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Ist Legalisierung Mediensache?

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Edibles

Edibles

von Lucas Nestler

Es passiert mittlerweile fast täglich, dass man beim morgendlichen Check durch die Newsmeldungen über Cannabis-Berichte in den Mainstreammedien stolpert. Das ist allerdings nicht immer so gewesen und es ist kaum 2 Jahre her, als dieses Thema lediglich im kleinen Kreis von Nischenmedien behandelt wurde. Wir stellen uns also die Frage, inwieweit die Berichterstattung über Cannabis und vordergründig dessen medizinischem Nutzen die aktuelle politische Entwicklung beeinflusst hat oder ob es doch nur dem journalistischen Feingespür auf der Suche nach Inhalten mit hohem Interaktionspotenzial zuzuschreiben ist, dass die großen Redaktionen von z.B: welt.de, zeit.de , spiegel. de und vielen weitere beinahe täglich Inhalte zum Thema Hanf publizieren? Mehrere Dekaden an aufopferndem Aktivismus wurden in die Cannabisdebatte investiert und in Deutschland haben Nischen-Magazine wie die Grow! dafür eingestanden, die Szene rund um Cannabis zu entwickeln und ein Fundament für eine Entkriminalisierung bzw. Legalisierung von Cannabis zu erwirken. Sichtlich bewegt hat sich aber in den letzten 20 Jahren wenig, bis in den USA alles ins Rollen kam...

Greg James

MARIJUANA VENTURE MAGAZINE / MARIJUANAVENTURE.COM / USA

"Jahrelang wurden Aktivisten wie auch Stoner-Magazine schlichtweg ignoriert. Doch als die Massenmedien schließlich anfingen, über die medizinischen Vorteile von Cannabis zu berichten, änderten sich die Dinge schlagartig. Als Washington und Colorado den Konsum für Erwachsene legalisierten, berichteten die Massenmedien, dass keine der Befürchtungen der Legalisierungsgegner eingetroffen waren und so schlossen sich bald auch andere Staaten, einschließlich Oregon, Alaska, Kalifornien, Maine, Massachusetts und Nevada der Legalisierung an. Hier haben die Medien die öffentliche Meinung zur Legalisierung maßgeblich beeinflusst."

Tyler Green

ISMOKE / ISMOKEMAG.CO.UK / GROSSBRITANNIEN

"Die harte Arbeit von Cannabis-Aktivisten spielt natürlich eine wichtige Rolle, da die Bewegung durch aktive Bewusstseinsförderung und Inspirationsarbeit wächst und Druck auf die Regierungen ausüben kann, Gesetze zu ändern. Und auch das zieht die Aufmerksamkeit der Medien auf sich, die natürlich versuchen, die aktuellsten News zu verbreiten."

Als Cannabis 2014 in Colorado legalisiert wurde, wurde das Thema weltweit in vielen Medien aufgegriffen. Auch in den deutschsprachigen Medien wurde das Thema flächendeckend behandelt und spätestens mit dem künstlichen Skandal um die Hanfpflanze des Bundesvorsitzenden der Grünen Cem Özdemir, bei der Videoaufnahme zur damaligen ALS Ice Bucket Challenge, gab es für die Mainstream-Medien kein zurück mehr. Eine unvergleichliche Entwicklung mit großem Einfluss hat das 2011 gegründete Israeli Cannabis Magazine vollzogen. Mit einer Strategie, die teilweise völlig unbedarfte Politiker auf dem Cover zeigte, hat das Magazin in den letzten Jahren eine öffentliche Diskussion angefacht, die weit über den eigenen Mikrokosmos der Cannabisaktivisten reichte.

Oren Lebovich

THE ISRAELI CANNABIS MAGAZINE / CANNABIS.ORG.IL / ISRAEL

"Das alles ist natürlich Teil der global um sich schlagenden Informationsrevolution. Google, Facebook und andere soziale Netzwerke haben gezeigt, dass sie mit ihrem Einfluss Revolutionen anführen und sogar Staatsoberhäupter auf der ganzen Welt stürzen können. Ebenso haben das Internet und mobile Anwendungen sehr dazu beigetragen, den Kampf um Gerechtigkeit in Sachen Cannabis in die Welt zu tragen. Dennoch hüllen uns soziale Netzwerke oft in eine Art Blase, die uns nur mit den Leuten umgibt, die sich für ähnliche Themen interessieren und einsetzen wie wir. Um jedoch wahre Veränderungen zu bewirken, ist es nötig, in Gesellschaftskreise vorzudringen, die weit von den eignen liegen. Um Veränderungen zu bewirken, muss man vor allem den klassischen Mainstream ansprechen."

Eine weitere spannende Vorgehensweise ist das von Ricardo Bacas 2013 gegründete Magazin „The Cannabist“ – das zur Denver Post gehört. Hier wagt sich ein etabliertes Mainstreammedium einen eigenen Ableger zum Thema Cannabis zu gründen, bei welchem sogar Vollzeitstellen als Weed-Tester vergeben wurden, was ein großer Schritt in Sachen der öffentlichen Akzeptanz zu sein schien.

Sam Caldwell

DOPE MEDIA / DOPEMEDIA.COM.AU / AUSTRALIEN

"Je mehr Akzeptanz Cannabis in der Gesellschaft erfahren wird, desto positiver werden zukünftig auch moderne Medien wie BuzzFeed, Vice, Huffington Post und auch andere darüber berichten. Das bewahrheitet sich auch bereits auf regionaler Ebene in Australien."

Ein Sonderfall in Sachen Akzeptanz ist Frankreich. Ein Land, das de facto zu den Spitzenreitern im Cannabiskonsum gehört, in dem die Gesetze aber strenger gestaltet sind, als in den meisten anderen Ländern. Umso weniger wundert es, dass newsweed.fr im Jahr 2017 das erste und einzige Cannabis Magazin in Frankreich ist. Aurélien Bernard erklärt, dass sie sich mit dem Magazin nicht an der Legalisierungsdebatte beteiligen, sondern ausschließlich neutrale und faktenbasierte Aufklärung, vor allem im therapeutischen Sektor, betreiben.

Aurélien Bernard

NEWSWEED / NEWSWEED.FR / FRANKREICH

"In die Zukunft blickend, müssen die Medien in den Legalisierungsprozess involviert werden, ganz einfach, weil sie auf Fakten basieren. Abgesehen von einem Werbeverbot, zeigt sich faktisch, dass die bisherige Unterdrückung des Themas fehlgeschlagen ist. In Frankreich beginnen sich die Dinge zu wandeln. Ich erkenne das mitunter daran, dass die Massenmedien immer öfter anbeißen, wenn die French Press Agency (AFP) über ein cannabisbezogenes Thema berichtet. Und das jetzt auch signifikant häufiger bei positiven Berichten über Cannabis."

Wir stehen also morgens auf und lesen mal wieder einen Bericht zum Thema Cannabis. Wir überfliegen vielleicht einige Passagen und sind am Ende oberflächlich über den aktuellen Stand der Dinge informiert. Aber ist Cannabis nicht weit mehr und wie können nun auch die wichtigen Detailinformationen an Stellen gelangen, wo Aufklärungsbedarf herrscht? Der Szenemensch bezieht seine Szene-Magazine im Kiosk oder per Abonnement und alle anderen überfliegen nur oberflächlich recherchierte Newsmeldungen? Es mag paradox klingen, wenn nun ein Kommentar folgt, welcher sich auf das Hanf Magazin bezieht. Jedoch muss dieser Missing Link an dieser Stelle aufgezeigt werden, da es so wunderbar einfach scheint den beinahe unstillbaren Wissensdurst Hunderttausender Mitmenschen zu stillen.

Lucas Nestler

HANF MAGAZIN / HANF-MAGAZIN.COM / SCHWEIZ

"Unsere Intention ist es, die Menschen dort abzuholen, wo sie aktuell stehen. Zu viele sind im Thema Hanf noch neu, aber dennoch empfänglich für verständlich aufgearbeitete Informationen, die ihnen auf seriöser und wertiger Ebene präsentiert werden. Wir sind davon weggekommen Informationen zu verstecken und verbreiten unser Magazin über Apotheken, Ärzte, Bioläden, Weltläden und viele weitere Stellen, an denen sich Leute tummeln, bei denen wir auf offene Ohren stoßen."

Stefan Zmojda

WALLSTREET:ONLINE AG / WALLSTREET-ONLINE.DE / DEUTSCHLAND

"Änderungsprozesse zu unterstützen und diese erklärend zu begleiten, ist immer auch eine Aufgabe der Medien. Das haben wir in der Vergangenheit bei wallstreet:online so gesehen und praktizieren dies auch heute aktiv. Zudem liefert unsere Community über Foren und Diskussionen wertvolle Aufklärungsbeiträge zu den verschiedensten Themen, wie beispielsweise auch zur Legalisierung von Cannabis in Deutschland."

Einen wichtigen Punkt, den auch Oren Lebovich vom Israeli Cannabis Magazin mehrfach betonte, spricht auch Markus Lust vom Vice Magazine aus. Es geht um das grundlegende Wording in der Kommunikation rund um Cannabis.

Dabei macht es bereits einen großen Unterschied, ob man von „Kiffern“ oder „Cannabiskonsumenten“ spricht oder, ob man „Entkriminalisierung“ anstelle eines dauernden Pochens auf eine „Legalisierung“ verwendet.

Markus Lust

VICE / VICE.COM/DE_AT / ÖSTERREICH

"Legalisierung ist natürlich eine Frage der Legislative – das sollten und können Medien zum Glück nicht eigenmächtig umgehen. Das heißt aber nicht, dass wir uns nicht gut überlegen sollten, wie wir mit dem Thema umgehen und wie wir Bewusstsein oder Akzeptanz für gewisse Positionen schaffen können. Wenn der Boulevard zum Beispiel bei seinem Wording von Cannabis als „Rauschgift“ bleibt, darf es einen auch nicht wundern, wenn sich der urbane Mythos vom weed-spritzenden Marihuana-Junkie, der entweder unter der Brücke lebt oder glaubt, er könnte fliegen, weiterhin anhält. Dass die momentane Cannabis-Prohibition nach so ziemlich allen rationalen Gesichtspunkten Bullshit ist und, wenn überhaupt, nur politisch einen Sinn ergibt, ist für mich jedenfalls Realität. Unsere Aufgabe als Medien ist es, einerseits auf die logischen Gründe, die dagegensprechen, aufmerksam zu machen, aber andererseits auch, die Konsequenzen und Alternativen aufzuzeigen."

Fazit:

Es gibt wohl kaum ein Thema, welches weltweit so viel Zuspruch findet, wie das Thema Cannabis. Für ein Themenfeld, was vor allem im medizinischen Bereich noch weitestgehend unerforscht ist, ist es erstaunlich, in welchem Tempo sich weltweit Menschen aller Alters- und Gesellschaftsschichten beginnen für eine Lockerung der Gesetze rund um den Hanf einzusetzen. Auch unter den Medien steigt die Frequenz der Erscheinungen zu diesem Thema, sowie auch die Kompetenzen im gesamten Umfeld in einem rasanten Tempo. Es hat sich bereits eine Eigendynamik entwickelt, die kaum noch aufzuhalten ist. Es scheint also nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis die politischen und infrastrukturellen Weichen für eine kontrollierte und selbstbestimmte Versorgung mit Cannabis gestellt werden.

Ist Legalisierung Mediensache? „nicht ausschließlich, aber ja“.

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