas länger als sieben Tage, zeigt aber heute schon eindrücklich, wie dank Digitalisierung und konsequenter Verknüpfung von Konstruktions- und Produktionsdaten Einzelstücke quasi seriell vorproduziert werden können. Nur zehn Tage waren für die Herstellung der 95 Raummodule mit Nasszellen in kombinierter Beton- und Holzbauweise nötig. Beton kam für den Sockel zum Einsatz, einerseits aus Stabilitäts­ gründen, andererseits als wasserdichter Abschluss. Wände und Decken bestehen aus Holz. Die fertigen Rohbaumodule wurden laufend in einer benachbarten Halle für den Ausbau bereitgestellt. Danach kümmerten sich ­Plattenleger, Sanitärinstallateure, Elektriker und Schreiner direkt in der Werkhalle um den Innenausbau. Vor der Auslieferung wurden alle Installationen getestet, die ­Sanitärzelle wurde gereinigt, von der Bauherrschaft abgenommen und für den Transport ­verpackt. Jeweils fünf Stück zusammen reisten per Lastwagen die gut 100 Kilometer nach Ostermundigen. Dort hob sie ein Kran ins richtige Geschoss, und die Monteure von Erne rollten sie mit Hubwagen an ihren künftigen Standort. Fertig angedockt und sicher verschlossen warten die Holzkuben nun auf die Fertigstellung des Innenausbaus der Zimmer und auf Hotelgäste. Die werden sich über ein perfekt gestaltetes Bad freuen, aber nicht ahnen, dass dieses teilweise von einem Roboter gebaut wurde und damit beispielhaft zeigt, was dank Digitalisierung im Baubereich heute schon möglich ist. → www.bäre-tower.ch

S. 64 – Das Hochhausprojekt BäreTower wurde 2015 in einer Volksabstimmung angenommen. Das Areal ist durch den Bahnhof in nächster Nähe gut erschlossen. S. 66 – Die Sockelgeschosse des Hochhauses sind für ein Hotel mit 95 Zimmern vorgesehen. Alle vorgefertigten Nasszellen vom Typ Easydock wurden mit einem Kran in die Höhe gebracht. S. 67 – Noch sind die Module gut verpackt und vorübergehend abgestellt. In einer späteren Bauphase werden sie an ihren endgültigen Standort verschoben. S. 68 – Ein Monteur von Erne Holzbau bringt die Nasszelle in die richtige Position. Präzision ist gefragt, damit bei der anschliessenden Installation alle Anschlüsse stimmen. S. 71 – Der Boden der Nasszelle besteht aus Beton, Wände und Decken sind aus Holz. Der komplette Ausbau mit Sanitär­ anlagen, Plattenbelag und Einbaumöbeln wurde im Werk von Erne ausgeführt.

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ZUSAMMEN ARBEITEN, GEMEINSAM GESTALTEN

Text: Christine Marie Halter-Oppelt Fotos: Lucas Peters

Bereits im Dezember letzten Jahres bezog die Halter AG ihren neuen Hauptsitz in Schlieren bei Zürich. Auf 4710 Quadrat­ metern Fläche und fünf Geschossen arbeitet das Schweizer Immobilienunternehmen nun mit all seinen Schwesterfirmen unter einem Dach. Für die Ausbauplanung und Realisierung der Büros wurde eine davon beauftragt: Integral design-build. Zusammen mit dem Zürcher Architekten Christof Glaus realisierten die Spezialisten Arbeitswelten der Zukunft. Einen eigenen Schreibtisch bekommt hier fast niemand mehr, dafür den Zugang zu einem digitalen Buchungsportal und einen Trolley zum Verstauen der persönlichen Gegenstände. Engineering & Produktion




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Coronazeit, der Bundesrat hat Homeoffice verordnet. Die meisten Mitarbeitenden der Halter AG arbeiten von zu Hause aus, dabei warten ihre neuen Büros in Schlieren auf sie. Im Dezember 2020 ging der Umzug von Zürich in die Limmatgemeinde mitten im Lockdown über die Bühne. Genutzt wird die neue Infrastruktur dennoch, von denen, die ihren Dienst nicht zu Hause tun können oder zu wichtigen Sitzungen in die Firma kommen müssen. Wer das JED an der Zürcherstrasse 39, in dem sich der neue Halter-Hauptsitz befindet, über den Westeingang betritt, der läuft durch das öffentliche Foyer bereits am linker Hand liegenden Co-Working von The Branch entlang – einer von Halter gegründeten Plattform für den kollaborativen Austausch in der Bau- und Immobilienbranche –, um dann durch eine grosse Glas­ tür den Eingangsbereich zu betreten. Mitten im Raum steht eine mächtige, rohe Stahltreppe, die mit ihrem rhombusförmigen Geländer aussieht, als wäre sie vom ersten Obergeschoss heruntergeklappt worden. Tatsächlich tragen die Stahlgeländer, die das bis unter die Decke im dritten Obergeschoss reichende Atrium säumen, ein Muster aus entsprechenden Rechtecken. Die informelle Möblierung im Erdgeschoss verschafft gleich einen ersten Eindruck davon, wie hier gearbeitet wird. Einen Empfang gibt es nicht – die Anmeldung erfolgt über iPad –, dafür einen hohen Holztisch mit Hockern, der Gäste zum gemeinsamen Warten einlädt. Wer sich lieber anlehnen möchte, der nimmt auf einer langen Aluminiumbank vor dem Fenster Platz, das Gleisfeld im Rücken. Das Erdgeschoss ist nur als Durchgangsstation gedacht. Externe werden künftig vielleicht schon in den Besprechungszimmern im ersten Obergeschoss erwartet, oder es wird zur Präsen­ tation in einen der zwei Big Rooms im Untergeschoss geladen. Durch das Öffnen einer mobilen Faltschiebewand wachsen diese zu einem grossen Konferenzsaal mit Bestuhlung für über 50 Personen zusammen. Die Mitarbeitenden aber nehmen den gläsernen Aufzug, der direkt nach oben führt. Im zweiten Obergeschoss sind auf kleineren Flächen Finance und HR untergebracht – Bereiche, die mehr Diskretion verlangen. Im dritten Obergeschoss erschliesst sich die neue, offene Arbeitswelt der Halter AG, die nun so gross ist, dass nicht nur ihre verschiedenen Unternehmens­ bereiche – Business Development, Gesamtleistungen, Renovationen, Entwicklungen –, sondern auch alle Schwesterfirmen – Tend, Raumgleiter, Wir sind Stadtgarten, Integral design-build, MOVEment Systems, mivune – Platz haben. Kreuzförmiger Grundriss Der Grundriss ist kreuzförmig angelegt und resultiert aus dem baulichen Bestand der ehemaligen NZZ-Druckerei, die vor der 89

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Umnutzung im Gebäude untergebracht war, und einem Stahlaufbau, der in einen Dacheinschnitt gesetzt wurde. Das so entstandene Volumen bietet Platz für ein kompaktes und doch differenziertes Zusammenspiel von Arbeitszonen, geschlossenen Besprechungs­ boxen, abgeschirmten Konzentrationsbereichen und einladenden Gemeinschaftsflächen. Die Möblierung besteht aus sich regel­ mässig wiederholenden Elementen: verzinkte Regale des Schweizer Systemherstellers Errex, höhenverstellbare Arbeitstische von Hüba, ergonomische Bürostühle von Wilkhahn. Für Auflockerung sorgen Raumtrenner mit Grünpflanzen, sogenannte Dancing Walls von Vitra, Kleiderständer, die wie gebündelte Mikado-Stäbchen aussehen, und Designobjekte wie der Stuhl Ultraleggera von Oskar Zieta oder der Fauteuil von Werner Max Moser, ein Schweizer Klassiker, der bei Embru in Produktion ist. In Bereichen, die zur Kollaboration und für den Austausch gedacht sind, kommt immer wieder der lange Signature Table, der auch im Eingangs­ bereich steht, zum Einsatz. Er hat breite Kufen aus feuerver­ zinktem Stahl zu einer mit Linoleum belegten Tischplatte und wurde eigens für Halter angefertigt. Ideen- und Impulsgeber für die durchdachte Planung war der Zürcher Architekt Christof Glaus, Partner bei Stücheli Architekten, dem die neue Arbeitsund Kooperationsplattform auch den identitätsstiftenden Entwurf für Stahltreppe und -geländer verdankt. Mit der Ausführungsplanung und Realisierung wurde die Halter­Schwesterfirma Integral design-build beauftragt. Seit gut einem Jahr gehört sie zur Gruppe und hat sich auf den Ausbau von Arbeitswelten als Gesamtleister spezialisiert. Besonderheit des Leistungsspektrums ist die integrale Planung, die immer den gesamten Lebenszyklus eines Objekts miteinbezieht und Kunden­ lösungen auf Basis digitaler Tools wie 3D und BIM erarbeitet. Damit kann die Nutzung von Büroflächen nicht nur optimiert werden, auch die technische Ausstattung wird so geplant, dass sie sich flexibel an neue Arbeitsmodelle oder eventuelle Umstruk­ turierungen anpassen lässt. «Der moderne Workplace ist heute viel mehr als nur ein Arbeitsplatz. Wir streben möglichst viele unterschiedliche Arbeitssituationen an», bringt es Rainer ­Schmitt, CDO bei Integral design-build, auf den Punkt. Industrielle Atmosphäre Für die Büros im JED wurden zudem viele individuelle Lösungen erarbeitet. Erforderlich machte dies die grundlegende Entscheidung, die industrielle Atmosphäre der auf den Rohbau zurück­ geführten Räume mit ihrer offenen, aus den 1980er-Jahren stammenden Deckenkonstruktion aus Stahl und Trapezblech sowie die unverputzten Beton- oder Sichtmauerwerkwände zu erhalten. 90

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Die gesamte elektrische Erschliessung wurde dafür in die Böden eingelegt. Kühlung und Heizung übernehmen Deckensegel aus schwarz lackierten Gitterrosten, die zusätzlich von oben belüftet werden – das zusammen mit Schmid Janutin und der Pfiffner AG ­entwickelte System trägt den Namen EcoBoost. Auch an die Beleuchtung wurden wegen der besonderen Deckenhöhe spezielle Anforderungen gestellt. Die übergrossen Standleuchten entwickelte darum der Lichtplaner Tobias Gsell von Mettler + Partner Licht. Selbst wenn die Cafeteria im Zentrum des kreuzförmigen Grundrisses an manchen Wochentagen zur Mittagszeit schon belebt ist, sind momentan noch die meisten Arbeitsplätze im dritten Stock leer. Und auch für die Zeit nach Corona sei nicht damit zu rechnen, dass es zu einer vollen Auslastung komme, meint Markus Brunner, CEO von Intergral design-build. Er sieht das Büro der Zukunft mit der Erfahrung der letzten Monate viel mehr als Kollaborationsfläche denn als Rückzugs- oder reinen Arbeitsort: «Es muss vermehrt Platz für kreative Workshops, informellen Austausch und soziale Begegnungen geschaffen werden. All das, was im Homeoffice, das sich nun auch bei grossen Firmen eta­ bliert hat, nicht geht. Hier sehe ich ein grosses Bedürfnis und einen spannenden Wachstumsmarkt, denn der Bestand ist meist nicht darauf ausgelegt.» Mit seinem Team aus Architekten, Innenarchitekten, Planern, Projekt- und Bauleitern will der Ostschweizer neue Standards setzen und Firmen beim Ausbau ihrer Büroflächen zu flexibel nutzbaren Arbeitswelten unterstützen. Halter hat diesen Schritt schon getan. Dank vorausschauender Planung und inspirierenden Workplaces, die Platz für viele Arbeitsformen und sogar ein öffentlich zugängliches Co-Working bieten, ist man auch langfristig gut aufgestellt. → www.integralag.ch S. 73 – Die rohe Stahltreppe im Eingangsbereich hat eine skulpturale Anmutung und dient als identitätsstiftendes architektonisches Element. S. 74/75 – Anstelle eines Empfangs steht einer der Signature Tables im Erdgeschoss. Links des Bildschirms liegt der Eingang zum Co-Working von The Branch. S. 76 – Eines der Besprechungszimmer im ersten Obergeschoss bietet Platz für bis zu zwölf Personen. S. 77 – Das Atrium zieht sich vom Erdgeschoss bis unter die Decke im dritten Obergeschoss. Es wird von Stahlgeländern, welche die Stockwerke markieren, gefasst. S. 78 – Die Besprechungsboxen sind aus MDF und haben einen oberen Abschluss aus verzinktem Blech. Im Vordergrund: Stuhl Ultraleggera von Oskar Zieta. S. 79 – Im Zentrum des kreuzförmigen Grundrisses liegt die Cafeteria. Auch hier kommt der Signature Table zum Einsatz.

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S. 80 – Blick vom zweiten Obergeschoss durch das lichtdurchströmte Atrium in die Konferenzräume an den Gleisen. S. 81 – Die Wände tragen Spuren der Vergangenheit. Sie wurden so belassen, wie sie nach dem Rückbau des Druckereigebäudes vorgefunden wurden. S. 82/83 – Grosse Fenster bringen viel Licht in die Büros. Die Fensterausschnitte wurden aus dem Beton geschnitten. S. 84 – Die Arbeitsplätze können von den Mitarbeitenden online gebucht werden. Im Hintergrund sieht man den an der Zürcherstrasse liegenden Gebäudeteil des JED. S. 85 – Die alte Metallkonstruktion wurde belassen und gliedert heute wie zu industrieller Zeit den Raum. S. 86/87 Im Untergeschoss liegen zwei Big Rooms, die zu einem grossen Raum werden, wenn man die Faltschiebewand öffnet. S. 88 – Unter dem Oblicht im dritten Obergeschoss befindet sich ein informeller Aufenthaltsbereich mit Alcove-Sofas von Vitra. Darunter liegen die Büros von Finance und HR.

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MUT IM BESCHAFFUNGSWESEN

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Text: Hannes Pichler Illustration: Dominique Wyss

«Das haben wir doch noch nie so gemacht! Das ist doch nicht üblich!» Derartige unverständliche Aussagen bekam ich von Beginn an zu hören, obwohl doch gerade im ETH-Bereich die Pflicht besteht, das Nichtübliche, Neue zu wagen. Was war passiert? Ich hatte ein Totalunternehmermodell (im Folgenden Design-Build genannt) bei einem unserer Bauprojekte angewendet. Aus meiner eigenen Erfahrung weiss ich, dass derartige Verfahren bei öffentlichen Bauherren sehr unbeliebt sind. Der Begriff Totalunternehmer (TU) ist schon fast ein Schimpfwort. Diese sind böse, sie erstellen hässliche Bauten in schlechter Qualität und stellen darüber hinaus noch viele gemeine Nachträge. Das kon­ ventionelle Leistungsmodell mit seiner strikten Trennung zwischen Planungs- und Bauwirtschaft hingegen wird zum Allheilmittel (v)erklärt. Architektur- beziehungsweise Generalplanerwett­ bewerbe mit anschliessenden Vergaben an Einzelleistungsträger unter der Schirmherrschaft des Architekten sind der Normalfall. Über die inhärenten, nicht mitigierbaren Risiken dieses Ansatzes wird selten bis gar nicht gesprochen. Ich habe persönlich erlebt, wie Diskussionen um Projektorganisationsmodelle zumeist ideologisch und nicht faktenbasiert geführt werden. Und anstatt die eigene Bestellerkompetenz zu hinterfragen, wird auf Bau­herrenseite einfach am Üblichen festgehalten. Dabei können inte­grale, partizipative Projektorganisationsmodelle, wenn richtig angewendet, sehr gut funktionieren. Ein Neubau für die Eawag

Die Forschungsanstalt Eawag, die bauherrenseitig durch das Empa-Immobilienmanagement vertreten wird, stand in Dübendorf 2015 vor einer neuen Herausforderung. Es bestand Bedarf an zusätzlichen, modernen und flexiblen Chemielabor-, Unterrichts-, Büro- und Konferenzräumen. Diese sollten in einem Neubau untergebracht werden. Die Aufgabenstellung war technisch sehr anspruchsvoll, nicht zuletzt auch deswegen, weil das Gebäude nahe an der Bahnlinie erstellt und dadurch möglichst erschütterungsfrei geplant werden musste. Engineering & Produktion – Kolumne


Der Wahl des richtigen Vergabeverfahrens kommt eine enorm grosse Bedeutung zu. Dieser strategische Entscheid muss zu Beginn getroffen werden und lässt sich im weiteren Projekt­ verlauf nur noch schwer ändern. Wir stellten uns zuerst folgende wesentliche Frage: Wie können wir den langfristigen Nutzen der Investition maximieren und unsere Risiken und Eigenleistungen minimieren? Danach verglichen wir die verschiedenen Projekt­organisationsmodelle miteinander. Für unsere Anfor­ derungen lieferte das Design-Build-Verfahren die besten Lösungen. Warum? Das Design-Build-Verfahren startet ab Erstellung des Pflichtenhefts und nicht ab Bauprojekt wie andere branchenübliche TU-Verfahren. Das bedeutet, von Beginn an werden alle relevanten Stakeholder in die Projektentwicklung integriert: der ­Bauherr samt Nutzer und Betreiber, die Planer und Unternehmer und über das Beurteilungsgremium zudem Spezialisten aus verschiedenen Disziplinen sowie lokale Behördenvertreter. Somit ist sichergestellt, dass alle Interessen gebührend vertreten sind. Voraussetzung hierfür ist, dass es eine rechtliche Grundlage für einen Austausch zwischen ausschreibender und an­­ bietender Stelle gibt. Diese bestand – vorerst nur in der VöB – seit 2010 durch den be­­schaffungsrechtlichen Dialog. Beim Architektur- und Generalplanerwettbewerb fehlt diese Möglichkeit des Austausches während des Beschaffungsverfahrens aufgrund der Anonymität, und beim Studienauftrag sind die Unternehmer nicht von Anfang an mit an Bord. Bei all diesen Verfahren besteht also das nicht mitigierbare Risiko, schon zu Beginn in eine falsche, später kaum mehr korrigierbare Richtung zu planen. Gerade für ein Gebäude, das erschütterungsfrei geplant werden muss, ein No-Go. Minimierung von Risiken und Ressourceneinsatz

Unter der Voraussetzung, dass der Bauherr ein sauberes Pflichten­ heft ausgearbeitet hat, können die Termin-, Kosten- und Konkursrisiken im Design-Build-Verfahren an den Totalunternehmer delegiert werden. Im Falle der Beauftragung von Einzelleistungsträgern verbleiben diese Risiken immer beim Bauherrn. Aus meiner Sicht konzentrieren sich die Aufgaben des Bauherrn auf zwei wesentliche Punkte: Zum einen muss er unter Einbezug aller Stakeholder ein Pflichtenheft definieren, zum anderen muss er sicherstellen, dass die Anforderungen im Sinne eines projekt­ bezogenen Qualitätsmanagements eingehalten werden. Die Koordina­ tion und das Schnittstellenmanagement zwischen unzähligen Einzelleistungsträgern gehören nicht dazu. Dies können professionelle Totalunternehmer besser und effizienter. 93

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Prozessgestaltung

«Das können wir doch noch später entscheiden!», wird auf der Bestellerseite oft gesagt. Doch in der Regel werden Entscheide ein Bauprojekt betreffend umso teurer, je länger man sie ­aufschiebt (in diesem Zusammenhang sei auf die Darstellungen des amerikanischen Architekten Patrick MacLeamy zu Kosten im Design­prozess verwiesen). Die Bauherrschaft muss sich darüber klar werden, was sie braucht, bevor der Planungsprozess beginnt. In unserem konkreten Fall wurden wir nach dem Entscheid über das Vergabeverfahren bezüglich der Prozessgestaltung von Markus Stokar (Stokar + Partner, Basel) unterstützt. In der Präqualifikationsphase sollte die Eignung der Anbieter geprüft werden. In erster Linie diejenige des Totalunternehmers und des von ihm beauftragten Architekten. Bei grösseren Pro­ jekten können natürlich auch Landschaftsarchitekten oder Haustechnikplaner miteinbezogen werden. Es folgt die erste Beschaffungsstufe. Sie ist anonym und wird mit etwa zehn Teilnehmern durchgeführt. Diese Phase ist grundsätzlich vergleichbar mit einem Projektwettbewerb. Hier geht es um die Erarbeitung einer Projektidee, die im Anschluss verfeinert werden soll. Der wesentliche Unterschied zum konventionellen Modell besteht darin, dass die Anbieter ein Kostendach abgeben müssen. Dies motiviert die Teilnehmenden von Beginn an, eine ökonomische Lösung zu finden. Im Abschluss der ersten Beschaffungsstufe wird die Anonymität aufgehoben. Mit der darauffolgenden zweiten Beschaffungsstufe beginnt ein nicht anonymer, kooperativer ­Prozess zwischen Anbietern und Bauherrschaft. Dieser sogenannte Dialog wird mit zwei bis drei Teilnehmenden geführt. Im Rahmen von mehreren Workshops erhalten die Anbieter die Möglichkeit, der Bauherrschaft ihre Lösungen vorzustellen, Fragen zu stellen und das Angebot weiterzuentwickeln. Die Bauherrschaft darf keine Lösungen vorgeben, aber die vorgestellten Lösungen hinterfragen und kommentieren. Die Workshops beschränken sich dabei nicht auf architektonische Belange und einzelne Gewerke. Im Gegenteil! Der wesentliche Punkt ist das inte­ grale Zusammenspiel der baulichen und haustechnischen Gewerke unter Einbezug der Nutzer- und Betriebsorganisationen. Das Projekt wird von den Teilnehmenden dieser Beschaffungsstufe so weit entwickelt, dass zu einem scharfen Pauschalpreis (das heisst ohne Risikozuschläge) offeriert werden kann und im Falle eines Zuschlags innert vier bis fünf Monaten die Baueingabe erfolgt. Durch die eingehenden Überlegungen, welche die Bauherrschaft im Vorfeld angestellt hat, und den kooperativen und integralen Prozess mit den Anbietern ist sichergestellt, dass die Lösung auf einem sicheren Fundament steht. Eine mehrere Monate 94

Engineering & Produktion – Kolumne


dauernde Wettbewerbsüberarbeitung mit anschliessendem Vorprojekt erübrigt sich. Mit dem einfachen Vertragskonstrukt und dem kooperativen Beschaffungsprozess sind die Segel gesetzt. Beide Seiten haben das gleiche Ziel: das Projekt möglichst effizient zum Erfolg, das heisst zur Übergabe an den Bauherrn, zu führen. Abgesehen vom üblichen Geplänkel sind auch dadurch die Streitigkeiten, die bei drei oder mehr Vertragspartnern aufgrund von gegenläufigen Interessen vorprogrammiert sind, minimiert. Positive Erfahrungen

Beim Empa-Immobilienmanagement wurden bis anhin zwei derartige Beschaffungsverfahren durchgeführt. Beide Verfahren produ­ zierten äusserst effiziente und nachhaltige (Lebenszykluskosten, Ökologie) sowie funktionale (Betrieb, Nutzung) und ästhetische (Architektur, Städtebau) Lösungen. Der eingangs erwähnte Eawag-Laborneubau wurde durch die Halter AG mit fsp Architekten gewonnen und befindet sich derzeit im Abnahmeprozess. Die ­Übergabe an den Bauherrn erfolgt im zweiten Quartal 2021. Allen Unkenrufen zum Trotz überzeugt das kompakte und hochinstallierte Gebäude durch eine hervorragende Bauqualität. Das zweite Verfahren, der Ausbau des Forschungscampus Empa Eawag, wurde durch Implenia mit SAM Architekten und Andreas Geser Landschaftsarchitekten gewonnen. Dieses Grossprojekt inklusive dreier neuer Gebäude befindet sich ebenfalls auf sehr gutem Weg. Es besteht Hoffnung, dass partizipative, integrale Verfahren wie das Design-Build beim Bund öfter eingesetzt werden. Im auf 2021 revidierten öffentlichen Beschaffungswesen wurde der zuvor auf Verordnungsstufe geregelte Dialog in den Gesetzestext (Art. 24) aufgenommen. Somit erhalten Design-Build-Verfahren eine noch stärkere rechtliche Grundlage. Wir haben sehr gute Erfahrungen mit dieser Beschaffungs­methode gemacht. Interessierten Bauherren rate ich: Seien Sie mutig, das Nichtübliche zu tun!

Hannes Pichler (42) ist Leiter des Immobilienmanagements an der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungs­ anstalt (Empa). Er ist dipl. Maschinenbauingenieur ETH und absolvierte nebenberuflich ein MBA-Programm an der Uni­ versität St. Gallen. Sein Einstieg in den Infrastruktursektor erfolgte 2006 beim Zementkonzern Holcim. In dessen Projekt­abteilung arbeitete er zuerst in der Planung verschiedener neuer Zementanlagen. 2008 wurde er in ein Grossprojekt nach Russland delegiert. Dort war er vier Jahre lang in verschiedenen Funktionen für die Planung und Ausführung einer neuen 500-Millionen-Euro-Zementanlage verantwortlich – zuletzt als stellvertretender Gesamt­ projektleiter und Baustellenleiter. In seiner Tätigkeit bei der Empa ist er stets auf der Suche nach noch effizienteren und integraleren Lösungen – über den gesamten ­Lebenszyklus einer Immobilie hinweg. Hannes Pichler ist verheiratet und Vater von zwei Töchtern. → www.empa.ch

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KOSTENSICHERHEIT 96 AUF LANGE SICHT Text und Grafik: Pantelis Argyriou, Georg Munkel

Mit dem Digital Cost Challenger (DCC) stellt Halter Bauherren ein mächtiges Werkzeug für den Bestellprozess zur Seite. Das neue softwaregestützte Tool ermöglicht die gezielte Erstellung eines Nutzungsprogramms mit Qualitätsanforderungen und liefert den Kosten-Benchmark für potenzielle Projekte. Diese werden in einem dezidierten Design-Build-Prozess entwickelt und umgesetzt. So können Investitionsentscheide besser, präziser und nachhaltiger getroffen werden – mit Blick über den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie. Engineering & Produktion


«Lasst uns eine Projektstudie in Auftrag geben, damit wir abschätzen können, was für ein Nutzungsprogramm umsetzbar ist und wie hoch die Kosten und Erträge sind.» So etwa hört sich die übliche Herangehensweise an ein Bauprojekt in der Bau- und Immobilienbranche an. Oft gefolgt von den Worten: «Die Studie macht uns der Architekt gratis.» Eine solche Machbarkeitsstudie beinhaltet in der Regel ein Volumenmodell mit zwei oder drei Schemagrundrissen, ohne auf Materialisierung und Qualitätsanforderungen einzu­ gehen. Die Person, die die Aufgabe hat, auf dieser Basis eine Kosten- und Ertragsprognose zu erstellen, weiss genau, dass im Laufe eines all­fälligen Entwicklungsprozesses immer wieder Änderungen hinzukommen werden. Da sie die Verantwortung für die Kosten trägt, wird sie entsprechend genügend Reserven vorsehen. Der Interessenkonflikt Beim traditionellen Prozessverlauf in der Immobilienentwicklung – im Modell DesignBid-Build – werden die Kosten parallel zur Projektplanung ermittelt. Der Anspruch an ihre Genauigkeit erhöht sich von der ersten Projektstudie mit +/- 25 Prozent auf +/- 15 Prozent im Vorprojekt und +/- 10 Prozent zum Zeitpunkt der Vorlage eines umfangreichen und voll ausgearbeiteten Bauprojekts. Diese Kostenaussagen sind – insbesondere im Hinblick auf die bis dahin angefallenen hohen Vorleistungen und Planungskosten – unbefriedigend. Im Normalfall hat die Bauherrschaft trotz­ dem die ausdrückliche Absicht, das eingereichte Projekt auszuführen. Damit wird der Investitionsentscheid im Wesentlichen ­aufgrund des Kostenstands beim Bauprojekt gefällt. Entweder bleibt es bei dieser Zahl, und sie wird in die weiteren Planungsprozesse eingebunden, oder aber die Investitions­ rechnung geht nicht auf, und das Projekt muss überarbeitet werden. Schätzungen zufolge sind in aktuellen, ausgearbeiteten Bauprojekten im Schnitt 20 Prozent zu viel Kosten enthalten – in Form von unbewusst bestellten Ergänzungen im ­Nutzungsprogramm, im Projekt konzeptionell falsch umgesetzten Nutzungsdispositionen, einzelnen wesentlich zu teuer eingekauften Teilleistungen und Mehrfachleistungen durch Doppelspurigkeiten. Gerade bei der öffen­­t­ lichen Hand, die durch ihre zahlreichen Anspruchsgruppen bezüglich Nachbestellungen 97

besonders anfällig ist, können sich diese «Zu-viel-Kosten» schnell verdoppeln. Erschwerend kommt hinzu, dass die immer noch etablierte – von der Wettbewerbskom­ mission mittlerweile allerdings abgesetzte – SIA-Leistungs- und Honorarordnung die Ent­schädigung der Architekten und Planer direkt an die Höhe der Baukosten koppelt. Dies stellt gerade in den ersten Projekt­phasen einen offensichtlichen Interessen­konflikt bei der Kostenschätzung dar. Die Bauindustrie befindet sich also in einem klassischen Huhn-oder-Ei-Dilemma. Braucht es zuerst ein weitgehend ausgearbeitetes Projekt, um mittels einer zeitauf­ wendigen Kalkulation die Kosten zu berechnen? Mit dem latenten Risiko, dass sie massiv zu hoch sind. Oder setzt man am Anfang einfach ein Kostenbudget und schaut dann, was man dafür erhält? Mit dem Risiko, dass grund­ legende Bedürfnisse nicht mehr finanzierbar sind. Es gilt zu klären, wie man den Ansprüchen an die Verlässlichkeit eines ambitionierten Kostenbudgets trotz eines geringen Informationsstands gerecht werden kann – und das mit möglichst wenig Aufwand. Kostentransparenz über den gesamten Lebenszyklus Wünschenswert wäre, bei komplexen Bauvor­haben die Kosten bereits dann ermitteln zu können, wenn noch keine Linie gezogen ist und lediglich das Raumprogramm vorliegt. Der Kunde möchte für seine strategische Entscheidung den Best Case mit einer konkreten ­Produktdefinition und den damit verbundenen Lebenszykluskosten kennen. Um diese zu berechnen, sind folgende Bereiche in Betracht zu ziehen: Errichtungskosten, Betriebs­ kosten, Instandhaltungskosten, Abbruchs- und Umnutzungskosten. Die erste Zahl sollte so lange wie nötig den weiteren Planungsprozess begleiten und auch das passende Produkt treffen. Ein Bauherr trägt die Verantwortung für ein Projekt heute über seinen gesamten Lebens­ zyklus – nicht nur in ökonomischer Hinsicht, sondern auch in gesellschaftlicher und ökologischer. Ein aufwendiger Bau mit komplexen Betriebsabläufen vergrössert in aller Regel auch dessen CO2-Fussabdruck. Darum ist es notwendig, dass die Baubranche, in der seit Jahrzehnten lineare Prozesse etabliert sind, die neue Herausforderung aktiv angeht. Gewinnen kann nur, wer die Chancen erkennt und nutzt. Komplex Nr. 14/2021


Kostenermittlung mit dem DCC Digitale Werkzeuge bieten heute die Möglichkeit, auf Basis von verfügbaren Daten kon­ tinuierlich Business-Intelligenz aufzubauen. Hinzu kommt, dass in einer Kreislaufwirtschaft Erkenntnisse aus abgeschlossenen und laufenden Projekten fortwährend und syste­ matisch für die Verbesserung von zukünftigen Projekten nutzbar gemacht werden. Mit der Entwicklung des Digital Cost Challenger liefert Halter eine Antwort auf die Bedürfnisse der Kostenermittlung in einer frühen Projektphase. Das neue Tool gibt dem Besteller die Kompetenz, massgebliche strategische Entscheidungen bezüglich Produkt und Kosten selbst zu treffen. Der DCC kann einem Projekt mit gezielten Lösungsansätzen die richtige Richtung weisen und das auch ohne Hilfe von Experten (siehe Grafik unten). Mit der DCC-Software kann ein Besteller seine Produktdefinition selbst konfigurieren. Bereits nach der Eingabe von drei Zahlen – Grundstücksgrösse, Geschossflächenzahl und maximal zulässiger Gebäudehöhe – beginnt das Tool mit einer voreingestellten Nutzung zu rechnen und liefert Kosten-Benchmarks nach Werkgruppen, ein Raumprogramm und den

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dazugehörigen Kurzbaubeschrieb. In einem zweiten Schritt hat der Besteller die Möglichkeit, die Qualität, die Nutzungsarten und die Nutzungsverteilung einzugeben und so das Produkt nach seinen Vorstellungen zu definieren. Solange das Produkt nicht die Erwartungen erfüllt, kann der Besteller seine Entscheidungen anpassen, Varianten ablegen und analysieren. Dabei werden die Benchmarks permanent aktualisiert und dienen als Instru­ment für Entscheidungen. Die Kennwerte für die Benchmarks kommen aus dem enormen Erfahrungsschatz, den Halter mit bereits ausgeführten und laufenden ­Projekten gesammelt hat. Sie werden von einem Expertenteam aufbereitet und für den Topdown-­Ansatz in die Datenbank der DCC-Software transferiert. Dass Halter die eigenen Kosten-­ Benchmarks im DCC zur Verfügung stellt, kann im Kontext der DNA der Baubranche, welche tendenziell auf Intransparenz setzt, als Paradigmenwechsel bezeichnet werden. Durch die Nutzung des softwaregestützten DCC gewinnt der Besteller eine klare Vor­ stellung von seinem Produkt und den damit verbundenen Kosten. Nur wenn er verlässlich die Best-Price-Kosten kennt, hat er eine

Kosten nach Werkgruppe

Raumprogramm

A C F

Baubeschrieb

Varianten

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1

Erfüllt das Produkt Beginn Development die Erwartungen? Phase A–B

PRODUKTDEFINITION Grundstücksdaten max. Gebäudehöhe max. baubares Volumen

98

JA

– Nutzungsverteilung – Nutzungsmix – Qualitätsentscheidung

NEIN

Engineering & Produktion

Ablauf der Produktdefinition mit dem DCC.

Analysen


echte Alternative zu einem traditionellen, unbefriedigenden und risikobehafteten Bottom-­ up-Prozess. Durch den DCC ist er in der Lage, einem Projektteam mithilfe einer klaren Bestellung einen dezidierten Design-BuildAuftrag zu erteilen. Dieser beinhaltet die Vorgabe für das Nutzungskonzept mit detaillierten quantitativen und qualitativen Funktionsanforderungen. Der Design-Build-Ansatz bezieht die ganze zukünftige Wertschöpfungskette mit ein und ermöglicht die für die digitale Transformation unabdingbare Inte­ gration von Planung und Ausführung. Die Lebenszyklus-Kostenanalyse hat den Sprung von der Theorie in die Praxis geschafft. Voraussetzung für Prozessinnovation Die Projektabwicklung mittels Design-Build ist somit die Basis für eine interdiszi­ plinäre und interaktive Zusammenarbeit von ­Planern, Ausführungsunternehmungen und Betriebsspezialisten am digitalen Zwilling (BIM). Es ist zu erwarten, dass die Lernkurve aus diesen Projekten der Bau- und Immobi­ lienbranche in den nächsten Jahren zu einem veritablen Innovationsschub verhilft, der sich kontinuierlich in einer höheren Qualität und Produktivität auf Baustellen und im Betrieb von Gebäuden manifestieren wird. Für die Umsetzung des DCC wurde ein internes Team aus Architekten, Ingenieuren und IT-Spezialisten gebildet. So konnte gewährleistet werden, dass Funktionen den richtigen Zweck erfüllen und den Erwartungen der Kunden gerecht werden. Um bei der Umsetzung nie die Perspektive des Anwenders aus dem Auge zu verlieren, wurde mit Mockups gearbeitet, die schnell zeigen, wie sich Ideen «anfühlen», lange bevor sie schliesslich im fertigen Produkt umgesetzt werden. Gleichermassen liegt das Augenmerk auf der Qualität und Zuverlässigkeit der Berechnungen, welche durch Prototypen mit sprödem Charme verifiziert werden (siehe Screenshot Seite 100). Die erste DCC-Version für Bauherren soll im Sommer 2021 erscheinen. Dann beginnt ein neuer Prozess, der das Feedback von Kunden und Partnern aufnimmt und in die weitere Entwicklung einbindet. Planung und Realisierung aus einem Guss Das Halter-Ecosystem bietet die Plattform, auf der Werkzeuge wie der DCC entwickelt werden können. Fachwissen, Branchenkenntnis und Benchmarks aus Projekten mit zufriedenen Kunden treffen hier auf Innovationswillen 99

und die Entschlossenheit, sich ständig zu verbessern. Es gehört zur Strategie des Unternehmens, in die Erneuerung und Optimierung zu investieren. Weil Halter nicht ohne seine Kunden und Partner erfolgreich sein kann, sollen sie durch Produkt-, Prozess- und Kostenklarheit kontinuierlich Kompetenz ­gewinnen. Der Leitgedanke beschreibt einen Prozess, bei dem die Planung und Realisierung eines Bauwerks aus einem Guss erfolgt und in einer Hand liegt, von der Konzeption über den Entwurf bis hin zur Ausführung. Ein Weg, der nur gemeinsam und partnerschaftlich gegangen werden kann. Der Bauherr der Zukunft besitzt die Kompetenz, selbstständig wünschenswerte Kostenbudgets zu setzen und das Potenzial seines Produkts genau zu kennen. Die klare Vorstellung vom Verhältnis zwischen Kosten und Qualität erlaubt ihm, seine gesellschaftliche Verantwortung im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit und Ökologie eines Gebäudes wahr­ zunehmen. Ein Anspruch, der die Weiter­entwick­lung des DCC vorantreiben wird.

Pantelis Argyriou (45) ist seit Februar 2015 bei der Halter AG und für Kundinnen und Kunden, Partner und Stakeholder in diversen Projekten im Bereich Entwicklung und Akquisition mit Schwerpunkt Baukostenplanung zuständig. Davor war er bei verschiedenen Planungsbüros und Total­ unternehmern tätig. Dank seiner mehrjährigen Erfahrung in der Bau- und Immobilienbranche kann er auf ein grosses Know-how in der Baukostenplanung und Projektsteuerung besonders für Wettbewerbe zurückgreifen. Er ist diplomierter Bauingenieur (TU Dortmund). Bevor er sich der Immo­ bilienwirtschaft widmete, arbeitete er nach seinem Studium in Deutschland im konstruktiven Ingenieurbau und in der Beratungsbranche. Er ist verheiratet und lebt seit 2007 mit seiner Frau in der Schweiz. Georg Munkel (45) ist seit Juni 2020 Leiter Software-­ Entwicklung der Halter AG. Er ist Architekt mit einem MAS CAAD der ETH Zürich und dipl.-Ing. (FH) im Fachbereich Architektur der Fachhochschule Kaiserslautern. Bevor er 2006 für das Nachdiplomstudium nach Zürich kam, war er als Architekt und Spezialist für 3D-Modellierung und Visualisierung in Kaiserslautern, Frankfurt und Stuttgart tätig. Nach dem MAS arbeitete er fünf Jahre als Software­Entwickler für die Schweizerische Zentralstelle für Bau­ rationalisierung (CRB) und baute ab 2013 den ETH-­­­Spin-off buildup AG mit auf. Parallel zur Arbeit als Entwickler forschte und lehrte er bis 2015 an der ETH Zürich am Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur. Georg Munkel ist ­ver­heiratet und hat zwei Kinder. → www.halter.ch

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100

Engineering & Produktion

Digital-Cost-Challenger-Mockup der Nutzungsverteilung (Screenshot).


Die Mitglieder des SIA-Fachrats «Digitale Transformation» nehmen Stellung zur künftigen Rolle von Architekt und Ingenieur 101

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Birgitta Schock (58) studierte an der ETH Zürich Architektur und absolvierte an der Stanford University das AEC-Programm P5LB. Vor der Gründung des Büros schockguyan partner arbeitete sie bei unterschiedlichen Architektur- und Planungsbüros in der Schweiz und in Deutschland. Mit der Wahl in den Vorstand des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA) 2019 übernahm sie den Aufbau und den Lead für den Fachrat «Digitale Transformation».

An der Rolle der Architektin, des Architekten in einer digitalisierten Welt wird sich für mich persönlich nicht viel ändern. Auf dem Weg dorthin wird sich dennoch ziemlich alles ändern. Wieso glaube ich, dass sich an der Rolle für mich persönlich nicht viel ändert? Wir Architektinnen und Architekten sind heute schon in den unterschiedlichsten Rollen, Funktionen und Positionen tätig. Wir evaluieren, entwerfen, beraten – ja, das tun wir ganz intensiv und bringen unser Wissen ein. Wir planen, verwerfen, prüfen, legen messbare Werte fest, schauen nach vorne, suchen nach neuer Inspiration, setzen um, über­ arbeiten, beschäftigen uns mit Vorhandenem, kalkulieren, ­verwerfen, sorgen uns um Sicherheit, reagieren resilient und erfinden unseren Job und unsere Rolle immer wieder neu. Was ändert sich also in einer digitalisierten Welt? Die Art, wie wir zusammenarbeiten, denn wir arbeiten nicht nur mit ­Menschen zusammen, sondern auch mit Maschinen, und Maschinen arbeiten wiederum mit anderen Maschinen zusammen – intelli­ genten, präzisen und optimierenden «Gegenüber», die sehr rasch Tätigkeiten ausführen, für die wir sehr lange brauchen, was unsere Arbeit fehleranfällig macht. Sie helfen uns, den Überblick zu behalten und Entscheide aufgrund von logischen und nachvollziehbaren Kriterien zu treffen. Sie helfen uns, Zeit für Kreativität zu schaffen und diese zu verbessern. Sie schlagen uns vor, aus logisch ableitbaren Informationen und Daten heraus Arbeiten anders zu erledigen. Sie helfen uns, unser Wissen besser zu nutzen, um daraufhin weise, vorausschauende Entscheide treffen zu können. Der Weg dorthin, der Transformationsprozess, wird uns dennoch stark prägen, denn wir werden aufgefordert, Bestehendes und noch gut Funktionierendes zu verlassen. Andere Branchen werden sich immer stärker mit uns verbinden, und es entstehen neue 102

Engineering & Produktion


Berufsbilder. Technologie, Daten, Internet of Things (IoT), Automation und Artificial Intelligence (AI) sind anspruchsvolle Treiber. Dennoch werden auch in der digitalisierten Welt der Mensch und seine Bedürfnisse im Zentrum stehen. Gerade deswegen wird sich die Rolle des Architekten nicht radikal ändern, denn auch in der postdigitalen Welt werden «Übersetzer» für menschliche Bedürfnisse und Werte gefragt bleiben. Sichere Räume für den menschlichen Austausch, für die unterschiedlichen Lebensbedürfnisse zu schaffen, wird auch dann eine der zentralen Aufgaben sein. Aber es werden uns beratend nicht nur Menschen zur Seite stehen. Die zentrale Frage, die sich mir daher stellt, lautet: Was wird sich alles verändern müssen, um diese Rolle – die Rolle als Architektin und Architekt – in Zukunft so zu gestalten, dass wir Werte für die nächste Generation schaffen können? Die Weichen dafür müssen wir heute stellen und Dinge ausprobieren, die wir nicht nur gerne tun. Fazit: Ist das ein allgemeingültiges Statement für die zukünftige Rolle von Architektinnen und Architekten? Nein – das ist mein persönliches Rollenmodell, und es gibt viele andere, die genauso richtig sind.

Heinz Ehrbar (65) studierte Bauingenieurwissenschaften an der ETH Zürich. Er war bis 2012 in verschiedenen Positionen bei der AlpTransit Gotthard AG und später als Leiter Management Grossprojekte bei der DB Netz AG in Frankfurt tätig. 2012 gründete er sein eigenes Unternehmen für die Beratung von Infrastrukturprojekten in Herrliberg. Er ist Lehr­ beauftragter an der RWTH Aachen und Präsident der Kommission SIA 118.

Der lateinische Begriff «ingenium» bedeutet «sinnreiche Erfindung» oder «Scharfsinn». Im Laufe der Zeit entwickelten sich daraus der mittelalterliche Kriegsbaumeister genauso wie der heutige Fachmann auf technischem Gebiet mit einer entsprechend hochwertigen theoretischen Ausbildung. Die Ingenieure sind aber gut beraten, sich vom Wortursprung nicht zu verabschieden, um sich auch künftig mit Scharfsinn für sinnreiche Erfindungen, für positive Entwicklungen einzusetzen – dann ist die digitalisierte Welt nicht Bedrohung, sondern eine Chance für die Ingenieure. 103

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Weshalb komme ich zu diesem Schluss? Persönlich stamme ich aus der Welt des Infrastrukturbaus. Infrastruktur ist das Rückgrat für unseren wirtschaftlichen Wohlstand, und wir haben alles dafür zu tun, dieses Rückgrat zu pflegen und zu stärken, wenn wir unseren Lebensstandard erhalten wollen. Dabei ist immer der gesamte Lebenszyklus im Auge zu behalten, egal ob in der analogen oder in der digitalen Welt. Es kann gut sein, dass wir in Kürze mit weniger Geld möglichst viel an leistungsfähiger und umweltverträglicher Infrastruktur zur Verfügung stellen und betreiben müssen. Dazu braucht es Planungsund Bauleistungen. In der analogen Welt kommt es im Lebenszyklus einer Anlage immer wieder zu systembedingten Informationsverlusten, die das Planen, Bauen und Betreiben der Anlage erschweren und verteuern. Mit dem Konzept aus der digitalen Welt – «zuerst virtuell bauen und betreiben, dann real» – sind wir aber in der Lage, diese Verluste zu eliminieren. Damit können wir künftig noch bessere Infrastrukturprojekte planen und Infrastrukturanlagen betreiben. Der durchgängige, maschinenlesbare und verlustfreie Daten- und Informationsfluss erlaubt es uns, diesen Ansatz umzusetzen – zum Wohle aller Beteiligten am Projekt, vor allem aber auch zum Wohle der Nutzer und Endkunden. Die digitale Welt ist vielerorts immer noch ein Schlagwort. Es fehlt oft an Visionen, Strategie und Weitblick. Für viele Einzelthemen gibt es zwar digitale Lösungen, der Blick fürs Ganze fehlt aber. Dabei bräuchte man gerade im Infrastrukturbau dringend den integralen digitalen Zwilling, der in der Planungsphase erstellt und getestet wird, dann real gebaut und schliesslich dem Betrieb für die tagesaktuelle Erfassung des Zustandes der Anlage zur Verfügung steht, was schliesslich vorausschauend optimierte Erhaltungsmassnahmen ermöglicht. Es existieren noch immer zu viele Medien­ brüche. Sinnreiche Erfindungen sind gefragt oder eben der Ingenieurgeist, um die Ziele zu formulieren und Lösungen anzubieten. Ingenieure s ­ pielen somit eine Schlüsselrolle für diese dringend notwendige Entwicklung der digitalen Welt im Infrastrukturbau. 104

Engineering & Produktion


Martin Fischer (60) ist seit 1991 Professor für Bau- und Umweltingenieurwesen an der Stanford University, wo er auch das Center for Integrated Facility Engineering leitet. Nach seinem Abschluss als Bauingenieur an der École polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL) erwarb er 1987 einen M.S. in Industrial Engineering und 1991 seinen Doktortitel in Bauingenieurwesen, beides in Stanford. Er ist bekannt für seine Arbeit an der Entwicklung digitaler Methoden wie BIM, 4D-Modellierung und VDC.

Frage: «Birgitta, ich habe gerade vom Bauherrn der Schule, wo wir gestern das Fundament fertiggestellt haben, gehört. Die Schulbehörde hat sich nun doch dafür entschieden, dass die Schule abends und samstags für Fortbildungskurse genutzt werden soll. Auch mit dieser Zusatznutzung soll sie in der Jahres­ bilanz energieneutral betrieben werden und in zwei Monaten fertig sein. Der Kunde fragt, ob das geht und ob es Budget-­ Anpassungen braucht?» Antwort: «Das ist witzig. Gerade heute Morgen hat mich mein Software-Assistent über ein neues Programm, das den Personen- und Verkehrsfluss für Schulen genauer simuliert, informiert. Ich werde das Programm gleich einmal ausprobieren. Mit den erweiterten Betriebszeiten muss ich auch die Planung der Schule neu optimieren lassen.» Zwei Stunden später: «Hallo Markus! Birgitta hier. Ich habe den Wunsch der Schulbehörde abgeklärt. Wir müssen die Schuleinfahrt und den Fussgängerzugang zum ÖV etwas anpassen sowie die Fenster und Aussenwandisolation verbessern. Ich habe das alles durchsimuliert, mit unseren Fachkollegen geprüft und aus den acht jetzt noch möglichen Optionen, die alle Anforderungen erfüllen, die kostengünstigste Variante ausgewählt. Wenn sich die Schulbehörde bis morgen entscheidet, können wir diesen Kundenwunsch mit einem Budgetzuschlag von 112 000 Franken termingerecht abwickeln. Die vorfabrizierten Wände können noch ohne Produktionsmehraufwand, also nur mit den höheren Material­ kosten, mit besseren Fenstern und besserer Isolation aus­ gestattet werden.» Ob sich dieses Szenario in der Zukunft einmal genau so abspielen wird, ist natürlich nicht sicher, aber es ist wahrscheinlicher als die heutige langsame Bearbeitung von Kundenwünschen, die oft in teuren Lösungen endet, weil wichtige Projektkriterien wegen Termin- oder Budgetdrucks oder wegen 105

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zum Zeitpunkt des Wunsches fehlenden Know-hows nicht systematisch berücksichtigt werden. In einer digitalisierten Welt können wir davon ausgehen, dass das meiste, was wir heute wissen und können, automatisiert worden ist. Das heisst jedoch nicht, dass ein Kunde auf Knopfdruck eine voll optimierte Planung eines Gebäudes bekommen kann, aber es heisst, dass gute Architekten in dieser digitalen Welt zu Hause sind und sich darin wohlfühlen, um ihren ­Kunden und deren Kunden High-Performance Buildings anbieten zu können. Dabei wird es nicht zwingend weniger Architekten geben. Es gibt ja schon heute bei praktisch jedem Gebäude mindestens etwas, was zu kurz kommt, ob es die Umwelt ist, der Benutzer, der Bauarbeiter oder der Investor. Die Rolle des Architekten wird es weiterhin bleiben, federführend gute Gebäude zu planen. Man könnte also meinen, dass sich daher wenig an ihrer Rolle ändern wird. Diese Ansicht ist allerdings viel zu oberflächlich, da es die Digitalisierung ermöglicht, die Performance unserer Bauten in allen Phasen schnell und genau zu messen und zu automatisieren, was wir automatisieren können. Dazu kommen die immer höheren Erwartungen an die Nachhaltigkeit unserer Bauten, verstanden im ­weitesten Sinn als Balance der ökonomischen, ökologischen und sozialen Performance. Diese Erwartungen und die Möglichkeiten, die die Digitalisierung eröffnet, passen gut zusammen. Man muss annehmen, dass jemand smart genug sein wird, viele der Analysen, die heute noch viel zu verzettelt und langsam aus­ geführt werden, zu integrieren und zu automatisieren, was dann wesentlich schnellere und bessere multidisziplinäre Planungszyklen mit Planungs-, Bau- und Bewirtschaftungs-Know-how und wirklichem Optimierungspotenzial erlaubt (wie in oben stehendem Beispiel kurz dargestellt). Es ist auch wahrscheinlich, dass jemand in einer Bausparte es fertigbringen wird, durch die richtige Mischung von Experten und digitalen Hilfsmitteln, die Performance für viele Kriterien zu garantieren und so ein Geschäftsmodell zu entwickeln, das die erreichte Wertschöpfung honoriert. Das heisst dann, dass die Architekten, die in der digitalisierten Welt wirklich zu Hause sind, viel häufiger viel mehr erreichen werden als das, was heute trotz bestem 106

Engineering & Produktion


Einsatz leider zu oft zustande kommt. Das heutige Know-how wird dafür nicht ausreichen, da vieles bereits automatisiert worden ist und daher praktisch gratis erhältlich sein wird. Als am breitesten ausgebildete Baufachleute sind Architekten in der Pole-Position, um auch in der digitalisierten Welt federführend gute Bauten zu kreieren. Aber sie müssen die Chance packen und wirklich bei der Digitalisierung dabei sein, um die Prozesse nicht nur in etwas angepasster Form digital auszuführen. Die vielleicht wichtigste Aufgabe für Architekten in naher Zukunft wird es sein, ihre Rolle zu entwerfen oder – mit anderen Worten – Architekten für ihre Rolle zu sein.

Markus Mettler (51) ist dipl. Bauingenieur ETH mit Nach­ diplomstudium in Betriebswissenschaften. Seit 2006 ist er bei der Halter AG tätig, zuerst in der Position des Geschäftsführers der Geschäftseinheit Entwicklungen, seit 2010 als CEO und seit 2015 als Mitinhaber. Als Vorstandsmitglied und Co-Präsident des Do Tanks von The Branch engagiert sich Markus Mettler stark für eine zukunftsfähige Bau- und Immobilienwirtschaft in der Schweiz.

Die Digitalisierung der Bau- und Immobilienindustrie ermöglicht mit neuen technologischen Werkzeugen integrierte Wertschöpfungsprozesse – unter Berücksichtigung der Anforderungen und Ziele aus allen Phasen des Immobilienlebenszyklus. Damit werden die traditionelle sequenzielle und isolierte Bearbeitung jeder einzelnen Teilphase und die historische Trennung zwischen Planung und Ausführung abgelöst. Die Kernelemente der neuen technologischen Instrumente sind der digitale Zwilling und ein Paradigmenwechsel: zuerst virtuell bauen und nutzen, dann real umsetzen. Am virtuell erstellten Gebäude lassen sich zukünftig alle Herausforderungen simulieren: Bauabläufe und Betriebs­ prozesse, Betriebs- und Lebenszykluskosten, Energiebedarf und CO2-Fussabdruck, Stadtklima und Stadtdurchlüftung, Mobilitätsströme und Nutzerverhalten, die Entwicklung von Immobilienpreisen und deren Auswirkungen auf die soziokulturelle Diversität. Das ist die Grundlage für bislang ungeahnte Optimierungsmöglichkeiten und den kontinuierlichen Aufbau von Business-Intelligenz aufgrund verfügbarer Daten. Durch diese Transparenz können Lösungen wesentlich besser auf die 107

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zukünftigen Kundenbedürfnisse zugeschnitten werden, verbunden mit einem Quantensprung bei der CO2-Ressourceneffizienz, der Verträglichkeit hinsichtlich gesellschaftlicher Entwicklungen und Erwartungen an die Raumplanung und Stadtentwicklung sowie der Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit der Bauindustrie. Architekten und Ingenieure werden die Treiber dieser Transformation sein. Ihre Rollen, ihre Aufgaben und ihre Geschäftsmodelle werden sich wandeln. Gestaltende Architekten werden in der ersten Phase bis zur digitalen Baueingabe und Baubewilligung tätig sein. Sie werden bei der Entwurfsarbeit auf vorkonfektionierte Engineering-Werkzeuge und -Produkte zurückgreifen können, die kontinuierlich von Ingenieuren entwickelt und ­verbessert werden. Der Ingenieur kommt damit weg von seiner Rolle als Sparringspartner des Architekten, der prototypisch die Normeinhaltung prüft und darum besorgt ist, dass ein ­Entwurf «baubar» bleibt. Ab bewilligungsfähigem Nutzungs- und Architekturmodell werden interne oder externe Ingenieure von Bau- und Betriebsunternehmern verantwortlich für das Engineering des lebenszyklusoptimierten virtuellen Zwillings sein. Sie stellen sicher, dass nur für die Bau- und Betriebsphase fertig optimierte Projekte umgesetzt werden. Um den immer komplexeren Aufgaben gerecht zu werden, sind ein neues Verständnis und eine neue Kultur der Zusammenarbeit beziehungsweise ein offener, interaktiver und interdisziplinärer Austausch von Wissen und Können unabdingbar. Die Wettbewerbsfähigkeit misst sich nicht mehr ausschliesslich an der individuellen Leistung, sondern an der Performance des gesamten Projektteams. Diese Veränderungen bedingen für Architekten und Ingenieure eine Abkehr vom bisherigen Geschäftsmodell. Die heute noch gängigen kostenbasierten Honorarmodelle sind durch wertorientierte Vergütungsformen zu ersetzen. In der Summe wird die digitale Transformation die Rolle der Architekten und Ingenieure noch weiter stärken: die Architekten als verantwortungsvolle Gestalter unseres Lebensraums und die Ingenieure als «sinnreiche Erfinder» entsprechend dem lateinischen Wort «ingenium», aus welchem ursprünglich ihre Berufsbezeichnung hergeleitet wurde. Für zukunftsorientierte, inspirierte Menschen eine verheissungsvolle Perspektive! 108

Engineering & Produktion


109 IMMOBILIENBEWERTUNGEN – SINN ODER UNSINN? Text und Grafiken: Philipp Schelbert

Schweizer Immobilien stehen unverändert im Fokus der Anleger, und die Preise sind seit Jahren im Steigflug. Damit kommt zwangsläufig auch der Schätzung von Immobilien ein immer grösseres Interesse zu – einerseits durch die Akteure auf dem Transaktionsmarkt, andererseits im Rahmen der jährlichen Bilanzbewertung von Liegenschaften im Bestand. Komplex Nr. 14/2021


Hintergrund der vor rund zwanzig Jahren einsetzenden Umstellung hin zu Marktwertbewertungen waren entsprechende Änderungen von Rechnungslegungsvorschriften mit der Marschrichtung weg von stillen Reserven hin zu tatsächlichen Werten. Dem Ansinnen wäre grundsätzlich nichts entgegenzusetzen, wenn sich dieses hehre Konzept nur so einfach umsetzen liesse. Dass dem in der Praxis nicht immer so ist, zeigen die zahlreichen ­Beispiele mit grossen Abweichungen zwischen geschätztem Marktwert und tatsächlich bezahlt­em Preis bei Immobilientransaktionen, aber auch die Divergenzen zwischen den ­Bewertungen von neu erworbenen Liegenschaften und den wiederkehrenden Bilanzbewertungen der Immobilien im Bestand. In beiden Fällen sind die Differenzen fallweise enorm und eigentlich erklärungsbedürftig. Dafür dann allerdings allein die Bewerter zu tadeln, greift in vielen Fällen zu kurz. Der Marktwert So einfach und klar der Begriff des Marktwerts erscheint, so schwammig und bisweilen gar nebulös wird dieser bei genauerer Betrachtung. Klar ist einzig, dass bei den gängigen ­Definitionen für den Marktwert mit Formulie­ rungen wie «erzielt werden könnte» der ­Konjunktiv dominiert. Damit sind Unsicherheiten und Interpretationsspielraum inhärent. Und so ist es auch nicht überraschend, dass bisweilen selbst unter den Sachver­ ständigen Uneinigkeit herrscht, was denn nun tatsächlich der Marktwert ist, oder aber es wird je nach Situation die passende Interpretation dazu herangezogen beziehungsweise zurechtgezimmert. Als Illustration dazu dient das anonymisierte Beispiel einer tatsächlichen Trans­ aktion. Die Grafik auf Seite 111 zeigt die verbindlichen Angebote, die allesamt von namhaften, professionellen Investoren für eine «Trophy»-Geschäftsliegenschaft an bester Lage in einer der grösseren Städte in der Schweiz ausgearbeitet wurden. Hier stellt sich die Frage: Welchen Wert müsste ein Bewerter für diese Liegenschaft ermitteln und a priori als Marktwert ausweisen, beziehungsweise welchen Wert erwartet ein Auftrag­ geber von seinem Bewerter im Rahmen besagter Transaktion? Ist es der maximale Preis, der Mittelwert, der Median oder sonst ein Wert? Unter Berücksichtigung der grundsätz­ lichen Erkenntnis, dass ein Marktwert einen Markt bedingt, der Treffpunkt von Angebot und 110

Nachfrage ist, kann dieser Wert kaum der maximale Preis sein. Denn wenn der Käufer für 100 wegfällt oder aber nach einem Kauf selbst wieder verkaufen möchte, gibt es in dieser Höhe keinen Markt mehr. Vor diesem Hintergrund scheint klar, dass der Marktwert nicht den maximal erzielbaren Preis am Markt darstellt, sondern der oberen Konsensmeinung der Marktakteure entspricht – im Beispiel also irgendwo um die 90. Selbstverständlich ist es der Auftrag und das Bestreben eines jeden Transaktions­ managers oder Verkäufers, den maximalen Wert zu erzielen. Diesen in jedem Fall zu prognostizieren, kann aber unmöglich die Aufgabe des Bewerters sein. Dabei gilt es auch, die Tat­sache zu berücksichtigen, dass Bewertungen auf Marktbeobachtungen und daraus abgeleiteten Einschätzungen per Stichtag der Bewertung basieren (sollten). Deshalb sind Marktbe­ wertungen per Definition rückwärtsgewandt und hinken zwangsläufig dem Markt hinterher – sowohl in guten als auch in schlechten Zeiten. Es kann nicht vom Bewerter erwartet werden, im Rahmen von Marktwertbewertungen mögliche zukünftige Entwicklungen der Märkte zu antizipieren; dies kann und soll im Rahmen von Szenario-Rechnungen gemacht werden. Diese Aussage steht im Widerspruch zu den Bedürfnissen des Investors, der im Rahmen eines Transaktionsprozesses nach dem höchsten Wert verlangt, wenn er zu einem erfolgreichen Abschluss gelangen möchte – nicht zuletzt auch deshalb, weil viele Anlagekomitees eine entsprechende Bewertung erwarten. Zudem scheint die obige Aussage auch im Widerspruch zum Anlagefondsgesetz zu stehen, wird doch immer wieder kolportiert, dass die dem Kollektivanlagengesetz (KAG) unterstellten Anlagevehikel nicht kaufen können, wenn sie nicht eine Bewertung hätten, die mindestens so hoch ist wie der Kaufpreis. Bei näherer Betrachtung gäbe es aber zumindest hier durchaus Spielraum, sagt doch die Kollektivanlagenverordnung (KKV) Art. 92, Ziffer 4, dass die Fondsleitung einen Erwerb über oder eine Veräusserung unter dem Schätzwert gegenüber der Prüfgesellschaft begründen müsse. Im Falle der Veräusserung wird dazu gerne auf den Markt verwiesen, während im Erwerbsfall oft doch lieber das «Gespräch» mit dem Bewerter gesucht wird. Damit sind wir wieder beim Dilemma, dass der Bewerter dem kaufinteressierten Investor einen Wert liefern soll, den er basierend auf seinen Marktdaten und Beobachtungen in Gesellschaft & Umwelt


100

92 90

88

87 85

Angebotspreis

Verbindliche Angebote von professionellen Investoren für eine «Trophy»-­ Geschäftsliegenschaft in der Schweiz.

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77 73

73

70

60

50 Angebote

vielen Fällen eigentlich gar nicht liefern kann. Hier wäre wohl eine grössere Stand­ haftigkeit seitens der Käufer, aber auch der Bewerter der Sache dienlich. Insbesondere auch angesichts der Tatsache, dass eine Investitionsrechnung, sprich Bewertung zu Akquisitionszwecken, nicht per se einer Marktwertbewertung entspricht. So gibt es gerade bei Investitionsüberlegungen oft ­Faktoren, die sich nicht oder aber nur schwer quantifizieren lassen, die aber sehr wohl in den Investitionsentscheid einfliessen. Investieren sollte ein bewusster unternehmerischer Entscheid sein, bei dem bisweilen durchaus auch das Bauchgefühl einfliessen darf. Bewertungen spielen dabei eine wichtige Rolle, allerdings besser in Form von Szenario-Rechnungen als mit vermeintlich genauen Punktlandungen. Der Regulator täte gut daran, dies so zur Kenntnis zu nehmen und Investitionsentscheide ohne Einschränkungen den jeweiligen Entscheidungs­trägern zu ­überlassen, die diese dann gegenüber ihren Kapitalgebern vertreten müssen. Anlegerschutz kann auch falsch verstanden werden und zu falschen Handlungsanreizen oder Hand­ lungen führen. 111

Das Bruttorendite-Dilemma Eine weitere Problematik ergibt sich bei der sehr eingeschränkten Vergleichbarkeit von Bewertungen untereinander sowie bei deren Vergleich mit dem Gesamtmarkt ohne vertiefte Detailkenntnisse der einer Bewertung zugrunde liegenden Annahmen. Der schweizerische Immobilienmarkt ist gekennzeichnet durch eine relativ hohe Intransparenz, da Transaktionspreise nicht öffentlich sind und weitere wichtige Angaben noch viel weniger. Dies führt dazu, dass Bruttoanfangsrenditen die einzige Kennzahl darstellen, die sich am Markt halbwegs zuverlässig beobachten lässt. Doch leider ist diese Kennzahl für sich allein betrachtet relativ wenig aussage­ kräftig, wie das Beispiel auf Seite 113 zeigt. Je nachdem ob die Immobilie über Markt vermietet ist («overrented»), ein Mietsteigerungspotenzial aufweist («underrented») oder grössere Instandsetzungen anstehen («capex»), resultiert unter ansonsten völlig identischen Annahmen ein ganz unterschied­ licher Marktwert und ergeben sich damit bei gleicher Ist-Miete auch entsprechend unterschiedliche Anfangsrenditen. In Kenntnis der entsprechenden Details können also sehr Komplex Nr. 14/2021


unterschiedliche Bruttoanfangsrenditen durchaus plausibel sein. So ist die in der Tabelle dargestellte Bruttoanfangsrendite von 5,2 Prozent alles andere als ein Schnäppchen, während eine vermeintlich tiefe Bruttoanfangsrendite von 3,1 Prozent in voller Kenntnis des Sachverhalts sehr wohl Sinn macht. Discounted-Cashflow-Bewertungen Heute sind Bewertungen mittels eines Discounted-­Cashflow-Modells (DCF) weit verbreiteter Standard. Angesichts der vorhin aufgezeigten Schwierigkeiten und Unzulänglichkeiten kann man sich durchaus die Frage stellen, was denn der ganze Aufwand soll und ob nicht auch eine einfache, rasche Kapitalisierung genügen würde. DCF-Bewertungen sind per se weder gut noch schlecht. Sie sind letztlich auch nur ein Versuch, die Wirklichkeit, also den Marktwert einer Immobilie, zu beschreiben. DCF-Bewertungen haben aber gegenüber einfacheren Methoden wie Nettooder gar Bruttokapitalisierung einen entscheidenden Vorteil: Aufgrund ihrer höheren Komplexität und Detaillierungstiefe zwingen sie den Bewerter dazu, sich ausführlich mit dem Objekt, dem Mietermarkt und dem Trans­ aktionsmarkt auseinanderzusetzen. Letztlich geht es bei der DCF-Bewertung wie auch bei jeder anderen Bewertung um eine Darstellung der Zukunft und somit auch um eine Wette gegen die Zukunft. Und da liegt es praktisch auf der Hand, dass es hier selten ein Richtig oder Falsch gibt, sondern viel eher ein Plausibel oder Unplausibel. So können in der Bewertungspraxis ganz unterschiedliche Annahmen zu sehr ähnlichen Ergebnissen führen beziehungsweise müssten dies eigentlich, vorausgesetzt, die Modelle sind entsprechend an den bereits mehrfach erwähnten, eher spärlich vorhandenen Transaktionsdaten kalibriert. Diskontierungszins und Modell Der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, dass der Diskontierungszins keine unabhängige oder gar beobachtbare Grösse darstellt, sondern eng mit dem Bewertungsmodell verknüpft ist. Diese Aussage wird mit folgendem Beispiel verständlich: Während Bewerter A bis in alle Ewigkeit mit jährlich steigenden Mieteinnahmen rechnet – im Zweiphasenmodell basierend auf dem ­Dividend-Growth-Modell durch einen um die Wachstumsrate verminderten Kapitalisie­ rungsfaktor ausgedrückt –, argumentiert 112

Bewerter B, dass aus seiner Sicht die Zukunft diverse Unsicherheiten betreffend Vermietbarkeit und Mietwachstum beinhalte. Aus Sicht von B ist deshalb ein stetiges Mietwachstum in der Exitphase nicht gerechtfertigt, beziehungsweise er neutralisiert dieses wieder wegen der erwähnten Unsicherheiten, da das höhere Risiko sich seiner Einschätzung nach in einem entsprechenden Zuschlag im Diskontierungszinssatz niederschlägt. Beides erscheint weder richtig noch falsch, sondern als durchaus vertretbare Modellannahmen. Wenn die beiden Bewerter an­ sonsten die gleichen Annahmen treffen, ins­ besondere bezüglich Marktmieten, Leerständen, Betriebs-, Unterhalts- und Instandset­ zungskosten, ist es unweigerlich so, dass sie unterschiedliche Diskontierungszinssätze verwenden müssen, um das gleiche Resultat – hier den gleichen Marktwert – zu erhalten. Ein Modell ist ein Modell und muss entsprechend kalibriert werden, damit es beim Back-Checking die Realität möglichst gut abbildet. Damit schliesst sich der Kreis. Das Einzige, was bei Bewertungen ohne detailliertere Angaben vergleichbar ist, sind die resultierenden Bruttoanfangsrenditen und nicht die Diskontierungszinssätze. Wie erläutert, haben aber die Bruttoanfangsrenditen durchaus ihre eigene Geschichte und sind ohne Detailkenntnisse der Bewerter auch nicht ohne Weiteres vergleichbar. In diesem Zusammenhang soll noch erwähnt werden, dass auch der Internal Rate of Return (IRR; z. Dt. interner Zinssatz) keine geeignete Kennzahl ist. Denn der IRR ist – zumindest bei konstantem Diskontierungszinssatz – per Definition nichts anderes als der Diskontierungszinssatz und damit vom Bewerter vorgegeben. Somit scheint es unausweichlich, Bewertungen im Kontext ihrer Annahmen zu beurteilen und letztlich als das zu nehmen, was sie im günstigsten Fall sind: eine Schätzung nach bestem Wissen und Gewissen und damit mit entsprechenden Unsicherheiten und Bandbreiten behaftet.

Gesellschaft & Umwelt


Die Kennzahl der Bruttoanfangsrendite ist für sich allein betrachtet relativ wenig aussagekräftig.

Szenario

Marktwert in CHF

Jahr 1

Jahr 10

ø (Annuität)

BASE CASE

123 180 000

Bruttorendite

3.9 %

4.3 %

4.4 %

Nettorendite

3.4 %

3.8 %

3.7 %

Cashflow-Rendite

3.4 %

3.8 %

3.4 %

Bruttorendite

5.2 %

4.4 %

4.5 %

Nettorendite

4.5 %

3.9 %

3.9 %

Cashflow-Rendite

4.5 %

3.9 %

3.4 %

Bruttorendite

3.1 %

4.4 %

4.3 %

Nettorendite

2.7 %

3.9 %

3.7 %

Cashflow-Rendite

2.7 %

3.9 %

3.4 %

Bruttorendite

4.2 %

4.1 %

4.8 %

Nettorendite

3.6 %

3.6 %

4.1 %

Cashflow-Rendite

3.6 %

3.6 %

3.4 %

OVERRENTED

UNDERRENTED

CAPEX

92 260 000

123 180 000

123 180 000

100 %

75 %

124 %

92 %

Philipp Schelbert (52) ist seit November 2019 bei der Tend AG und als Mitglied der Geschäftsleitung zuständig für den Bereich Immobilientransaktionen. Davor war er bei verschiedenen Beratungsunternehmen tätig und verfügt dank seiner langjährigen Beratungstätigkeit über ein profundes Know-how in den Bereichen Transaktionen von Immobilien, Immobilienportfolios und -gesellschaften, Erstellung und Analyse von Immobilienbewertungen sowie in der Beratung mit Fokus auf Real Estate und Corporate Finance. Schelbert ist diplom­ierter Bauingenieur ETH mit einem Nach­diplomstudium in Betriebswissenschaften (MAS ETH MTEC). Vor seinem Nachdiplomstudium und anschliessendem Wechsel in die Beratungsbranche im Jahr 2001 war er einige Zeit als Bau­ ingenieur im konstruktiven Ingenieurbau tätig. Er ist verheiratet, Vater eines elfjährigen Sohnes und begeisterter Freizeit­sportler. → www.tend.ch

113

Komplex Nr. 14/2021


NETZWERK DER ZUKUNFT

114 Text: Reto Westermann Fotos: Lucas Peters

Die Art, wie Gebäude heute geplant und gebaut werden, ist eigentlich veraltet. Daran ändert auch die Nutzung digitaler Instrumente nichts. Halter hat darum die Plattform The Branch ins Leben gerufen, die die Transformation des Prozesses hin zu einer interdisziplinären und transparenten Zusammenarbeit aller Beteiligten beschleunigen soll. Die Initiative wird von einem Verein mit Mitgliedern aus allen Bereichen der Bauund Immobilienbranche getragen. Wir trafen einen der Vorstände: Markus Mettler, CEO der Halter AG. Gesellschaft & Umwelt


Im Besprechungszimmer wabert Zigarettenrauch, eine Sekretärin protokolliert das Gespräch zwischen Bauherrschaft und Architekt, der Tisch ist bedeckt mit Plänen, auf denen mit Rotstift Anpassungen eingezeichnet sind. Im Raum daneben beugen Zeichner ihre Köpfe über die Arbeitsplatte und ziehen mit Tuschschreibern Linien aufs Transparentpapier, während aus dem nahen Reprografie-­ Raum Ammoniakgeruch von der Lichtpausmaschine dringt – so sah der Alltag in einem Architekturbüro um 1960 aus. Eine Zeit, in der sich der Planungsprozess für ein grösseres Bauwerk ­aufgrund der technischen Möglichkeiten über Jahre hinweg zog. Waren damals die Ausführungspläne gezeichnet, wurden die Arbeiten in Konkurrenz ausgeschrieben, die Kosten ermittelt und mithilfe eines Rechenschiebers addiert. Danach erfolgte die Vergabe. Sechzig Jahre später wird an Sitzungen kaum mehr geraucht, nutzen die Architekten leistungsfähige Zeichnungsprogramme, lässt man die Pläne plotten und die Baukosten digital ermitteln. Trotzdem dauert der Planungsprozess noch immer Jahre, die Arbeiten werden noch immer erst nach Abschluss der Planung in Kon­ kurrenz ausgeschrieben, und jedes Bauwerk ist in Bezug auf das Engineering noch immer ein Prototyp. Für Markus Mettler ein Anachronismus. Der 51-jährige ETH-Ingenieur mit einem Nachdiplom in Betriebswirtschaft ist seit 2010 CEO der Halter AG. Wir treffen ihn in seinem gerade bezogenen Büro im Business-Hub JED in Schlieren. Auch der neue Halter-Hauptsitz und sein Angebot sind für Mettler ein Schritt in Richtung eines zukunftsorientierten digitalen Entwicklungs-, Planungs- und Bauprozesses. Dieser soll die heute üblichen ineffizienten Abläufe möglichst bald ersetzen. Komplex: Warum ist die heutige Art, Gebäude zu planen, trotz digitaler Hilfsmittel ein Auslaufmodell?

Markus Mettler: Das seit Jahrzehnten praktizierte Leistungsmodell Design-Bid-Build – planen, in Konkurrenz ausschreiben, realisieren – ist ein sogenanntes Wasserfallmodell, das sich als Abfolge von sequenziell angeordneten, in sich ­abgeschlossenen Projektphasen definiert. Aufgrund der Nicht­ verfügbarkeit digitaler Kommunikationstechnologien und Interaktionsmethoden in Kombination mit intelligenten Datenmodellen war dieser Ansatz in der Vergangenheit alternativlos. Was macht das Wasserfallmodell denn konkret so schlecht?

Bei diesem Modell werden die erarbeiteten Ergebnisse aus einer Phase als Vorgaben und Ziele für die Folgephase verwendet, ohne dass die Wertschöpfung genutzt werden kann. Die gleichen Planungselemente werden für jedes Projekt immer wieder aufs Neue «erfunden». Da geht kontinuierlich Know-how verloren oder 115

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eben sprichwörtlich «den Bach runter». Gleichzeitig wurde die Bauindustrie durch das Wasserfallmodell zweigeteilt, nämlich in Planungs- und Ausführungsbranche. Die fehlende Interdisziplinarität und Interaktion zwischen diesen beiden Bereichen ist verantwortlich für die ausbleibende Innova­tions­ kraft unseres Wirtschaftszweigs. Charakteristisch für das bestehende Leistungsmodell ist zudem, dass es in weiten Teilen gleichzeitig Bestell- und Herstellungsprozess ist. Dadurch erfolgt die Bestellung durch den Bauherrn nach dem Prinzip «try and error» parallel zum Planungs- und Fertigungsprozess mit der Folge, dass grosse Ressourcen verbraucht und viele Leerläufe produziert werden und trotzdem in vielen Fällen falsch bestellt wird oder beträchtlich mehr als notwendig. Wieso ändert kaum jemand etwas daran?

Das System ist fest verankert in der DNA der Branche und damit auch in ihren Normen und Gesetzen. Es ist menschlich, an vertrauten Modellen festzuhalten, zudem herrscht seit der Jahrtausendwende ein Bauboom. Es bestand einfach kein wirtschaftlicher Druck zur Produktivitäts­steigerung. Aber das ändert sich nun. Ausdruck davon sind etwa das vor zwei Jahren von der Wettbewerbskommission ­verbotene Honorarmodell für weitgehend normierte Planerleistungen, das sich statt auf die erarbeiteten Mehrwerte auf die Höhe der Baukosten abstützt, oder das auf einen Kostenwettbewerb ­ausgerichtete Submissionswesen nach SIA 118, das ausführenden Unternehmen kaum Spielraum für eigene Lösungsbeiträge bietet. Mit der auf Anfang 2021 in Kraft getretenen Revision des öffentlichen Beschaffungsrechts haben Bundesrat und ­Parlament erfreulicherweise ein klares Zeichen gesetzt – zugunsten von Innovation, Nachhaltigkeit und Qualität. Erste Schritte hin zu neuen Arbeitsweisen hat Halter beispielsweise mit der Beteiligung an der auf Architekturvisualisie­ rungen spezialisierten Raumgleiter AG, der Umstellung interner Prozesse oder der schweizweit erstmaligen Durchführung eines digitalen Architekturwettbewerbs getan. Bis zum Ziel ist aber noch ein Stück Weg zu gehen. Denn der neue Prozess, der Markus Mettler vorschwebt, hat nichts mehr mit demjenigen aus dem ­vor­digitalen Zeitalter zu tun. Die lineare Planung mit unzähligen Korrekturschlaufen soll einer digitalisierten, kooperativen und transparenten Form der Zusammenarbeit Platz machen. Die neuen Räume im JED in Schlieren sind genau darauf ausgerichtet. Dort gibt es nicht nur Büros für die Mitarbeitenden der H ­ alter AG und deren Schwesterfirmen, sondern etwa auch das Collab von 117

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The Branch mit Co-Working-Flächen, die von Fremdfirmen gemietet werden können. Sitzungsräume und Big Rooms stehen allen zur ­Verfügung. Diese haben eine Fläche von je 120 Quadrat­metern und sind mit Grossbildschirmen ausgestattet. Hier sollen sich interdisziplinäre Teams zurückziehen können, um in kurzer Zeit neue Gebäude bis hin zur Baueingabereife zu entwickeln. Gibt es ein Vorbild dafür, wie die Planungs- und Baubranche künftig arbeiten soll?

Ich ziehe dazu gerne das Beispiel von einem Restaurantbesuch heran. Wenn ich entschieden habe, auswärts zu essen, erhalte ich im Restaurant eine Menükarte mit verbindlichen Preisen – ganz nach dem Motto «What you see is what you get». Wir ­können das auch beim Planen und Bauen machen – wobei die Architektur von morgen trotzdem individuell bleiben soll. Heute ist es möglich, die Optik eines Gebäudes am Computer innerhalb kürzester Zeit fast wie in echt zu gestalten. Dafür muss der Bauherr oder eine Jury beim Start der Entwicklungsarbeit – also bei der Bestellung – die städtebaulichen Vorgaben und architektonischen Rahmenbedingungen liefern. Und natürlich braucht es einige «harte» Eckwerte wie die geplante Nutzung, die gewünschte nutzbare Fläche und deren Eigenschaften. Wie kann bei einem Gebäude das Preisschild am Anfang des Projekts ermittelt werden?

Aus laufenden und realisierten Projekten verfügen wir über unzählige Daten und Erfahrungen zu Baukosten. Anhand des Nutzungsprofils, der Flächendisposition, des gewählten Archi­ tektur- und Konstruktionskonzepts und des gewünschten Ausbaustandards lässt sich ein sehr präziser Kosten-Benchmark ermitteln. Zukünftig werden dem Besteller diese Daten im Sinne von «Best Practice» zur Verfügung gestellt. Ein Bauherr will nicht wissen, was ein Projekt kosten könnte. Er hat das Anrecht darauf, zu erfahren, was der Kosten-Benchmark ist – unter der Bedingung, dass seine Nutzungsbedürfnisse und die gewünschten Eigenschaften mit einem effektiven Prozess in einem effizienten Projekt umgesetzt werden. Zu diesem Zweck will Halter Bauherren mit einem Investitionsbedürfnis mit dem Digital Cost Challanger (DCC) (siehe auch Seite 96) ein mächtiges Werkzeug für den Bestellprozess zur Verfügung stellen. Die heute üblichen Überarbeitungsrunden entfallen?

Ja, hier braucht es ein massives Umdenken. Denn mit dem Modell Design-Build (es steht für bid, design / build und im Gegensatz zu design, bid, build) kann die Bauherrschaft schon beim 118

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Start exakt definieren, was und mit welchem Standard sie bauen will, welche Punkte ihr wichtig sind und wo sie den Planern und Ausführenden freie Hand für Innovation lässt – immer, und das ist entscheidend, mit dem Wissen um die dazugehörigen Kosten. Durch diese fundamentalen Entscheidungsgrundlagen beschleunigt sich der Planungs- und Realisierungsprozess massiv. Klar, es braucht dann an jedem Ende des Tisches Leute, die entscheiden dürfen und wollen. Führt das nicht zu uniformen Gebäuden?

Jedes Gebäude wird auch künftig seinen individuellen Charakter behalten. Die Architekten haben die Aufgabe, diesen zu gestalten. Zu Beginn muss einfach festgelegt werden, was beim jeweiligen Projekt wichtig ist. Das gilt für die Architektur ebenso wie für die CO2-Bilanz oder die Nachhaltigkeit. Ansonsten sollen Planer und Ausführende freie Hand haben. Die heute für die Preisbildung wichtige Ausschreibungsphase vor Baubeginn entfällt?

Auch im neuen Modell spielt der Wettbewerb, aber zu einem viel früheren Zeitpunkt und in verschiedenen Dimensionen. Ausschreibungen erfolgen früh und funktional. Die Unternehmer oder ganze Werkgruppen müssen dann zeigen, wie sie die ­Aufgabe innovativ, nachhaltig und zu einem vernünftigen Preis lösen. Das Rennen macht also nicht mehr der günstigste Anbieter, sondern derjenige mit der intelligentesten Lösung. Kernelement der neuen Prozesse ist ein konsequenter Lebens­zyklusansatz. Das Denken und Handeln in Wirtschaftskreisläufen beschränkt sich jedoch nicht nur auf Produkte und Materialien, sondern wird auch auf geistige Erzeugnisse wie Architektur und Engineering-Lösungen angewendet. Erkenntnisse aus dem Betrieb von realisierten Projekten ermöglichen den kontinuierlichen Aufbau von Business-Intelligenz und deren Einbindung in die Konzeption von neuen Projekten. Gemäss Markus Mettler ist die neue Form der Planung und Vergabe von Bauleistungen nur erreichbar, wenn möglichst viele Beteiligte aus dem gesamten Ecosystem mitziehen: von den Bauherren, Entwicklern, Architekten, ausführenden Unternehmen und Ingenieuren bis hin zu den Facility-­Managern, Vermarktern und Baujuristen. Zu diesem Zweck hat Halter 2020 die Dialog- und Kollaborationsplattform The Branch ins Leben gerufen. Hier soll der Wandel in Richtung digitaler Prozesse vorangetrieben werden. Trägerschaft ist der Verein Branch Do Tank. In dessen Vorstand sind Vertreter aus allen Branchen des Immobilien­ lebenszyklus vertreten. 119

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Warum braucht es einen Verein, um das Thema voranzutreiben?

Die Erfahrung zeigt, dass die üblichen Positionspapiere wenig bringen. Ein Verein hingegen ist verbindlicher, ein starkes Signal nach aussen und macht klar, dass viele Gleichgesinnte ein gemeinsames Ziel verfolgen. In unserem Fall heisst das: neue Impulse für integrierte Prozesse und eine verbesserte Zusammenarbeit in der Baubranche. Gibt es im Ausland Vorbilder für den neuen Prozess, wie er dem Do Tank von The Branch vorschwebt?

Nein. Deshalb ist die Sache auch eine riesige Chance für die Schweiz. Bauplanung war ja bis anhin kein Exportgut. Doch wenn wir den Wandel schaffen, gehen wir hierzulande als Pioniere voran und können unser Wissen schliesslich ins Ausland verkaufen. Denn dort hat man genau dieselben Probleme. Bis der Design-Build-Prozess so weit etabliert ist, dass er das Wasserfallmodell weitgehend ersetzt, dauert es laut Mettlers Prognose noch fünf bis sechs Jahre. Die interdisziplinäre Entwicklung neuer Gebäude in den Big Rooms des JED wird aber ab sofort Realität. Sie ist der Startpunkt eines kontinuierlichen Innovationsprozesses – ausgerichtet auf Ressourcen-Effizienz hinsichtlich der Energie- und Klimapolitik, Produktivitäts­ steigerungen und gesellschaftlich abgestützten Lösungen. Im Gegensatz zu den vergangenen Jahrzehnten wird der Wandel der Technologien, Prozesse und Geschäftsmodelle in Zukunft stetig sein. Die grösste Wirkung hat dies mittel- und langfristig auf die Baustellen. Denn durch die enge Zusammenarbeit in frühen Planungsphasen lassen sich viele Punkte klären, die heute erst kurz vor Baubeginn ein Thema sind. Etwa die Baulogistik oder die Ausführung des Gebäudes. Der Einsatz bewährter Konstruktionen wird es ermöglichen, vermehrt Bauteile vollautomatisiert vorzuproduzieren und roboterisiert zu montieren. Mettler geht davon aus, dass mittelfristig eine Reduktion von Baukosten und Ausführungszeiten um 40 Prozent und mehr möglich ist – bei deutlich gesteigerter Qualität. In Kombination mit der sehr kurzen Planungszeit würde sich so beispielsweise die Realisierungsdauer eines Bürogebäudes von der ersten Idee bis zum Bezug von heute mindestens vier Jahren auf unter zwei verkürzen. → www.thebranch.ch

S. 114 – Das Co-Working von The Branch befindet sich im Erdgeschoss der Schlieremer Büroliegenschaft JED. S. 116 – Im Glas, welches das Co-Working vom öffentlichen Foyer abtrennt, spiegelt sich eine Lichtinstallation.

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S. 121 – Alle Arbeitsplätze sind zweckmässig ausgestattet und können über eine digitale Plattform gebucht werden. Für vertrauliche Gespräche oder Telefonate stehen verglaste Kabinen zur Verfügung.

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«DAS WICHTIGSTE IST, DASS MAN WEISS, WAS MAN WILL» Text: David Strohm Fotos: Lukas Wassmann

PSP Swiss Property, mit einem Portfolio von 8,6 Milliarden Franken eine der grössten börsenkotierten Immobiliengesellschaften der Schweiz, realisiert ihre Bauvorhaben mit unterschiedlichen Zusammenarbeitsmodellen. Chief Investment Officer Reto Grunder erläutert im Interview, in welchen Situationen er sich glücklich schätzt, einen Partner zu haben, der hilft, die Herausforderungen zu meistern, und in der Lage ist, einen Teil des Risikos mitzutragen. 123

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Auch für Reto Grunder hat sich der Arbeits­ alltag seit Corona verändert. Der Gross­ teil der Mitarbeiter und externen Partner von PSP Swiss Property befindet sich seit Längerem im Homeoffice, und Sitzungen werden ­praktisch nur noch online abgehalten. So ­entstand auch dieses Interview virtuell. Unser Fotograf traf den Chief Investment Officer dennoch in einer Liegenschaft aus dem Port­folio der PSP in Genf, die seit Herbst 2020 an die niederländische Hotelkette ­CitizenM vermietet ist.

Komplex: Die Komplexität von Bauvorhaben nimmt zu, die Koordination der zahlreichen Planer und Gewerke wird immer anspruchsvoller. Wie stellt sich PSP als Bauherrin und Investorin dieser Aufgabe? Reto Grunder: Unser Kerngeschäft ist die Vermietung unserer Büro-, Dienstleistungsund Geschäftsflächen. PSP besitzt 160 Geschäftsliegenschaften an zentralen Lagen in den Wirtschaftszentren Zürich, Genf, Lausanne, Basel und Bern. Daneben verfolgen wir mehrere Entwicklungsprojekte, die ­entweder aus der laufenden Portfolio-Optimierung oder aus Akquisitionen hervor­ gegangen sind. Für uns ist es zentral, die Grundkompetenz rund um eine Immobilie im Haus zu haben: das Asset Management, die Bewirtschaftung, die Vermarktung sowie die Bau- und Projektentwicklung mit der Energie- und Gebäudetechnik. Seit letzten Herbst engagieren wir uns zusätzlich im Bereich Innenausbau, da der Trend zu ausgebauten Flächen anhält. Das Zusammenspiel dieser internen Kompetenzen hilft uns, die angesprochene Komplexität zu bewältigen und das richtige Produkt zu wählen, welches auf dem Markt nachgefragt wird.

Aber alles lässt sich ja nicht selbst machen. Die fortschreitenden Technologien und die Digitalisierung führen zu einer Spezialisierung und – damit verbunden – zu mehr fachlichen Standards. Dies erhöht die Komplexität und erfordert tatsächlich einen grösseren Koordinationsaufwand. Mit unserem 124

breit aufgestellten Team können wir aber auch komplexe Abläufe bewältigen. Doch wir sind stets auch auf externe Partner ange­ wiesen, die uns von der Idee bis zur Realisierung unterstützen. Entscheidend für uns als Eigentümer ist, dass wir das Heft in der Hand behalten.

Welche Themen verlangen Ihre spezielle Aufmerksamkeit? Unser Tagesgeschäft sind der Unterhalt und die Renovationen unserer Bestandsliegenschaften, nicht spektakuläre Grossprojekte. Wie anspruchsvoll diese Arbeiten sein ­können, stellen wir auch bei vermeintlichen Routineeingriffen fest. Treiber ist aber nicht nur der Fortschritt. Als Bauwillige müssen wir stetig zunehmende Vorschriften beachten und behördliche Vorgaben und Auf­ lagen umsetzen. In den Städten kommen zudem oft politisch motivierte Steuerungen hinzu, wie beispielsweise in der Stadt Zürich der derzeit diskutierte Richtplan, der unter anderem Innenhöfe und Dachterrassen öffentlich zugänglich machen möchte.

Welche Grossprojekte stehen und standen zuletzt auf Ihrer Agenda? In Zürich-West haben wir Ende 2020 unser Projekt ATMOS an die Mieter übergeben können, einen visionären Businesspark mit rund 24 000 Quadratmetern Bürofläche und einem Investitionsvolumen von etwa 130 Millionen Franken. Sämtliche Flächen sind vermietet, mehr als die Hälfte an den schweizerischen Schuhersteller On. Ebenfalls in Zürich ist die Totalsanierung einer unserer Liegenschaften direkt gegenüber dem Hauptbahnhof im Gang. Einige erinnern sich vielleicht noch an den Grossbrand im Herbst 2018. In enger Begleitung mit der Stadt Zürich haben wir die denkmalgeschützten Häuser originalgetreu wieder aufgebaut und können die Flächen dieses Jahr an den interna­ tionalen Co-Worker IWG übergeben, der dort auf 4700 Quadratmetern einzigartige, ­flexible Büroflächen unter dem Brand Signature anbietet. Gleich angrenzend, am Beatenplatz, haben wir die Umnutzung einer ehemaligen Kino- und Bürofläche zu einem Ruby-Hotel realisiert, welches im Herbst 2021 eröffnen wird. Gesellschaft & Umwelt – Interview


Als Bauherr und Investor stellen Sie Anforderungen und bringen Ihre Wünsche in Bezug auf das Bauwerk ein. Welches Vorgehen verspricht den grössten Erfolg? Es mag banal klingen, aber das Wichtigste ist, dass man weiss, was man will. Das ist dann einfach, wenn der Mieter bereits feststeht, dieser selbst baukompetent ist und sein Produkt schon definiert hat. Was jedoch die Ausnahme ist. Oft ist die Produktfindung ein längerer Prozess. Trotzdem: Es ist nicht immer alles langfristig planbar. Bei leer stehenden oder kurzfristig leer werdenden Flächen wie auch bei Neubauten ist der Faktor Zeit entscheidend. Deshalb ist es für uns wichtig, über das Immobilien-Know-how intern zu verfügen. Nur so können wir gegenüber unseren externen Partnern mit einer starken Bestellerkompetenz auftreten. Eine klare inhaltliche und zeitliche Agenda hilft, das Ziel im Auge zu behalten.

Am Anfang eines Vorhabens steht oft ein offener Architekturwettbewerb. Was die Jury ästhetisch und städtebaulich überzeugt, muss aber nicht unbedingt bedürfnisgerecht und wirtschaftlich sein. Was ist für Sie wichtiger? Wir schreiben nicht sehr häufig Architekturwettbewerbe aus. Bei all unseren Projekten steht die marktgerechte, zeitgemässe und flexible langfristige Nutzung im Fokus, das heisst, wir denken das Gebäude primär von innen nach aussen. Dies kann schon mal mit anderen Interessen kollidieren, wie denen des Denkmalschutzes oder ästhetischen Vorstellungen. Im Idealfall geht beides Hand in Hand. Ob Architekturwettbewerb, Studien­ auftrag oder Planerwahl: All diese Verfahren sind für die Beteiligten sehr zeitintensiv und binden Ressourcen. Deshalb muss man sehr gut überlegen, ob man sich auf diese Reise begeben will. Falls ja, braucht es eine gründliche Vorbereitung, eine geschickte Hand bei der Auswahl von Jury und Architekten und vor allem eine klare Vorstellung, in welche Richtung es gehen beziehungsweise nicht gehen soll. Manchmal kommt man ganz einfach nicht um einen Wettbewerb herum, weil etwa 125

eine sensible Innenstadtlage ein solches Verfahren erfordert beziehungsweise uns ein solches Verfahren «nahegelegt» wird. Die Spielregeln dazu sind kantonal unterschiedlich, nicht immer transparent und eine ­Herausforderung für jeden Bauherrn.

Planungsfehler sind nicht nur ein Ärgernis, sie verlängern auch die Bauzeit und machen Projekte teurer. Wie gelingt es Ihnen, Fehler klein zu halten? Fehler entstehen oft dort, wo es aufgrund von Zeitdruck schnell gehen muss oder unsorg­ fältig gearbeitet wird. Beides zu verhindern, ist Aufgabe vorausschauender Planung und Kontrolle. Wir versuchen, die internen Abläufe so zu gestalten, dass möglichst fehlerfrei gearbeitet wird. Es passiert zum Glück nicht oft, dass sich ein Planungsfehler zu einem gröberen Schaden entwickelt. Eine offene Kommunikation im Team hilft. Dies ist aber nur möglich, wenn eine gewisse Fehlerkultur zugelassen wird. Auch hier ist letztlich ein partnerschaftliches und vertrauensvolles Verhältnis untereinander entscheidend, sowohl intern als auch extern.

Sie haben sich bei einigen Vergaben für das Gesamtleistermodell entschieden. Was kennzeichnet dieses Modell aus Sicht des Bauherrn? Letztlich geht es uns bei jedem Projekt um Qualität, Kosten, Termine und Verlässlichkeit. Das ist beim Gesamtleistermodell nicht anders. Ein Merkmal ist sicherlich, dass man schon in einer frühen Phase gemeinsam u ­ nter­­wegs ist und bereits dann möglichst verläss­ liche Angaben für eine Rentabilitätseinschätzung erhält. In einem Fall haben wir mit den Spezialisten der Halter AG bereits in der Akquisitionsphase zusammengearbeitet, was uns hinsichtlich Machbarkeit und Kosten den nötigen Komfort gab. Das Gesamtleistermodell ist zwar kein Garant dafür, dass Preis, Qualität und Termine von der Planung bis zur Fertigstellung im Gleichgewicht bleiben, aber wenn wir genau definieren, welches Produkt wir wollen, und es eng bis zu seiner Vollendung begleiten, sind die Erfolgsaussichten gross. Komplex Nr. 14/2021


Ein wichtiger Aspekt ist die Honorierung von Planungsleistungen. Die traditionell eingesetzte, phasenweise baukostenabhängige SIA-Honorierung setzt oft falsche Anreize. Wir legen lieber partnerschaftlich ein Modell fest, bei welchem beide Parteien gewinnen können, aber auch die ­Risiken gemeinsam tragen. Dazu sind bei Weitem nicht alle bereit, und es macht auch nicht bei jedem Projekt Sinn.

Wie sichern Sie sich für Änderungswünsche ab? Ein wichtiger Punkt ist die grösstmögliche Flexibilität in der gesamten Projektphase. Da es vorkommt, dass der Mieter erst während der Ausführung feststeht, muss es möglich sein, Änderungen bis spät ins Projekt einzubringen, ohne dass – wie im traditionellen TU-Modell üblich – gleich die teuren Nachträge winken. Selbstverständlich gibt es auch hier Grenzen. Im Idealfall ist das Objekt von vornherein derart flexibel geplant, dass eine breite Nutzung möglich ist. 126

Sie haben gerade das traditionelle TU-Modell erwähnt. Was ist hier anders als beim Gesamtleistermodell? Beim klassischen TU-Modell ist das Projekt zumeist fertig geplant und definiert, bevor es dem Totalunternehmer nach einer ent­ sprechenden Submission zur Ausführung übergeben wird. Der Totalunternehmer hat wenig Spielraum, er muss die Vorplanung übernehmen und kann allenfalls noch eine effizientere Unternehmervariante vorschlagen. Kosten, Qualität und Termine sind auch hier zentral, allerdings besteht aus Bauherrensicht die Gefahr, dass tendenziell bei der Qualität gespart wird. Zudem sind die Möglichkeiten der Einflussnahme des Bauherrn gering. Ist das Projekt einmal in Schieflage geraten, kann er nur noch zusehen und hoffen, dass es am Ende doch noch klappt. Natürlich lassen sich mit Konventionalstrafen Terminüberschreitungen absichern, aber auch das hat seine Grenzen, und den schlimmsten Fall – dass ein Mieter bei Verzug abspringt – kann man so nicht verhindern. Gesellschaft & Umwelt – Interview




Bei der Ermittlung der Baukosten nach herkömmlichen Ansätzen kommt man oft auf zu tiefe Beträge. Die Folge sind dann massive Kostenüberschreitungen. Wie schützen Sie sich als Auftraggeber davor? Durch eine sorgfältige und realistische Planung, die nicht unter zu starkem Zeitdruck steht. Am Anfang besteht immer die Gefahr, die Kosten durch die rosarote Brille zu betrachten. Ich bin da für eine realistische Einschätzung ohne versteckte Reserven. Die Gründe für Kostenüberschreitungen im Ver­lauf des Prozesses sind vielschichtig und müssen nicht unbedingt auf einer anfänglichen Fehl­einschätzung beruhen. Bei­ spielsweise können überraschende Auflagen auftauchen, oder wir entscheiden uns für einen Kurswechsel. In solchen Situationen sind wir froh, einen Partner zu haben, der uns hilft, die Herausforderungen zu meistern und im besten Fall auch einen Teil des Risikos mitzutragen.

Die grossen Risiken für Bauherren liegen nicht nur bei der Planung, sondern vor allem bei der Reali­ sierung eines Vorhabens. Wie kann hier das Gesamtleistermodell ­helfen? Da der Gesamtleister bereits in einem frühen Stadium dabei ist, kann er seine Ideen von Anfang an mit einbringen und mit seiner Erfahrung auch zu diesem Zeitpunkt schon eine Einschätzung zu Kosten und Terminen abgeben. Wir erhoffen uns durch ein solches Zusammenwirken eine Effizienzsteigerung, die sich nicht nur bei den Baukosten, sondern vor allem auch in der Bauzeit auswirkt. Ist das Projekt definiert und bewilligt, lässt sich das Risiko einer nicht rechtzeitigen Er­­ füllung vertraglich regeln. Dies ist für uns von Bedeutung, weil wir oft schon einen ­Mieter mit einem fixen Einzugstermin haben.

Architekten hegen zumeist grosse Pläne. Das ist anspruchsvoll, und 129

nicht alles funktioniert so wie gedacht. Ist der Design-to-CostAnsatz eine Alternative? Dieser Ansatz kann je nach Konstellation durchaus Sinn machen. Allerdings nimmt es ein Modell niemandem ab, sich mit einer Liegenschaft auseinanderzusetzen. Meiner Meinung nach ist deshalb die Definition des richtigen Produktes wichtiger. Man passt lieber das Produkt an, statt blind die Kosten zu reduzieren, sonst wird an unsichtbaren Stellen gespart, die sich erst später negativ aus­ wirken. Als langfristiger Eigentümer stehen für uns immer nachhaltige Lösungen im Vordergrund.

Technik, Betrieb und laufende Kosten sind den Architekten oft weniger wichtig als die Gestaltung. Wie lassen sich diese Aspekte stärker gewichten? Natürlich: Den meisten macht es mehr Freude, über die Ästhetik einer Fassade zu disku­ tieren als über die Effizienz einer Lüftungsanlage. Dennoch kann man die Aussage nicht pauschal treffen. Wir arbeiten mit Architekten zusammen, die unsere Bedürfnisse kennen. Unsere interne Fachstelle für Gebäudetechnik und Energie begleitet die meisten Vorhaben und stellt so sicher, dass unsere Anforderungen umgesetzt werden.

Welche Energiestandards streben Sie bei Ihren Projekten an? Bei Neubauten wie bei Renovationen orientieren wir uns an den gängigen Standards für nachhaltiges Bauen. Auf eine Zertifizierung verzichten wir in der Regel, auch weil die meisten kantonalen Energiegesetze die Minergie-Standards übernommen haben. Punkto Nachhaltigkeit wollen wir dazu beitragen, den CO2-Ausstoss weiter zu reduzieren, indem wir fossile Heizungen am Ende ihrer Lebensdauer konsequent durch Heizungen mit tieferem CO2-­ Ausstoss wie Fernwärme oder Wärmepumpen ersetzen. Mit jeder energetischen Sanierung werden wir zudem energieeffizienter, und im Betrieb versuchen wir, durch Optimierungen Energie und letztlich Kosten zu sparen. Komplex Nr. 14/2021


Lassen Sie uns noch einmal über konkrete Projekte sprechen, etwa den für Sie anspruchsvollen Bau des Hotels CitizenM in Genf. Welche Erfahrungen haben Sie dort gemacht? Bei Beginn der Renovation planten wir ein Bürohaus mit Verkaufsflächen im Erdgeschoss. Aus verschiedenen Gründen haben wir uns dann entschieden, die Bürogeschosse in 144 Zimmer für ein CitizenM-Hotel zu verwandeln. Aus­ löser waren einerseits der damals eher schwache Büromarkt und der Umstand, dass CitizenM bereit war, eine Marktmiete abzubilden. Die Umstellung von Büro- zu Hotelnutzung war eine Herausforderung für alle Projektbeteiligten. Die Standards des Hotelbetreibers waren komplex, der Zeitrahmen eng. Halter stand zu diesem Zeitpunkt bereits kurz vor der erfolgreichen Vollendung eines CitizenM-Hotels in Zürich. Dies war ein Glücksfall und hat uns davon überzeugt, die Ausführung in Genf ebenfalls an den Gesamtleister zu übertragen, der noch dazu in der Westschweiz gut verankert ist und die lokalen Besonderheiten im Umgang mit den Behörden kennt. Corona hat uns letztes Jahr dann aber einen Strich durch die Rechnung gemacht. Das CitizenM an der Rue du Marché 40 konnte erst im Herbst statt im Frühling 2020 eröffnen. Alles in allem hat das Teamwork zwischen uns, dem Hotelbetreiber und Halter vom ersten bis zum letzten Tag funktioniert, und wir sind mit dem Resultat sehr zufrieden. Ich bin überzeugt, dass sich dieses Hotelkonzept sowohl in Genf als auch in Zürich durchsetzen wird.

Welche weiteren gemeinsamen Projekte mit Halter befinden sich in der Pipeline? Wir tauschen uns regelmässig zu Zusammenarbeitsformen und fachlichen Themen aus. Dabei schätzen wir, dass es nicht für jede Diskussion gleich ein Projekt braucht. Das nächste grössere Vorhaben, das wir gemein­sam in Angriff nehmen und ab 2023 reali­ sieren wollen, ist der Globus am Bellevue – zusammen mit dem Basler Architekturbüro ­jessenvollenweider, das letzten November den Studienauftrag gewonnen hat. 130

Die Digitalisierung verändert die Prozesse beim Bauen. Welche Rolle wird der Mensch in Zukunft noch spielen? Auf dem Bau gibt es auch weiterhin viel Handarbeit. Wir sind weder auf Besteller- noch auf Auftragnehmerseite so weit, dass wir alle Projekte mit Building Information Modeling (BIM) umsetzen können. Die Idee, während des gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks alle relevanten Informationen in einem digitalen Zwilling verfügbar zu haben, ist bestechend und soll künftig nicht nur den Bau, sondern auch den Betrieb effizienter machen. Doch es dauert noch einige Jahre und braucht bei vielen Beteiligten einen Kraftakt in der Digitalisierung, bis wir breit von dieser Entwicklung profitieren können.

Sind wir in 10 Jahren weiter? Ich bin kein Hellseher, aber wenn uns das letzte Jahr eines gezeigt hat, dann das, dass Prognosen mit Vorsicht zu geniessen sind. Sicherlich werden sich die Art, wie wir arbeiten, und damit der Arbeitsplatz weiterentwickeln. «Work from anywhere» ist ein Schlagwort. Die Digitalisierung wird in vielen Bereichen weiter fortschreiten. Es wird aber nach wie vor kreative, innovative ­Zen­tren geben, wo sich Leute treffen, um gemeinsam auf ein Ziel hinzuarbeiten. Diese Orte werden auch in zehn Jahren noch Büro heissen. Ich bin auch davon überzeugt, dass die Städte ihre Anziehungskraft nach Corona zurückgewinnen, die Innenstadtlagen also ihre Bedeutung behalten. Bis zum Jahr 2030 werden wir zudem weitere Schritte in Richtung Nachhaltigkeit und CO2-Neutralitat gemacht haben.

Reto Grunder (47) ist Chief Investment Officer und Mitglied der Geschäftsleitung bei PSP Swiss Property, einer börsenkotierten Immobiliengesellschaft, die sich auf das Halten von Geschäftsgebäuden an zentralen Lagen in den wichtigsten Wirtschaftszentren der Schweiz konzentriert und ein mit 8,6 Milliarden Franken bewertetes Portfolio aus rund 160 Liegenschaften hält. Der auf Bau- und Immobilienrecht spezialisierte Rechtsanwalt studierte an der Universität Bern und schloss 2001 mit dem Lizenziat ab. 2004 erwarb er das Anwaltspatent des Kantons Bern. Danach war er in Kanzleien in Biel und Thun tätig. 2008 trat Grunder als Legal Counsel bei Swiss Property ein, war dort ab 2016 Asset Manager und ab 2019 Leiter Acquisition & Sales. Reto Grunder ist verheiratet, hat zwei Kinder und wohnt mit seiner Familie im Kanton Zürich. → w ­ ww.psp.info

Gesellschaft & Umwelt – Interview


S. 122 – Reto Grunder, der CIO von PSP Swiss Property, beim Kaffeetrinken in der Lobby des Hotels CitizenM. Durch das Fenster im ersten Stock blickt man über die Rue du Marché und den Place du Molard bis zum Genfersee.

S. 127 – Einige Wände in den öffentlichen Bereichen sind mit Werken des Schweizer Künstlers Kimou Meyer, aka ­Grotesk, geschmückt. Die Um- und Ausbauarbeiten des Hotels CitizenM in Genf wurden von Halter durchgeführt.

S. 123 – Die Lobby ist mit Designklassikern, originellen Accessoires und poppigen Hängeleuchten eingerichtet – ein Markenzeichen der Hotelkette CitizenM.

S. 128 – Der Eingang des Hotels liegt an der Rue de la Rôtisserie. Seine Lobby erstreckt sich bis zur Gegenseite des Gebäudes an der Rue du Marché und befindet sich dort durch das abschüssige Gelände im ersten Obergeschoss. Darunter gibt es vermietete Detailhandelsflächen.

S. 126 – Alle 144 Zimmer sind zweckmässig und modern eingerichtet. Das Bett gibt die Breite des Raumes vor und ist direkt unter dem Fenster eingebaut (links). Auf der Gegenseite des Gästezimmers liegt das Bad. Daneben befindet sich ein kleiner Schreibtisch und ein Eames Plastic Armchair von Vitra (rechts).

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S. 131 – Der Innenhof des historischen Gebäudes, das zum Portfolio der PSP Swiss Property gehört, wird nicht vom Hotel betrieben. Er ist nur von der Rue du Marché aus zugänglich.

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NÄCHSTER HALT, PONT-ROUGE! Text: Héloïse Gailing Foto: Stefan Wohlfahrt Visualisierungen: RDR architectes

2011 veranstalteten SBB Immobilien, die Stadt Lancy und der Kanton Genf einen Ideenwettbewerb mit anschliessendem Studienauftrag für die Architektur und die Gestaltung der öffent­ lichen Räume rund um den zukünftigen Bahnhof Lancy-Pont-Rouge. Obwohl der Léman Express damals noch ein Projekt war, wurde er zur Hauptentwicklungsachse für die Region Genf und das Areal Pont-Rouge zum wichtigsten Immobilienprojekt der SBB in der Westschweiz. Zehn Jahre später hat der neue Stadtteil Gestalt angenommen, und die letzten Gebäude, darunter auch das Bürohaus Esplanade 3, sind in der Fertigstellung. 133

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Das Entwicklungsgebiet Pont-Rouge befindet sich im Stadtteil Praille, einem ehemals landwirtschaftlich genutzten Gebiet am Stadt­ rand von Genf, wo sich im 19. Jahrhundert mit der Entwicklung der Mobilität nach und nach Industriebetriebe niederliessen. ­Während der Akazienweg zur Strasse wurde, entstanden mehrere Brücken über die Arve, und auch das Genfer Tram überquerte den Fluss ab 1889. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als das Projekt des Güterbahnhofs La Praille ins Leben gerufen wurde, erwarben der Kanton Genf und die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) das Gelände und führten umfangreiche Infrastrukturarbeiten durch. 1960 wurde der Güterbahnhof in Betrieb genommen, und der Kanton entwickelte um ihn herum eine Industriezone. In dieser Zeit entstanden auch die Betriebsgebäude der SBB, darunter der Cargo Tower, der mit mehr als 40 Metern Höhe bis zu seinem Abriss im Jahr 2019 als ein Wahrzeichen des Quartiers galt. Das Projekt Pont-Rouge markierte symbolisch einen Wendepunkt in der Entwicklung des Viertels, mit dem die Industrie dem städtischen Leben und der Dienstleistungswirtschaft langfristig weichen soll. Der Güterbahnhof behält jedoch seine wichtige Rolle für die Versorgung des Kantons und seine Bedeutung im Transport­ sektor. Die mit ihm verbundenen Einrichtungen werden umgestaltet und konzentriert. Der neu entstehende Stadtteil soll zukünftig rund 1800 Einwohner beherbergen und fast 122 000 Quadratmeter für Geschäfte, Büros und andere Dienstleistungen bereitstellen. Uniformität und Fragmentierung Die Entwicklung wurde ab 2009 mit zwei separaten Gestaltungsplänen für beide Seiten des Bahnhofs vorangetrieben. Im Westen erstreckt sich das Gebiet Adret Pont-Rouge entlang der Gleise und umfasst 15 Gebäude mit 640 Wohn­einheiten. Daneben gibt es den Place de Pont-Rouge, der die beiden kleinsten Gebäude der Entwicklung miteinander verbindet. Auf der anderen Seite der Gleise rund um die Esplanade de Pont-Rouge sah der Gestaltungsplan ursprünglich drei Projekte vor: einen Komplex direkt entlang der Route du Grand-Lancy und zwei zurückversetzte, gleichförmige Blöcke beidseitig einer begrünten Fläche. Das Ensemble sollte durch verschiedene Höhen und punktuelle Akzente gekennzeichnet sein. Im Rahmen eines Wettbewerbs wurde dieser Plan 2011 vom Siegerprojekt, 134

eingereicht durch Pont12 architectes in Zusammenarbeit mit dem Ingenieurbüro edms, den Landschaftsarchitekten La Touche Verte und den Lichtplanern L ­ ’Observatoire Interna­ tional, überarbeitet. Das neue Projekt teilte den Komplex in zwei Bauten auf – Esplanade 1 und 2 – und sah auf seiner Rückseite mit Alto Pont-Rouge und Esplanade 3 zwei voneinander unabhängige Gebäude vor. Das Spiel der Volumen mit unterschiedlichen Höhen blieb erhalten und wurde sogar noch verstärkt. Die kubischen Bauten sollten geometrisch strenge Stein­ fassaden mit grossen Loggien erhalten. Für die Gestaltung der öffentlichen Räume wurde das Team bald von den Zürcher Landschaftsarchitekten raderschallpartner ergänzt. Um die unterschiedlichen Bereiche miteinander zu verbinden, entwarfen sie ein plastisches Marmorband, das mal zum Sitzplatz, mal zur Umrandung, mal zum Wasserlauf ausgeformt ist. Von einem Ende des Areals zum anderen, zwischen dem Place de Pont-Rouge im Westen und der Esplanade de Pont-Rouge im Osten, kennzeichnet und hierarchisiert diese städtebauliche, organische Linie die Bebauung und sorgt für Zusammenhalt. Eine Harmonisierung, die umso wichtiger wurde, als die Gebäude im Verlauf der Entwicklung ihren Ausdruck veränderten. Tatsächlich beschloss SBB Immobilien gleich nach Baubeginn im Jahr 2016, die Grundstücke östlich des Bahnhofs nach und nach zu verkaufen. Die Gebäude Esplanade 1 und 2 wechselten während des Baus ihren Besitzer, die beiden dahinter liegenden Blöcke wurden bereits in der Projektierungsphase veräussert. Den Zuschlag für das Projekt Alto PontRouge direkt an den Gleisen erhielt Swiss Prime Site Immobilien, während Esplanade 3 von M3 Groupe erworben wurde, einem Genfer Unternehmen, das in den Bereichen Immobilien, Hotellerie, Gastronomie, Gesundheit und Sicherheit tätig ist. Klarer Ausdruck, komplexe Volumetrie Für den neuen Besitzer von Esplanade 3 war dies die Gelegenheit, Änderungen vorzunehmen. Sehr schnell wurde das Büro RDR architectes gebeten, Projektvarianten zu entwerfen und die Fassade zu modifizieren. Zudem erhielt die Halter AG als Gesamtleisterin den Auftrag für die Entwicklung und den Bau der Liegenschaft. Der Bauherr wünschte sich in Abgrenzung zu den bereits bestehenden Gebäuden ein leichteres Erscheinungsbild. Obwohl die Genehmigungen erteilt und die Baukörper genau Entwicklung & Städtebau



1234 136 - Esplanade de Pont-Rouge

Entwicklung & Städtebau

Plan rez-de-chaussée - 1/500

Grundriss Erdgeschoss: Geschäfte und Restaurants richten sich auf die Esplanade Pont-Rouge zum von raderschallpartner gestalteten Marmorband.

Situationsplan: Das Gebäude Esplanade 3 bildet die südöstliche Ecke der Entwicklung Esplanade de Pont-Rouge. Es öffnet sich zum öffentlichen Raum im Inneren.


definiert waren, konnten die Architekten Veränderungen anbringen. Der Eingriff in die Fassade stellte sich als grösste Herausfor­ derung dar: Wie könnte der architektonische Kontext respektiert und gleichzeitig eine eigenständige Sprache gefunden werden? Die Antwort war: durch Geometrie. RDR ar­­ chitectes übernahmen von den steinverblendeten Nachbarbauten das regelmässige Achsmass von 1,50 Metern und entwarfen eine daran angelehnte Fassade aus Aluminium und Glas. Sie hat das gleiche Raster, doch sind die Linien feiner, was grössere Glasflächen mit sich bringt. Da auch die Dicke der Fassade definiert war, nutzten die Architekten diese Vorgabe, um tiefe Profile zu entwerfen, die dem Ganzen Charakter verleihen. Die präzise Setzung der horizontalen und vertikalen Metallstreifen hilft, technische Anforderungen wie Bodenstärken oder Storenkästen aufzunehmen. Mit Detailgenauigkeit werden diese Elemente auch an den Ecken und Kanten ausgeführt, sodass die verschiedenen Volumen, Sockel und Auskragungen sehr homogen umhüllt sind. Die tragende Betonstruktur hinter der vorgefertigten Fassade wurde schlank gehalten, was den Innenräumen grösstmögliche ­Flexibilität gibt. So organisierte man 36 000 Quadratmeter Fläche auf einem Sockelbau mit Geschäften im Erdgeschoss, aus dem in der Höhe zwei Bürotürme wachsen. Um das Ganze zu gliedern, unterbrechen zwei Patios und grüne Terrassen die komplexe Morphologie des Gebäudes und bieten Begegnungsräume für die unterschiedlichen Raumprogramme. Begrenzte Autonomie Die Spezialtiefbauarbeiten begannen schliesslich im Februar 2020, und die Übergabe ist für Januar 2023 geplant. Inzwischen hat das Gebäude auch einen Investor gefunden: die Pensionskasse des Kantons Genf (CPEG). Obwohl die Baustelle mit ihren drei Kränen enorm ist, gibt es nur wenig Lagerflächen. Esplanade 3 liegt eingeklemmt zwischen dem noch im Betrieb befindlichen SBB-Areal La Praille, der ersten Bauetappe, die seit der Einweihung der S-Bahn Léman Express gut belebt ist, der viel befahrenen Route des Jeunes und der Baustelle des Nachbargebäudes. Eine präzise Planung und Koordination der Arbeiten sind daher unerlässlich. Weil das Areal ursprünglich als Ganzes konzipiert wurde, sind die Verbindungen zu den umliegenden Gebäuden von grosser Bedeutung. Das Quartier Pont-Rouge nutzt drei 137

gemeinsame Kellergeschosse, die ein Parkhaus mit 600 Stellplätzen beherbergen. Dessen derzeitige und provisorische Zufahrtsrampe soll durch eine gemeinsame Einfahrt unter dem Bürogebäude Esplanade 3 ersetzt werden. ­Darüber hinaus erfolgt die gesamte Wärmeversorgung, die auch die Wohnungen von Adret Pont-Rouge nutzen, über einen Energievertrag mit Geothermie. Unter den Arealen Adret ­Pont-Rouge und Esplanade de Pont-Rouge wurden 300 Sonden mit einer Länge von je 300 Metern eingebracht. Sie werden über Unter­ stationen gebündelt und in einen Haupt­ kesselraum unter dem Gebäude Esplanade 1 geführt. Dank dieses Systems erhielt das Gebäude Esplanade 3 das Minergie-Label und erfüllt den Genfer High-Energy-Performance-­ Standard (HPE). Es ist davon auszugehen, dass die Entwicklung Esplanade de Pont-Rouge in ihrer Gesamtheit funktionieren wird. Unterschiedliche Baufortschritte und ästhetische K ­ ompromisse haben die von den Behörden erwünschte Homo­ genität nicht beschädigt. Dank seiner aussergewöhnlichen Lage dürfte es nicht lange dauern, bis sich der multi­modale Verkehrs­ knotenpunkt als vollwertiger Stadtteil in der Agglomeration von Genf behauptet. → www.pont-rouge.ch

RDR architectes Das Büro ist seit 1993 in Lausanne und seit 2005 in Buenos Aires ansässig. Es vereint mehr als 15 Nationalitäten und arbeitet an internationalen Projekten in verschiedenen Grössenordnungen – von luxuriösen Villen am Ufer des Genfersees oder in Uruguay bis zur Umgestaltung des Nestlé­Hauptsitzes in Vevey. Dank einer Diversifizierung der Kompetenzen betreut RDR sowohl Städtebau- als auch Innenarchitekturprojekte. Mit dem Bau von emblematischen ­Gebäuden wie dem Aquatis-Zentrum oder dem SwissTech Convention Center, aber auch durch die Errichtung zahlreicher Wohnprojekte prägten die Architekten die Stadtlandschaft in Lausanne und der Westschweiz. Die beiden Gründer ­Jacques Richter und Ignacio Dahl Rocha haben die Geschäftsführung inzwischen an langjährige Mitarbeitende abgegeben, die mit einer anspruchsvollen Architektur für die Kontinuität des Büros sorgen. → www.rdrarchitectes.com

S. 132 – Bei seiner Ankunft im neuen Bahnhof Lancy-Pont-Rouge ist der Léman Express von den Gebäuden am Place de PontRouge, Esplanade 1 und 2 umgeben. Mit dem Bau von Alto Pont-Rouge und Esplanade 3 wird der Bahnhof im Herzen des Stadtteils liegen. S. 135 – Das Projekt Esplanade 3 zeichnet sich durch eine Fassade mit vorgefertigten Metallelementen aus. Ihr Raster legt sich gleichmässig über die unterschiedlichen Volumen des Gebäudes. S. 139 – Die Dachterrassen sind so gestaltet, dass sie zu Begegnungszonen für die verschiedenen Raumprogramme im Gebäude werden. Ihre Begrünung spiegelt die der Esplanade wider.

Komplex Nr. 14/2021


Schnitt / Ansicht: Die Türme des Gebäudes wachsen aus einem horizontalen Sockelbau. Die komplexe Volumetrie ist charakteristisch für den gesamten Standort.

1234 - Esplanade de Pont-Rouge

1234 - Esplanade 138 de Pont-Rouge Plan 5ème étage - 1/500

Entwicklung & Städtebau

Coupe 1-1 - 1/500

Grundriss 5. Obergeschoss: 14 Aufzüge bedienen das Gebäude. Die flexiblen und verglasten Büroflächen sind in Service-Einheiten organisiert.



CIVIC DESIGN 140 NEU BETRACHTET: EINE KURZE ­GESCHICHTE DER PARKSYSTEME Text: Matthew Skjonsberg

1778 – Park an der Ilm, Weimar (F. L. Güssefeld) Dieser früheste bekannte Plan des Parks zeigt die Ver­ bindungen der benachbarten Areale und offenbart die gemeinsame Morphologie verschiedener Massnahmen. Er ver­ anschaulicht auch, dass der erste Schritt beim Entwurf des Parksystems, das zuvor durch Siedlungen auseinander­ gerissen war, auf der Einführung eines Raumkontinuums zwischen den Ökosystemen basierte. © Klassik Stiftung Weimar

Entwicklung & Städtebau – Essay


Die in diesem Essay vorgestellten Projekte veranschaulichen die historische Bedeutung von Parksystemen, geben Aufschluss über die Herausforderungen, mit denen Gemeinschaften heute konfrontiert sind, wenn sie zeitgemässe Parks anlegen, und fördern die Neubewertung der generationenübergreifenden Disziplin des «Civic Design». Bereits vor dem industriellen Programm der Stadtplanung (Urban Design), das ganz allgemein für Technologie und Wirtschaft warb, gab es das gesellschaftliche Programm der Gestaltung im öffentlichen Raum (Civic Design), das für Ökologie und Gemeinschaft sorgte. Dieser Beitrag präsentiert einen chronologischen Überblick über die Entwicklung des Civic Design und der Arbeit an seiner zentralen Ausprägung: die Schaffung regionaler Park­systeme. Durch die Abfolge historischer Projekte über einen Zeitraum von drei Jahrhunderten hinweg werden Parksysteme in zehn ­Städten zueinander in Beziehung gesetzt und miteinander verglichen. In diesem Zusammenhang werden zwei wichtige Entdeckungen gemacht: ein bislang unbekanntes Parksystem von Frank Lloyd Wright, das dieser für seine Heimatgemeinde Spring Green in ­Wisconsin entworfen hatte (1942) – was einer gebauten Version seiner Broadacre-Pläne für «The Living City» (1934–1958) am nächsten kommt –, und Frank Lloyd Wright Juniors unveröffentlichtes multimodales Parksystem für Los Angeles County (1962). WEIMAR Von privaten Gärten zu öffentlichen Parks

1778 – Der Park an der Ilm von Goethe und Herzog Carl August Die Schaffung des Parks an der Ilm war ein Prozess, der in engem Zusammenhang mit Goethes Leben und Wirken in Weimar stand, und liefert das erste in historischen Dokumenten nachweisbare Beispiel für ein bewusst geplantes öffentliches Parksystem. Der Park an der Ilm wurde als Landschaftspark im Stil eines englischen Landschaftsgartens gestaltet und soll direkt von Goethes Besuch im Gartenreich Dessau-Wörlitz im Jahr 1776 angeregt ­worden sein. Diese Parkanlage, die auch als Englischer Garten von Wörlitz bekannt ist, hatte einen solch gewaltigen Einfluss auf Goethe, dass er seine Aufmerksamkeit im Anschluss der ­Landschafts-, Park- und Gartengestaltung zuwandte.1 Im gleichen Jahr schenkte Herzog Carl August dem Dichter ein kleines Haus mit zugehörigem Garten am Nordostufer des sich durch die Landschaft schlängelnden Flusses Ilm, das heute als Goethes Gartenhaus bekannt ist. 1778 hatten Goethe und der Herzog dann die 1

Franz Bosbach, Landschaftsgärten des 18. und 19. Jahrhunderts: Beispiele deutsch-britischen ­Kulturtransfers, München 2008, S. 46.

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Komplex Nr. 14/2021


Schaffung des Parks an der Ilm geplant – ein 48 Hektar grosser, kilometerlanger Parkabschnitt entlang des Flusses am östlichen Rand von Weimars Altstadt. Dieses Stück war in der Tat das ­fehlende Bindeglied zwischen zwei bereits existierenden Parks – dem Schlosspark Belvedere im Süden und dem Schlosspark Tiefurt im Norden. Durch die Verbindung dieser beiden Schlossparks mit dem am Fluss gelegenen Park war das grundlegende Prinzip von Parksystemen eindrücklich begründet. Die Schaffung von fehlenden Bindegliedern zwischen existierenden Parks oder Teilen von Parks ist eine der wesentlichen Gestaltungsmassnahmen bei der Anlage von Parksystemen, und wir werden ihr im Lauf dieses chronologischen Überblicks an vielen Stellen wiederbegegnen. Die ersten Erschliessungsmassnahmen auf dem Gelände des Parks an der Ilm unternahm man 1778 an einem felsigen Abhang im ­Westen. Danach wurden die Wege angelegt, Bäume und Pflanzen gesetzt, Sitzgelegenheiten installiert sowie Monumente, Brücken, künstliche Ruinen und andere Parkarchitekturen errichtet – alle im Stil eines englischen Gartens. Im Laufe der Zeit wuchs das Parksystem an, und man schuf weitere, bislang fehlende ­Bindeglieder, um andere alte Palastgärten wie etwa den Sterngarten und den Welschgarten anzugliedern. Diese Gärten wurden neu gestaltet und zusammen mit dem östlichen Talhang sowie der Fluss­aue bis nach Oberweimar in die Anlage integriert, was schliesslich zu einem durchgehenden Parksystem führte. Heute ist es im Osten über 10 Kilometer lang und reicht bis zum Gutspark Ossmannstedt (1797), im Süden dehnt sich die Anlage fast 30 Kilometer bis zum Schlosspark Kochberg (1800) und im Nord­ westen 12 Kilometer bis zum Schlosspark Ettersburg (1814) aus. Die Erweiterung des Parks verlangsamte sich 1828 mit dem Tod Carl Augusts. Das Parksystem wurde im Anschluss zwar weiterhin instand gehalten, doch seine direkten Verbindungen zur umliegenden Landschaft büsste es ein. Mit der Übernahme des Parks durch die «Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur» im Jahr 1970 wurden umfangreiche Wieder­herstellungs-, Erhaltungs- und Pflegearbeiten durchgeführt. Seit 1998 ist der Park eine Stätte des Unesco-Weltkulturerbes. LONDON Territorialfiguren

1713–1780 – Der Landschaftsgarten von Charles Bridgeman und John Vanbrugh in Stowe Der englische Landschaftsgarten wurde lange als der Ort betrachtet, wo das in der Renaissance und im Barock vorherrschende klassische Architektursystem aufgelöst ist und bestimmte Ideen, die man als «modern» bezeichnen kann, erstmals auftauchten: 142

Entwicklung & Städtebau – Essay


1723 – Luftansicht des Parksystems von Stowe (C. Bridgeman) Vergleicht man das Parksystem von Stowe mit dem relativ formlosen Park an der Ilm, dann veranschaulicht der Blick aus der Vogelperspektive seine strenge Gestaltung. In späteren grossen Parksystemen verstärkten sich diese beiden Ausprägungen, die historisch als konkurrierend gelten, gegenseitig. © Oxford Library

1739 – Parksystem von Stowe, Kupferstich (J. Rigaud, S. Bridgeman) Der früheste bekannte Plan der Gesamtanlage stammt aus dem Jahr 1739. Obwohl er dem berühmten französischen Kupferstecher Jacques Rigaud zugeschrieben wird, wurde er ein Jahr nach Bridgemans Tod von dessen Witwe Sarah Bridgeman signiert. Leider ist über ihre Rolle heute nur noch wenig bekannt. © National Trust for Places of Historic Interest or Natural Beauty

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1829 – Londons Grüngürtel (J. C. Loudon) Eines der frühesten Beispiele für das Konzept des Grün­ gürtels zeigt dieser Plan, der als Illustration zu Loudons 1829 erschienenem Essay «Hints for Breathing Places for the Metropolis, and for Country Towns and Villages, on fixed Principles» publiziert wurde. © Public Domain

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Entwicklung & Städtebau – Essay


Die Landschaftsgärten in Stowe im englischen Buckinghamshire bilden ein typisches Beispiel hierfür.2 Sie wurden 1713 vom englischen Gartengestalter Charles Bridgeman (1690–1738) und dem Architekten John Vanbrugh (1664–1726) begonnen, deren Zusammenarbeit bis 1730 andauerte. Unter den ersten Zeichnungen von Stowe ist Charles Bridgemans Luftansicht aus dem Jahr 1723 mit ihrer das Gelände wiedergebenden axialen Anordnung besonders bemerkenswert. Der früheste bekannte Plan der Gesamtanlage datiert auf 1739, ein Jahr nach Bridgemans Tod, und wird dem berühmten französischen Kupferstecher Jacques Rigaud zugeschrieben, obwohl er eigentlich von der Witwe Sarah Bridgeman signiert ist. Man weiss nur wenig über ihre tatsächliche Funktion, doch angesichts der Erstellung dieses Generalplans sowie der fortgesetzten Einbeziehung in die Projekte ihres Mannes ist es wahrscheinlich, dass sie wesentlich stärker involviert war als angenommen. Trotz des Erfolgs ihrer Arbeit sowie der Funktion Charles Bridgemans als Gärtner von König George II. und Königin Caroline, die er ab 1728 innehatte, starb sie fünf Jahre nach ihrem Mann in Armut.3 Ungeachtet dessen hat die neue Freiheit bei der Behandlung von Wasser, Boden und Pflanzen – welche die Natur und Kultur durch künstlich geschaffene Geometrien und bestehende natürliche Bedingungen miteinander verwebt – die Sensibilität der Umwelt gegenüber, die sich bald abzeichnen sollte, sowie die damit einhergehenden aufkeimenden gesellschaftlichen Werte ganz klar vorweggenommen. 1829 – Das London von Loudon John Claudius Loudon (1783–1843) war ein schottischer Botaniker, Gartenplaner und erfolgreicher Autor, der seine Laufbahn wie Humphry Repton (1752–1818) und Frederick Law Olmsted ­(1822–1903) mit der Land- und Weidebewirtschaftung begann. Er war ein Kind der schottischen Aufklärung, und die gesellschaftlichen sowie ökologischen Ambitionen seiner Arbeit als Autor und Gestalter trugen zur Popularisierung und Demokratisierung des ­Gartenbaus bei.4 Mit der Veröffentlichung seines Werks «The ­Encyclopaedia of Gardening» erlangte Loudon 1822 kommerzielle ­Popularität, und seine Vision der Möglichkeit einer nach­ haltigen Planung von Londons Grünanlagen wurde in seiner 1829 erschienenen Schrift «Hints for Breathing Places for the 2

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Emil Kaufmann, Architecture in the Age of Reason: Baroque and Post-Baroque in England, Italy, and France, Cambridge, Mass. 1955, S. 75–88, zit. nach Neil Levine, Modern Architecture: Representation and Reality, New Haven, Conn. 2010, S. 16. Richard Bisgrove, Charles Bridgeman and the English Landscape Garden, Kap. 3 in: Peter Kingsford, Richard Bisgrove und Linda Jonas, Gobions Estate, North Mymms, Hertfordshire, Hertfordshire 1993. Louise Wickham, John Claudius Loudon – Father of the English Garden, in: Parks and Gardens UK, 2007, http://www.parksandgardens.org/knowledge/historical-profiles/john-claudius-loudon

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Metropolis» illustriert.5 Er hatte die Vorstellung, dass das Wachstum der Städte durch die Einbeziehung von Grüngürteln behutsam gestaltet und der Verkehr beeinflusst würden – ein Aufgabenbereich, den er als «Landschaftsarchitektur» beschrieb. Dieser Begriff war erst kurz zuvor vom schottischen Landwirt und Geschäftsmann Gilbert Laing Meason (1769–1832) geprägt worden, der Landschaftsarchitektur als Aufgabe von öffentlichem Interesse definierte und schrieb: «Die Öffentlichkeit insgesamt hat einen Anspruch auf die Architektur des Landes.»6 LIVERPOOL Ein neuer Blick auf das Civic Design

1847 – Der Birkenhead Park von Joseph Paxton Der Birkenhead Park wurde von Joseph Paxton (1803–1865) geplant – einem englischen Gärtner, Architekten und Parlamentsmitglied, der für seinen Entwurf des Kristallpalasts zur Weltausstellung in London Berühmtheit erlangte. Die allgemein als The People’s Park bekannte Anlage öffnete am 5. April 1847 ihre Tore und gilt weithin als der erste öffentlich finanzierte Park der Welt.7 Das Projekt schuf einen wichtigen Präzedenzfall für die wechselseitigen Finanzierungsverfahren städtischer Parks, die im ­Vorgriff auf die Entwicklung der Stadt angelegt wurden. Man verkaufte Grundstücke am Rand des geplanten Parks, um dessen Bau zu finanzieren, wobei der Park selbst wiederum den Anreiz für die öffentlichen Investitionen bot.8 Unter den frühen Protagonisten von Parks war auch der scharfsinnige Landschaftsarchitekt Frederick Law Olmsted, der damals als Korrespondent der «New York Times» arbeitete. Olmsted besuchte 1850 direkt nach seiner Ankunft im Hafen von Liverpool den Park, der ihm acht Jahre später konzeptionell wie praktisch als Modell für den von ihm entworfenen Central Park dienen sollte. In seinen Berichten für die «New York Times», die er später in seinem Buch «Walks and Talks of an American Farmer in England» gesammelt veröffentlichte, reflektierte er die gesellschaftlichen und ästhetischen Werte, die ihm The People’s Park eröffnet hatte: (…) fünf Minuten der Bewunderung und noch etwas mehr verbrachte ich damit zu beobachten, wie man die Kunst angewandt hatte, um aus der Natur so viel Schönheit zu erzielen, und 5 6

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Louise Wickham, John Claudius Loudon – Father of the English Garden, in: Parks and Gardens UK, 2007. John Macculloch, A Description of the Western Islands of Scotland, Including the Isle of Man: Comprising an Account of Their Geological Structure; with Remarks on Their Agriculture, Scenery, and Antiquities, 1. Aufl, Bd. 1, London 1819, S. 359, wie zit. in: Gilbert Laing Meason, On the Landscape Architecture of the Great Painters of Italy, C. Hullmandel, 1828: «the public at large has a claim over the architecture of a country». Ralph T. Brocklebank, Birkenhead: An Illustrated History, Derby 2003, S. 32. Robert A. M. Stern, David Fishman und Jacob Tilove, Paradise Planned: The Garden Suburb and the Modern City, New York 2013, S. 32.

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Entwicklung & Städtebau – Essay


ich war bereit anzuerkennen, dass es im demokratischen A ­ merika nichts gab, was mit diesem People’s Garden vergleichbar ­gewesen wäre (…).9 1909 – Patrick Geddes und das Civic Design: Die erste Planungsschule 1909 wurde die weltweit erste Planungsschule in Liverpool gegründet – einer Stadt, deren frühe Industrialisierung wohl der Auslöser dieses zukunftsweisenden Akts war. Civic Design hiess das Programm, das von Charles Herbert Reilly (1874–1948) und Stanley Davenport Adshead (1868–1946) erdacht worden war. Beide waren Mitarbeiter von Patrick Geddes, einem Universal­ gelehrten, der heute allgemein als Grossbritanniens erster ­Ökologe gilt und sich auf die Evolution der Städte konzen­ trierte. Schon bald etablierte man an den modernsten Schulen auf beiden Seiten des Atlantiks Programme zum Civic Design, die ihr Augenmerk auf Parksysteme legten, so etwa an der University of Pennsylvania, am Virginia Polytechnic, in Yale, am MIT, wo Civic Design vom Schweizer Wissenschaftler Siegfried Giedion gelehrt wurde, sowie in Harvard, wo niemand Geringerer als ­Frederick Law Olmsted Junior das Programm einführte.10 Die School of Civic Design wurde in einem Gebäude untergebracht, das als Bluecoat Chambers an der School Lane bekannt wurde. 1716 als Armenschule errichtet, ist es das älteste heute noch erhaltene Haus in Liverpool.11 Zu den ersten von der Schule ausgehenden Initiativen gehörte die Gründung der «Town Planning Review» im Jahr 1910, einer einflussreichen Zeitschrift, die immer noch zu den weltweit führenden Organen für städtische und regionale Planung gehört.12 PARKBEWEGUNG Die Erfindung des Parksystems

1905 – Amerikanische Parksysteme von Crawford Andrew Wright Crawford (1873–1929) war der Sekretär der ­Philadelphia Allied Organizations, eines Zusammenschlusses verschiedener Bürgervereinigungen der Stadt. In dieser Funktion stellte er einen Bericht vor, der hauptsächlich aus zum Vergleich Frederick Law Olmsted, Walks and Talks of an American Farmer in England, Bd. 1, New York 1852, S. 79, http://www.biodiversitylibrary.org/item/58759: (…) five minutes of admiration, and a few more spent studying the manner in which art had been employed to obtain from nature so much beauty, and I was ready to admit that in democratic America there was nothing to be thought of as comparable with this People’s Garden (…). 10 Peter L. Laurence, Becoming Jane Jacobs, University of Pennsylvania Press 2016, S. 194. 11 Town Planning Review, Liverpool University Press 2017, http://online.liverpooluniversitypress. co.uk/loi/tpr 12 Adshead, An Introduction to Civic Design, in: The Town Planning Review 1, Nr. 2 (1910), S. 153–156; A. Trystan Edwards, How to Popularise Civic Design, in: The Town Planning Review 9, Nr. 3 (1921), S. 139–146; Hans Blumenfeld, Scale in Civic Design, in: The Town Planning Review 24, Nr. 1 (1953), S. 35–46. 9

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1843 – The People’s Park, Birkenhead (J. Paxton) Joseph Paxton, der Gestalter des Birkenhead Parks, der allgemein als erster öffentlich finanzierter Park der Welt gilt, ist vor allem für seinen Entwurf zum Kristall­palast für die Weltausstellung im Hyde Park in London bekannt (1851). Dabei erwiesen sich seine Entwürfe für Parks und Gärten als gleichermassen einflussreich. © Birkenhead Park Archives

1905 – «American Park Systems: Report of the Philadelphia Allied Organizations» (A. W. Crawford) Der Bericht von Andrew Wright Crawford stellt eine systematische grafische Darstellung von dreissig existierenden Parkanlagen seiner Zeit und ihren geplanten Erweiterungen dar. Seite für Seite werden Territorialfiguren von Parksystemen abgebildet. © Library of Congress

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Entwicklung & Städtebau – Essay


nebeneinander präsentierter Pläne von existierenden Parksystemen in 30 nordamerikanischen Städten bestand. In seiner Einführung schreibt Crawford: Diese [Parksystem-]Bewegung, die sich in den letzten Jahren einen deutlichen Fortschritt sichern konnte, hat zu bemerkenswerten Ergebnissen geführt. Die Parksysteme sind in manchen Städten fast vollendet, in anderen zur Hälfte fertig­gestellt. In wieder anderen wie unserer eigenen, wo die Parks zwar an sich schön, jedoch den Erfordernissen einer Stadt, die bei Weitem über sie hinausgewachsen ist, nicht angemessen sind, hat das Ergänzen um sorgsam ausgewählte Gebiete und die Verbindung der verstreuten Parks zu einem System gerade erst begonnen (…).13 Den ganzen Bericht hindurch geht Crawford gewissenhaft auf organisatorische Probleme ein, während er gleichzeitig die regionalen Bedingungen hervorhebt, durch die sich die einzelnen Systeme voneinander unterscheiden. Und der stetige Rhythmus, mit dem man Seite für Seite den Territorialfiguren von Park­systemen begegnet, übt eine seltsam eindringliche und kraftvolle Wirkung aus. Man kann leicht verstehen, dass Crawfords grafische Methode Skeptiker vom Nutzen der Parksysteme überzeugen konnte. Einer der bemerkenswertesten Belege für die Bedeutung von ­Crawfords Bericht war das Buch, dass der Pariser Landschafts­ architekt Jean Claude Nicolas Forestier (1861–1930) als Reaktion d ­ arauf schrieb: «Grandes Villes et Systèmes de Parcs» (1906).14 Forestiers Buch erweitert Struktur und Format von ­Crawfords «American Park Systems», wobei er auf Parksysteme als «das nordamerikanische Modell» verweist. 1907 – Das Parksystem der Geschwister Kessler für Cincinnati Fredericka Antoinette Louisa Kessler (1863–1951) und ihr Bruder George Edward Kessler (1862–1923) waren deutsche Einwanderer, die unter Hofgärtner Armin von Sckell und Garteninspektor Julius Hartwig an einer Privatschule für Landschaftsgärtnerei im Schloss Belvedere in Weimar Botanik, Forstwirtschaft und Gestaltung studiert hatten.15 Olmsted half den Kesslers 1882 im Anschluss an ihre Korrespondenz – Olmsted hatte nicht weniger 13 Andrew Wright Crawford, American Park Systems: Report of the Philadelphia Allied Organizations, Harrisburg, Pa. 1905, S. 3: «This [park system] movement, which has secured marked headway in the last few years, has produced notable results. Park systems in some cities are almost complete, in others they are half finished. In yet others, like our own, where parks however fine in them­ selves are inadequate for the needs of a city that has far outgrown them, the work of adding wellchosen areas and of connecting the scattered parks into a system has just begun (…).» 14 Jean Claude Nicolas Forestier, Grandes Villes et Systèmes de Parcs, 1. Aufl., Paris 1906. Neuausgabe des Buches mit einem kritischen Kommentar in: Jean Claude Nicolas Forestier et al., Grandes villes et systèmes de parcs: suivi de deux mémoires sur les villes impériales du Maroc et sur Buenos Aires, Paris 1997. 15 Kurt Culbertson, George Edward Kessler: Landscape Architect of the American Renaissance, in: Midwestern Landscape Architecture, hrsg. von William H. Tishler, Urbana 2000, S. 99–116, hier: S. 100. ­

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1907 – Plan für ein Parksystem in Cincinnati (F. A. L. Kessler, G. E. Kessler, E. A. Stutermeister) Die lebhaft grüne Territorialfigur dieser Zeichnung, die zu den schönsten im ganzen Genre der Parksysteme gehört, bildet die komplexe Verbindung ökologischer Korridore und eine für die schönen Künste typische Axialität ab. Sie trägt die Signatur von Eda Augusta Stutermeister, die das Projekt zusammen mit den Kesslers plante. © Library of Congress

1907 – Plan für ein Parksystem in Cincinnati, Luftansicht (F. A. L. Kessler, G. E. Kessler, H. Wright) Die Ansicht aus der Vogelperspektive, die von Henry Wright (1878–1936) angefertigt wurde, einem Mitarbeiter der Kesslers, der mit der Popularisierung und Errichtung von Gartenstädten und Grüngürteln eine bemerkenswerte Kar­ riere machte, veranschaulicht die ortsabhängige, multi­ dimen­sionale Konzeption des Parksystems von Cincinnati. © Library of Congress

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als acht Briefe von den Geschwistern erhalten – beim Start ihrer Karriere. Ihr erstes amerikanisches Projekt war die Schaffung eines Parksystems für Kansas City im Jahr 1893 – sieben Jahre bevor das Fach Landschaftsarchitektur überhaupt zum ersten Mal in den USA unterrichtet wurde (1900 in Harvard). Ihre formale Ausbildung in Weimar hob sie von anderen Vertretern dieses neuen Berufs in den Vereinigten Staaten ab, was ihnen kontinuierlich Projektaufträge einbrachte bis hin zur Weltausstellung in St. Louis im Jahr 1904. Das Cincinnati-Projekt planten sie zusammen mit Eda Augusta Sutermeister, einer anderen amerikanischen Landschaftsarchitektin, deren Initialen E.A.S. sich auf einem 1907 entstandenen Plan mit der Aufschrift «System of Parks and Parkways» finden. Die lebhaft grüne Territorialfigur dieser Zeichnung, die zu den schönsten im ganzen Genre der Parksysteme gehört, bildet die komplexe Verbindung ökologischer Korridore und eine für die schönen Künste typische Axialität ab. Auch die historische Luft­ ansicht, ebenfalls aus dem Jahr 1907, ist atemberaubend, und man kann nur hoffen, dass das farbige Originalgemälde eines Tages wieder auftauchen wird. LAUSANNE Verborgene Flüsse

1723–1964 – Die Stadt Lausanne Eine Folge von Archivbildern veranschaulicht den Prozess, bei dem die Flüsse in der Region schrittweise unter die Erde gelegt wurden. Im Plan von 1723 ist die wesentliche ökologische Ausstattung der Stadt dargestellt – die Flüsse sind nur von Brücken überspannt – mit der bemerkenswerten Ausnahme des Gebiets an der Kreuzung Rue de St. François, Rue du Pont und Rue du Pré. Die aussergewöhnliche Lithografie von Lausanne aus dem Jahr 1896, die die Territorialfigur ihrer noch weitgehend intakten ökologischen Ausstattung zeigt, ist eine Momentaufnahme der Stadt zur Zeit ihres industriellen Aufschwungs. Ein auf 1934 datierter Plan zeigt, dass der Fluss Flon bis zum Stadtteil Malley bereits vollständig bedeckt ist und nur noch sein kanalisiertes Delta einen offenen Wasserlauf bis zum Genfersee darstellt. Ein anderer Plan, der eigens für die Expo 64 angefertigt wurde, verwendet die Farbe Grün zur Markierung des Ausstellungsgeländes. Der grüne Korridor im Norden, der sich im ehemaligen Delta des Flon befindet, wurde zu dem, was man heute als das Vallée de la Jeunesse kennt, wo verschiedene Gärten, Kunstinstallationen und Kultur­ institutionen angesiedelt sind. Heute erschrecken viele Besucher, wenn sie erfahren, dass die Strasse, die sich über die gesamte Länge des Tals erstreckt, früher das Flussbett des Flon war, 151

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1723 – «Plan de la Ville de Lausanne et de ses Fauxbourgs levé en l’année 1723» (V. Reber) Wie in der Legende beschrieben, ist die Zeichnung die Kopie einer heute nicht mehr erhaltenen Darstellung, die Victor Reber 1917 angefertigte. Im Plan ist die wesentliche ökologische Ausstattung der Stadt Lausanne offen­gelegt – die Flüsse sind nur von Brücken überspannt. © Archiv Ville de Lausanne

1896 – «Plan de la Ville et des Environs de Lausanne» (P. Reber) Diese zwei Meter hohe Fünffarblithografie, welche die Territorialfigur der noch weitgehend intakten ökologischen Ausstattung zeigt, ist eine Momentaufnahme der Stadt zur Zeit ihres industriellen Aufschwungs. Zwar war der Flon bereits damals verschmutzt, doch Initiativen, ihn zu überbauen, nahmen erst später Fahrt auf. © Archiv Ville de Lausanne

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1934 – «Plan de Lausanne et Environs» (G. Thonney) Ein auf 1934 datierter Plan der Stadt Lausanne und ihrer Umgebung zeigt, dass der Fluss Flon bis zum Stadtteil Malley vollständig bedeckt war. In dieser Zeit stellte nur noch sein kanalisiertes Delta einen offenen Wasserlauf bis zum Genfersee dar. © Archives cantonales vaudoises

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1964 – «Plan Schématique de l’Emplacement, Selon le Projet de Synthese du College d’Experts» (Swiss Expo 64 Committee) Eigens für die Expo 64 wurde ein Plan angefertigt, der die Farbe Grün zur Markierung des Ausstellungsgeländes verwendet. Der grüne Korridor im Norden, der sich im ehemaligen Delta des Flon befindet, wurde zum heutigen Vallée de la Jeunesse, wo verschiedene Gärten, Kunst­ installationen und Kulturinstitutionen angesiedelt sind. © Archives c ­ antonales vaudoises

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dessen letztes Stück man 1964 überbaute. Der Fluss wurde schon vor langer Zeit östlich seines natürlichen Verlaufs umgeleitet, bevor er im Norden in die Stadt fliesst. GENF Eine regionale Vision

1936–1992 – Die Stadt Genf Das von Albert Bodmer, dem damaligen Leiter der Stadtplanungsabteilung, und Maurice Braillard, dem Leiter des Hoch- und Tiefbauamtes, für Genf entworfene Parksystem ist vielleicht die vollständigste Realisierung im Sinne von Frederick Law Olmsteds historischer Äusserung aus dem Jahr 1860. Darin schilderte er seine Ambition, dass Parksysteme «durchgehende Parks» sein sollen, wo «die Grosseltern das Enkelkind an die Hand nehmen», «ihre Familie auf dem Bauernhof besuchen» und dann «zusammen in die Wildnis und wieder zurückgehen können», ohne das Parksystem zu verlassen – und statuierte damit ein Exempel für die Planung von Parksystemen, von dem man noch heute viel lernen kann. Wie Arnold Hoechel 1929 in der Zeitung «La Suisse» schrieb, war ein Grossteil der städtischen Gemeinfläche, die historisch weitgehend auf Basis ihrer ökologischen Ausstattung bestimmt worden war, bereits parzellenweise verkauft worden, und er meinte: Es ist notwendig, genau wie in den grossen amerikanischen Städten New York, Washington, Boston und so weiter (…), Pläne zur Schaffung [durchgehender] Parks zu erstellen, wo alle [vorhandenen Teilstücke] durch breite Streifen Land, die als grasbewachsene Wege ausgebaut sind, miteinander verbunden werden. (…) In Genf haben wir jedoch das Urprinzip angewandt, indem wir unsere schönsten Parks durch die zu Wegen umge­ stalteten Quais mit dem Stadtzentrum verbunden haben. Dieses System sollte auf all unsere Parks – die bestehenden und die künftigen – ausgeweitet werden. Albert Bodmer selbst schrieb 1933 während der Vorbereitung des Plans von 1936, dass er «die meisten Einzäunungen entfernen [würde] (…), weil die Promenade [nicht nur] ein geschlossener, für Freizeitaktivitäten reservierter Park ist, [sondern auch] der Weg des Geschäftsmannes aus der Stadt zu sich nach Hause als Teil seines Alltags. Durch die Schaffung von Wegen und Alleen kommt jedermann in den Genuss des Parks». Das Parksystem ist sowohl als städtisch wie auch als ländlich gekennzeichnet, mit drei Grüntönen von hell nach dunkel für «Nutzpflanzen, landwirtschaftliche Strukturen», «zu klassifizierende öffentliche Bereiche oder Standorte» und «zu erhaltende Wald- und Forst­ gebiete». Dabei wird Olmsteds regionale Vision von Parksystemen, 154

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1936 – «Plan des Zones du Canton de Genève» (A. Bodmer, M. Braillard) Das von Albert Bodmer, dem damaligen Leiter der Stadtplanungsabteilung, und Maurice Braillard, dem Leiter des Hoch- und Tiefbauamtes, entworfene Park­system setzte ein Exempel für die Planung von Parksystemen, von dem heute noch viel gelernt werden kann. © Centre de Recherche sur la Rénovation urbaine (CRR) des Institut d’architecture de l’université de Genève (IAUG)

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1948 – «Zones et Liaisons de Verdure, Genève Agglomération actuelle et future» (A. Bodmer) Nach dem Zweiten Weltkrieg überarbeitete Bodmer das ­Programm zusammen mit einer Sonderkommission, die einen Bericht erstellte, in dem diese Pläne nebeneinander­ gestellt wurden; sie zeigen, was bis dahin realisiert worden war und was noch fertiggestellt werden sollte. © Département des Travaux Publics Genève (DTP)

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1992 – Bodmers Zonenplanung auf den bestehenden Plan der Stadt Genf übertragen (A. Léveillé) Fast sechs Jahrzehnte nach Planungsbeginn wies Professor Alain Léveillé seine Studenten an der Universität Genf (IAUG) an, Bodmers Parksystem direkt auf die damals aktuelle topografische Karte zu übertragen. Die entstandene Territorialfigur ist noch genauso radikal wie seinerzeit, und die Übung sollte in jeder Generation wiederholt werden. © Centre de Recherche sur la Rénovation urbaine (CRR) des Institut d’architecture de l’université de Genève (IAUG)

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die «ländlich», «städtisch» und «Wildnis» miteinander verbinden, genau berücksichtigt. Wie viele frühe Vorhaben wurde der Plan nur teilweise umgesetzt, sodass 1948, nach dem Zweiten Weltkrieg, ein überarbeitetes Programm in Zusammenarbeit mit einer Sonderkommission veröffentlicht wurde. Diese regionale Vision hat bis heute einen starken Einfluss auf Generationen von Planern ausgeübt. Fast sechs Jahrzehnte nachdem Bodmer sein Parksystem erstmals vorgeschlagen hatte, wies Professor Alain Léveillé seine Studenten an der Universität Genf an, die Anlage direkt auf der damals aktuellen topografischen Karte neu zu zeichnen. Das Projekt sollte eine gemeinsame, generationenübergreifende Erfahrung für alle Genfer darstellen. MADISON Vom Genfersee lernen

1909 – John Nolens Parksysteme in Wisconsin Die Madison Park and Pleasure Drive Association war eine Bürgerorganisation, die erfolgreich die Interessen von Radfahrern, Autofreunden, Bootsclubs und Eisenbahngesellschaften aufeinander abstimmte.16 Sie engagierte John Nolen, Olmsteds Mitarbeiter und Dozent für Civic Design, für eine Zusammenarbeit, die in den im Bericht «Madison: A Model City» (1910) veröffentlichten P ­ länen für ein Parksystem resultierte.17 Nolens Bestreben, die Eisenbahnlinien mit der Stadt in Einklang zu bringen, wird in einer Reihe von Vergleichen zwischen Madison und Genf, der Stadt, die ihr als Vorbild dienen sollte, anschaulich illus­triert. Eines der ersten Vergleichsbilder zeigt die «Ankunft mit der East Madison Railroad: Erster Eindruck von Wisconsins L ­ andeshauptstadt» sowie ein «Hotel am Genfersee in der Schweiz: Eine Situation, die an den Seen in Madison vielmals dupliziert werden könnte, wenn die Stadt nach einem eigenen Plan entwickelt würde». Eine ähnlich vergleichende Behandlung findet sich auch für die Ankunft in der Stadt vom Wasser aus, dokumentiert durch Bilder mit folgenden Legenden: «Ankunft in Madison auf dem W ­ as­serweg mit dem East-­ Madison-Bahnhof der C., M. & St. Paul R ­ ailroad» sowie «Ankunft in Genf in der Schweiz auf dem Wasserweg: Vergleiche diese Darstellung mit den Ansichten auf der gegenüberliegenden Seite». Zu den Hauptorten, die Nolen für eine Sonderbehandlung in der Stadt ­empfiehlt, gehört das See­ufer am Ende der Südachse der Stadt, wo er die Monona Terrace vorschlägt – einen öffentlichen Platz für die Bürger, der seiner Meinung nach keinem geringeren Vorbild als den Gärten von Versailles nacheifern sollte. 16 John Nolen, Madison: A Model City, Madison, Wis. 1911. 17 John Nolen, Madison: A Model City, Madison, Wis. 1911, S. 15.

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1910 – Vorschlag für einen Plan für Madison (J. Nolen) Der erste grössere öffentliche Park der Stadt verläuft rund um den Lake Wingra, ein Stück Wildnis, das bis ins Herz von Madison vordringt. Er wurde in Zu­­ sammenarbeit mit den Eisenbahnen erweitert, um Schleifen um die beiden grossen Seen – den Lake Monona im Süden und den Lake Mendota im Norden – in das Parksystem zu integrieren. ­© ­Cornell University Library Archives

1910 – «Madison: A Model City» (J. Nolen) In seinem Bericht veröffentlichte John Nolen, ein Mitarbeiter Olmsteds und Dozent für Civic Design, Pläne für ein Parksystem. Wie er die Eisenbahnlinien mit der Stadt in Einklang bringen wollte, illustrierte er in einer Reihe von Vergleichen zwischen Madison und Genf, der Stadt, deren Vorbild er seiner Meinung nach nacheifern sollte. © University of Michigan Library

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Nolens Modellstadt ist letztlich kein formales Modell, sondern ein Organisationsmodell. Die Folge von Referenzen macht die abschliessenden Bilder in Nolens 1910 verfasstem Bericht für Madison umso relevanter. Nach dem ausgedehnten Vergleich zwischen Wisconsin und der Schweiz ergibt es Sinn, dass Nolen den Plan der Stadt Genf zeigt, den er mit folgender Bildlegende versieht: «Die Stadt Genf ist in vielerlei Hinsicht ein Vorbild für ­Madison. Man beachte die Organisation der Strassen, die Lage der öffentlichen Gebäude und Freiflächen sowie die öffentliche ­Nutzung des Seeufers.»18 Obwohl Genf, genau wie andere Städte am Genfersee, inzwischen viele ihrer ursprünglich öffentlichen Zugänge zum See verloren hat, war ihre fortschrittliche Geschichte doch ein lehrreiches Modell für Madison. SPRING GREEN Naturkultur

1947–1959 – Frank Lloyd Wrights Taliesin Valley Als nach dem Zweiten Weltkrieg die Auszubildenden der Architekturschule in Taliesin Landwirtschaftsgebäude zu Wohnhäusern umbauten und das Farmland auf die Taliesin Fellowship überging, verpflichtete sich Frank Lloyd Wright, zum Wohle der Gemeinschaft einen Regionalentwicklungsplan mit Schnellstrassen und Parksystemen zu entwerfen. Das Tal, in dem Taliesin liegt, war bereits seit Generationen im Besitz seiner Vorfahren, der Familie Lloyd Jones.19 Mit diesem bislang unveröffentlichten Projekt setzte er sein Konzept für die Broadacre City sozusagen vor der eigenen Haustür um, und wir könnten behaupten, dass das Taliesin Valley einer gebauten Version dieses visionären Stadtkonzepts am nächsten kommt. Wrights Erfahrungen mit den Parksystemen seiner umweltbewussten Freunde Jens Jensen und Dwight Perkins werden in einem Plan von 1947 offenkundig: Der grösste schraffierte Bereich der Darstellung trägt die Bezeichnung «Naturreservat: Nationaler oder staatlicher Tierartenschutz». Der Plan sieht durchgängige ökologische Pufferzonen entlang des Flusses vor, in denen ­einzelne Gebiete als Tieflandwald, Sumpfwald, Grasmoorland, Riedgrassumpf und Sandwatt bezeichnet sind. Dargestellt wird auch der Eisenbahnkorridor und wie sich eine Brücke über den Fluss zu den vorgeschlagenen Schmetterlingsbrücken verhält, die östlich und westlich von Spring Green errichtet werden sollten.20 Schliesslich erhält das kompakte Netz von Spring Green 18 John Nolen, Madison: A Model City, Madison, Wis. 1911, S. 145. 19 Bruce Brooks Pfeiffer, Frank Lloyd Wright: Complete Works, Bd. 1: 1885–1916, hrsg. von Peter G ­ ossel, Köln 2011, S. 119. 20 Frank Lloyd Wright, The Butterfly Wing Bridge, in: The Architectural Forum, S. 88, Januar 1948.

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1947 – Regionalentwicklung mit Schnellstrassen und Parksystemen (F. L. Wright) Diese ist wohl die raffinierteste Zeichnung aus einer Serie von elf Variationen (im Lauf dieser Untersuchung wurden noch weitere im Archiv gefunden) mit vielen der wichtigsten Gestaltungsprinzipien und Beschrei­ bungen. © Taliesin Preservation / Frank Lloyd Wright Foundation (das Foto wurde freundlicherweise von Kyle Dockery, Sammlungskoordinator, zur Verfügung gestellt)

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1947 – Parksysteme für das Taliesin Valley (F. L. Wright) Das als Stellschirm konzipierte, gemalte Wandbild hing viele Jahre lang im öffentlichen Foyer des Hillside Theater in Taliesin und wurde erst jüngst als Darstellung eines Projekts identifiziert – unter anderem auch weil es falsch herum angebracht war. © Taliesin Preservation / Frank Lloyd Wright Foundation (das Foto wurde freundlicherweise von Kyle Dockery, Sammlungskoordinator, zur Verfügung gestellt)

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eine Parkerweiterung, die eine direkte Verbindung mit dem Fluss herstellt. Auch an die bestehenden Eisenbahn- und die geänderten Schnellstrassenkorridore schliessen sich geplante Erweiterungen existierender Parks an. Das Ergebnis ist ein überraschend informelles Parksystem, das sich durch räumliche Kontinuität und ökologische Geschlossenheit auszeichnet. Wrights Engagement für die Gemeinde machte dieses Projekt so überzeugend. Das zeigt auch die Folge von Ausführungsplänen für eine Farm sowie eine Reihe von Civic-Design-Projekten, die er in Angriff nahm und die erst an Geschwindigkeit gewannen, als er sich seinem Lebensende näherte. Diese ehrenamtlichen Initiativen wurden immer wieder von privaten und öffentlichen Aufträgen unterbrochen, was Wright dazu veranlasste, eine eher flexible und pragmatische Haltung gegenüber seinen Vorhaben einzunehmen. Gleichzeitig verfolgte er eine langfristige, dem Gemeinwohl dienliche Vision für sein Heimattal. Die Liste der Projekte, die er in den letzten beiden Jahren seines Lebens für seine Gemeinde Spring Green entwickelte, würde ein klares Programm für jeden Civic Designer abgeben: eine Schule, ein Postamt, ein Krankenhaus, ein Gemeindezentrum und ein öffentlicher Park. LOS ANGELES Zukünftige Systeme

1963 – Lloyd Wrights regionales Parksystem Der Landschaftsarchitekt Frank Lloyd Wright Junior (1890–1978) war der erstgeborene Sohn des berühmten Architekten. Er zog es vor, Lloyd Wright genannt zu werden, und ein Grossteil der Literatur über ihn untersucht verständlicherweise die zwangsläufig komplexe Beziehung zu seinem Vater. Die Folge von Ent­ würfen zum Civic Design und zu Parksystemen in der Region Los Angeles stellt einen einzigartigen Beitrag zu dieser Chronologie dar und unterstreicht den generationenübergreifenden ­Charakter des gemeinschaftlichen Engagements für die Gestaltung und Ausführung von Parksystemen. Das Parksystem, das Wright 1963 für Los Angeles entwarf, war sein finaler Regionalplan für die Stadt. Zuvor hatte er an drei anderen mitgearbeitet: zuerst an einem Plan mit The Olmsted Firm in den 1920er- bis 1930er-Jahren und dann an zwei anderen in den 1940er-Jahren. Seinem Sohn Eric zufolge zeigt das Vorhaben sein anhaltendes Interesse am Naturschutz sowie seine wachsende Begeisterung für fortschrittliche Technologien und Transportmittel. Der Plan, der Space X nicht weniger als fünf Jahrzehnte vorwegnimmt, umfasst auch etliche Raumhäfen. Im Begleittext setzte sich Lloyd Wright für die Erhaltung des einzigartigen natürlichen Charakters der Region ein und erläuterte, dass 161

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dieser Plan unter anderem «die Arbeit erleichtern und die ethnische Integration durch Automatisierung fördern, die Kriegs­ produktion in menschliche Dienstleistungen umwandeln und architektonische Schönheit und Noblesse erzeugen» würde.21 Die Form der Territorialfigur schafft es mit zwei konzentrischen Kreisen und einem asymmetrischen Kreuz, die meisten bestehenden, sehr heterogenen Stadtviertel zu treffen. Die ökologischen Korridore fädeln sich zwischen die Quartiere ein und binden sie zu einer Form zusammen, die der Natur auf halbem Weg entgegenkommt. Lloyd hatte 1977, ein Jahr vor seinem Tod, die Schrift «New Culture and Urban Ecology» verfasst, in der er die Vorrang­­­ stellung, welche die technische Entwicklung zu seinen Lebzeiten eingenommen hatte, kritisch betrachtet. Er erhebt insbesondere Einwände gegen die Unternehmenskultur von Firmen wie IBM und Honeywell, deren Verbindungen zur Militärindustrie bekannt waren, und tritt dafür ein, ökologischen und kulturellen Initia­ tiven die gleiche Priorität einzuräumen.22 Diese Werte zeigen sich ganz klar an Lloyd Wrights regionalem Parksystem für Los Angeles – einem Projekt, das im Alleingang die Vereinbarkeit und die Denkweisen der ökologischen Bedeutung von Olmsteds Parksystemen, der soziologischen Einsichten von Patrick Geddes’ Regionalplanungsmodell Talabschnitt sowie der architektonischen und kulturellen Ambitionen von Frank Lloyd Wrights Broadacre City demonstriert.

21 Alan Weintraub, Lloyd Wright, New York 1998, S. 266. 22 Lloyd Wright Papers, 1920–1978, UCLA Library Special Collections, letzter Zugriff am ­ 10. November 2017: http://www.oac.cdlib.org/findaid/ark:/13030/tf0290036p/entire_text/

Matthew Skjonsberg (46) (PhD EPFL-MAS ETHZ) ist ausserordentlicher Professor am Future Cities Laboratory, ETHZ-FCL Global, einer neuen Initiative, deren Forschungsprogramme sich mit nachhaltigen Landschaften und Siedlungsstrukturen in der Schweiz und in Singapur beschäftigen. Er ist auch Dozent in New Civic Landscapes and Public Health im Rahmen des Master-of-Science-Programms in Landschaftsarchitektur am Departement Architektur, ETHZ-MScLA. Er war jüngst Gastkurator am Museum of Modern Art, New York, für die Ausstellung «Frank Lloyd Wright: Unpacking the Archives» (2017) und trug als Wissenschaftler zu «Towards an Open City: The Quito Papers and the New Urban Agenda» (2017) im Rahmen des UN-Habitat III bei. Derzeit bereitet er eine Ausstellung und Begleitpublikation mit dem Titel «Living Cities: Three Centuries of Park ­Systems» (Park Books, Zürich 2022) vor. → www.fcl.ethz.ch, → www.mscla.arch.ethz.ch 162

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1963 – Regionaler Stadtplan für Los Angeles (L. Wright) Dieser Entwurf war Lloyd Wrights endgültiger Regionalplan für Los Angeles, nachdem er zuvor in drei andere mit dem Planungsbüro The Olmsted Firm involviert gewesen war. Der Plan sieht viele Mobilitätsarten vor und umfasst auch mehrere Raumhäfen, die Space X um mindestens fünf Jahrzehnte vorwegnehmen. © UCLA Lloyd Wright Archives

1963 – Regionaler Stadtplan für Los Angeles (L. Wright) Der Plan ist besonders anrührend, weil die darauf aufgeklebte Zeichnung eine der originalen Hausbootskizzen von Lloyd Wrights Vater Frank Lloyd Wright ist, die dieser 1922 für ein gemein­sames Projekt am Lake Tahoe angefertigt hatte. Dieses Detail legt nahe, dass der Entwurf auch eine Hommage des Sohnes an den Vater war. © UCLA Lloyd Wright Archive

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EIN STADTGARTEN FÜR ALLE Text: Hubertus Adam Visualisierungen: Raumgleiter

Homogene Wohnsiedlungen für eine homogene Einwohnerschaft erzeugen noch lange keine lebendige Stadt. Dass es dennoch geht, zeigt die Entwicklung des vanBaerle-Areals in Münchenstein bei Basel. Sozialraumplanung und Biodiversität sind hier von Anfang an bestimmende Faktoren. Ziel ist ein nachhaltiges, grünes Quartier mit einem Mix aus verschiedenen Wohnformen und einer heterogenen Struktur von Bewohnerinnen und Bewohnern. 165

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Münchenstein, die Baselbieter Gemeinde, teilt das Schicksal vieler Orte in der Agglomeration: Die Nähe zur Stadt ist Fluch und Segen zugleich. Fluch, weil die eigene Identität durch eine nur bedingt steuerbare Wachstumsdynamik am Rande der Metropolen verloren zu gehen droht. Und Segen, weil eben diese Wachstumsdynamik auch Wohlstand ­generiert. Der von Basel ausgehende Entwicklungsdruck ist aufgrund der Tatsache, dass die Stadt der Grenzlage wegen nur nach Süden hin wachsen kann, in den benachbarten Gemeinden besonders hoch.

Traditionsstandort ansässig, 2022 wird die bis vor einem Jahr auf Hygieneprodukte und ­inzwischen auf Silikatchemie konzentrierte vanBaerle­Gruppe nach Schweizerhalle über­ siedeln. Schon im Vorfeld verkauften die Eigentümer das Gewerbeareal 2014 an die Rietpark Immobilien AG, die es seither durch die Halter AG entwickeln lässt. Dieser Vorlauf war sinnvoll: Während vanBaerle auf dem rund 22 000 Quadratmeter grossen Gelände noch produzierte, konnten die nötigen Abklärungen mit Gemeinde und Kanton vorgenommen werden. 2018 fand schliesslich ein zweistufiger Studienauftrag statt, um ein architektonisches Industrialisierung und und landschaftsarchitektonisches Konzept für Deindustrialisierung das Areal zu erhalten. In der ersten Phase Münchenstein ist aber kein Ort wie Binningen, («Development») ging es um ein städtebau­ der sich aufgrund seiner leicht erhöhten liches Gesamtkonzept, in der zweiten Phase Lage zum bevorzugten Villen- und Einfamilien(«Design») um die konzeptionelle und gestalhausquartier und damit zum Wohnort vermögenterische Ausformulierung der Baufelder. derer Baslerinnen und Basler verwandelt In der Fachöffentlichkeit stiess das Verfahren hat. Münchenstein verdankt seine Entwicklung auf starke Aufmerksamkeit, weil sich die dem Flüsschen Birs – und schliesslich der Halter AG dazu entschied, den Wettbewerb Jurabahn, also der Bahnstrecke Basel–Delsberg–­ komplett digital durchzuführen: Eine PräsenBiel, welche die Industrieansiedlung tation in Form von Papierplänen und Gips­ ­begünstigte. Das hat zu einer heterogenen modellen wie sonst bei Wettbewerbsverfahren Bebauungsstruktur geführt, die es kaum üblich entfiel. Stattdessen übermittelten erlaubt, Münchenstein als Einheit wahrzunehdie acht eingeladenen Architekturbüros ihre men. Von Basel aus kommend, stösst man Unterlagen an die auf Renderings, 3D-Animation zunächst auf den zum kleineren Teil noch auf und Virtual Reality spezialisierte Firma Stadtbasler Boden gelegenen Dreispitz, Raumgleiter, die sie dann in ein digitales das frühere Freilager-Areal, das sukzessive Modell übertrug. Für die Teilnehmenden war transformiert wird. 2003 eröffnete im Süden es eine ungewöhnliche Situation, die Entwurfs­ das Schaulager von Herzog & de Meuron, ideen schon vor der Jurierung durch ein ­inzwischen hat sich um den FHNW-Campus im externes Unternehmen aufbereiten zu lassen, Norden ein weiterer kultureller Schwerwobei sie den Überarbeitungsstand zwischenpunkt gebildet, und jüngere Planungen sehen zeitlich noch einmal kontrollieren konnten. eine massive Verdichtung an der nördlichen Die Konsequenz: absolute Neutralisierung und Spitze des Logistikareals vor. Östlich an deutlichere Vergleichbarkeit, da plangra­ den Dreispitz schliesst sich die Brüglinger fische Individualisierungen und unterschied­ Ebene mit ihren Parks sowie Sport- und Freiliche Darstellungsweisen, die bei Juryzeiteinrichtungen an. Südlich davon liegt sitzungen durchaus entscheidend wirken könder vor allem im 20. Jahrhundert entwickelte nen, in diesem Fall kein Thema sein konnten. Ortsteil Neumünchenstein, der durch Birs Ungewohnt, aber auch spannend sei die und Bahnlinie vom heute etwas versteckten Erfahrung gewesen, bemerkt Simon Hartmann von historischen Ortskern abgetrennt ist. BeidHHF Architekten rückblickend, und Anna seits der Bahnlinie erstreckt sich das ­Jessen von jessenvollenweider Architektur ­Gewerbegebiet Gstad, das nahtlos auf dem spricht von der «Gnadenlosigkeit des nackGebiet der Nachbargemeinde Arlesheim seine ten Vergleichs». Auch Silvan Bohnet, der Fortsetzung findet. zuständige Projektleiter bei Halter, ist sich der inhärenten Problematiken des PilotDigitaler Wettbewerb projekts – gerade auch hinsichtlich zukünfZu den angestammten Unternehmen im Bereich tiger Wettbewerbe – bewusst. Er sieht den Gstad gehört die ehemalige Seifenfabrik digitalen Wettbewerb durchaus als Modell der ­vanBaerle, die sich 1898 hier etabliert hat. Zukunft an, besonders im Hinblick auf eine Seit 120 Jahren ist das Unternehmen am möglichst frühe, intelligente Datenerfassung, 167

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die Gebäude schon im Projektstadium auf die digitale Betrachtung über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg vorbereiten würde. Doch es bestehe auch die Gefahr, Wettbewerbe zu überfrachten und Daten abzufragen, die technisch möglich, aber nicht sinnvoll seien. Und schliesslich sei es auch bauherrenseitig nicht immer einfach, mit der ­Abstraktion und Härte der rein digitalen Modelle umzugehen. Weshalb die Teilnehmenden während der Jurierung auch die Möglichkeit bekamen, ihre Beiträge persönlich zu präsentieren, um nicht nur ihre Handschrift, ­sondern auch ihr Denken und Vorgehen vorzustellen. Eigentlich hatten alle, so stellte sich heraus, ihre Entwurfskonzepte ganz ­konventionell erarbeitet: mit Zeichnungen, Referenzen und physischen Modellen. Freiraum und Verknüpfung Der grosse Vorteil des Entwurfskonzepts der Architekten von jessenvollenweider aus Basel, die sich in der ersten Stufe durchsetzen konnten, besteht in der Verknüpfung des Planungsareals mit seiner Umgebung. Bislang fristet das vanBaerle-Areal gewissermassen ein Inseldasein zwischen Tramgleisen und Bahnlinie. Die Gleistrassen können aber auch als Arterien für die zukünftige Belebung verstanden werden: Der Bahnhof Münchenstein, von dem aus man Basel SBB in gerade einmal sieben Minuten erreicht, liegt wenige Hundert Meter weiter nördlich, und geht es nach den Vorstellungen des Kantons, so könnten die Bahnsteige zukünftig verschoben werden und unmittelbar an das vanBaerle-Areal heranreichen. Mit Wohnraum für etwa 900 Bewohnerinnen und Bewohner besitzt dieses genug kritische «Masse», um eine gewisse Zentrumsfunktion im Süden von Münchenstein zu erfüllen. Dafür bedarf es aber – von der Architektur abge­ sehen – der Vernetzung mit der Umgebung. Also mit dem historischen Dorfkern im Nordosten; mit den im Norden anschliessenden gründerzeitlichen Wohnbebauungen; mit dem WalzwerkAreal im Süden, das seit einigen Jahren umgenutzt und zu einem Hotspot der Kreativ­ szene avanciert ist; und schliesslich mit dem Birsufer jenseits der Bahnlinie im Westen, das als Naherholungsraum fungiert. ­jessenvollenweider haben deshalb in Zusammenarbeit mit den Landschaftsarchitekten ­Stauffer Rösch unterschiedliche Freiräume zum Ausgangspunkt ihres Projekts gemacht. Es sind folglich die Flächen zwischen den 168

Gebäuden und Baufeldern, welche die Einbindung in die urbane Topografie gewährleisten. Mit der Ausarbeitung von drei Punktbauten auf Baufeld A, die eine zentrale Piazza an der Bahnlinie umgeben, sowie einem Kiosk, neben dem zukünftig eine Passerelle die Gleise queren könnte, wurden jessenvollenweider als Sieger der ersten Wettbewerbsstufe direkt beauftragt. Die Siegerprojekte für die übrigen drei Baufelder wurden in Konkurrenzen zwischen den verbliebenen Teilnehmenden ermittelt. Die vier in der Höhe gestaffelten, einen grosszügigen Wohnhof fassenden ­Zeilenbauten von Baufeld D, das sich in west-­ östlicher Richtung zwischen Piazza und Tramlinie erstreckt, gingen an GWJ Architektur aus Bern. Das Basler Team von HHF konnte sich dagegen auf den anderen Baufeldern durch­ setzen. Ihre viergeschossige Reihenhauszeile erstreckt sich auf Baufeld C parallel zur Baugruppe von GWJ und ist durch eine schmale Gasse in drei respektive vier Häuser mit je zwei Wohnungen pro Geschoss geteilt. Durch diese Passage erreicht man zu Fuss oder mit dem Velo einen rückwärtigen Erschliessungsweg. Wichtige Referenz bei der Konzeption waren die in den 1920er- und 1930er-Jahren in Basel errichteten und stadtbildprägenden Baumgartner-Häuser, die aufgrund ihrer grosszügigen Grundrisse und Aussenräume auch heute noch äusserst beliebt sind. An eine andere Klientel richtet sich der ebenfalls von HHF geplante Baukomplex auf dem Baufeld B, dem nördlichen Annex des vanBaerle-Areals parallel zu den Bahngleisen. Hier sind über einer gewerblichen Sockelnutzung drei Geschosse für studentisches Wohnen vorgesehen. Die Erschliessung erfolgt über Laubengänge, zu den Gleisen hin weisen die Geschosse durch­ gehende, verglaste Veranden auf. Sozialraumplanung und Biodiversität Anhand der unterschiedlichen Gebäudekonzepte und Wohntypologien wird ersichtlich, dass ganz verschiedene Zielgruppen angesprochen werden. Das ist im Sinne der Gemeinde, die den Ort aktivieren möchte, aber auch der Bauherrschaft, die sich für eine Angebotsvielfalt starkmacht. Sozialraumplanung ist ein wichtiges Stichwort, wenn man mit Silvan Bohnet spricht. Unterschiedliche Wohn­ formen sprechen unterschiedliche Personen an, und wenn ein lebendiges Quartier erzielt werden soll, so bedarf es der Durchmischung. Insofern soll es auf dem vanBaerle-­ Areal ­Stockwerkeigentum, Mietwohnungen und Entwicklung & Städtebau


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Grundriss Regelgeschoss: Eine Vielfalt unterschiedlicher Wohnungstypen soll ­verschiedene Zielgruppen anlocken und damit für Lebendigkeit im Quartier sorgen.

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Grundriss Erdgeschoss: In den von jessenvollenweider entworfenen ­Hochhäusern rund um die Piazza sind öffentliche Nutzungen vorgesehen.

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genossenschaftliches Wohnen geben, Co-Working-­ ­Spaces und Kleingewerbe, Restaurants, ­Quartierläden und Raum für alle Lebensphasen sowie alle Schichten. Wird das Projekt derzeit aus einer Hand gesteuert, so soll später der Verkauf in unterschiedlich dimensionierten Einheiten erfolgen. Eine möglichst heterogene Eigen­ tümerschaft ist das Ziel, so wie sie in gewachsenen Städten existiert. Denn in Zukunft sei bei der Investition in Immobilien nicht mehr das Best-Price-Argument das einzig entscheidende, so Bohnet. Immer wichtiger werde eine lebenswerte Umgebung, gerade angesichts der zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels. Daher sei auch das Thema ­Freiraum und Begrünung für die Entwicklung des vanBaerle-Areals von Anfang an von zen­ traler Bedeutung gewesen. Genau wie jessenvollenweider spannten auch die beiden anderen Architekturbüros mit Landschaftsarchitekten zusammen – GWJ mit David Bossard aus Bern, HHF mit Bryum aus Basel –, und die Überlegungen beschränken sich nicht nur auf die differenziert gestalteten Aussenräume, die als Piazza, Square, Wohnhof, Walzwerkgasse, Gewerbehof und Garten unterschiedliche Aufenthaltsqualitäten haben sollen. Wichtige Bausteine sind überdies Bio­diversität hinsichtlich der Pflanzen­ auswahl sowie Dachbegrünung und Urban Gar­ dening. Wie die Visualisierungen der Punktbauten von jessenvollenweider zeigen, soll gerade bei den Hochhäusern auf Fassa­ denbegrünung gesetzt werden. Allerdings ohne kostenintensive und fragwürdige Bepflanzungs- und Bewässerungssysteme, wie sie etwa für die viel publizierten Hochhäuser Bosco Verticale von Stefano Boeri in Mailand charakteristisch sind und inzwischen vielfach Nachahmung gefunden haben – auch in der Schweiz. Für die Bepflanzung auf dem vanBaerle-­ Areal werden in den meisten Bereichen die Bewohnerinnen und Bewohner selbst sorgen, ohne die Hilfe von automatisierten Systemen, die sich zwischen Mensch und Natur stellen. Positive Resonanz In der Zwischenzeit sind kleinere Umplanungen erfolgt. So bleibt gegenüber dem Wohnblock von HHF auf Baufeld B eine bestehende Häuserzeile erhalten und wird im Süden durch einen der Typologie der Gründerzeitbauten ähnlichen Neubau ergänzt. Gravierender ins Auge fällt die aufgrund kantonaler Vorschriften 171

(Näherbaurecht) veränderte Anordnung der Hochhäuser auf Baufeld A. Der mit 47 Metern höchste Wohnbau steht nun nicht mehr an der Südkante des Baufelds, sondern in der Mitte, sodass sich eine tendenziell symmetrische Konfiguration ergibt. Ende November 2020 konnte das Mitwirkungs­ verfahren unter Einbezug der Bevölkerung abgeschlossen werden, inzwischen liegt ein Quartierplan vor. Anlässlich der Gemeindeversammlung vom 22. März 2021 wurde er mit grosser Mehrheit angenommen. Silvan ­Bohnet ist guter Dinge. Läuft alles wie ­projektiert, steht einem Baubeginn im Jahr 2023 nichts mehr im Wege. Und 2027 sollte das südliche Münchenstein ein neues Zentrum besitzen.

jessenvollenweider Das Architekturbüro von Anna Jessen und Ingemar Vollenweider besteht seit 1999 in Basel. Zu ihren bekannten Projekten zählen das Verwaltungszentrum Oberer Graben in St. Gallen, die Wohnüberbauung Schaffhauserrheinweg in Basel, der Umbau des Hauptsitzes der Zürcher Kantonalbank sowie eine Hofbebauung im Basler Wettstein-Quartier. Neben der Architekturpraxis sind die Gründer seit Langem in der Lehre aktiv: Ingemar Vollenweider zunächst in Kaiserslautern, Anna Jessen in Darmstadt. Seit 2017 leitet sie die von ihr massgeblich geprägte, neu gegründete ArchitekturWerkstatt St. Gallen. Die theoretische und praktische Erfahrung mit urbanistischen Fragestellungen führte dazu, dass Jessen und Vollenweider zum Wintersemester 2018/19 auf den Lehrstuhl für Städtebau an der TU Dortmund berufen wurden. → www.jessenvollenweider.ch GWJ Architektur GWJ wurde 1989 im Kollektiv in Bern gegründet. Am Hauptstandort in Bern und in Zürich arbeiten derzeit etwa 50 Personen; die Geschäftsleitung bilden aktuell Eva H ­ erren, Christian Lasser und Donat Senn. Bei der täglichen Arbeit im Dienst einer hochwertigen Architektur stehen für die Architekten zwei Elemente im Vordergrund, die es stets in derselben Weise zu berücksichtigen und in Einklang zu bringen gilt: die Bedürfnisse und Wünsche des einzelnen Menschen, für den gebaut wird, sowie die Verantwortung gegenüber dem Lebensraum der Gesellschaft, in den hineingebaut wird. Zu den Kompetenzen und Leistungen des Büros gehören die integrale architektonische und städtebauliche Planung sowie die Beratung von externen Planungs-, Bau-, Gestaltungs- und Beurteilungsgremien. → www.gwj.ch HHF Architekten Das Architekturbüro wurde 2003 von Tilo Herlach, Simon Hartmann und Simon Frommenwiler in Basel gegründet. Bekannt wurde HHF zunächst durch eine Reihe internationaler Projekte wie die Ruta del Peregrino in Mexiko und seine Zusammenarbeit mit dem Künstler Ai Weiwei. Inzwischen ist man verstärkt auch in der Schweiz tätig. Das Spektrum der Arbeiten reicht vom Städtebau über Grossbauten wie Einkaufszentren, Museen und Hotels bis hin zu luxuriösen Wohnungsausbauten und Innenarchitektur. Daneben engagieren sich die Partner auch in der Lehre, so etwa an der MIT School of Architecture and Planning, an der Yale School of Architecture, am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und an der Harvard Graduate School of Design. → www.hhf.ch

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Schnitt / Ansicht: Die Hochhäuser mit 8, 12 und 15 Geschossen sind nach oben leicht zurückgestaffelt, was eine Bepflanzung der Fassaden möglich macht. S. 164 – Die Schützenmattstrasse im Norden des Areals wird gerahmt von zwei- bis viergeschossigen Wohnbauten des späten 19. Jahrhunderts. Dahinter sieht man die viergeschossige Wohnzeile von HHF und das mit 47 Metern höchste Gebäude von jessenvollenweider. S. 166 oben – Auf der Piazza von Baufeld A soll vielfältiges Leben entstehen. Die Punktbauten von jessenvollenweider sind durch die Mailänder Wohnhausarchitektur von Angelo Mangiarotti oder Giovanni Muzio inspiriert. Im Hintergrund: die Silos der Portlandzementfabrik in der Birsebene (Martin Burckhardt, 1962/63). S. 166 unten – Grosszügige Grünräume mit unterschiedlichen Aufenthaltsqualitäten prägen das neue Quartier. Auf Baufeld C soll vor den beiden viergeschossigen Wohnzeilen von HHF Architekten ein grüner Garten entstehen.

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S. 169 – Der Schwarzplan zeigt die Körnung des Gebiets Gstad im Süden von Münchenstein, das von der Bahnlinie geteilt wird. Das vanBaerle-Areal mit seinen Punkt- und Zeilenbauten liegt zwischen dem grossmassstäblichen Walzwerk-Areal im Süden und einem kleinteilig strukturierten Wohngebiet des späten 19. Jahrhunderts im Norden. Die Farben im Plan weisen die Bauten der beteiligten Architekturbüros aus: Olivgrün steht für jessenvollenweider, Beige für HHF, Blaugrau für GWJ. S. 173 – Hinter dem lang gezogenen Block von HFF mit Wohnungen für Studierende liegen die drei Punktbauten von ­jessenvollenweider. Die Überquerung der Gleise soll zukünftig durch eine Passerelle erleichtert werden.

Entwicklung & Städtebau



HERAUSFOR­DERUNG MEHRWERT

174 Text: Stefan Meier, Jörg Schläpfer Illustration: Dominique Wyss

Das Kerngeschäft von Immobilienentwicklern besteht darin, Immobilien zu entwickeln und dabei Mehrwerte zu schaffen. Sie er­­ arbeiten dafür gute Konzepte, planen umsichtig, gehen Risiken ein und berücksichtigen gesellschaftliche Bedürfnisse. Viele Entwicklungsprojekte, die bedeutende Mehrwerte generieren, sind jedoch erst nach der Um- oder Aufzonung eines Gebiets möglich. In diesem Zusammenhang ist eine gute Zusammenarbeit mit dem Gemeinwesen bedeutsam, denn immer häufiger entscheidet das Stimm­ volk über einen neuen Zonenplan oder über Sondernutzungsplan­ ungen. Bei umstrittenen Abstimmungen über Bauvorhaben kann der Mehrwertausgleich das Zünglein an der Waage sein. Früher hörte man öfter von Bauernfamilien, deren Agrarland eingezont wurde. Dank eines Verwaltungsentscheids wurden sie über Nacht und ohne ihr Zutun zu Vermögensmillionären. Heutzutage fällt auf solche planerischen Mehrwerte durch Einzonung eine Abgabe an, das schreibt das nationale Raumplanungsgesetz vor. Eine solche Abgabe wird gemeinhin als gerecht empfunden, denn die Komplexität der Aufgabe, das unternehme­ rische Risiko und die Bemühungen, eine Steigerung des Landwertes herbeizuführen, sind bei der Einzonung von Landwirtschafts­land marginal. Einzonungen von Landwirtschaftsland zu Wohnbauland kommen heute immer seltener vor. Um die unbebaute Landschaft zu schützen, wird die Siedlungsentwicklung nach innen gefördert, und tatsächlich nähert sich die Schweizer Siedlungsentwicklung den Zielen aus dem Raumplanungsgesetz. In der letzten Bauzonen­ statistik von 2017 wurde eine ähnliche Bauzonenfläche ausgewiesen wie zuvor 2012. Angesichts des Bevölkerungswachstums ist die Bauzonenfläche pro Einwohner von 309 auf 291 Quadratmeter gesunken. Zudem hat der Ersatzneubau deutlich zugenommen, die Anzahl der in der Schweiz abgebrochenen Wohnungen hat sich in diesem Jahrtausend von weniger als 2000 auf über 4000 Wohn­ ungen pro Jahr verdoppelt. Wüest Partner schätzt, dass in den fünf grössten Schweizer Städten mittlerweile drei von vier Entwicklung & Städtebau – Kolumne


Neubauwohnungen auf bereits bebauten Grundstücken entstehen. In den Agglomerationen der Grosszentren gilt dies für drei von fünf neu erstellten Wohnungen. Mehrwerte entstehen heute also vermehrt durch Um- und Auf­ zonungen im Siedlungsgebiet. Davon können Eigentümer profi­ tieren, indem sie auf ihrem Grundstück durch einen Neubau, einen Ersatzneubau, einen An- oder Aufbau oder eine Umnutzung eine höhere Wertschöpfung realisieren. Das Bundesrecht schreibt den Kantonen als Mindestregelung einen Ausgleich des Mehrwerts bei dauer­haften Neueinzonungen vor. In vielen Kan­ tonen muss der Eigentümer aber auch bei Um- und Aufzonungen einen Teil des geschaffenen Mehrwerts an die Allgemeinheit zurück­ erstatten. Mit einem Urteil des Bundesgerichts vom Dezember 2020 dürfen Gemeinden auch dann eine Mehrwertabgabe auf Um- und Aufzonungen erheben, wenn dies der Kanton gar nicht vorsieht (wie etwa im Kanton Basel-Landschaft). Die Höhe der Mehrwertabgabe ist kantonal geregelt; sie muss jedoch mindestens 20 Prozent des Mehrwerts b ­ etragen. In mehreren Kantonen ist ein Ausgleich nur dann geschuldet, wenn der Mehrwert einen gewissen Mindestbetrag überschreitet. Bauen im Bestand

Arealentwicklungen prägen die Standortgemeinde und werten die Umgebung im positiven Fall auf. Gleichzeitig verändert sich der Charakter eines Quartiers, was bei den Anwohnern Stress erzeugen kann. Hier sind die Behörden gefordert – und ebenso die ­Entwickler. Bauen im Bestand ist viel komplexer als auf der grünen Wiese. Hohe Ansprüche an die Gestaltung sowie Schutzan­ forderungen aller Art verteuern den Bau. Spezialisten planen hochwertige Freiräume für Mensch und Tier und sorgen dafür, dass der Boden sowie das Grundwasser geschützt werden. Die oftmals engen Verhältnisse am Bauplatz verursachen weitere Zusatzkosten, etwa für Anforderungen an die Energieversorgung. Und oft werden Immobilienentwickler mit verschiedensten Zusatzwünschen konfrontiert: Vielleicht lassen sich im Rahmen eines Grossprojekts ja eine Kita, Alterswohnungen mit öffentlichem Park, preisgünstiger Wohnraum oder öffentliche Parkplätze realisieren. Grossprojekte im Siedlungsgebiet sind ressour­ cenintensive Marathonläufe mit ungewissem Ausgang. Wie hoch die Risiken sein können, zeigt sich exemplarisch an den zahlreichen Wechselfällen rund um das geplante Zürcher Fussballstadion. Während das Zürcher Stadionprojekt nach vielen kostspieligen Umwegen mittlerweile auf Kurs zu sein scheint, verwarfen in letzter Zeit die Stimmberechtigten immer wieder Zonenplanänderungen an der Urne. 175

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Komplexität erfordert Partnerschaft

Die Berechnung des planerischen Mehrwerts ist eine Herausforderung. Die involvierten Parteien müssen sich transparent mit den konkreten Eigenschaften eines Bauprojekts auseinandersetzen und projektspezifische Schwierigkeiten oder wertmindernde Aspekte diskutieren. Durch die Neugestaltung von Grundstücken im Siedlungsgebiet ist mit zusätzlichen Kosten zu rechnen. Diese schmälern den theoretisch realisierbaren Mehrwert. Dabei sollte unterschieden werden zwischen am Mehrwert abzugsfähigen Kosten (z. B. planungsrechtliche und qualitätssichernde Leis­ tungen) und der Abgabe selbst gegenzurechnender gemeinwirtschaftlicher Leistungen (z. B. Landabtretungen, Parkanlagen, Erstellung von Infrastrukturbauten). Gegenstand von Diskussionen bilden häufig die Kosten zur Wiederherstellung des Baugrunds (z. B. Rückbaukosten, Entsorgung von Schadstoffen, Bereinigung von Grunddienstbarkeiten). Die Beurteilung von Mehrwerten als lineare Gleichung in Abhängigkeit vom Nut­ zungsmass entspricht nicht den realen Verhältnissen. Mit zunehmender Nutzungsdichte können die Kosten infolge von Vorschriften und Ansprüchen überproportional zunehmen. Werden die tatsäch­ lichen Kosten des Entwicklers u ­ ngenügend berücksichtigt, kann sich der Verzicht auf Wertvernichtung und die Fortführung der Bestandsbauten als wirtschaftlicher erweisen. Dies entspricht jedoch nicht der Grundidee der Siedlungsentwicklung nach innen. Die Berechnungen sollen modellgestützt erfolgen, können aber nicht von einem Computer automatisch ausgeführt werden. Entsprechend wird das automatisierte Mehrwertberechnungsmodell vom Kanton Zürich nur zur Einschätzung verwendet, ob eine Mehrwertabgabe fällig sein wird. Die Verfügung selbst stützt sich dann wieder auf eine Einzelfallbetrachtung. Diese Komplexität bei der Festlegung der Mehrwertabgabe hat auch Vorteile. So sind Immobilienentwickler und Behörden gleichermassen dazu gezwungen, sich Gedanken darüber zu machen, welchen Nutzen ein Projekt stiftet und wie dieser Nutzen für das Gemeinwesen optimiert ­werden kann. Neben Fachwissen sind auch Innovationskraft und ein Gespür für das politisch Machbare gefordert. Der Mehrwertausgleich kann entweder finanziell abgegolten werden oder in Form von gemeinwirtschaftlichen Leistungen. Finanzielle Abgeltungen sind vor allem dort sinnvoll, wo Mehrwerte erzielt werden, die nicht unmittelbar vor Ort wieder investiert werden können. In vielen Fällen werden Mehrwertab­ gaben jedoch nicht in Form von Geldbeträgen, sondern als ­Realleistungen beglichen. In der Regel werden zum Beispiel öffentlich zugängliche Freiräume finanziert oder der Ausbau von Verkehrs­infrastruktur, die durch das Entwicklungsprojekt nötig 176

Entwicklung & Städtebau – Kolumne


wird. Wie hoch die Mehrwertabgaben, die in den letzten Jahren bezahlt wurden, ausfielen, kann nicht genau beziffert werden. Bekannt ist jedoch, dass der Kanton Basel-Stadt dank der Mehrwertabgabe in diesem Jahrtausend im Durchschnitt rund 8 Millionen Franken pro Jahr eingenommen hat. Dabei gab es deutliche Schwankungen mit beinahe ausbleibenden Einnahmen in den Jahren 2010 sowie 2011. Unbekannt ist, wie hoch dabei zusätzliche ­Abgeltungen in Form von Leistungen vor Ort erbracht wurden. Die Basler Behörden investieren damit jährlich zwischen 4 und 15 Millionen Franken vornehmlich in öffentliche Grünräume; neuerdings finanzieren sie damit auch Massnahmen für mehr Bio­ diversität und gegen die Klimaerwärmung. Es ist legitim, dass der Staat einen Teil des Mehrwerts, den er durch eine Zonenplanrevision schafft, wieder abschöpft. Doch so einfach dieses Prinzip im Grundsatz klingt, so komplex ist die Festlegung des Mehrwerts im konkreten Einzelfall. Damit die Entscheidungen eine breite Akzeptanz finden, ist ein partnerschaftlicher, transparenter Austausch zwischen Immobilienentwicklern und Gemeinwesen von grosser Bedeutung. Einerseits ist dies deshalb wichtig, weil immer häufiger Volksabstimmungen darüber entscheiden, ob die Mehrwerte überhaupt realisiert werden können. Andererseits erhöht sich so auch die Planungssicher­ heit für die Entwickler; und Arealentwicklungen mit ihren bedeutenden Risiken bleiben für Entwickler nur so lange interessant, als ein Minimum an Planbarkeit und eine dem Risiko ­entsprechende Gewinnaussicht besteht.

Stefan Meier (48) verantwortet als langjähriger Partner von Wüest Partner Beratungsmandate mit Fokus auf Immobilien­ bewertung, -entwicklung und Marktanalysen zu gesellschaftlich relevanten Fragestellungen. Nebst umfangreichen Tätigkeiten für börsenkotierte und private Gesellschaften sowie für die öffentliche Hand ist er an der Hochschule Luzern als Dozent und bei der Stiftung Domicil im Stiftungsrat tätig. Er hat an der ETH das Architekturstudium absolviert und verfügt über einen wirtschaftswissenschaftlichen Master der Universität Basel. Jörg Schläpfer (36) analysiert seit 2015 als Leiter Makro­ ökonomie bei Wüest Partner das wirtschaftliche Umfeld des Immobilienmarktes. In der Marktberichterstattung spielen etwa die Bautätigkeit und Regulierung eine zentrale Rolle. Schläpfer organisiert die Wüest-Partner-­Fachkurse und ist Gastdozent an verschiedenen Hochschulen. Er hat an der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich promoviert und davor in St. Gallen, London und Melbourne Volkswirtschaft studiert. → www.wuestpartner.com

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DER AUFGELÖSTE BLOCK Text: Dieter Bachmann, Tobias Häne Visualisierungen: Raumgleiter

Auf dem ehemaligen Militärareal beim Bypass Thun-Nord soll bis 2040 ein neues, privatwirtschaftlich genutztes Industrieund Gewerbegebiet entstehen. Als erste Ankermieterin wird die ­Eidgenössische Material- und Forschungsanstalt (Empa) ein neues Gebäude beziehen. Bei der Suche nach einem Entwicklungspartner kam ein Studienauftragsverfahren zum Einsatz, das im Sommer 2020 entschieden wurde. Zur Weiterbearbeitung empfohlen ist der Beitrag des Teams Halter und Bauart Architekten. Ihr klar hergeleitetes Gesamtkonzept mit einer hohen Bearbeitungstiefe schafft räumliche Qualitäten, differenziert spezifische Orte und beschreibt nachvollziehbar den Entwicklungsprozess. 179

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Die Stadt Thun verfügt nur noch über wenige Arbeitszonen, die für Ansiedlungen von neuen oder die Weiterentwicklung von bestehenden Unternehmen genutzt werden können. Der 62 Hektar grosse Entwicklungsschwerpunkt (ESP) Thun-Nord ist das wichtigste Wirtschaftsentwicklungsgebiet der Stadt. Noch ist das ­Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport VBS im Gebiet ansässig, es wird sich jedoch innerhalb der nächsten zehn bis zwanzig Jahre gestaffelt zurückziehen. Damit werden fünf Areale für Drittnutzer frei – eines davon ist das Baufeld B5, das als Erstes der zivilen Nutzung zugeführt werden kann. Für die künftige Gestaltung des Baufelds B5 im ESP Thun-Nord wurde ein Entwicklungspartner gesucht, der von der Stadt das gesamte Areal im Unterbaurecht übernimmt, es entwickelt und bis Ende 2023 den neuen Betriebsstandort der Empa realisiert. Dazu wurde mit zwei in einem Auswahlverfahren evaluierten Bewerbern ein Studienauftragsverfahren durchgeführt. Von den Ergebnissen erwartete man, dass sie den strategischen Entwicklungsabsichten der Stadt und den spezifischen Anforderungen der Ankermieterin Empa entsprechen. Als städtebauliche Gesamtstrategie sollen sie Signalwirkung entfalten sowie Impulse für die Gesamtentwicklung des Areals setzen. Das Beurteilungsgremium empfahl einstimmig den Beitrag des Teams Halter und Bauart Architekten als wegweisende Grundlage für die Weiterbearbeitung. Aus Sicht des Gremiums wurden die an das Verfahren gestellten ­Zielsetzungen sehr gut erreicht. Die Auftraggeberinnen erhalten mit dem gewählten ­Projekt wichtige Erkenntnisse für die städte­ bauliche Gesamtentwicklung auf dem Baufeld B5 sowie eine wirtschaftlich tragfähige und städtebaulich integrierte Lösung für das Betriebsgebäude der Empa. Städtebauliche Setzung Der Entwurf gründet auf der Idee einer durchlässigen städtebaulichen Grossform. Der ­aufgelöste Block lässt die notwendige Durchlässigkeit zu und orientiert sich an der Massstäblichkeit der Allmend. Mit seiner differenzierten Auflösung reagiert er zudem auf die menschliche Perspektive. Präzis gesetzte Gebäuderücksprünge – in Form und Dimension unterschiedlich zugeschnitten – interagieren mit der Umgebung und stellen die Verbindung zum Stadtraum her. Auf der südlichen Arealhälfte besetzen die beiden 180

ineinander verschränkten, höher ausgebildeten Gebäude den Rand und bilden eine klare Front zur Allmendstrasse und zur Stadt. Die dahinter liegenden, durchgehend gleich hohen Längsbauten bilden den Rahmen eines quadratischen Hofs sowie zweier länglicher Höfe. Auf der östlichen Arealseite mit direktem Parkanschluss ist der längliche Betriebsbau der Empa als integraler Bestandteil des Gesamtgebäudekörpers angeordnet. Innere und äussere Welt Der Beitrag des Teams Halter / Bauart beruht auf der These, dass der bevorstehende und weitgehend unbekannte Transformationsprozess des ESP Thun-Nord nach einem ersten städtebaulichen Baustein verlangt. Dieser muss aus einer gewissen inneren Kraft heraus funk­ tionieren und trotzdem den Anschluss an spätere Entwicklungen in der Umgebung herstellen können. Durch den Anspruch, eine eigene ­Identität mit gewisser Flexibilität zu generieren, wird das Prinzip der inneren und äusseren Welt abgeleitet. Auf dem Baufeld B5 werden folgende Themen definiert und räumlich umgesetzt: «Anknüpfungspunkte und Ankunftsorte», «Durchwegung mit einem Gassensystem», «Adressierung im Innern» und «multifunktionales Forum als Herz­stück». So wird ein robuster Stadtbaustein mit einer vielfältigen und lebendigen Innenwelt entwickelt, der sich mit der äusseren Welt – den Bushaltestellen, dem Park und der zukünftigen S-Bahn-Haltestelle – verbindet. Entscheidende Elemente des Entwurfs für den Zusammenhalt der differenzierten Innenwelt sind die einheitliche Fassadenhülle, das Forum und ein integrierendes Freiraumkonzept. Die Basis dafür bildet die kompakte städtebauliche Figur mit einer einheitlichen fünfgeschossigen Höhe. Sie nimmt den Massstab der umliegenden Raumstruktur auf und stellt mittels eines bewusst angelegten Gassensystems mit Höfen und intelligenter Adressierung der Erdgeschossnutzungen gleichzeitig Kleinteiligkeit sowie Vielfalt her. Die drei empfohlenen Etappen für den ­Campus werden in den sich überlagernden thema­tischen Nutzungsclustern «Forschung, Entwicklung und Produktion», «Dienstleistung, Gewerbe und Handel» sowie «Bildung, Freizeit und Sport» beschrieben. Das gewählte Stützenraster und die vorgeschlagene Geschossstruktur des Gebäudekomplexes bieten ausreichend Flexibilität, um auf zukünftige Anforderungen zu reagieren. Entwicklung & Städtebau



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Obergeschoss 5

1:500

A3

11.01.21 / str

05.12.19 / laa

19W07 Entwicklung Dateiname Baufeld B5 Thun Unterlagen für Raphael.pln

Format

Plannummer Index Mst. Grundriss 5. Obergeschoss: Ein grosszügiger 19W07 - EntwicklungDachgarten Baufeld B5 Thun macht die Arbeitsplätze Gez. 210-07 Grundriss_500 für die zukünftigen Nutzerinnen und Nutzer attraktiv. Änd.

Bauart Architekten und Planer AG Zimmerlistrasse 6 | 8003 Zürich T: +41 43 366 65 65 | bauart@bauart.ch

Architekt

Entwicklung & Städtebau

Shop

Showroom

LKW bis 12.00m

Anlieferung

Fablab

StartUp

Anlieferung

Sattelzug L = 16.50m

Sattelzug L = 16.50m

Einstellhalle

Lobby

Piano Bar

Forum

StartUp

Kiosk

Fitness

Lager EMPA

Restaurant

Caffe

Bauart Architekten und Planer AG Zimmerlistrasse 6 | 8003 Zürich T: +41 43 366 65 65 | bauart@bauart.ch

Erdgeschoss

Format

Änd.

Gez.

Index Mst. 0

19W07 Entwicklung Dateiname Baufeld B5 Thun Unterlagen für

Plannummer 19W07 - Entwicklung Baufeld B5 Thun Erdgeschoss: Auf der östlichen Arealseite schliesst das Betriebs­ 210-02 Grundriss_500 gebäude der Empa direkt an einen Park an.

Grundriss Architekt

Bistro

Retail

Takeaway

Notzufahrt


Mit der Umgebung verknüpfen An zwei Stellen des Areals werden wichtige Anknüpfpunkte zur Umgebung ausgebildet: An der südwestlichen Ecke zur Allmendstrasse hin befindet sich ein grosszügiger, städtischer Platz mit Baumhain als repräsentativer Ankunftsort. Auf der nordöstlichen Seite an der Kleinen Allmendstrasse ist ein etwas kleinerer Platz als Auftakt in das Areal ­eingefügt. Hier wird im angrenzenden Park das denkmalpflegerisch erhaltenswerte Tankstellendach angeordnet. Es dient als Dach für eine Buvette und empfängt Besucher, die das Areal von der Kleinen Allmendstrasse oder von der zukünftigen S-Bahn-Haltestelle her betreten. Das Forum befindet sich im Zentrum des Areals und stellt die soziale sowie architektonische Mitte dar. Von den Anknüpfungspunkten führen Längs- und Querverbindungen durch den Gebäudekomplex und laufen gleichzeitig auf das Forum zu. Freiräume bieten Begegnungszonen Der mehrheitlich begrünte Freiraum erstreckt sich über die gesamte Grundfläche der Parzelle und wird über mehrere Ebenen und Terrassen bis hinauf zu den Dachgärten entwickelt. Natürliche Retention, Versickerung und ­Bio­diversität werden selbstverständlich ins ­Projekt integriert. Die zusammenhängenden Dachgärten dienen den Mitarbeitenden auf dem Campus als gemeinschaftlicher Begegnungsund Aufenthaltsraum und ermöglichen eine attraktive Weitsicht über die Thuner Allmend. Der öffentliche Park an der östlichen Arealseite spielt als Längsverbindung eine wichtige Rolle. Gestaltet als stimmungsvoller Freiraum übernimmt er auch eine Verteilfunktion – attraktive, durch die Grünanlage mäandrierende Wege führen von dieser Seite in das Innere des Gebäudekörpers. Die zwei Untergeschosse dienen primär der Parkierung, wobei im ersten Untergeschoss die Speziallabore der Empa sowie zusätzliche vermietbare Flächen angeordnet sind. Für die Baumpflanzungen über der obersten Deckenplatte werden grosszügige Pflanztröge ausformuliert. Die Zufahrt zur Tiefgarage erfolgt nordseitig über eine Rampe von der Kleinen Allmendstrasse her, die Anlieferung auf Erdgeschossniveau liegt an derselben Stelle. Ein hochwertiger Betriebsstandort für die Empa Die Empa wird mit der beabsichtigten Realisierung einer grösseren ersten Etappe früh in 183

die Gesamtform eingebettet. Das geplante Forum bietet der Empa die Möglichkeit, Räumlichkeiten für Veranstaltungen nach Bedarf zuzumieten – um Konferenzen abzuhalten, der Öffentlichkeit Forschungsarbeiten zu präsentieren sowie Treffen mit internationalen Forschern durchzuführen. Das Konzept verspricht der Empa als Ankermieterin einen hochwertigen neuen Betriebsstandort und bietet die notwendige Kraft und Flexibilität für den ersten Baustein im ESP Thun-Nord. Der Beitrag stellt ein klar hergeleitetes Gesamtkonzept mit einer hohen Bearbeitungstiefe dar. Es werden räumliche Qualitäten geschaffen, spezifische Orte differenziert und glaubwürdig charakterisiert. Der ­Entwicklungsprozess wird nachvollziehbar beschrieben. Insgesamt handelt es sich um einen in alle Richtungen sehr vermittelnden Entwurf, der sich gut in die Umgebung einfügt und die gesteckten Ziele ausgezeichnet erfüllt. Dabei werden Körnung und ­Nutzungsverteilung der einzelnen Etappen innerhalb der städtebaulichen Grossform geschickt gewählt, was in jedem Zustand der Etappierung zu eigenständigen, gut funktionierenden Einheiten führt. Das Projekt wird unter dem Namen Campus Thun weiterentwickelt. Der hierzu erfor­ derliche planungs- und eigentumsrechtliche Rahmen soll in enger Zusammenarbeit mit Stadt und Kanton bis im Herbst 2021 gesichert werden. Darauf aufbauend kann die Baueingabe für die erste Etappe mit dem neuen Standort der Empa erfolgen. Ziel ist eine Realisierung bis zum Winter 2023/2024.

Bauart Architekten und Planer Bern, Neuenburg, Zürich. Die Bauart Architekten und ­Planer AG ist ein schweizweit führendes Architekturbüro für die Entwicklung, Begleitung und Umsetzung kreativer, innovativer und anspruchsvoller Ideen. Die Realisierung von hochwertigen und nachhaltigen Lösungen im Bereich der gebauten Umwelt ist ihr oberstes Ziel. Die Arbeit von Bauart ist geprägt vom Willen, einen Beitrag zur aktuellen Baukultur zu leisten. Eine differenzierte Haltung in städtebau­licher Hinsicht und der gezielte Umgang mit verschiedenen Materia­lien zeichnen die Werke aus. 2014 wurde das «Zentrum Europaplatz – Haus der Religionen» in Bern eröffnet. Ein multifunktionales Gebäude, das einen Unort in eine städtische Drehscheibe verwandelt. 2020 übergab Bauart das nachhaltige Quartier Oassis in Crissier mit 600 Wohnungen, Dienstleistungsflächen, Läden und einem Quartierpavillon im öffentlichen Park der Bauherrschaft. 2021 wird in Bern die Umnutzung eines Bürogebäudes aus den 1960er-­Jahren in ein exklusives Wohnhaus fertiggestellt werden – der Brücken­kopf. → www.bauart.ch

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Schnitt A

Schnitt B

Architekt Schnitt B und Planer AG Bauart Architekten

Plannummer

20I01 - Entwicklung Baufeld B5 Thun

220-01

Schnitt

Zimmerlistrasse 6 | 8003 Zürich T: +41 43 366 65 65 | bauart@bauart.ch

Längsschnitte

Architekt

20I01 - Entwicklung Baufeld B5 Thun

S. 181 oben – Das Projekt Campus Thun bietet seinen Nutzern nicht nur auf Erdgeschoss-Niveau informelle Begegnungsräume. Auch ein Dachgarten und mehrere Zwischenterrassen lassen vielfältiges Leben zu.

05.12.19 / laa

Änd.

18.05.20 / laa

Format

220-01

A3

Gez.

05.12.19 / laa

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18.05.20 / laa

Format

Längsschnitte

S. 178 – Blick aus dem zweiten Obergeschoss in den Innen­ bereich der aufgelösten Blockrandbebauung. Breite Treppen führen vom Erdgeschoss ins erste Obergeschoss. Offene Terrassenbereiche bieten Durchblicke in die Umgebung.

1:500

Gez.

Dateiname 20I03 Campus Thun Machbarkeit 210118.pln Plannummer Index Mst. 1:500

Schnitt Bauart Architekten und Planer AG Zimmerlistrasse 6 | 8003 Zürich T: +41 43 366 65 65 | bauart@bauart.ch

Index Mst.

S. 181 unten – Das Areal liegt direkt an der Allmendstrasse und ist über den neu erstellten Bypass mit der Autobahn A6 verbunden. Wie bei der Geschossigkeit kann auch beim Öffnungsverhalten der Fassade in der weiteren Planung in Abhängigkeit der jeweiligen Nutzung variiert werden. Die in einem regelmässigen Raster angeordneten Lamellen entlang der Aussenfassaden und die gleichmässigen Gebäudehöhen geben dem Areal ein einheitliches Gesicht. S. 185 – Das Areal im Norden Thuns wurde früher vom Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport VBS genutzt. Die Überbauung ist der erste Baustein auf dem Entwicklungsgebiet, seine Proportionen im Inneren orientieren sich an der Massstäblichkeit der Thuner Innenstadt.

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A3

Dateiname 20I03 Campus Thun Machbarkeit 210118.pln

Entwicklung & Städtebau

Längsschnitte: Die Geschosshöhen können je nach Nutzungsart variieren (oben). Begrünte Erschliessungsbereiche verbinden EG und 1. OG (unten).

Schnitt A



HALTER AG Mission Mit unseren Kunden identi­ fizieren wir Entwicklungs­ potenziale von Arealen, Grundstücken, Bauprojekten und Liegenschaften und setzen sie um: für einen effizienten Einsatz unserer Ressourcen. Personalbestand 270 Mitarbeitende Umsatz 2020 500–600 Mio. CHF Verwaltungsrat Balz Halter Präsident Roger Dettwiler Mitglied Dr. Urs Ernst Mitglied Dr. Nicolas Iynedjian Mitglied Organisation Gruppe Markus Mettler CEO Thomas Bachmann Corporate Services Rolf Röthlisberger Rechtsdienst Nik Grubenmann Kommunikation Alexandra Stamou Produkt- und Innovationsmanagement Business Development Wir identifizieren Mehrwertpotenziale, entwickeln Nutzungsvisionen und erstellen qualifizierte Business Cases als Grundlage für die Investitionen unserer Kunden und Partner. Organisation Ede I. Andràskay Leiter Business Development Schweiz Olivier Thomas Region Westschweiz Herbert Zaugg Region Espace Mittelland Raphael Strub Region Zentral- und Nordwestschweiz

Alex Valsecchi Investitionsmanagement Gesamtleistungen Das optimale Entwickeln, Planen und Realisieren ist unsere Kernkompetenz. Die Projekt- und Unternehmensstrategien unserer Kunden stehen dabei im Zentrum und sind für uns richtungweisend. Organisation Maik Neuhaus Geschäftsführer Diego Frey Engineering / Digital Planen und Bauen Thomas Zenhäusern Spezialprojekte Entwicklung und Akquisition Marcel Weber Region Basel Theo Fahrni Region Bern Frédéric Boy Westschweiz Oliver Kern Region Zürich und Ostschweiz Philip Kiefer Zentralschweiz Renovationen Wir erkennen den Mehrwert durch die Erneuerung oder Umnutzung von Immobilien und realisieren eine kosten­ effiziente, wertbeständige und zukunftstaugliche Lösung. Organisation Anna von Sydow Geschäftsführerin Daniel Handschin Entwicklung und Akquisition Roland Baron Ausführung Alexander Delev Ausführung Lars Steffen Ausführung Burim Mustafa Ausführung Andreas Wüthrich Bauservice Stefan Cavallaro Baudienstleistungen

Entwicklungen Wir entwickeln und realisieren Immobilien marktkonform und wertsteigernd. Dabei stehen die Investoren- und Nutzerbedürfnisse sowie ein nachhaltiger Städtebau im Vordergrund. Organisation Andreas Campi Geschäftsführer Herbert Zaugg Entwicklungen Mario Ercolani Baumanagement Ost Bertrand Borcard Baumanagement West

Adressen Hauptsitz Schlieren Halter AG Zürcherstrasse 39 CH–8952 Schlieren T +41 44 434 24 00 Geschäftsstelle Basel Halter AG Freilager-Platz 4 CH–4142 Münchenstein (BL) T +41 61 404 46 40 Geschäftsstelle Bern Halter AG Europaplatz 1A CH–3008 Bern T +41 31 925 91 91 Geschäftsstelle Luzern Halter AG Zihlmattweg 46 CH–6005 Luzern T +41 41 414 35 40 Geschäftsstelle Lausanne Halter SA Rue de Genève 17 CH–1003 Lausanne T +41 21 310 13 00 Geschäftsstelle St. Gallen Halter AG St. Leonhard-Strasse 49 CH–9000 St. Gallen T +41 71 242 44 10 www.halter.ch

TEND AG Mission Wir sichern Erträge, senken die Betriebskosten und reduzieren die CO₂-Emissionen. Damit realisieren ­wir für unsere Kunden wertvollere Immobilien. Personalbestand 30 Mitarbeitende Verwaltungsrat Markus Mettler Präsident Roger Dettwiler Mitglied Alexandra Stamou Mitglied Organisation Jacques Hamers Geschäftsführer Andres Stierli Mitglied der Geschäftsleitung Philipp Schelbert Mitglied der Geschäftsleitung Marc Bätschmann Mitglied der Geschäftsleitung Adressen Hauptsitz Schlieren Tend AG Zürcherstrasse 39 CH–8952 Schlieren T +41 44 434 24 24 Geschäftsstelle Basel Tend AG Freilager-Platz 4 CH–4142 Münchenstein T +41 61 404 46 40 Geschäftsstelle Bern Tend AG Europaplatz 1A CH–3008 Bern T +41 31 925 91 91 Geschäftsstelle Lausanne Tend SA Rue de Genève 17 CH–1003 Lausanne T +41 21 310 13 00 Geschäftsstelle Chiasso Tend SA c/o Acofin Via Luigi Pasteur 1 CH–6830 Chiasso T +41 91 921 80 80 www.tend.ch

Rolf Geiger Region Ostschweiz

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Die Halter-Gruppe auf einen Blick


RAUMGLEITER AG

WIR SIND STADTGARTEN

THE BRANCH

Mission Wir verfolgen das Ziel, den virtuellen Raum real werden zu lassen. So erzeugen wir erlebbare Zukunftsbilder, die Menschen bei der Entscheidungsfindung nachhaltig unterstützen.

Mission Wir geben dem Lebensraum von Menschen Form und schaffen damit die Grundlage für dynamische Entwicklungen.

Mission The Branch steht für eine integrierte Immobilienwelt. Neue Prozesse in der ­­ Bau- und Immobilienbranche wechseln hier vom Aggregatzustand «Idee» zu «Tat».

Personalbestand 40 Mitarbeitende

Vorstand Rolf Geiger Präsident

Personalbestand 2 Mitarbeitende

Verwaltungsrat Markus Mettler Präsident

Raphael Strub Geschäftsführer

Roger Dettwiler Mitglied

Raphael Burkhalter Mitglied

Alexandra Stamou Mitglied

Sandra Romagnolo Mitglied

Martin Meier Mitglied

Slavica Vranjkovic Mitglied

Organisation Matthias Knuser CEO

Oliver Uebelhart Mitglied

Organisation Sandra Romagnolo Geschäftsführerin Adresse The Branch Zürcherstrasse 39 CH–8952 Schlieren T +41 44 434 27 77 www.thebranch.ch

Claude Büechi Managing Partner Robin Dittli Managing Partner

Adresse Wir sind Stadtgarten Europaplatz 1A CH–3008 Bern T +41 31 925 91 91 www.wir-sind-stadtgarten.ch

Daniel Kapr Managing Partner

Matthias Ryntowt Managing Partner Adresse Raumgleiter AG Zürcherstrasse 39 CH–8952 Schlieren T +41 44 202 70 80 www.raumgleiter.com

Mission MOVEment ist ein überraschend cleveres Raumkonzept. Mit verschiebbaren Modulen schafft es unterschiedliche Wohnsituationen – auf Tastendruck und ganz nach Lust und Laune.

MIVUNE AG Mission Wir entwickeln mit der Building Cloud ein integratives Software-Produkt für ganzheitliches Real Estate Management.

Verwaltungsrat Markus Mettler Präsident

Organisation Markus Brunner CEO Michael Peter COO Rainer Schmitt CDO Adresse Integral design-build AG Zürcherstrasse 39 CH–8952 Schlieren T +41 44 438 28 00 www.integralag.ch

David Charypar CTO Adresse mivune AG Zürcherstrasse 39 CH–8952 Schlieren www.mivune.com

Personalbestand 2 Mitarbeitende Organisation Alex Valsecchi Geschäftsführer Ruben Goedhart Produktmanager Adresse MOVEment Systems AG Zürcherstrasse 39 CH–8952 Schlieren T +41 44 434 24 72 www.move-ment.ch

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Personalbestand 10 Mitarbeitende

Mario Ercolani Mitglied

Organisation Andreas Horni CEO

MOVEMENT SYSTEMS AG

Mission Wir bieten integrierte Lösungen für inspirierende Arbeitswelten über den gesamten Immobilien-Lebenszyklus. Dabei setzen wir auf durchgängig digitale Prozesse und fokussieren uns auf die Kundenbedürfnisse im persönlichen Kontakt.

Peter Pfiffner Mitglied

Personalbestand 4 Mitarbeitende

Francine Rotzetter Managing Partner

INTEGRAL DESIGN-BUILD AG

Komplex Nr. 14/2021


KOMPLEX DAS MAGAZIN DER HALTER AG Nr. 14/2021

Heftkonzept und Redaktionsleitung Christine Marie Halter-Oppelt

Herausgeber und Redaktionsanschrift Halter AG Zürcherstrasse 39 CH–8952 Schlieren T +41 44 434 24 00 www.halter.ch

Mitarbeiter dieser Ausgabe Hubertus Adam, Pantelis Argyriou, Dieter Bachmann, Rob Ball, Christophe Catsaros, Deborah Fehlmann, Héloïse Gailing, Jessica Glanz, Nik Grubenmann, Tobias Häne, Stefan Meier, Georg Munkel, Laura Fee Pache, Jan Paulich, Lucas Peters, Hannes Pichler, Damian Poffet, Sophie Renault, Philipp Schelbert, Stefano Schröter, Jörg Schläpfer, Matthew Skjonsberg, Alexandra Stamou, David Strohm, Lukas Wassmann, Reto Westermann, Stefan Wohlfahrt

Online-Ausgabe www.komplex-magazin.ch

Gestaltungskonzept und Art Direction Studio Marie Lusa: Marie Lusa, Dominique Wyss

Übersetzung Supertext AG, Zürich Korrektorat Bettina Kunzer (deutschsprachige Ausgabe) Mario Giacchetta (französischsprachige Ausgabe) Umschlag Foyer der Büroliegenschaft JED (Vorderseite), Deckensegel EcoBoost (Rückseite), Schlieren, Lucas Peters Auflage 9000 Exemplare (deutschsprachige Ausgabe) 1100 Exemplare (französischsprachige Ausgabe) Lithografie und Druck Druckerei Odermatt AG, Dallenwil Hinweis Ein Nachdruck ist nur mit Genehmigung der Redaktion möglich. Die Nennung von Fotografen und Copyright-Inhabern erfolgt nach bestem Wissen. Bei unvollständigen Angaben bitten wir um Nachricht. Das Magazin «Komplex» wurde im Projekt mit ClimatePartner CO2-kompensiert, also klimaneutral gedruckt. www.swissclimate.ch Kompensations-Nr.: SC2021012802 Printed in Switzerland

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Impressum



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