retail | Q3 2021

Page 20

AKTUELL

FÜR EINE GENTECHNIKFREIE LEBENSMITTELWIRTSCHAFT Gentechnisch veränderte Lebensmittel, die aber nicht als solche gekennzeichnet sind – das wäre ganz im Sinne der Biotech-Industrie, die entsprechende Vorstöße auf EU-Ebene zur Änderung der Gesetzgebung macht. Widerstand von Seiten des europäischen – und auch des österreichischen – Lebensmittelhandels formiert sich bereits. Text / Harald Sager

n Österreich ist es zwar nicht grundsätzlich untersagt, gentechnisch veränderte Lebensmittel in Verkehr zu bringen. Diese unterliegen aber einer Kennzeichnungspflicht, und man kann sich vorstellen, wie viele Konsumenten Produkte mit einem solchen Label kaufen würden.

NEUE GENTECHNIK OHNE KENNZEICHNUNG So weit, so schön: Die Republik, der Handel, Hersteller und Konsumenten – wir alle könnten uns jetzt zurücklehnen und dazu beglückwünschen, die ungeliebte Gentechnik zumindest in Österreich außen vor zu halten. Zumal bei uns seit vielen Jahren auf die Antipoden von manipulierten Lebensmitteln gesetzt wird, nämlich auf Bioprodukte. Darin liegen wir – mit dem höchsten Anteil an solchen Produkten im LEH sowie an ökologisch genutzten Agrarflächen – europaweit an der Spitze. Aber ganz so einfach ist es nicht, denn die internationalen Konzerne, die mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) arbeiten, verfügen über einflussreiche Lobbys. Ein Schlupfloch für diese Konzerne könnte sein, dass jene Produkte, die mithilfe der so genannten Neuen

20

» Es muss uns allen klar sein, dass die EU-Kommission mit großem Nachdruck die Weichen in Richtung Marktöffnung für die Neue Gentechnik stellt. « Florian Faber Geschäftsführer ARGE Gentechnik-frei

den Trick der Biotech-Industrie jedoch nicht herein und entschied im Juli 2018, dass Pflanzen, die mittels „Genome Editing“ entwickelt werden, weiterhin unter die geltenden Gentechnik-Gesetze fallen.

KOMMT EINE LOCKERUNG DER EU-VORSCHRIFTEN? Das Urteil des EuGH wurde von allen, die sich für eine gentechnikfreie Lebensmittelwirtschaft in Europa einsetzen, als großer Erfolg gefeiert. Aber man braucht nicht zu glauben, dass die erwähnten Lobbys einfach so klein beigeben – und sie scheinen damit bei den maßgeblichen Stellen der EU Gehör gefunden zu haben: So schickte die EU-Kommission einen Fragebogen an alle Mitgliedstaaten aus, wie diese denn grundsätzlich zu der Thematik stünden. Eine Studie im Auftrag der Kommission hat ergeben, dass die Neue Gentechnik zu einem „nachhaltigeren Lebensmittelsystem“ beitragen könne. Florian Faber, Geschäftsführer der ARGE Gentechnik-frei, kommentiert das so: „Es muss uns allen klar sein, dass die EU-Kommission mit großem Nachdruck die Weichen in Richtung Marktöffnung für die Neue Gentechnik stellt: Drei Viertel der befragten Stakeholder sind explizite Befürworter, nur ganz wenige kritische Institutionen wurden befragt.“ / Q3/2021

Foto / Pexels

I

Gentechnik (siehe Infobox) hergestellt werden, gar nicht als gentechnisch verändert zu kennzeichnen wären. Mit einer gewissen Spitzfindigkeit ließe sich die Neue Gentechnik nämlich so interpretieren, dass keine Genveränderung vorliegt. Denn durch das „Genome Editing“-Verfahren (das so heißt, weil der DNA-Strang an bestimmten Stellen „umgeschrieben“ wird) werden die Interventionen innerhalb ein und desselben Genoms vorgenommen. Es handle sich also lediglich um eine neuartige Züchtungsmethode, so die Argumentation der Industrie. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) fiel auf


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.