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Die Führerschein Kampagne des DHV

von Manuel Spindler

Unter diesem Titel gibt es seit etwa zwei Monaten eine neue Initiative, die eine Änderung des Strafrechts sowie ein Umdenken in der Gesellschaft in Bezug auf Cannabis und Führerschein erwirken will. In Deutschland, Österreich und der Schweiz gibt es viel zu häufig einen Entzug der Lenkberechtigung als Ersatzstrafe, falls die gefundene Menge zu gering, oder etwa die Beweislast für eine tatsächliche Verurteilung nicht ausreichend ist. Anstatt strafrechtlicher Konsequenzen für die Betroffenen gibt es einen Entzug der Lenkerlaubnis, der fast immer eine medizinische Untersuchung und einen Abstinenznachweis mit sich zieht.

In der Praxis sieht das wie folgt aus: Max Muster fährt mit seinem Auto auf der Straße, als ihn ein Polizist aufhält und ihm sagt, dass sein Auto nach Cannabis rieche, seine Augen komisch aussehen würden. Als Max, der einige Tage zuvor mit seinem besten Kumpel feiern war und ein paar Joints geraucht hat, einen Urintest verweigert, wird er zum Amtsarzt mitgenommen, wo ihm einiges unterstellt - und anschließend Blut abgenommen wird. Max ist schon müde und freut sich, als er gegen Mitternacht endlich nach Hause kommt. Doch einige Wochen später der Schock: Wegen einer geringen Übertretung des Grenzwertes von 1 Nanogramm aktivem THC im Blut wird ihm die Lenkerlaubnis für einen Monat entzogen. Er schaltet einen Anwalt ein, doch im Endeffekt muss er sich der Staatsgewalt beugen und zur MPU (Anm.: eine Urinuntersuchung beim Amtsarzt, um einen Abstinenznachweis vorweisen zu können), damit er seinen Führerschein letzten Endes behalten darf. Günstig ist das natürlich nicht, aber 1.300 Euro Strafe sind Max lieber, als einen Entzug der Lenkerlaubnis und damit einen Einschnitt in sein Leben hinzunehmen.

Geschichten, die unter die Haut gehen – Weil sie jedem passieren können

Im Zuge der Kampagne wurden Erfahrungsberichte von Betroffenen eingeholt, denen eben dies und ähnliches widerfahren ist. Sie berichten über ihre persönlichen Erfahrungen und zeigen dabei immer wieder auf, wie ungerecht diese „Strafe“ ist und wie sehr sie durch den Verlust der Fahrerlaubnis bei ihren sozialen Interaktionen des täglichen Lebens eingeschränkt wurden. Die Botschaft sowohl der Berichte als auch der Kampagne ist daher ganz klar: Cannabis ist normal und niemand sollte eine Strafe fürchten, wenn er nicht beeinträchtigt im Straßenverkehr teilnimmt. Niemand will bekiffte Fahrer auf den Straßen, aber die Grenze, ab wann Cannabis den Fahrer beeinträchtigt, ist willkürlich - und vor allem - viel zu niedrig angesetzt. Wenn man das Gesetz komplett befolgen würde, dürften Gelegenheitskonsumenten erst ein paar Tage nach dem Genuss wieder Auto fahren, und Dauerkonsumenten, sei es auch nur ein halber Joint pro Tag, dürften gar nicht mehr fahren, selbst wenn sie 24 Stunden nichts mehr konsumiert haben.

Das Problem THC

Das besondere Problem bei Cannabis ist: Es wird vom Körper nur sehr langsam abgebaut und hält sich lange im System. Die Abbaustoffe des Cannabinoids THC werden THC-OOH genannt und sind fettlöslich, was heißt, dass sie sich in den Fettzellen des Menschen einlagern und dort nur langsam wieder abgegeben werden. Besonders wenn man Sport macht oder auf andere Art Gewicht verliert, wird der Abbaustoff vermehrt aus den Fettzellen gelöst und in Blut und Nieren abgegeben. Durch dieses Phänomen ist es auch möglich, nach Monaten der Abstinenz wieder einen positiven Harntest abzuliefern, der einem meist nur Probleme bringt. Da sich Cannabis also viel länger nachweisen lässt, als fast alle anderen Drogen, kann es auch sehr lange für Probleme sorgen.

Unsere Kampagne trägt dazu bei, auch die Politik für das Thema zu sensibilisieren.

Ein neues Problem ist der CBD- Markt. Durch ihn ist Cannabis in die Gesellschaft vorgedrungen. Das allein wäre ja nichts Schlechtes, doch bei manchen Menschen wird CBD im Magen in THC-OOH umgewandelt, sodass auch sie, obwohl sie nie aktiv einen THC Rausch hatten, durch einen positiven Test ausgelöste rechtliche Schritte gegen sich ertragen müssen.

Die Expertenmeinung

Um die Motive ihrer Bewegung auch rechtfertigen zu können, wurden Experten nach ihrer Meinung zu diesem Thema befragt. Die Gespräche wurden auf Video aufgezeichnet und das so gewonnene Material wurde online auf der Plattform der Kampagne veröffentlicht. Es wurden Personen gewählt, die in ihrer Stellung führend waren oder sind und daher einen guten Überblick über Cannabis und das Zusammenwirken von THC und der Fahrtauglichkeit haben. Sie alle sind sich einig: Das derzeitige Vorgehen der Behörden gegen Cannabiskonsumenten ist falsch und muss geändert werden. Es werden durch die Praxis der Ersatzstrafe gezielt Konsumenten angegriffen, die meist nicht einmal berauscht gefahren sind.

Einer von ihnen ist Hubert Wimber, Vorsitzender von LEAP und Polizeipräsident der Stadt Münster a.D., der in seinem Video über die Bedeutung des Führerscheins für Mobilität und gesellschaftliche Teilhabe spricht und fordert, dass endlich ein wissenschaftlich valider Grenzwert konzipiert wird. Im Verlauf des Videos spricht er über die Unverhältnismäßigkeit des derzeitig anerkannten Grenzwertes in Deutschland (welcher europaweit der niedrigste ist) und vergleicht immer wieder Cannabis und Bier, um zu versinnbildlichen, wie unfair die Behandlung von Cannabiskonsumenten ist. Er bringt das Beispiel der 0,5 Promillegrenze und erwähnt die Tatsache, dass man Fahrern durchaus zutraut, selbst zu wissen, wann sie genug getrunken haben. Wenn ein Polizist bei einem Fahrer keinen Atemalkohol feststellt, aber im Kofferraum 2 Flaschen Rotwein findet, passiert nichts weiter, da der Rotwein nicht automatisch bedeutet, dass der Fahrer betrunken ist. Ersetzt man den Alkohol jedoch mit Cannabis, (welches erwiesenermaßen weniger schädlich auf den menschlichen Körper wirkt als Alkohol) dann endet die Szene anders. Vermutlich wird der Fahrer mit auf die Wache oder direkt zur Untersuchung geführt und hat dann mehrere Monate Probleme, um seinen Führerschein zu behalten.

Im Zuge des Gesprächs geht Wimber auch auf die Tabuisierung von Cannabis und anderen illegalen Drogen ein und kritisiert das Verhalten der Regierung. Bei Alkohol sei viel geforscht worden, und die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse haben letztendlich zu einer Herabsetzung der Promillegrenze geführt. Er meint, dass die Tabuisierung in der Gesellschaft dazu geführt hat, dass vergleichbare Forschung zu Cannabis entweder nicht stattgefunden hat, nicht weit verbreitet ist oder aber einfach nicht anerkannt wird.

Abschließend wiederholt auch er noch einmal die Forderung der Kampagne und sagt, es müsse einen vernünftigen Grenzwert geben, der klar aussagt, ab wann eine Person beeinträchtigt ist, und sich nicht mehr hinters Steuer setzen darf. Seine Kollegen Dr. Phil. Bernd Werse vom Centre of Drug Research an der Goethe-Universität Frankfurt und Dr. Günther Jonitz, Präsident der Berliner Ärztekammer geben ihm in seiner Forderung recht und wiederholen ebenfalls die Kritik der Unverhältnismäßigkeit des Grenzwerts und seiner willkürlichen Festlegung. Dr. Jonitz betont in seinem Video noch einmal, dass es wissenschaftlich gesehen keinen genau feststellbaren Grenzwert gibt, da Cannabis auf jeden Menschen anders wirkt, und es daher Personen gibt, die weit über einem solchen Grenzwert liegen könnten und dennoch in voller Kontrolle ihres Fahrzeuges wären, sowohl geistig als auch physisch. Man sieht also, die Führerscheinkampagne des DHV unter dem Motto „Klarer Kopf – Klare Regeln“ hat wissenschaftlich, rechtlich und menschlich gesehen die besseren Argumente und überzeugt durch persönliche Geschichten, gut fundierte Erkenntnisse und einer klaren, fairen und vor allem notwendigen Botschaft: Cannabiskonsum alleine reicht nicht aus, um einen Führerscheinentzug zu rechtfertigen. Es ist eine Strafe für die Betroffenen, nagt an der Psyche und belastet diejenigen, die die Tortur über sich ergehen lassen müssen.

Interview mit Georg Wurth, Leiter des DHV und verantwortlich für die Führerscheinkampagne

Im Rahmen dieses Artikels haben wir auch mit Georg Wurth vom Deutschen Hanfverband gesprochen und ihm ein paar Fragen zur Kampagne gestellt:

Wie lange hat die Vorbereitungsarbeit gedauert, bis die Kampagne an die Öffentlichkeit gegangen ist?

Wir haben die Kampagne ungefähr sieben Monate lang intensiv vorbereitet.

Wie lange wird diese Kampagne laufen?

Der öffentliche Teil der Kampagne wird im November 2017 beendet. Allerdings fängt die politische Lobbyphase gerade erst an und wir werden natürlich auch weiterhin intensiv am Thema dranbleiben. Die Grundlagen, die wir in der Kampagne geschaffen haben, insbesondere die rechtliche und wissenschaftliche Aufarbeitung dieser komplizierten Materie, werden dabei dauerhaft hilfreich sein.

Was denken Sie, warum so vielen Beschuldigten mit Bezug auf Cannabismissbrauch die Lenkerlaubnis entzogen wird?

Ich empfinde das als Ersatzstrafe. Das Führerscheinrecht wurde verschärft, nachdem das Bundesverfassungsgericht die regelmäßige Bestrafung des Besitzes kleiner Cannabismengen unterbunden hat.

Auf Ihrer Website reden Sie von der Einführung sicherheitsrelevanter Grenzwerte. Worum handelt es sich dabei?

Niemand will berauschte Fahrer im Straßenverkehr, die andere Verkehrsteilnehmer gefährden. Der aktuell extrem niedrige THC-Grenzwert hat aber nichts mit Sicherheit im Straßenverkehr zu tun, sondern ist eine bloße Diskriminierung von Cannabiskonsumenten im Führerscheinrecht. Ein sicherheitsrelevanter Grenzwert muss an dem Punkt angesetzt werden, ab dem ein erhöhtes Unfallrisiko wahrscheinlich wird.

Im Zuge Ihrer Kampagne haben Sie auch Erfahrungsberichte von Betroffenen eingeholt und veröffentlicht. Diese Geschichten erzählen von Schicksalen, die durch die Repression hart getroffen wurden. Gab es eine Geschichte, die Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist?

Besonders krass finde ich immer die Fälle, in denen es gar keinen Bezug zur Teilnahme am Straßenverkehr gab, z.B. den Fall von Jenny Westhauser, die mit einer kleinen Menge Cannabis mit dem Taxi zu einem Festival unterwegs war.

Ihre Absichten sind vollkommen gerechtfertigt, doch die Politik interessiert das ja bekanntlich nicht immer. Wie lange denken Sie wird es dauern, bis diese Praxis der Ersatzstrafe nicht mehr angewandt wird?

Das ist wirklich schwer zu sagen. Manchmal geht so was am Ende schneller als man erwartet. Jedenfalls trägt unsere Kampagne dazu bei, auch die Politik für das Thema zu sensibilisieren.

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