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Hinter den Kulissen eines pharmazeutischen CBD-Unternehmens

INSIDE STORY

von Michael Beck; fachtechnisch verantwortliche Person und Leiter der QA bei Medropharm GmbH

Krrrrrrr… Der Wecker klingelt.

Es ist zehn Minuten vor fünf, Zeit zum Aufstehen. Es folgt eine Bewegung, die wohl jeder von uns kennt: Arm ausfahren und die Schlummertaste drücken. Am Ende gewinnt wie immer der Wecker. Aber es gibt Schlimmeres als aufzustehen und zu wissen, dass mich der Weg in ein mittelständisches Pharmaunternehmen führt, welches mit Cannabis arbeitet. Also nichts wie unter die Dusche, danach einen Kaffee und los geht’s zum Bahnhof.

Schädlingskontrolle der Pflanzen

Gestatten, mein Name ist Michael Beck. Ich lebe in der Region Basel und arbeite bei einem Pharmaunternehmen in der Ostschweiz. Mein Arbeitgeber gehört zu den führenden Cannabis Unternehmen in Europa und produziert auf knapp 3.000 m 2 Indoor und auf ca. 16.000 m 2 Gewächshausfläche CBD-Hanf.

Wie die meisten Grower begann auch ich meine ersten Anbauversuche im Alter von 16 Jahren. Nach meiner Lehre zog ich für 2 Jahre nach Rotterdam, um in der chemischen Industrie zu arbeiten. 2001 verschlug es mich nach Basel. Ich hatte einen sehr guten Job und arbeitete bei einem der weltweit größten Pharmaunternehmen. 2009 begann ich ein Fernstudium in molekularer Genetik und war fasziniert von der Möglichkeit eigene Strains zu kreuzen und Cannabis Sorten nach meinen eigenen Vorstellungen züchten.

Der nächste logische Schritt war die Gründung einer Samenbank: Alpine-Seeds war geboren. 2013 veröffentlichte ich “Die Enzyklopädie der Cannabiszucht” über den Schweizer Nachtschatten Verlag unter dem Pseudonym Mike/MoD. Eines Tages unterbreitete mir Mike Toniolo per Mail ein Angebot, das ich so nicht abschlagen konnte. Ich sollte eine führende Position bei Medropharm übernehmen, verantwortlich für die Qualität und die Umsetzung aller behördlichen Vorgaben, die ein Pharmaunternehmen von einem Hobby CBD-Anbau unterscheidet.

EINE NEUE CHARGE AUSGANGSSTOFF VON EXTERNEN GÄRTNERN

Es ist 6 Uhr morgens, ich sitze im Zug nach Zürich und bearbeite E-Mails. In Zürich wechsle ich den Zug Richtung Romanshorn und schaue meine Termine für heute durch. Ich lade meine Kollegen zu den Sitzungen ein und kümmere mich um ein paar Dokumente, die ich heute ganz sicher noch brauchen werde. Um halb neun bin ich im Büro. Ich laufe am ersten Lieferanteneingang vorbei und sehe unseren verantwortlichen Gärtner. Er winkt mich zu sich, wir diskutieren über die ersten Dinge des Tages und verabreden uns für den täglichen Rundgang in den Anbauräumen. Fünfzig Meter weiter ist die Tür zum Bürokomplex und zu meinem Büro, das ich mir mit Herrn Tschäppät, dem Leiter der Herstellung und gleichzeitig Leiter der Forschung und Entwicklung, teile. PC raus und einschalten, Skype

STECKLINGE WURDEN GELIEFERT

öffnen, Kaffeemaschine anmachen und mein Postfach am Empfang leeren. Als ich ins Büro komme, sehe ich, dass ein externer Gärtner 62kg Indoor CBD-Cannabis geliefert hat. Da ich unter anderem für die Qualität verantwortlich bin, ziehe ich mir meine Handschuhe, einen Einwegschutzmantel und einen Mundschutz an und nehme die erste Probe von 15g. Diese wird sofort an ein Labor verschickt, um den Gehalt an Cannabinoiden analysieren zu lassen. Parallel dazu testen wir auch bei uns im Haus die Cannabinoid Werte der Blüten, einfach um einen zweiten Vergleichswert zu haben, um 100% sicherzugehen, dass der THC-Gehalt unter der 1% Grenze liegt, und um zu prüfen, wie hoch der für uns so wichtige CBD-Gehalt ist. In der Schweiz liegt der THC-Grenzwert bei 1%. Alles darüber zählt zu den illegalen Betäubungsmitteln, alles unter 1% ist legal.

BLÜTERAUM MIT PFLANZEN IN DER BLÜTEPHASE

Die zweite Probe von etwas über 200g geht an ein anderes externes Labor, das die Pestizide analysiert. Diese dürfen nicht über dem Wert liegen, welchen die europäische Datenbank für Pestizide in Pflanzenteilen vorgibt. Übersteigt der Wert die Vorgaben, dann wird die gesamte Menge an Blüten zurückgewiesen und wieder zum Gärtner zurückgeschickt. Bei Medropharm werden ausschließlich Blüten bzw. Rohstoffe verwendet, die frei von Pestiziden sind.

VERSCHIEDENE FLUIDE CBD-PRODUKTE, HERGESTELLT VON GMP-ZERTIFIZIERTEN LABOREN

Die dritte Probe ist das sogenannte Rückstellmuster. Dieses Muster nehmen wir, um jederzeit weitere Analysen durchführen zu können. Zum Anderen muss man Proben von allen Chargen viele Jahre lang aufbewahren, falls es später einmal Reklamation oder Beschwerden gibt. Alle drei Proben, die ich gerade genommen habe, werden darüber hinaus ausführlich dokumentiert. Es wird vermerkt, wann die Proben genommen wurden, wer die Proben gezogen hat, wie die Probe zu lagern ist und natürlich, welche Chargennummer die gesamte Lieferung hat. Es werden sogar Bilder der Blüten gemacht.

Die letzte Probe, die ich nehme, ist für mich, ich muss ja schließlich auch die Qualität testen und einen kleinen PQ-Bericht schreiben. PQ steht für Product Quality, dieser Bericht ist vergleichbar mit einem kurzen Qualitätsreport. Ich zerkleinere eine schöne Blüte zwischen meinen Fingern, beurteile den Geruch, die Restfeuchte und natürlich das Aroma. Ich drehe das Tütchen zusammen und rauche es gemütlich draußen vor dem Eingang. Dabei mache ich mir einzelne Stichpunkte und schreibe mir die Eigenschaften auf.

Dann geht’s an die eigentliche Arbeit. Ich öffne alle 124 Eimer mit je 500g und suche nach Schimmel.

Entdecke ich eine Schimmelstelle, dann gehen die gesamten 62kg zurück zum Gärtner. Man muss wissen, dass Schimmel stark toxisch wirkt, und das Immunsystem schwächt, wenn er über die Blüten aufgenommen und geraucht wird. Die Kontrolle der 124 Eimer zieht sich über den ganzen Vormittag. Schimmel wurde keiner gefunden, also klebe ich einen gelben Aufkleber auf die Chargen Dokumentation. Gelb heißt, dass dieser Batch oder diese Charge noch nicht freigegeben ist, da ich erst alle Analyseergebnisse bekommen muss, um eine Charge freizugeben.

Um zusätzliche Informationen zu erhalten und um eine Rückverfolgbarkeit über viele Jahre zu gewährleisten werden alle Anbaudurchgänge auch von den externen Gärtnern dokumentiert. Dies geschieht durch verschiedene Protokolle, die im Laufe eines Anbaus vom verantwortlichen Gärtner ausgefüllt werden müssen. Die von Behördenseite vorgeschriebene Rückverfolgbarkeit eines jeden Extraktes über viele Jahre hinweg wird über die von mir generierte Chargen Nummer garantiert. Sie befindet sich auf allen Produkten, die aus einer bestimmten Blütencharge hergestellt wurden.

Man kann sich vorstellen, welche Menge an Dokumenten und Formularen ausgefüllt und abgelegt werden muss, um nur einen einzigen Anbaudurchgang abzuschließen und dies ist nur die Dokumentation des Anbaus. Ein Qualitätssicherungssystem oder kurz QS-System zieht sich durch alle möglichen Unternehmensbereiche, von der Reinigung der Räume und Geräte, über das Schädlingsmonitoring bis hin zu den Selbstinspektionen, Risikoabschätzungen und der Qualifikation von Lieferanten, Transportfirmen und der Betriebsanlagen. Nicht zu vergessen die ca. 70 SOP`s (Standardarbeitsanweisungen), die alle Arbeitsabläufe, Verantwortungen und Prozesse definiert.

Unser jetziger Anbau in den vier Blütenräumen mit je 1.300 Pflanzen und der gesamte Gewächshausgrow mit über 32.000 Pflanzen erfüllt die GACP-Richtlinien zum Anbau von Pflanzen, die zu Zwecken der Arzneimittelherstellung angebaut werden. Wir planen gerade den Bau von sechs neuen Blütenmodulen, von denen ein Modul eine Fläche von ca. 500 Quadratmeter besitzt und Platz für ungefähr 2.500 Pflanzen bietet. Diese Räume erfüllen nicht nur die GACP-Richtlinien, sondern auch die GMP-Vorgaben der Swissmedic und anderer pharmazeutischen Behörden.

BALKONPFLANZEN BEI MEDRO- PHARM

Mittlerweile ist es Mittag geworden und ich bereite die Teamsitzung vor, indem ich das Protokoll und die Traktandenliste drucke und alle Teilnehmer noch mal benachrichtige. Danach ist Mittagspause. Nach 30 min geht es zurück ins Büro. Die Sitzung beginnt zwar erst in ein paar Minuten, aber ich muss unseren neuen Medical Director Frau Dr. Zieres-Nauht noch zur Skype-Konferenz einladen. Heute ging es schnell, die Sitzung ist vorbei. Für mich steht jetzt der schönste Termin des Tages an. Meine Runde durch die sechs Indoor Räume.

Zuerst trage ich mich in die Besucherliste ein. Dann muss sich jeder Besucher, der die Räume betritt, umziehen: Mantel, Haarnetz, Überschuhe und Handschuhe. Unsere Gärtner tragen einen kompletten Tyvek-Anzug, wenn sie sich in den Pflanzenräumen bewegen und an den Pflanzen arbeiten. Darüber hinaus tragen alle Gärtner eine spezielle Schutzbrille, Handschuhe und ggf. einen Bartschutz. Der Grund für die verschiedenen Schutzvorkehrungen sind Schädlinge. Wir mussten Anpassungen im Lüftungssystem vornehmen, Schädlingsfallen aufstellen und wir besitzen einen gut durchdachten und funktionierenden Nützlingsplan. Darum arbeiten wir sehr eng mit dem größten Schweizer Nützlings- und Schädlingsbekämpfungsunternehmen zusammen, um einen Befall in jedem Fall zu vermeiden.

CLOSEUP DER CBD-BALKONPFLANZEN

Ich bin angezogen und ausreichend geschützt, jetzt warte ich nur noch auf unseren verantwortlichen Gärtner, denn ohne ihn komme ich in keinen Raum. Niemand geht bei uns alleine in die Räume. Es ist immer ein anderer Mitarbeiter dabei und immer wird der Chefgärtner oder sein Stellvertreter informiert, denn nur mit ihren Zugangscodes ist ein Eintritt möglich. Ich stehe mitten im Raum. Vor mir ein Meer von 1300 Pflanzen in der Hochblütephase. Die gesamte Klimaanlage und Abluft brummt. Alles läuft auf Hochtouren, damit die optimale Temperatur konstant bleibt.

Wir laufen durch die Reihen und schauen uns die Pflanzen an. Oliver Tschäppät begleitet uns auf der Tour. Wir drei besprechen die Düngergabe, holen Informationen zu den Pflanzen ein, besprechen das Schädlingsmonitoring und alle anderen Dinge, über die wir immer im Team entscheiden.

Ein Raum weiter steht die Ernte an. Nur noch wenige Tage, dann ist unsere Hauptgenetik M1337 reif.

Das bedeutet, wir müssen die Ernte planen, die Maschinen desinfizieren und vorbereiten, oder die Entsorgung der 20 Kubikmeter Erde durchgehen. All das muss natürlich auch wieder in speziellen Formularen dokumentiert werden.

Unsere Hauptgenetik gehört weltweit zu den wenigen CBD-Sorten, die bis zu 23% CBD bei nur 0.4 – 0.5% THC besitzt. Eine wirklich tolle Sorte mit viel Harz, schönen kompakten Blütenkelchen und einem intensiven, leicht würzigen, aber dennoch sehr milden Aroma.

Ein weiterer Favorit ist die Erdbeere. Sie heißt so, da sie wie ihr THC-Gegenstück die gleiche feste Nugget ähnliche Blütenform besitzt. Auch der Geruch und der Geschmack erinnern an die Swiss Strawberry, er ist fruchtig, etwas beerig und trotzdem leicht haschig. Ein genauso toller Strain, zwar mit etwas weniger CBD als unser Hauptstrain, aber dafür mit etwas mehr THC. Natürlich arbeiten wir auch ständig an neuen Sorten, experimentieren mit verschiedenen Düngerdosierungen oder mit völlig neuen Anbaumedien.

Nach dem Rundgang gönne ich mir eine kleine Pause. Raus aus dem Schutzanzug, weg mit Haarnetz und Bartschutz und ab ins Büro. Papers hervorholen und die neue Medropharm Charge, die wir drei Wochen zuvor geerntet und getrocknet haben, testen.

Mittlerweile ist es fast 15 Uhr, Zeit für das Lagerprojekt. Wir lassen gerade ein neues, hochmodernes Arzneimittellager aufbauen, um unsere Produkte noch sicherer und besser lagern zu können. Wir sind im Grunde nur der Zulieferer des Ausgangsstoffes zur Herstellung der Extrakte. In der Schweiz gelten diese Stoffe als Chemikalie.

Im Lager habe ich einen Termin mit einer Sicherheitsfirma. Eine Alarmanlage und eine Zugangskontrolle müssen in der kommenden Woche installiert werden. Wir tauschen uns aus, besprechen Pläne und verabschieden uns 45 Minuten später.

Jetzt noch einen letzten Kaffee für den Weg, dann muss ich langsam zum Bahnhof, damit ich gegen 19 Uhr wieder in Basel bin. Ich packe meine Sachen, laufe kurz von Büro zu Büro und verabschiede mich von meinen Kollegen. Im Zug angekommen wiederholt sich das gleiche Spiel wie am Vormittag.

PC aufklappen, Outlook öffnen und E-Mails beantworten, die ich im Laufe des Tages bekommen habe. Ab und zu bietet sich der Zug auch an, um Schulungen der Mitarbeiter vorzubereiten. Schulungen sind wichtig, um alle Mitarbeiter auf einem Wissensstand zu halten. Es kommen regelmäßig neue Arbeitsschritte und neue Prozesse hinzu. In Zürich steige ich wieder aus und wechsle den Zug. An diesem Punkt geht es immer darum einen Waggon zu erwischen, der möglichst leer ist. Manchmal mache ich es mir gemütlich und versuche 50 Minuten die Augen zu schließen, um etwas zu schlafen. Um 19:15 Uhr bin ich zu Hause, begrüße meine Freundin und wir essen zusammen. Anschließend massiere ich noch eine Stunde das Fretboard meiner Schecter V1 Blood Splatter Gary Holt Signature Axt (E-Gitarre). Den restlichen Abend lasse ich dann ganz entspannt vor dem TV ausklingen bevor es um 5 Uhr morgens wieder heißt

KRRRRRRRR...

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