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KAPERUNG VON AMAZON-SEITEN
from retail | Q4 2021
AKTUELL
Konkurrenz. Der Amazon Marketplace hat für heimische Händler viele Vorteile, aber auch einige Tücken.
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WENN FAKE-ANBIETER PRODUKTE KAPERN
Unternehmen, die am „Seller-Programm“ des US-Onlineriesen Amazon teilnehmen, können viele Kunden ansprechen. Im schlimmsten Fall droht ihnen jedoch die „Kaperung“ ihrer Marken. Der Handelsverband fordert daher die Möglichkeit der Markenregistrierung auch für österreichische Händler.
Text / Gerald Kühberger
Der Onlinehandel boomt, 2021 steigen die Umsätze in Österreich um mehr als 20 Prozent. Der Ratschlag an die heimischen Unternehmen lautet deshalb, in ihre Onlineshops zu investieren. Für viele ist es jedoch schwierig, eine unabhängige Onlinepräsenz mit eigenem Webshop aufzubauen. Konsumenten nutzen überwiegend große Plattformen wie jene des US-Riesen Amazon. Auf dem Amazon Marketplace können auch KMU-Händler im „Seller-Programm“ an der erfolgreichen Infrastruktur partizipieren, ihre Produkte selbst anbieten und Millionen von Kunden ansprechen.
Doch auf die österreichischen Händler lauern Probleme. „Besonders problematisch ist die ‚Kaperung‘ von Produktdetailseiten, wobei eigene Produktangebote schleichend von der Konkurrenz übernommen werden, etwa durch ungewollte Anpassungen von Produktbezeichnungen oder -beschreibungen. Wir haben Rückmeldungen betroffener Händler erhalten, bei denen ein einzelnes Produkt mehr als 600 Mal plagiiert wurde“, sagt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will.
PRODUKTDETAILSEITEN WERDEN KOPIERT
Was passiert bei der „Kaperung“ der Produktseiten? Um als Händler auf Amazon verkaufen zu können, müssen Produkte gekennzeichnet werden, erklärt das Team von Stadler Völkel Rechtsanwälte. Amazon setzt im EURaum vorrangig die sogenannte European Article Number (EAN) ein. Jeder Händler, der ein Produkt vertreibt, wird durch die gleichnamige EAN an die dazu erstellte Produktdetailseite angehängt – dies soll eine transpa rente Kategorisierung sowie Ausweisung gleicher Produkte sicherstellen. Doch es häuft sich das Phänomen, dass Produktdetailseiten eines Händlers nach und nach von einem Dritten „gekapert“ werden, etwa indem schleichend die Produktbezeichnung, Produktbilder sowie Detailbeschreibungen verändert werden. Damit kann plötzlich ein weiterer Händler auf einer Produktdetailseite aufscheinen, obwohl eine EAN vom betroffenen Dritthändler selbst
» Amazon akzeptiert nur Marken von ausgewählten staatlichen Marken ämtern. Österreich fällt derzeit leider nicht darunter. «
Arthur Stadler
Stadler Völkel Rechtsanwälte
Betrugspotenzial. Wer auf dem Amazon Marketplace ein Produkt bestellt, kann böse Überraschungen erleben. In manchen Fällen kommt nicht die gewünschte Ware an.
erworben wurde. Der „kapernde“ Konkurrent hängt sich sozusagen an und partizipiert an der fremdem EAN und den – vorerst noch – positiven Kundenrezensionen. Wird dann ein Produkt über ihn bestellt, erhalten Kunden jedoch nicht das Original, sondern eine Fälschung oder ein ähnliches Produkt.
Dieser Vorgang kann zu drastischen Umsatzeinbußen führen. Die betroffenen Originalanbieter können FakeAngebote zwar löschen lassen, allerdings dauert es einige Tage, bis diese Angebote tatsächlich von Amazon entfernt werden. Konsumenten, die in der Zwischenzeit das Fake-Produkt gekauft haben und nicht damit zufrieden sind, bewerten das Produkt entsprechend negativ – und damit verschlechtert sich auch die Bewertung des seriösen Originalangebots. Somit belasten Plagiatsanbieter, selbst nachdem sie vom Marketplace entfernt wurden, die Verkäufe der Originalanbieter.
MARKENREGISTRIERUNG BEI AMAZON: FÜR ÖSTERREICH NICHT MÖGLICH
Die beste Möglichkeit, kriminelle Mitbewerber aus Drittstaaten von den eigenen Produktdetailseiten fernzuhalten, bietet die Amazon-Markenregistrierung. „Sofern eine Markenregistrierung bei Amazon erfolgt, können sich Drittanbieter bei den jeweiligen Angebotsseiten nicht mehr ‚anhängen‘. Eine Kaperung der Amazon-Produktseite ist dadurch ausgeschlossen. Allerdings akzeptiert Amazon nur Marken von staatlichen Markenämtern wie jenen von Großbritannien, Frankreich, Deutschland, den USA, Polen oder auch der Europäischen Union. Österreich fällt derzeit leider nicht darunter. Daher kann eine nur beim Österreichischen Patentamt eingetragene Marke nicht zur Produktkennzeichnung auf Amazon verwendet werden“, erklärt Arthur Stadler, Partner bei Stadler Völkel Rechtsanwälte.
Aus Sicht des Handelsverbands und von Stadler Völkel ist nicht nachvollziehbar, warum – trotz nahezu inhaltsgleicher Ausrichtung zum deutschen Amazon Marketplace – auf dem österreichischen Markt keine Möglichkeit besteht, dort vertriebene Produkte über die Amazon-Markenregistrierung zu schützen. „Amazon stellt den heimischen Markeninhabern zwar einige technische Tools bereit, um gegen das kriminelle Massenphänomen der Kaperung von Produktseiten vorzugehen. Allerdings haben sich diese Werkzeuge in der Praxis als zu wenig effektiv herausgestellt. Das ist ein aussichtsloser Kampf gegen Windmühlen. Daher ist die Ausweitung der Amazon-Markenregistrierung auf Österreich alternativlos“, so Rainer Will abschließend.